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Agrarwelt - Stiftung Rheinische Kulturlandschaft

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<strong>Agrarwelt</strong><br />

20 I Titelthema<br />

dlz agrarmagazin ◾ Januar 2012<br />

Nützen<br />

und schützen<br />

Zahlen & Ziele<br />

für Biologische Vielfalt<br />

Wichtige Kennzahlen zur Nationalen<br />

Strategie für Biologische Vielfalt:<br />

• < 30 ha pro Tag für Siedlung, Verkehr;<br />

• 25 % unzerschnittene, verkehrsarme<br />

Räume, Erhalt auf heutigem Niveau;<br />

• 20 % ökologischer Landbau;<br />

• 19 % landwirtschaftliche Flächen mit<br />

hohem Naturwert;<br />

• 10 % funktionierende Biotop-Verbünde;<br />

• 5 % Wald-Entwicklung und<br />

• 2 % natürliche Wildnis;<br />

•<br />

100 % Grünland-Nutzung auf Niedermoor-Böden.<br />

Quelle: BfN


Foto: landpixel<br />

Flächenverbrauch Sieben Prozent ökologische Vorrangflächen<br />

auszuweisen, wie die EU das vorschlägt, würde die Stilllegung<br />

quasi wieder einführen. Dabei ist der ungebremste Flächenfraß<br />

durch Energiewende, Siedlung und Verkehr längst ein<br />

Topthema. Überdies werden vorgeschriebene Ausgleichs­ und<br />

Ersatzflächen für den Naturschutz zunehmend problematisch.<br />

Wie passt das alles zusammen? Wir nennen Lösungsansätze.<br />

Gut 90 ha fruchtbaren Bodens täglich<br />

zu versiegeln, 120 Fußballfelder, das<br />

können wir uns schon lange nicht<br />

mehr leisten. Zumal der künftige Flächenbedarf<br />

allein für die Energiewende noch<br />

gigantischer sein wird. Gut 4.000 km neuer<br />

Stromleitungen vor allem von Nord- nach<br />

Süddeutschland sind nach Schätzungen<br />

der Deutschen Energie-Agentur bis 2020<br />

nötig. Allein in Ostdeutschland rechnen<br />

Fachleute mit rund 1.600 km Trassenbau.<br />

Daraus leitet sich für die nächsten zehn<br />

Jahre ein Kompensationsbedarf von rund<br />

23.000 ha ab.<br />

Beim ungebremsten Flächenfraß ist<br />

komplettes Umdenken nötig. Doch bis in<br />

die Politik scheint das noch wenig vorgedrungen<br />

zu sein. So ist der EU-Vorschlag<br />

vollkommen kontraproduktiv, künftig sieben<br />

Prozent ökologische Vorrangflächen<br />

vorhalten zu müssen. Das würde weitere<br />

rund 600.000 ha Nutzfläche in Deutschland<br />

aus dem Verkehr ziehen. Zum Vergleich:<br />

Seit 1992 wurden durch Überbauung über<br />

800.000 ha der Nahrungsmittelerzeugung<br />

entzogen. Das entspricht der landwirtschaftlichen<br />

Fläche von Rheinland-Pfalz<br />

und dem Saarland zusammen.<br />

Dabei erklären Agrarpolitiker durch alle<br />

politischen Reihen den Schutz landwirtschaftlicher<br />

Flächen, aber auch den Arten-<br />

Entsiegeln statt Asphaltieren: Bebauen oder<br />

Beschneiden durch Ausgleichsmaßnahmen<br />

verschwendet oft fruchtbaren Boden.<br />

und Naturschutz zu Topthemen. Wie das<br />

unter einen Hut zu bringen ist, sagt kaum<br />

jemand. Konkrete Entscheidungen zum<br />

Ausgleich für den mit der Energiewende<br />

dringend gewordenen Ausbau der Stromnetze<br />

hat die Bundesregierung immerhin<br />

für dieses Jahr angekündigt. Wie sie konkret<br />

aussehen sollen, ist noch offen.<br />

Anrechenbare Fläche ausweiten<br />

Vom Greening-Vorschlag der EU rücken<br />

selbst die deutschen Agrarminister ab. Sie<br />

wollen die anrechenbaren Flächen dafür<br />

ausweiten und Agrarumweltmaßnahmen,<br />

Vertragsnaturschutz- und Bioflächen<br />

mitzählen. Anerkennen wollen sie auch<br />

Landschaftselemente, Büsche, Hecken oder<br />

Gewässerränder, also Flächen mit Schutzanforderungen<br />

nach EU-Wasserrahmenrichtlinie<br />

oder EU-Naturschutzrecht.<br />

Vor allem Ausgleichs- und Ersatzflächen<br />

für den Naturschutz stehen im Fokus<br />

des Flächenraubs. Die müssen bei Bautätigkeiten<br />

selbst von Bioags- oder Windkraftanlagen<br />

immer noch neu ausgewiesen<br />

werden. „Wer versteht noch“, fragt sich<br />

mancher Energiewirt, „dass für Windräder<br />

auf hoher See bei uns an Land noch Ausgleichsflächen<br />

verbraucht werden“?<br />

Die Herausforderungen von Ernährung<br />

und Energiewende fordern hier Gegensteuern:<br />

Der Flächenverbrauch ist drastisch<br />

zu vermindern. Dazu sind detaillierte<br />

Vorschläge gemacht. Im Mittelpunkt einer<br />

Titelthema I 21<br />

Schneller Überblick<br />

• Die Herausforderungen bei der Versorgung<br />

mit Lebensmitteln und Energie bei<br />

zugleich abnehmenden Nutzflächen sind<br />

groß. Der Flächenfraß ist zu stoppen.<br />

• Nicht extensive, sondern hocheffiziente<br />

Agrarproduktion dient dem Umwelt-, Klimaund<br />

Gewässerschutz. Intensive, nachhaltige<br />

Landwirtschaft braucht Agrarforschung.<br />

• Für Flächen- und Naturschutz sind intelligentere<br />

Lösungen bei Ausgleichs- und<br />

Ersatzmaßnahmen gefragt. Beispiele sind<br />

besser vergütete Agrarumweltmaßnahmen,<br />

Flächenpools oder Ökokonten, schließlich<br />

