FOCUS OSTEOPOROSE INTERDISZIPLINÄRche Bedeutung von Osteoporose in derVorstellung der Ärzte in den letzten Jahrendeutlich zugenommen. So waren imJahr 1993 lediglich 49 % der Meinung,dass Osteoporose eine „sehr wichtige“oder „eher wichtige“ Bedeutung <strong>für</strong> dieVolksges<strong>und</strong>heit hat, <strong>und</strong> im Jahr 2007stieg dieser Anteil auf 84 %. DeutlicheDefizite sehen Allgemeinmediziner im Informationsstand<strong>und</strong> Informationsaustausch.So sind lediglich 35 % der Ärzteder Meinung, dass der Informationsstandder Patienten mit Osteoporose „sehr gut“oder „gut“ ist. Den Informationsaustauschzwischen den beteiligten Akteurenim Ges<strong>und</strong>heitssystem bezüglichOsteoporose (Allgemeinmediziner, Fachärzte,Sozialversicherung, Krankenhäuser,Entscheidungsträger) bezeichnen 74% der Befragten als „verbesserungswürdig“oder „mangelhaft“. 5Im Osteoporosebericht wurden auf 3Ebenen (Individualebene, Ebene derHealth Professionals <strong>und</strong> Kommunalebene)Public-Health-Empfehlungen abgegeben.Auf der Individualebene gilt es,die gesellschaftlichen Voraussetzungenzu schaffen, damit Einzelpersonen einenmöglichst geringen Risikolevel <strong>für</strong> Osteoporoseerreichen. Dazu gehört ausgewogeneErnährung mit ausreichend Kalzium<strong>und</strong> Vitamin D, reichlich Obst <strong>und</strong>Gemüse sowie moderaten Mengen anSalz; weiters regelmäßige körperliche Aktivität,Erhaltung eines ges<strong>und</strong>en Körpergewichtssowie der Verzicht auf Rauchen.Auf Ebene der Health Professionalswird ein Risk Assessment vor der Initiierungeiner <strong>Knochen</strong>dichtemessung empfohlen.Auf Kommunalebene werden dieAnreicherung von Lebensmitteln mit Kalzium<strong>und</strong> Vitamin D diskutiert, gezielteGes<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Awarenesskampagnen<strong>und</strong> Präventionsprogramme, die bereitsim Kindesalter beginnen. 3, 4Was sich seitdem getan hat: Seit Erstellungdes Osteoporoseberichts 2007 istbereits einige Zeit vergangen.Die Aufnahme von Vitamin D <strong>und</strong> Kalziumliegt in allen Altersgruppen nach wievor deutlich unter den Empfehlungen,insbesondere bei Senioren bezüglich VitaminD. Die Kalzium- <strong>und</strong> Vitamin-D-Aufnahme in der Bevölkerung ist seitvielen Jahren unverändert. 6 Durch eineErnährung entsprechend den <strong>Österreichische</strong>nErnährungsempfehlungen 7 wäregr<strong>und</strong>sätzlich eine adäquate Kalzium<strong>und</strong>Vitamin-D-Versorgung gewährleistet.Im Jahr 2010 wurden die <strong>Österreichische</strong>nEmpfehlungen <strong>für</strong> ges<strong>und</strong>heitswirksameBewegung <strong>für</strong> verschiedeneAltersgruppen publiziert. 8 Hier wird aufdie Wichtigkeit von muskelkräftigenden<strong>und</strong> knochenstärkenden Bewegungsformen<strong>für</strong> Kinder <strong>und</strong> Jugendliche speziellhingewiesen <strong>und</strong> in den grafischen Darstellungender Bewegungsempfehlungenberücksichtigt. Diese zeigen an High-Impact-Sportarten beispielsweise einschnurspringendes Mädchen sowie zweiJugendliche, die Judo betreiben. 9 Bei Erwachsenen,insbesondere bei älteren Erwachsenenwird ebenfalls auf die Wichtigkeitvon mindestens 2-mal wöchentlichenmuskelkräftigenden Übungen hingewiesen,auch da die Muskelmassesehr gut mit der <strong>Knochen</strong>masse korreliert.Bei älteren Erwachsenen werdenneben muskelkräftigenden Übungenauch Gleichgewichtsübungen empfohlen,um die Sturzgefahr zu minimieren. 