<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweighttp://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042519Und so ist die Bedeutung dieses Steines als Geist-Symbol durch das Motiv der Großsprechereiund Scharlatanerie eingeschränkt und relativiert. Darauf wird der Leserschon durch die unmittelbar vorher eingeschaltete Cagliostro-Erwähnung eingestimmt169).Was der Dichter im einzelnen über die Vorführung dieses Stückes mitteilt, läßtsich, vom Standpunkt der Quellen her gesehen, in zwei verschiedene Textelementeauseinanderlegen. Die eigentliche Beschreibung des Steines geht auf die ausführlichenhandschriftlichen Notizen zurück 170), während bei den mitgeteilten Legendenmit einem bestimmenden Einfluß der Schriften von Bücking und Syhel gerechnetwerden darf 171). Halten wir wiederum den Text der Tag- und Jahreshefte unddas bekannte Material gegeneinander.160) W A 35, 130: Die Communication der Weltbürger ging noch nicht so schnell wiegegenwärtig, noch konnte jemand, der an entfernten Orten wie Swedenborg, oder auf einerbeschränkten Universität wie Beireis seinen Aufenthalt nahm, immer die beste Gelegenheitfinden, sich in geheimnißvolles Dunkel zu hüllen, Geister zu berufen, und am Stein derWeisen zu arbeiten. Haben wir nid,t in den neuern Tagen Cagliostro gesehen, wie er großeRäume eilig durchstreifend, 'Wechselsweise im Süden, Norden, Westen seine T aschenspielereientreiben, und überall Anhänger finden konnte? 1st es denn zu viel gesagt, daß eingewisser Aberglaube an dämonische Menschen niemals aufhören, ja daß zu jeder Zeit sichimmer ein Local finden wird, 'Wo das problematisch Wahre, vor dem 'Wir in der Theorie alleinRespect haben, sich in der Ausübung mit der Lüge auf das allerbequemste begatten kann.170) Go e t he, Reisenotizen Bd. 4, 1-15.171) Der Beireis-"Diamant" in Besucherberichten und Beireis-Schrifttum: Erste Erwähnungbei Me e r man n (Besuch 1791) 88-89: "Und meine Leser werden es wohl schwerlicherwarten, daß d.lrunter [d. i. unter den Beireisischen Merkwürdigkeiten) sich auch ein ungeschliffenerDiamant befand, vor welchem die größten, die Europa bis jetzt bewundert hat,der Pitt und der Regent, der der portugiesisdlen Krone und der des Moguls schon in weitesterFeme die Flagge streidlen müssen. Dieser ungeheure Diamant ist nicht viel kleiner alsein Ey und über tausend Karrat schwer, und wenn auch gleich Herr Beireis, wie er mir sagte,so ganz genau ihn noch nicht gewogen hat, so ist doch so viel wenigstens klar, daß der innereWerth dieses Steins nach der angenommenen Bestimmungsart, auch nicht von allen MonarchenEuropens zusammen bezahlt werden kann. Seine Gestalt ist so, daß man ihn zu einem Brillantenschleifen könnte, aber dies Schleifen allein würde nicht weniger als eine halbe Million kosten.Herr Beireis versicherte, daß er alle Untersuchungen mit ihm vorgenommen habe und daßdiese die Aechtheit seines Adels bewiesen hätten. Ein Engländer ließ ein Wort von diesemDiamant gegen Herrn Beireis fallen und dieser wußte unmittelbar aus Ostindien, wo er verstecktlag, seiner habhaft zu werden." - Ar n i m (Besuch 1806) in: Sc h ü d d e k 0 p flU-lU. - An 0 n y mus (Besuch 1806) in: Me rb ach, Nachträge 70: "Seinen angeblichselbst verfertigten großen Diamanten, der von mehr Wert sein soll als ganz Europa,erkannte Brugmanns aus Leyden für einen indischen Rauchtopas." - A r n im. Dolores19
<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweighttp://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042519Bei der mineralogischen Besmreibung des Steines in den Tag- und 'lahresheftenentfallen alle Angaben der Taschenbuchnotizen, welche den Herkunftsort, das Karatgewichtund die Erwerbung des "Diamanten" betreffen. Ausgelassen werdenferner Literaturangaben und das Urteil des Mineralogen August Ferdinand vonVeltheim. Was Goethe über Gestalt und Größe, Durchsimtigkeit und chromatischeEigenschaften des fraglichen Objektes mitteilt, stammt eindeutig aus seinen Notigeeilt,und bringt als neu este