Ersatzgeld und viel mehr Entsiegelung.<br />

• Das Prinzip der Flächenefffizienz gehört<br />

gestärkt: Gefordert sind in die Produktion<br />

integrierte Möglichkeiten. Gezielter Naturschutz<br />

in Kooperation mit Land- und Forstwirten<br />

muss Vorrang haben vor flächigen<br />

Ausweisungen von mehr Schutzgebieten.<br />

Gesetzesinitiative könnte ein eigenes Artikelgesetz<br />

stehen zum Schutz landwirtschaftlicher<br />

Flächen. Darüber soll sogar<br />

der Petitionsausschuß des Bundestages<br />

befinden: 15.000 Unterschriften kamen bis<br />

Redaktionsschluss in einer Unterschriftenaktion<br />

des Bauernverbandes in wenigen Tagen<br />

zusammen. In Bundesgesetzen fehlt es<br />

bisher meist an solchen Schutzklauseln.<br />

Auf Äcker statt Asphalt setzen<br />

Bauprojekte und Naturschutz fressen in<br />

Deutschland Tag für Tag die Fläche, auf der<br />

rund 700 t Weizen wachsen. Ein Vielfaches<br />

der Fläche für neue Straßen und Gewerbegebiete<br />

verbraucht der zum Ausgleich<br />

vorgeschriebene Naturschutz.<br />

„Erfahrungsgemäß wird mehr Landwirtschaftsfläche<br />

durch naturschutzfachlichen<br />

Ausgleich entzogen als für den eigentlichen<br />

Um Biotope zu vernetzen, sind Randstreifen<br />

eine sinnvolle Möglichkeit. Nötig dafür ist<br />

jedoch ein angemessener Ausgleich.<br />

www.dlz-agrarmagazin.de<br />

Foto: agrar-press


<strong>Agrarwelt</strong><br />

22 I Titelthema<br />

Mehrheit<br />

gegen Zubau<br />

Die Mehrheit der Deutschen will landwirtschaftliche<br />

Flächen vor Zubau schützen.<br />

Das geht aus einer repräsentativen<br />

Studie des Instituts ‚Produkt und Markt‘ in<br />

Osnabrück hervor, das gut 1.000 Bürger, im<br />

Auftrag vom Bauernverband, befragt hat.<br />

• 67 Prozent der Bevölkerung sind für gesetzlichen<br />

Schutz von Äckern und Grünland<br />

vor Bebauung.<br />

• 84 Prozent sind dafür, alte Industrieanlagen<br />

und innerstädtische Lagen zu<br />

sanieren.<br />

• 3/4 der Bevölkerung möchte die Innenentwicklung<br />

der Städte und Dörfer voranbringen<br />

und ist gegen Bauten auf der<br />

„grünen Wiese“.<br />

Straßenkörper“, sagt etwa Hans-Joachim<br />

Kraus Geschäftsführer der Heide Agrar<br />

GmbH in Colbitz, Sachsen-Anhalt, die<br />

2.100 ha bewirtschaftet, davon 300 ha<br />

Eigentum. Er erläutert das Problem am<br />

Beispiel der Nordverlängerung der A14.<br />

Davon ist er mit gut 100 ha betroffen. Seiner<br />

Ansicht nach mag die Autobahn eine<br />

sinnvolle Investition sein. „Für Pächter<br />

Für die Energiewende werden in den kommenden<br />

Jahren mehr als 4.000 km Leitungstrassen<br />

gebaut: Das kostet Hektar.<br />

dlz agrarmagazin ◾ Januar 2012<br />

Foto: landpixel<br />

erhöhen sich aber erst mal die Pacht- und<br />

Kaufpreise“.<br />

Zudem ist der Landwirt von Ersatzmaßnahmen<br />

für die Erweiterung der benachbarten<br />

Kalihalde betroffen. Der Ausgleich<br />

ließe sich schaffen, indem „vorrangig vernachlässigte<br />

Biotope, Landschaftselemente<br />

sowie versiegelte Industriebrachen wieder<br />

in wertvollen Zustand versetzt würden“,<br />

fordert der Rinder- und Sauenhalter.<br />

Schließlich gibt es viele sinnvolle Projekte,<br />

von denen die <strong>Kulturlandschaft</strong> wirklich<br />

profitiert: Aufwerten der Kiefernwälder<br />

zu wertvollen Mischwäldern im Fall<br />

der A14. Oder die regelmäßige Pflege von<br />

vielen Kilometern Feldhecken allerorten.<br />

Oder die Landschaftspflege mit Weidetieren<br />

„für einen Gewinn an Artenvielfalt“.<br />

Diese und viele weitere Ideen lassen sich<br />

mit mehr Mut vor allem der zuständigen<br />

Bauplaner und Behörden in die Tat umsetzen.<br />

Hans-Joachim Kraus: „Denn was<br />

bringt es, wenn Bäume und Sträucher auf<br />

einen Acker gepflanzt werden und das neue<br />

Biotop mangels Pflege verkommt?“<br />

Allzu oft greifen die für Ausgleich zuständigen<br />

Behörden noch auf den Weg<br />

des geringsten Widerstands zurück. Sie<br />

wandeln lieber Äcker in Wald oder Biotope<br />

um. Der Gesetzgeber hat diesen Missstand<br />

zwar erkannt und 2009 das Bundesnaturschutzgesetz<br />

novelliert. Seitdem sieht die<br />

Eingriffsregelung vor, dass zum Ausgleich<br />

das Entsiegeln bebauter Flächen sowie die<br />

Biotoppflege durch Landwirte Vorrang haben.<br />

Das soll vermeiden, dass Landwirtschaftsflächen<br />

aus der Nutzung fallen. Aber<br />

bis in die Praxis vieler Ämter vor Ort ist<br />

das bisher kaum vorgedrungen.<br />

Der Grundsatz der Flächenschonung<br />

ist bei der Ausgleichs- und Eingriffsregelung<br />

also auch über das Bundesnaturschutzgesetz<br />

zu stärken. Nötig scheint eine<br />

Hecken sind ein Paradies für viele<br />

geschützte Arten. Pflanzung und Pflege<br />

erfordern jedoch Aufwand.<br />

Entwicklung von Naturschutz- und Ackerflächen<br />

20.000<br />

15.000<br />

