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Braunschweigisches Jahrbuch 49.1968 - Digitale Bibliothek ...

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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweighttp://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042519geheimnisvolle Bild des Almymistenarztes und Goldmamers. Es charakterisiertBeireis, daß er es zuließ, wenn sim die abergläubische Einbildungskraft seiner Zeitin dieser Weise mit ihm beschäftigte und ihm übernatürliche Fähigkeiten zuschrieb.So wurde er für die Stadt Helmstedt fast so etwas wie eine lokale Sagenfigur, eineMischung aus Doktor Eisenbart und Münchhausen. Aum die Analogie zum historischenDoktor Faustus und der Faustgestalt des Volksbuches drängt sich hier auf.Dennoch ist Beireis keine echte Sagengestalt geworden 18). Daß der Keim, der mitdem Alchymistengerücht gegeben war, nicht zur vollen Entfaltung gelangte, hängtdamit zusammen, daß um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert die Wachstumsbedingungenfür eine solme Sagenbildung nicht mehr in gleicher Weise gegebenwaren, wie dies noch in früheren Jahrhunderten der Fall war. Zum anderen habensich die Beireis-Biographen bald um eine bürgerliche Ehrenrettung ihres Professorsbemüht, was soviel bedeutete wie eine "Entmythologisierung" seiner Gestalt. Aufdiese Weise wurde dem weiteren \Vachstum, zugleich aber auch dem rechten Verständnisder Beireis-Legende entgegengewirkt. Goethe hat sim der Legende desHelmstedter Gelehrten als eines biographismen Kunstmittels bedient. Mißverständnisseund Fehlurteile hinsichtlich der Goetheschen Charakteristik, wie sie beiden Beireis-Biographen gelegentlim festzustellen sind, haben hier ihre tiefereWurzel 14). Es ist das Verdienst Bessmcrtnys, erstmals klar herausgestellt zu haben,18) R i eh I 139-14°: "Jener wunderliche Bund der Charlatanerie und der Wissenschaft,zeidlendeutender Mystik mit scharfblickender Beobachtung, der in der Renaissance in großengelehrten Gruppen, als der Astrologen, Alchymisten, Theosophen ete. gleichsam zünftiggeworden, klingt in der Rococozeit in einzelnen Wundermenschen aus. Mesmer, Lavater,Athanasius Kircher, Cagliostro sind solche Rococofiguren mitten im Zopfe. Professor Beireisin Helmstädt, der sich im achtzehnten Jahrhundert noch auf's Goldrnachen legte, mit seinenCuriositätensammlungen unglaubliche Gaukelei trieb, und seinen aufgeklärten Zeitgenossenweiß machte, daß er einen Diamant von 6400 Karat Gewicht besitze, den der Kaiser vonChina bei ihm versetzt habe, würde in früheren Zeiten, wofern man ihn nicht rechtzeitig alsHexenmeister verbrannt hätte, das Haupt einer Schule geworden seyn. Im achtzehnten Jahrhundertblieb er nur ein geheimnißvoller Originalmensch, dessen bunter Kram von allenReisenden angestaunt wurde, halb Charlatan, halb Gelehrter, jedenfalls aber ein wunderbarerVirtuos der Persönlichkeit. In unsern Tagen wäre auch schon eine solche vereinzelte Originalfigurgar nicht mehr möglich. Sie ist durduus Rococo."14) Vgl. zum Beispiel He ist er 98: "Bei Allem, was Goethe, übrigens höchst interessant,von Beireis berichtet, fehlt Milde"; e b d a. 189: "welche unlautere Motive unterlegtGoethe der Verehrung, deren sich Beireis allgemein erfreute". - He i s e 1-1: "Goethe sagtzuviel, um unvoreingenommen zu erscheinen. Aus allem klingt, da Verständnislosigkeit nichtanzunehmen ist, Ablehnung heraus. Der Grund: Hier war ein ganzer Mann, in sich selbstunerschüttert, der sich, wie Diogenes in seiner Tonne, in seinem Kreise genug sein ließ, denAlexander deutscher Dichtung nicht anders behandelte wie einen Namenlosen, für ,Erörterungen'nicht zu haben war, eine Sonne, kein Planet. Im eigenen Sonnen gefühl hat Goethe dasnicht ertragen und durch Aufzählung und Vergröberung von Sonnenflecken das Wesen desGeschilderten falsch überliefert. Er hatte es leicht, ,Erörterungen' waren schon vom lebendenBeireis nicht zu fürchten gewesen, aber als die ,Annalen' schließlich veröffentlicht wurden,war Beireis lange tot und Goethe selbst alt und kaum noch so ,wohl und beweglich gebaut,munter und ungeheuchelt tätig', wie jener in gleichen Jahren. Gletscherkühl in der Auffassung,ungeschickt im Stil ist die Redaktion der Tagebuchnotizen von 1805 geraten, innerlichverarbeitet und lebendig ausgedrückt wird das Erlebnis mit Beireis nicht."115

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