8Auf Ebene der Health Professionals hatsich in den letzten Jahren einiges entwickelt.So wurde von der Weltges<strong>und</strong>heitsorganisationein Risikokalkulator erstellt(FRAX – Fracture Risk AssessmentTool), mit dessen Hilfe das individuelleRisiko <strong>für</strong> osteoporotische Frakturennach epidemiologischen Kriterien geschätztwerden kann. 10 Dieses Instrumentwird vor der Durchführung einer<strong>Knochen</strong>dichtemessung zur Risikostratifizierungeingesetzt. Inwieweit <strong>und</strong> vonwelchen Ges<strong>und</strong>heitsberufen dieser bereitsroutinemäßig verwendet wird, solltenoch näher untersucht werden.Es gab auch viele Diskussionen in denletzten Jahren, wie eine weitere Verbesserungder Versorgung von Patienten mitOsteoporose erreicht werden könnte. EineVerbesserung wäre durch die Etablierungintegrierter Versorgungsmodelle zuerreichen, in denen medizinische ebensowie soziale Dimensionen der Versorgunggeklärt werden, Schnittstellen definiert<strong>und</strong> deren Management koordiniert werden<strong>und</strong> ebenso ökonomische, logistische<strong>und</strong> strukturelle Dimensionen berücksichtigtwerden. Ein Resultat darauskönnte eine Leitlinie zur integrierten Versorgungvon Osteoporosepatienten oderdie Entwicklung eines Disease-Management-Programmssein. 11INSGESAMT kann gezeigt werden, dasssich die Einstellung der Akteure des Ges<strong>und</strong>heitswesensin Bezug auf Osteoporosein den letzten Jahren deutlich veränderthat <strong>und</strong> Osteoporose eine deutlichhöhere Bedeutung beigemessenwird. Diese Bedeutung spiegelt sich inbevölkerungsbasierten Empfehlungen zuLebensstiloptimierung wider. Der Aufschwungsollte jedoch genutzt werden,um noch wichtige weitere Schritte in derOptimierung der Prävention, Früherkennung<strong>und</strong> Versorgung von Osteoporosezu tätigen, insbesondere vor dem Hintergr<strong>und</strong>der demografischen Entwicklung,die eine Erhöhung der Osteoporoseprävalenzsowie eine Häufung osteoporotischerFrakturen mit den KonsequenzenImmobilität, Verlust der Selbstständigkeit<strong>und</strong> Institutionalisierung erwarten lässt.International gibt es bereits einige Projekte,in denen Lösungen <strong>für</strong> diese Problematikgef<strong>und</strong>en werden.■1 Johnell O. et al., Osteoporos Int 2006; 17:1726-332 Compston J.E. et al., Osteoporos Int 1998; 8: 531-4.3 Weichselbaum E., Dorner T.: <strong>Österreichische</strong>r Osteoporosebericht. In:Rieder A., Verein Altern mit Zukunft (ed). Wien, 20074 Dorner T. et al., Wien Med Wochenschr 2009; 159:221-95 Dorner T. et al., Wien Med Wochenschr 2009; 159: 247-52.6 Elmadfa I. et al.: <strong>Österreichische</strong>r Ernährungsbericht 2012. 1. Auflage,Wien, 20127 B<strong>und</strong>esministerium <strong>für</strong> Ges<strong>und</strong>heit. Die österreichische Ernährungspyramide.www.bmg.gv.at/home/Schwerpunkte/Ernaehrung/Empfehlungen/DIE_OeSTERREICHISCHE_ERNAeHRUNGSPYRAMIDE8 Titze S. et al., Arbeitsgruppe Körperliche Aktivität/Bewegung/Sport der<strong>Österreichische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong> Public Health. <strong>Österreichische</strong>Empfehlungen <strong>für</strong> ges<strong>und</strong>heitswirksame Bewegung. B<strong>und</strong>esministerium <strong>für</strong>Ges<strong>und</strong>heit, Ges<strong>und</strong>heit Österreich GmbH, Geschäftsbereich FondsGes<strong>und</strong>es Österreich (ed) Wien: Eigenverlag; 2010.9 Fonds Ges<strong>und</strong>es Österreich 2012; www.fgoe.org/der-fonds/infos/grafische-aufbereitung-der-bewegungsempfehlungen [letzter Zugriff: März<strong>2013</strong>]10 www.shef.ac.uk/FRAX/tool.jsp?locationValue=16 [letzter Zugriff: März<strong>2013</strong>]11 Eger K. et al., Int J Integr Care 2009; 9:e9124SPECTRUM OSTEOPOROSE 1/<strong>2013</strong>