10.000<br />

5.000<br />

0<br />

Fläche (1.000 ha)<br />

Quelle: Statistisches Jahrbuch 2010<br />

Foto: agrar-press<br />

gesetzliche Pflicht, den Ausgleich für Bautätigkeiten<br />

über Entsiegelung vorzunehmen<br />

oder jedenfalls „flächenneutral“.<br />

Ausgleichsregeln überprüfen<br />

„Warum sollte ein Ausgleich nicht auch in<br />

Euro und Cent möglich sein“, fragt jeder<br />

Bauherr, der Naturschutz im Bewußtsein<br />

hat. Schließlich hat die Regierungskoalition<br />

die Gleichstellung von Ersatzgeld mit<br />

Kompensationsmaßnahmen nach Angaben<br />

des Bauernverbands bereits zugesagt, aber<br />

noch nicht umgesetzt. Dabei darf das Geld<br />

nicht zur Haushaltssanierung zweckentfremdet<br />

werden „oder gar zum Flächenkauf<br />

“, ärgern sich viele Bewirtschafter<br />

in der Nachbarschaft. Deren Pachtpreise<br />

steigen dann nämlich mangels weiterer<br />

Flächen meist an.<br />

Ein Vorschlag in diese Richtung ist auch,<br />

einen Entsiegelungsfonds einzurichten,<br />

der Brachen revitalisiert, gespeist über Ersatzgeld.<br />

Der könnte zudem – ähnlich den<br />

Flächenpools – Ausgleichsmaßnahmen<br />

bündeln. Auch der Ersatz für geschützte<br />

Arten und Biotope nach der Fauna-Flora-<br />

Habitat (FFH)-Richtlinie muss dem Prinzip<br />

1990 1995 1999 2000 2005 2009<br />

Dauergrünland<br />

Ackerland<br />

Landwirtschaftlich genutzte Fläche<br />

Nationalparke<br />

Biosphärenreservate<br />

Naturschutzgebiete<br />

Naturparke<br />

Naturwaldreservate<br />

Feuchtgebiete<br />

2012


der Flächenschonung unterliegen. Dabei ist<br />

das „Feld“ nicht einer Seite zu überlassen:<br />

Für Natur- und Flächenschutz mit Augenmaß<br />

ist ein ‚Fachbeitrag Landwirtschaft’<br />

ebenso gleichrangig nötig wie der übliche<br />

‚Fachbeitrag Naturschutz’.<br />

Schließlich gehören Agrarumweltmaßnahmen<br />

stärker auf den Prüfstand.<br />

Der Schwerpunkt muss auf nachhaltiger<br />

Bewirtschaftung liegen. Die muss hochproduktiv<br />

sein und effektiv, aber nachteilige<br />

Umweltwirkungen vermeiden.<br />

Flächenneutrale Möglichkeiten, etwa<br />

Pflege oder Aufwerten vorhandener Biotope,<br />

kommen meist viel zu kurz. Oft werden<br />

die „Ersatzflächen für teures Geld angelegt,<br />

nach wenigen Jahren aber kümmert<br />

sich niemand mehr“, wissen Betroffene zu<br />

berichten. Deutlich besser sind da Projekte<br />

mit Landwirten oder produktionsintegrierte<br />

Möglichkeiten.<br />

Flächenpools fördern<br />

Angesehen bei den Bauern sind <strong>Stiftung</strong>en,<br />

die Flächenpools und Ökokonten bieten.<br />

Beim Ausbau der Energienetze ist eigentlich<br />

„kein Wettlauf um Ausgleichs- und<br />

Ersatzmaßnahmen nötig“, meint Dr. Manfred<br />

Klein, Leiter des Agrar- und Waldbereichs<br />

im Bundesamt für Naturschutz.<br />

„Und auch keine Flächenkonkurrenz, weil<br />

Flächenagenturen bevorratete Angebote<br />

für die Kompensation bereits vorhalten.“<br />

Bundesweit gibt es nach seiner Auskunft<br />

rund 600 Anbieter von Ökokonten.<br />

Natürlich müssen die Naturschutzbehörden<br />

vor Ort diese Pools auch fachlich<br />

anerkennen. Letztlich entscheidet die Qualität<br />

der Planungsleistungen. Oft geschieht<br />

die durch beauftragte, in der Region nicht<br />

immer erfahrene Planungsbüros. Sicher ist:<br />

Die Fachleute vor Ort sind die Landwirte,<br />

die „ihre Natur“ am besten kennen.<br />

Schutzgebiete in Deutschland<br />

Gebietstyp Schutz<br />

(Wirkung)<br />

Anzahl<br />

Fläche*<br />

(in Prozent)<br />

Nationalparke • 14 0,54<br />

Naturschutzgebiete • 8491 3,6<br />

FFH-Gebiete • 4621 9,3<br />

EU-Vogelschutzgebiete • 738 11,2<br />

Biosphärenreservate • 16 3,5<br />

Landschaftsschutzgebiete • 7409 28,5<br />

Naturparke • 102 26,8<br />

*bezogen auf die terrestrische Fläche Deutschlands; mit vielfältigen<br />

Überlagerungen, Aufsummierung daher unzulässig;<br />

• = streng geschützt, • = mittel, • = relativ leicht geschützt;<br />

FFH = Fauna-Flora-Habitat; Quelle: BfN; detaillierter Karten-<br />

Service zum Schutzniveau Ihrer Flächen im Internet<br />

http://www.bfn.de/0308_gebietsschutz.html<br />

2012<br />

Pools, <strong>Stiftung</strong>en,<br />

Agenturen, Vereine und Verbände helfen weiter<br />

EEG-Anlagen ausnehmen<br />

Letzlich ist zur Flächenschonung auch<br />

wichtig, dass die Bewertungssysteme zur<br />

Bemessung von Eingriffen samt Kompensationsbedarf<br />

bundesweit vereinheitlicht<br />

werden. Nur so lässt sich etwa Entsiegelung<br />

priorisieren. Das Revitalisieren von Flächen<br />

muss dringend aufgewertet werden.<br />

Denkbar ist ein Bonus-/Malus-System, das<br />

Zu- oder Abschläge für Flächenschonung<br />

von Ausgleichsmaßnahmen vergibt.<br />

Titelthema I 23<br />

Name Adresse Telefon / Fax Internet / Mail Verzeichnis<br />

Deutsche <strong>Stiftung</strong><br />

<strong>Kulturlandschaft</strong><br />

