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Stadtspiegel 10 11 2010 - der Stadt Eisenhüttenstadt

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Volkstrauertag<br />

Die Geschichte ist nichts<br />

Statisches, sie muss manchmal<br />

in Teilen umgeschrieben<br />

werden, wenn <strong>der</strong> Historiker<br />

neue Erkenntnisse gewinnt<br />

und <strong>der</strong> Wahrheit verpflichtet<br />

sein will. Die Sieger eines<br />

Krieges schreiben die Geschichte,<br />

aber sie muss nicht<br />

wahr sein, es ist nur ihre<br />

Wahrheit. Da die DDR bzw. die<br />

SED gemäß einer damals<br />

verbreiteten Losung sich zu<br />

den Siegern <strong>der</strong> Geschichte<br />

zählte, weil mit <strong>der</strong> großen<br />

Sowjetunion verbündet, war<br />

auch ihre Geschichtsschreibung<br />

entsprechend. Die<br />

richtigen Schlüsse aus <strong>der</strong><br />

Geschichte lassen sich nur<br />

ziehen, wenn sie korrekt<br />

dargestellt worden ist.<br />

Für weitere Hinweise zum<br />

Beitrag wäre ich deshalb<br />

dankbar.<br />

Zum Volkstrauertag<br />

Das Kriegsende in Fürstenberg/<br />

O<strong>der</strong> - zivile Gewaltopfer auf<br />

beiden Seiten <strong>der</strong> Front<br />

Wer rettete die Zwillingsschachtschleuse<br />

wirklich vor<br />

<strong>der</strong> Sprengung?<br />

Zu Ehren des am Kriegsende<br />

erschossenen Ehepaares Emma<br />

und Siegfried Fellert gibt es im<br />

Eisenhüttenstädter Ortsteil<br />

Fürstenberg eine ihnen zu<br />

Ehren benannte Straße,<br />

“Stolpersteine” vor dem<br />

Geburtshaus von Siegfried<br />

Fellert und einen Gedenkstein<br />

auf dem jüdischen Friedhof,<br />

<strong>der</strong> zugleich den Familienangehörigen<br />

Albert, Kurt, Elsa,<br />

geb. Luft sowie ihren Kin<strong>der</strong>n<br />

Rita und Lothar Fellert<br />

gewidmet ist, die durch die<br />

Judenverfolgung während des<br />

Krieges ums Leben kamen. Die<br />

Gedenktafel am Geburtshaus<br />

verschwand lei<strong>der</strong> nach <strong>der</strong><br />

Sanierung des Hauses um 1991.<br />

Anfang Februar 1945 hatten<br />

sowjetische Einheiten auch die<br />

O<strong>der</strong> erreicht und standen<br />

Fürstenberg bedrohlich nahe.<br />

Um ihnen die Einnahme<br />

Fürstenbergs zu erschweren,<br />

wurde am 4. Februar die<br />

O<strong>der</strong>brücke gesprengt. Damit<br />

Kampfeinheiten besser<br />

agieren konnten, wurde die<br />

<strong>Stadt</strong> zur Festung erklärt und<br />

<strong>der</strong>en Einwohner aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