Merkwürdigkeit seines Kabinets den handgroßen Diamant.Kopfsmüttelnd zeigt der Prinz den Ring seiner Hand, worauf Beireis die seine erhebt, undder Prinz durm das Feuer des daran sitzenden Brillantrings frappirt wird. Beide, fängtBeireis an, sind aber nur Lumpenhunde, dieß ist der emte Diamant! indem er den großenrohen und unansehnlimen Stein wieder aus der Tasme hervor holt. Doch nur der Kennerweiß ihn zu würdigen, und ich sehe smon, daß ich ihn muß abschleifen lassen. Einige hunderttausendThaler ist er dann weniger werth, muß man aber nimt manches thun, der dummenNarren wegen"; e b d Q. S. SZ-53: "Was dieser große Diamant war, und wie er in BeireisHände kam, ist noch nicht völlig erklärt. Er soll alle Merkmale des Diamants, die Schwere,Elektricität, Festigkeit, von der englischen Feile nicht angegriffen zu werden, u.s.w. besessenhaben; doch kommen die meisten Kenner überein, daß er ein Madagaskarscher Kiesel gewesen.Über die Art, wie er zu Beireis gekommen, erklärte sich der Verstorbene. Ein gewisser HerrKulmann, der ein bedeutendes Vermögen hatte, beerbt seinen Oheim, welmer in IndienSmätze gesammelt, kann des Glücks aber nimt genießen, denn eine der unheilbarsten Krankheitenraubt ihm jeden Frohsinn und spottet der Kunst aller Ärzte, obgleim er den Rathder vorlüglichsten in Anspruch genommen. Endlich kömmt er zu Beireis, und rasch, angenehmund sicher geheilt, weiß er dem Danke keine Grenzen zu setzen, besonders, da er dem Arztedas reiche Naturalienkabinet des Oheim zur Auswahl überlassen, und dieser nichts zu habenverlangt, als einen unscheinbaren Kiesel, unter dessen Hülle er aber den größten SdJatz derWelt erkannte. Nichtjedermann zeigte er diesen Stein, noch vertraute er allen das Geheimnißan, smon eine Sammlung von kleinen Diamanten, 100,000 Thaler an Werth, zu besitzen, dieaber lange nom nicht hinreiche, um diesen großen Diamant dereinst briIlantiren zu können";Sybel druckt e b d 8. 55-57 auch einen Brief von Beireis an den Superintendenten zu Calvördeund Volksschriftsteller Johann Heinrich Helmuth [gest. 1813] vom 14.5.18°9 ab. Der Wortlautdieses Briefes ist für die Textgeschichte der Tu1 nimt uninteressant: "Ew. Homehrwürdenmelde ich gehorsamst, daß der Kiesel oder Kieselstein, allerdings eine Art (species)von den zur Kieselerde gehörigen Steinen ist, weil er am meisten von der Kieselerde enthält.Der Mineraloge, Herr Pastor Rudolphi, hat nime daran gedacht, daß Ihre Volks-Naturgeschimtenime für Gelehrte, sondern für Ungelehrte gesmrieben ist, wenn er darin manchesvermißt; denn sonst hätten Sie auch unter den aneeführten Erden die Schwererde und dieZirkonerde anführen müssen. Bisher hatte man noch immer den Diamant als eine Unterartder Kieselsteine angesehen, wie Ew. Hochehrwürden gethan haben; es ist aber gänzlicherwiesen, daß er gar nimt unter die Steine, sondern unter das verbrennliche Wasser gehöre,denn er läßt sich im Feuer gänzlich verdampfen, so, daß keine Spur davon übrig bleibt, under brennt mit dem smönsten hellsten Limte unter einer sehr erhitzten Muffel in einemProbirofen, und im habe mie Vergnügen Brillanten darunter so verschwinden sehen, daß,wenn schon sechs Achttheile davon verdampft waren, alle gesmliffene Facetten noch ebenso deutlim zu sehen waren, als bei größeren Steinen. Die Brasilianischen Diamanten sehenalle wie Kieselsteine aus, die Asiatismen besonders. Aber mein größter in der Welt ausSemhulpor oder Sumulpur bei Bengalen, der über fünf Mal schwerer als der des Königs vonPortugal [.•.]. Von meinem größten Diamant sagt der in Holland noch lebende Herr vonMeermann in seinem .•. Buche, S. 89, daß er nicht viel kleiner als ein Ey sei. Nein! wahrlicher ist viel größer und noch ein Mal so groß. Er hat fast alles Unglaubliche, welches er inmeinem Hause gesehen, nur halb so groß angesetzt, als von ihm gesehen worden. [.•.] Vondiesem meinem Diamanten ist es völlig wahr, daß er nach der bekannten Bestimmungsart vonallen Monarchen Europa's zusammen genommen niche bezahlt werden könne. Diesen Diat75