Bundesverband der<br />

Flächenagenturen<br />

(bfad)<br />

Bayerische<br />

Kulturlandstiftung<br />

Flächenagentur<br />

Baden­Württemberg<br />

<strong>Stiftung</strong> Kulturlandpflege<br />

Niedersachsen<br />

<strong>Stiftung</strong> Westfälische<br />

<strong>Kulturlandschaft</strong><br />

<strong>Stiftung</strong> <strong>Rheinische</strong><br />

<strong>Kulturlandschaft</strong><br />

<strong>Stiftung</strong> <strong>Kulturlandschaft</strong><br />

Rheinland­Pfalz<br />

Hessische Landgesellschaft,<br />

Ökoagentur<br />

<strong>Stiftung</strong> Naturschutz<br />

Schleswig­Holstein<br />

<strong>Stiftung</strong> Umwelt und<br />

Naturschutz Mecklenburg­Vorpommern<br />

Flächenagentur<br />

Brandenburg<br />

Landgesellschaft<br />

Sachsen­Anhalt<br />

Sächsische<br />

Ökoflächen-Agentur<br />

Thüringer<br />

Landgesellschaft<br />

Netzwerk Ländlicher<br />

Raum (DVS/BLE) 2)<br />

Deutscher Verband<br />

für Landschaftspflege<br />

Bundesverband der<br />

gemeinnützigen Landgesellschaften<br />

(BLG)<br />

Claire-Waldoff-Str. 7<br />

10117 Berlin<br />

Neustädtischer<br />

Markt 22,14775<br />

Brandenburg/Havel<br />

Barer Str. 14<br />

80333 München<br />

Gerhard-Koch-Str. 2<br />

73760 Ostfildern<br />

Warmbüchenstr. 3<br />

30159 Hannover<br />

Schorlemerstr. 11<br />

48143 Münster<br />

Rochusstraße 18,<br />

53123 Bonn<br />

Burgenlandstr. 7<br />

55543 Bad<br />

Kreuznach<br />

Nordenstr. 44<br />

64546 Mörfelden<br />

Eschenbrook 4<br />

24113 Molfsee<br />

Zum Bahnhof 20<br />

19503 Schwerin<br />

Zeppelinstr. 136<br />

14471 Potsdam<br />

Große Diesdorfer<br />

Str. 56/57<br />

39110 Magdeburg<br />

Schützestr. 1<br />

01662 Meißen<br />

Weimarische Str. 29b<br />

99099 Erfurt<br />

Deichmanns Aue 29<br />

53179 Bonn<br />

Feuchtwanger Str. 39<br />

91522 Ansbach<br />

Märkisches Ufer 34,<br />

10179 Berlin<br />

030- 31904 -580<br />

Fax -584<br />

03381- 21102 -22<br />

Fax- 24<br />

089- 5906829 -32<br />

Fax -33<br />

0711-32732 -113<br />

Fax -127<br />

0511-367044173<br />

Fax 32 46 27<br />

0251-4175 -147<br />

Fax -175<br />

0228-9090721 -0,<br />

Fax -9<br />

0671-793 -1213<br />

06131- 2398-127<br />

06105-4099-12,<br />

Fax -30<br />

0431-21090 -70<br />

Fax -99<br />

0385-76099 -95<br />

Fax -96<br />

0331- 581823 -12<br />

Fax -11<br />

0391- 7361 -710<br />

Fax -888<br />

03521- 4690 -0<br />

Fax -13<br />

0361-4413 -110<br />

Fax -299<br />

0228- 6845 -3722,<br />

Fax -3361<br />

0981-4653 -3540<br />

Fax -3550<br />

030-2345-8789,<br />

Fax -8820<br />

www.landschafft.info<br />

stiftung@landschafft.info<br />

www.verband-flaechenagenturen.de<br />

info@verband-flaechenagenturen.de<br />

www.bayerischekulturlandstiftung.de<br />

info@bayerischekulturlandstiftung.de<br />

www.flaechenagentur-bw.de<br />

kontakt@flaechenagentur.de<br />

www.stiftungkulturlandpflege.de<br />

info@stiftungkulturlandpflege.de<br />

info@stiftung-westfaelische-<br />

kulturlandschaft.de<br />

stiftung@rheinische-kulturlandschaft.de<br />

www.kula-rlp.de<br />

dieter.feldner@kula-rlp.de<br />

thomas.raetz@kula-rlp.de<br />

www.oekoagentur-hessen.de<br />

info@hlg.org<br />

deinert@ausgleichsagentur.de<br />

www.stiftungsland.de<br />

www.stun-mv.de<br />

info@stun-mv.de<br />

info@flaechenagentur.de<br />

www.flaechenagentur.de<br />

schoster.e@lgsa.de<br />

www.lgsa.de<br />

oekoflaechen@lsl-net.de<br />

www.sls-sachsen.de<br />

i.pueschel@thlg.de<br />

www.thlg.de<br />

www.netzwerk-laendlicher-raum.de<br />

dvs@ble.de www.ble.de<br />

www.landschaftpflegeverband.de<br />

info@lpv.de www.eu-natur.de<br />

www.blg-berlin.de,<br />

blg-berlin@t-online.de<br />

Auswahl; 1) Verzeichnis/Kataster für Ausgleichs-/Kompensationsflächen • = vorhanden; Quelle: bfad; 2) Deutsche<br />

Vernetzungsstelle Ländliche Räume (DVS) in der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE); Stand 2012<br />

für Flächen 1)<br />

Genauso nötig sind bundeseinheitliche<br />

Vorgaben zur Kompensation von Anlagen<br />

für erneuerbare Energien, also Windräder,<br />

Photovoltaik-, Biogasanlagen und deren Leitungstrassen.<br />

Der Bau neuer Anlagen sollte<br />

nach der Energiewende möglichst keine<br />

flächenfressenden Ausgleichsmaßnahmen<br />

mehr auslösen, meinen viele Fachleute. Das<br />

würde bedeuten: Der Ausgleich für Eingriffe<br />

ins Landschaftsbild könnte entfallen oder<br />

als Ersatz in Geld gezahlt werden. kb<br />

www.dlz-agrarmagazin.de<br />

–<br />

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2012


<strong>Agrarwelt</strong><br />

24 I Titelthema<br />

dlz agrarmagazin ◾ Januar 2012<br />

„Ökonomische Anreize sind der Hebel“<br />

Prof. Dr. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN), Bonn,<br />

zum Thema Flächenverbrauch und zu den Ansprüchen des Naturschutzes an die Landwirte.<br />