DIAGNOSE & THERAPIEu Die häufigste Ursache <strong>für</strong> Osteoporose ist der postmenopausale Östrogenmangel. Der Lebensstil(Ernährung, körperliche Aktivität etc.), verschiedene Erkrankungen sowie diverse Medikamentekönnen jedoch ebenfalls Einfluss auf die Osteoporoseentstehung nehmen.u Aufgabe der Osteoporosediagnostik ist es u. a., die verschiedenen Ursachen von Osteoporoseals auch andere Erkrankungen mit <strong>Knochen</strong>dichteminderung differenzialdiagnostisch voneinanderabzugrenzen, um darauf aufbauend eine differenzierte <strong>und</strong> individuellangepasste Therapie einzuleiten.Klinik <strong>und</strong> Differenzialdiagnosender OsteoporoseAbb.: Zunehmende Größenminderung <strong>und</strong>Kyphose der Wirbelsäule bei progredienterOsteoporose (links); typisches „Tannenbaumphänomen“mit Hautfalten am Rückenbei fortgeschrittener Osteoporose (rechts)Osteoporose wird als systemische<strong>Knochen</strong>erkrankung definiert, diedurch unzureichende <strong>Knochen</strong>festigkeitzu einem erhöhten Frakturrisiko prädisponiert.Die <strong>Knochen</strong>festigkeit ergibt sichprimär durch die Komponenten <strong>Knochen</strong>dichte<strong>und</strong> <strong>Knochen</strong>qualität.Zahlenmäßig ist Osteoporose bei Frauenhäufiger als bei Männern. In Österreichsind laut dem „<strong>Österreichische</strong>n Osteoporosebericht2007“ insgesamt 740.000Personen über 50 Jahre betroffen, die anOsteoporose leiden. Davon sind geschätzte617.000 Frauen. Weltweit leidenetwa 200 Millionen Frauen an Osteoporose.Die Prävalenz der Osteoporose nimmtmit dem Alter zu. So kann die Prävalenzvon Osteoporose bei 60–70-jährigenFrauen mit einem Drittel, bei über85-jährigen Frauen mit zwei Dritteln angenommenwerden. Die Ursachen <strong>für</strong>die unterschiedliche Häufigkeit von Osteoporosebei Frauen <strong>und</strong> Männern liegenvor allem im raschen <strong>Knochen</strong>verlustnach der Menopause <strong>und</strong> in derhöheren Lebenserwartung der Frauenbegründet.Postmenopausale Osteoporose– klinischer VerlaufDie häufigste Ursache <strong>für</strong> Osteoporoseist der postmenopausale Östrogenmangel.Innerhalb von 3–4 Jahren nachEintritt der Menopause kann es zu einemausgeprägten <strong>Knochen</strong>verlustkommen, bedingt durch die fehlendeÖstrogen-vermittelte Hemmung der Osteoklasten.Die Folgen zeigen sich dann15–20 Jahre später mit dem Auftretenvon Frakturen. Bei postmenopausalenFrauen stellen Radiusfrakturen oftmalsdie ersten Frakturen (Indikator-Fraktur)dar <strong>und</strong> geben eventuell den Hinweisauf eine zugr<strong>und</strong>e liegende Osteoporose.Nachfolgend treten Wirbelkörper<strong>und</strong>Schenkelhalsfrakturen zunehmendin den Vordergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> bestimmen denweiteren Krankheitsverlauf. WiederholteStürze mit Frakturen mit teils ausgeprägtenSchmerzen, die Größenminderung,verminderte respiratorische Kapazitätdurch zunehmende Brustkyphose(Abb.) immobilisieren zunehmend diebetroffenen Patienten <strong>und</strong> mindern soderen Mobilität <strong>und</strong> Selbstständigkeit.Aber auch die Angst vor erneuten Stürzenbedingt <strong>und</strong> verstärkt einen zunehmendenRückzug der Betroffenen ausdem Alltagsleben <strong>und</strong> deren Isolation.Univ.-Doz. Dr. Peter MikoschLudwig-Bolzmann-Institut <strong>für</strong> Osteologie imHanusch-Krankenhaus der WGKK; UnfallkrankenhausMeidling der AUVA, Wienpeter.mikosch@wgkk.atChronische Schmerzen <strong>und</strong> die sozialeVereinsamung durch die fehlendenMöglichkeiten einer Teilnahme am sozialenLeben, führen eventuell auch zuDepressionen.Zusammenfassend stellt Osteoporose somiteine kaskadenartige Erkrankung mitinitial lediglich verminderter <strong>Knochen</strong>dichtedar, die sich jedoch im weiterenVerlauf auf unterschiedliche Organsysteme,die Lebensführung, Mobilität,Selbstständigkeit sowie die Morbidität<strong>und</strong> Mortalität negativ auswirkt.Relevanz derOsteoporosediagnostikOsteoporose <strong>und</strong> damit einhergehende<strong>Knochen</strong>brüche stellt somit gerade <strong>für</strong>den alten Patienten eine Erkrankung uSPECTRUM OSTEOPOROSE 1/<strong>2013</strong> 25