sie binnen weniger Tage<br />

Richtung Westen zu verlassen.<br />

Es blieben wenige Fürstenberger<br />

im Ort, u. a. Ewald Finke,<br />

Malzweg 5. Er war Landwirt<br />

und ab 1940 von <strong>der</strong> Wehrmacht<br />

freigestellt. Der Grund:<br />

seine Frau war gestorben, die<br />

sich solange um die 3 kleinen<br />

Kin<strong>der</strong> und die Wirtschaft<br />

gekümmert hatte. Jetzt<br />

transportierte er als Volkssturm-Mann<br />

mit seinem<br />

Pferdegespann Lebensmittel<br />

von <strong>der</strong> Entladestation in den<br />

Seebergen zum Einsatzstab in<br />

<strong>der</strong> Molkerei und an<strong>der</strong>swohin.<br />

Damit blieben auch seine<br />

drei Kin<strong>der</strong>, seine Lebensgefährtin<br />

sowie <strong>der</strong> 9-jährige<br />

Günter, Sohn des Johann<br />

Slosarek, <strong>der</strong> als Volkssturmmann<br />

unweit seiner Wohnung,<br />

Malzweg 5, von<br />

Schleppkähnen Kohle entladen<br />

musste, samt <strong>der</strong> ukrainischen<br />

Fremdarbeiterin<br />

Mariechen als Kin<strong>der</strong>mädchen.<br />

Verstecken konnten sie sich im<br />

Keller des Korbmachermeisters<br />

August Rex, Gubener Straße<br />

60. Rex war ebenfalls beim<br />

Volkssturm im Hafen verpflichtet<br />

worden. (Obwohl die als<br />

Kin<strong>der</strong>mädchen tätige<br />

Fremdarbeiterin aus <strong>der</strong><br />

Sowjetunion, genannt<br />

Mariechen, den illegalen<br />

Aufenthalt in <strong>der</strong> Festung<br />

unbeschadet überstand -<br />

sicherlich weil unentdeckt<br />

geblieben - wurde sie danach<br />

von den eigenen Landsleuten<br />

vergewaltigt, berichtet Günter<br />

Slosarek. Diese ruchlose Tat<br />

war wohl begünstigt worden,<br />

weil gewalttätige Rotarmisten<br />

keine deutschen Frauen<br />

antrafen.)<br />

Es gab Personen, die aus<br />

welchen Gründen auch immer,<br />

den Räumungsbefehl nicht<br />

befolgten o<strong>der</strong> illegal inner-<br />

halb <strong>der</strong> rund neun Wochen<br />

zurückkamen, in <strong>der</strong> Fürstenberg<br />

an <strong>der</strong> Hauptkampflinie<br />

(HKL) lag. Es waren meistens<br />

Leute, die vor allem am Rande<br />

<strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> ihre Wohnung hatten<br />

und sich dort gut verstecken<br />

konnten. Aber nicht nur dort.<br />

Auch das Ehepaar Fellert,<br />

welches mitten in <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>,<br />

im so genannten Judenhaus,<br />

in <strong>der</strong> damaligen Prinz-<br />

Carolath-Straße <strong>10</strong> und <strong>der</strong><br />

heutigen Fellertstraße <strong>10</strong>,<br />

wohnte. (Das Haus gehörte<br />

laut Adressbuch von 1937 dem<br />

jüdischen Bürger Arthur Klein,<br />

dessen Nachkommen es durch<br />

ein Restitutionsverfahren nach<br />

1990 zurückerhielten und<br />

dann an Familie Schnei<strong>der</strong><br />

verkauften.) So wie das<br />

Ehepaar Fellert dachten<br />

mehrere Fürstenberger Anfang<br />

Februar 1945: die Front würde<br />

bald über die <strong>Stadt</strong> hinweggehen<br />

und uns damit auch an<br />

einem eventuellen Evakuierungsort<br />

erreichen. Also<br />

bleiben wir. Siegfried Fellert<br />

meinte des Weiteren - so wird<br />

berichtet - als Jude sei er<br />

Verfolgter des braunen<br />

Regimes und bräuchte keine<br />

Repressalien <strong>der</strong> Sowjets zu<br />

befürchten.<br />

Laut “Polizeiverordnung über<br />

die Kennzeichnung <strong>der</strong><br />

Juden”, vom 1. 9. 1941, musste<br />

Siegfried Fellert, da die Ehe<br />

kin<strong>der</strong>los blieb, zwar einen<br />

gelben Stern tragen und<br />

Nachteile in Kauf nehmen,<br />

aber er war in gewisser Weise<br />

geschützt o<strong>der</strong> privilegiert<br />

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