Frau Professor Jessel, der Druck auf<br />

die Fläche steigt. Äcker und Grünland<br />

werden für Siedlung und Verkehr in<br />

Anspruch genommen, für Energie und<br />

Naturschutz. Jetzt sollen im Zuge der<br />

EU­Agrarreform sieben Prozent der<br />

Ackerfläche als ökologische Vorrangfläche<br />

ausgewiesen werden. Überzieht<br />

der Naturschutz hier nicht seine<br />

Ansprüche an die Landwirte?<br />

Prof. Dr. Beate Jessel: Keinesfalls. Es ist richtig,<br />

die Ansprüche an die Fläche nehmen zu.<br />

Genau deshalb müssen wir versuchen, verschiedene<br />

Anforderungen besser miteinander<br />

zu verbinden. Wir dürfen Naturschutz nicht nur<br />

in Schutzgebieten betreiben, sondern brauchen<br />

wirksame Mindeststandards, die letztlich auch<br />

in der Fläche eine naturverträgliche und damit<br />

dauerhaft nachhaltige Nutzung sicherstellen.<br />

Die Direktzahlungen künftig mit Naturschutzanforderungen<br />

zu koppeln, ist dabei der richtige<br />

Weg. Über die Ausgestaltung und die Details<br />

ökologischer Vorrangflächen muss noch intensiv<br />

diskutiert werden. Ich möchte aber<br />

deutlich betonen, dass sie nicht unbedingt<br />

Flächenstilllegung bedeuten müssen. Vielmehr<br />

werden sie auch Flächen einschließen, die mit<br />

ökologischen Vorgaben weiter bewirtschaftet<br />

werden können.<br />

Die in der einen oder anderen Form unter<br />

Natur­ oder Landschaftsschutz stehende<br />

Fläche hat sich seit 1990 in etwa verdoppelt,<br />

während die landwirtschaftlich<br />

genutzte Fläche schrumpfte. Wie lange<br />

soll das so weitergehen?<br />

Jessel: Diese zwei unabhängig verlaufende<br />

nProzesse gegenüberzustellen halte ich für unsinnig.<br />

Die landwirtschaftliche Fläche schrumpft<br />

ja nicht durch Unterschutzstellungen. Vielmehr<br />

beträgt allein die täglich neu durch Siedlung<br />

und Verkehr beanspruchte Fläche in Deutschland<br />

etwa 90 ha. Hier müssen wir ansetzen:<br />

Ich würde mir wünschen, dass sich Landwirtschaft<br />

und Naturschutz auf dieser Basis sehr<br />

viel stärker gemeinsam gegen die Überbauung<br />

wertvoller Flächen durch Siedlungs-, Verkehrs-<br />

oder Infrastrukturprojekte einsetzen.<br />

In einem Positionspapier empfiehlt das<br />

BfN ein bundesweites Systems von handelbaren<br />

Flächenkontingenten. Hat das<br />

Modell Chancen auf Verwirklichung?<br />

Jessel: Ökonomische Anreize sind der wesentliche<br />

Hebel, um zu einer Reduzierung der<br />

Flächeninanspruchnahme zu gelangen. Handelbare<br />

Flächenkontingente sind dabei ein<br />

Instrument, mit dem die Politik einfach und klar<br />

die nachhaltige Flächennutzung steuern kann. Zur<br />

Umsetzung bedarf es aber neuer Strukturen auf<br />

unterschiedlichen Ebenen. Hierzu laufen zurzeit<br />

verschiedene Forschungsvorhaben. Wenn jetzt<br />

nicht bald konkrete Entscheidungen folgen, ist das<br />

Ziel einer Reduzierung der Flächeninanspruchnahme<br />

auf 30 ha in 2020 nicht zu erreichen.<br />

Ausgleichsleistungen sind auch immer eine<br />

Frage der Bewertung. Nach der EU­Biodiversitätsstrategie<br />

müssen die Mitgliedstaaten<br />

den Wert ihrer Ökosysteme bis 2014 erfassen.<br />

Wie hoch ist die Ökosystemleistung<br />

eines Rübenackers oder einer Weide in Euro<br />

und Cent?<br />

Jessel: Ökosystemleistungen sind, allgemein definiert,<br />

die Leistungen von Ökosystemen für den<br />

Menschen. Ein Rübenacker liefert uns Rüben,<br />

bei entsprechendem konventionellem Einsatz von<br />

Arbeit, Maschinenstunden, Dünge- und Pflanzenschutzmitteln.<br />

Viel mehr gibt der Rübenacker aber<br />

meist nicht her...<br />

Wir kommen allein mit<br />

hoheitlichen Maßgaben<br />

nicht zum Ziel, sondern<br />

sind auf Kooperationen<br />

mit Landwirten angewiesen,<br />

um den Erhalt<br />

der biologischen Vielfalt<br />

zu erreichen.“<br />

...was die meisten Landwirte komplett anders<br />

sehen dürften.<br />

Jessel: Nun, bei einer Weide oder allgemein bei<br />

Grünland sieht es anders aus. Neben dem Erlös<br />

aus Milch- oder Fleischproduktion hat die Weide<br />

einen bestimmten, vom Standort abhängigen Kohlenstoffgehalt<br />

im Oberboden. Durch Umwandlung<br />

in Acker würde davon schnell ein beträchtlicher<br />

Teil verloren gehen oder in Form von CO 2 in die<br />

Atmosphäre entweichen, wobei man pro Tonne<br />

CO 2 mit zusätzlichen volkswirtschaftlichen Langfristschäden<br />

im Wert von 70 Euro rechnen kann.<br />

Grünland reduziert im Vergleich zur üblichen Ackernutzung<br />

außerdem die Nährstoffbelastung von<br />

Gewässern im Umfang von 30 kg bis 70 kg N pro<br />

ha und Jahr. Multipliziert mit günstigen alternativen<br />

Vermeidungskosten ergibt das weitere 40 bis 120<br />

Euro pro ha und Jahr.<br />

Interview<br />

Und wie bewerten Sie die Artenschutz­<br />

und Erholungsfunktion?<br />

Jessel: Eine Studie in NRW ermittelte Größenordnungen<br />

von 15 € bis 30 € Zahlungsbereitschaft<br />

pro Haushalt und Jahr, um diese<br />

Funktionen von Grünland zu sichern. Eine von<br />

uns durchgeführte Pilotstudie zeigte, dass der<br />

Erhalt von ökologisch wertvollem Grünland<br />

aufgrund der dadurch erbrachten Leistungen<br />

für Klimaschutz, Grundwasserqualität und Naturschutz<br />

als Grundlage der Artenschutz- und<br />

Erholungsfunktion einen Wert von zusammen<br />

etwa 900 Euro bis knapp 2.700 Euro pro ha<br />

und Jahr erbringt. Solche Zahlen sind auch im<br />

Naturschutz zunehmend wichtig.<br />

Sollte diese Bewertung der Maßstab zur<br />

Entschädigung von Nutzungsauflagen sein<br />

oder der durch die Auflagen entgangene<br />

wirtschaftliche Nutzen?<br />

Jessel: Pauschallösungen halte ich hier nicht<br />

für zielführend. Nicht jede Auflage zieht eine<br />

Entschädigung nach sich. Es ist nötig, den<br />

jeweiligen Kontext zu berücksichtigen. Bei freiwilligem<br />

Vertragsnaturschutz oder auch manchen<br />

Agrarumweltmaßnahmen haben wir uns<br />

stets für den vollen Ausgleich des entgangenen<br />

wirtschaftlichen Nutzens sowie eine zusätzliche<br />

Anreizkomponente ausgesprochen. Leider ist<br />

dies in den EU-Vorschlägen nicht aufgenommen<br />

worden.<br />

Wo funktioniert die Zusammenarbeit zwischen<br />

Naturschutz und Landwirtschaft<br />

gut, wo gibt es Spannungen?<br />

Jessel: Vertragsnaturschutz und Agrarumweltmaßnahmen<br />

sind gute Ansätze,<br />

um ökologische Leistungen der Landwirte zu<br />

honorieren. Diese Ansätze sind jedoch inhaltlich<br />

und finanziell noch weiter ausbaufähig.<br />

Konflikte gibt es beispielsweise bei der Ausweitung<br />

von Monokulturen wie Mais, dessen Anbau<br />

zwischen 2005 und 2010 von 70.000 ha auf<br />

über 600.000 ha angewachsen ist. Konfliktpotenzial<br />

bietet auch der Grünlanderhalt: Dass<br />

sich trotz Cross Compliance der Grünlandanteil<br />

an der landwirtschaftlich genutzten Fläche seit<br />

2003 um etwa vier Prozent, in einigen Bundesländern<br />

um deutlich mehr als fünf Prozent<br />

reduziert hat, macht uns große Sorgen. Hier<br />

sind die Legislativvorschläge der EU leider<br />

noch nicht ausreichend, um den Rückgang<br />

an biologischer Vielfalt in der Agrarlandschaft<br />

aufzuhalten.<br />

Frau Prof. Jessel, vielen Dank für Ihre<br />

Antworten. leh


Jörg Claus, Sülzetal<br />

Ausbruch aus<br />

dem Hamsterrad<br />

Artenschutz 270 ha neu ausgewiesene Gewerbefläche haben<br />

die Landwirte in Sülzetal bei Magdeburg fast zur Verzweifelung<br />

getrieben. Denn neben der ohnehin benötigten Ausgleichsfläche<br />

fand man bei der Kartierung 30 Löcher von Feldhamstern.<br />

Wir haben nichts gegen Hamster und<br />

auch nichts gegen die Entwicklung<br />

von Gewerbegebieten“, stellt Jörg Claus<br />

als aller erstes klar. Vor vier Jahren war<br />

die Welt im Sülzetaler Ortsteil Osterweddingen<br />

für ihn und seine Berufskollegen<br />

noch in Ordnung. „Bis dahin waren 200 ha<br />

als Gewerbegebiet ausgewiesen“, berichtet<br />

er. „Das fanden wir auch okay, denn dadurch<br />

wurden Arbeitsplätze geschaffen.“<br />

Zusammen mit seinem GbR-Partner Hans-<br />

Heinrich Meine trat er bereitwillig Flächen<br />

gegen eine entsprechende Entschädigung<br />

ab (siehe Kasten „Meine & Claus GbR“).<br />

Im Jahr 2008 entschied die Gemeinde<br />

Sülzetal dann, weitere 270 ha als Gewerbegebiet<br />

auszuweisen. Damit fingen<br />

die Probleme an: Denn man fand bei der<br />

Kartierung der Fläche 30 Löcher von Feldhamstern.<br />

„Das war es aber nicht alleine.<br />

Die Gestaltung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen<br />

war ebenso problematisch wie<br />

die kleinen Nager“, sagt Jörg Claus.<br />

160 ha Ausgleichsfläche<br />

Er weiß, wovon er spricht. Der Landwirt<br />

ist ehrenamtlicher Vorsitzender des Um-<br />

Für die hamstergerechte Bewirtschaftung müssen 20 Prozent des<br />

Getreides in Streifen stehen bleiben…<br />

weltausschusses des Bauernverbands und<br />

sitzt außerdem im Naturschutzbeirat der<br />

Stadt Magdeburg. So erfuhr er bereits frühzeitig<br />

von den Vorhaben und konnte sich<br />

einbringen.<br />

„Für Teile des alten 200 ha Gewerbegebiets<br />

waren noch Ausgleichsmaßnahmen<br />

offen. Hinzu kamen die Maßnahmen für<br />

das neue 270 ha umfassende Gebiet. Insgesamt<br />

sollten 100 ha Wald am Stadtrand<br />

Magdeburgs angepflanzt werden. Dazu<br />

kamen noch 60 ha Sukzessionsfläche“, erinnert<br />

sich der Landwirt. „In Summe sollten<br />

also 160 ha bester Ackerboden verloren<br />

gehen. Das ging nicht. Und das sahen sogar<br />

die Umweltverbände so.“<br />

Unter Leitung der Landgesellschaft<br />

Sachsen-Anhalt, die als Mittler zwischen<br />

Behörden, Planungsbüros und Landwirten<br />

fungiert, suchte und fand man Alternativen.<br />

So wurde beispielsweise ein Teilstück des<br />

Flusses Aller renaturiert und man verband<br />

zwei Biotope mittels einer Hecke miteinander.<br />

Zusätzlich ist schon länger entlang des<br />

Flusses Sülze ein Landschaftsschutzgebiet<br />

ausgewiesen, wo Maßnahmen umgesetzt<br />

werden sollen. „Aufgrund des Einsatzes der<br />

Titelthema I 25<br />

Jörg Claus hat zusammen mit seinem GbR-<br />

Partner vier Jahre lang 20 ha hamstergerecht<br />

bewirtschaftet.<br />

Landgesellschaft kann man glücklicherweise<br />

auf einem Teil der betroffenen Flächen<br />

mit einer Flurbereinigung begleitend tätig<br />

sein, so dass dem Land Sachsen-Anhalt<br />

zwar etwas Eigentum verloren geht, aber<br />

nicht den Landwirten“, erklärt der gebürtige<br />

Niedersachse.<br />

Im Gegensatz zu den Aktivitäten auf<br />

dem Land, wird in der Stadt Magdeburg<br />

aufgrund des Anstoßes des Naturschutzbeirats<br />

in unterschiedlichen Gremien bisher<br />

über den Abriss und die Entsiegelung von<br />

Flächen, wie Industrieruinen, im Stadtgebiet<br />

nur diskutiert. „Wobei auf Taten noch<br />

zu warten ist“, betont Jörg Claus.<br />

30 Hamsterlöcher<br />

All diese Maßnahmen brachten und bringen<br />

den Landwirten in Sülzetal eine Menge<br />

Erleichterungen – bis zu dem Zeitpunkt als<br />

man bei der Kartierung des neuen, 270 ha<br />

großen Gewerbegebiets über die Hamsterlöcher<br />

stolperte. „30 Löcher fand man“, berichtet<br />

der Landwirt. „Das entspricht zwei<br />

…außerdem darf der Boden erst ab dem 01. Oktober bearbeitet<br />

werden.<br />

www.dlz-agrarmagazin.de<br />

Foto: Diersing-Espenhorst<br />

Fotos: Meine, Claus


<strong>Agrarwelt</strong><br />

26 I Titelthema<br />

Meine & Claus GbR<br />

Zusammen mit seinem Partner Hans-Heinrich<br />

Meine betreibt Jörg Claus die Meine & Claus<br />

GbR mit drei Standorten. Der Hauptsitz der im Jahr<br />

1991 gegründeten GbR befindet sich in Osterweddingen<br />

nahe Magdeburg. Hier werden 800<br />

ha Ackerfläche bewirtschaftet. Der zweite Standort<br />

ist das Gut Röderhof bei Halberstadt mit etwa<br />

420 ha Nutzfläche und 70 ha Wald. Der dritte<br />

Standort mit insgesamt etwa 960 ha Ackerland<br />

liegt in Mackendorf zwischen Wolfsburg und<br />

Helmstedt. Hier wirtschaftet ein Verbund aus<br />

bis drei Feldhamstern.“ Und die unterliegen<br />

dem europäischen Artenschutz. Das hatte<br />

zur Folge, dass ein Flächenausgleich von<br />

1:1 stattfand. „Das heißt, wir hätten 270<br />

ha hamstergerecht bewirtschaften müssen,<br />

wenn die Gesamtfläche bebaut worden wäre.<br />

Bis dato waren allerdings nur 70 ha so zu<br />

beackern“, sagt Jörg Claus, den diese Maßnahme<br />

mit 20 ha betraf. Hamstergerechte<br />

Bewirtschaftung bedeutete für ihn und seine<br />

betroffenen Berufskollegen:<br />

• eine vorgegebene Fruchtfolge mit maximal<br />

einmal Raps in fünf Jahren,<br />

Willi Liesenberg, Kerpen<br />

dlz agrarmagazin ◾ Januar 2012<br />

drei Betrieben: Dem ursprünglichen Betrieb von<br />

Hans-Heinrich Meine, dem elterlichen Betrieb<br />

von Jörg Claus sowie einem Nachbarbetrieb.<br />

Es wird neben dem Ackerbau eine 1,7 MW<br />

Biogasanlage zur Gasdirekteinspeisung mit<br />

drei weiteren Partnern betrieben.<br />

Auf den Flächen werden Zuckerrüben, Raps,<br />

Mais und Getreide angebaut. Neben den beiden<br />

Betriebsleitern sind zehn Festangestellte<br />

sowie zur Ernte zusätzliche Saisonarbeitskräfte<br />

beschäftigt. de<br />

• 20 Prozent des Getreides musste bis zum<br />

30. September in Streifen stehen bleiben,<br />

• Bodenbearbeitung erst ab dem 1. Oktober,<br />

• Glyphosat-Einsatz war untersagt und<br />

• jegliche Art der Mäusebekämpfung war<br />

verboten.<br />

Dafür erhielten die Landwirte 700 € Entschädigung<br />

pro Hektar und Jahr. „Und jede<br />

Menge Ärger mit den Verpächtern, die uns<br />

fragten, was wir mit ihrem Acker machten“,<br />

fügt Jörg Claus hinzu. Hier sei noch<br />

angemerkt, dass auf den so bewirtschafteten<br />

Zusammen mit der <strong>Stiftung</strong><br />

<strong>Kulturlandschaft</strong>sstiftung Wie Ausgleichs­ und Ersatzmaßnahmen<br />

mit der <strong>Stiftung</strong> <strong>Rheinische</strong> <strong>Kulturlandschaft</strong> sinnvoll<br />

umgesetzt werden, zeigt das Beispiel von Willi Liesenberg aus<br />

dem Rheinland.<br />

Flächen kaum Hamster lebten – jedenfalls<br />

nicht vor der Umsiedlung! „Ja“, bestätigt<br />

Jörg Claus, „man siedelte die Hamster auf<br />

die entsprechend bewirtschafteten Flächen<br />

um. Es gab in den ersten Jahren zudem ein<br />

Monitoring, als dann das Umweltbüro<br />

wechselte, fand dies nicht mehr statt.“ Das<br />

ist neben dem Einsatz aller Beteiligten ein<br />

Grund, warum diese Art der Bewirtschaftung<br />

im vergangenen Jahr endete.<br />

Ab diesem Jahr wird auf den 1:1 Ausgleich<br />

verzichtet. Darauf konnte man sich<br />

in den entsprechenden Verwaltungsausschüssen<br />

nach intensiven Diskussionen<br />

einigen. Dafür werden für jeden Hektar<br />

versiegelte Fläche nun 0,15 ha Hamsterausgleichsfläche<br />

geschaffen. „Das sind dann<br />

Streifen, die nicht mehr landwirtschaftlich<br />

genutzt werden“, erklärt der Landwirt.<br />

„Hier werden verschiedene Getreidearten<br />

gesät, die den Hamstern zugute kommen.“<br />

Bei 270 ha Gewerbefläche sind das dann<br />

nur noch 40,5 ha.<br />

„Es lohnt sich also sich einzumischen“,<br />

ist Jörg Claus überzeugt. „Ich rate meinen<br />

Berufskollegen deshalb, sich so früh wie<br />

möglich einzubringen, wenn sie erfahren,<br />

dass Ackerfläche anderweitig genutzt werden<br />

soll.“ de<br />

Willi Liesenberg bewirtschaftet<br />

einen mittelgroßen Ackerbaubetrieb<br />

in Kerpen-Türnich. In<br />

der dicht besiedelten Region ist der Flächenbedarf<br />

durch den Braunkohle-Tagebau,<br />

aber auch für Gewerbe-, Wohn- und<br />

Verkehrszwecke sehr groß. Mit seinem<br />

Betrieb liegt der Rheinländer teilweise in<br />

einem „Suchfenster“ der Stadt Kerpen: Vor<br />

allem in den ehemaligen Erftauen sollen<br />

weniger produktive Agrarflächen für Ausgleichsmaßnahmen<br />

herangezogen werden.<br />

„Dem Flächendruck können wir uns nicht<br />

entziehen. Wenn Ausgleichsmaßnahmen<br />

unvermeidlich sind, ist die Umsetzung mit<br />

der <strong>Stiftung</strong> <strong>Rheinische</strong> <strong>Kulturlandschaft</strong><br />

nach meiner Erfahrung ein guter Weg“,<br />

berichtet Willi Liesenberg.<br />

Ackerbauer Willi Liesenberg (links)<br />

und Jan Dirk Schierloh von der<br />

<strong>Kulturlandschaft</strong>sstiftung: „Gerechte<br />

Entschädigung für Ausgleichs- und<br />

Ersatzmaßnahmen“.


Foto: <strong>Stiftung</strong> <strong>Rheinische</strong> <strong>Kulturlandschaft</strong><br />

Fairer Ausgleich<br />

Die <strong>Stiftung</strong> <strong>Rheinische</strong> <strong>Kulturlandschaft</strong><br />

gewährt für Ausgleichsflächen eine Entschädigung,<br />

die sich am durchschnittlichen<br />

Deckungsbeitrag einer ortsüblichen Fruchtfolge<br />

orientiert. In der Köln-Aachener-Bucht,<br />

wo Weizen-Weizen-Zuckerrübe üblich sind,<br />

veranschlagt die <strong>Stiftung</strong> den Deckungsbeitrag<br />

auf 900 bis 1.300 Euro. Die Summe<br />

wird um einen finanziellen Anreiz aufgestockt,<br />

damit die Teilnahme attraktiv ist.<br />

Die EU-Flächenprämie kann der Landwirt<br />

nach wie vor beantragen. Mittel für Agrarumweltmaßnahmen,<br />

zum Beispiel für Vertragsnaturschutz,<br />

werden für diese Fläche<br />

aber nicht gewährt.<br />

Anders ist der Fall, wenn die <strong>Stiftung</strong><br />

Eigentümer der Fläche ist. Dann wird sie<br />

pachtzinsfrei zur Verfügung gestellt. Die Pflegeauflagen<br />

werden nach KTBL-Richtsätzen<br />

vergütet. Für Grünlandpflege beträgt die<br />

Vergütung zum Beispiel 2 bis 4 ct/m2 . Der<br />

Bewirtschafter darf das Schnittgut nutzen<br />

und die Flächenprämie beantragen. leh<br />

Er hat eine Ackerfläche von fast sieben<br />

Hektar an der Erft mit zertifiziertem Regio-<br />

Saatgut als artenreiches Dauergrünland<br />

eingesät. Zusätzlich wurden entlang den<br />

Rändern 15 Meter breite Blühstreifen angelegt<br />

sowie Bäume und Gehölze gepflanzt.<br />

Die Fläche darf weder gedüngt noch mit<br />

Pflanzenschutz behandelt werden. Zwei<br />

Schnitte im Jahr sind erlaubt. Der Betrieb<br />

darf den Aufwuchs nutzen.<br />

Für den Ertragsausfall im Vergleich<br />

zur Ackernutzung und den Pflegeaufwand<br />

erhält er von der <strong>Stiftung</strong> eine auf<br />

15 Jahre vertraglich geregelte Entschädigung.<br />

Die <strong>Stiftung</strong> ihrerseits füllt mit<br />

der Fläche ein Ökopunktekonto, das für<br />

Ausgleichspflichtige bei Bedarf zur Ver-<br />

fügung steht. Willi Liesenberg: „Der<br />

Arbeitsweise von Flächenpools im Überblick<br />

Genehmigungs­/<br />

Fachbehörde<br />

Fischreiher finden sich vor allem an Bachläufen oder Auen. Längst nicht überall sind sie willkommen.<br />

Der Fischräuber Kormoran soll in NRW künftig nicht mehr bejagt werden dürfen.<br />

stimmt zu<br />

Kompensationsvertrag<br />

• Umfang<br />

• Maßnahme<br />

• Bewertung<br />

• Laufzeit<br />

• Kapital<br />

dokumentiert<br />

Vorhabenträger<br />

Planungsbüro<br />

Titelthema I 27<br />

Landwirt<br />

Quelle: Muchow, <strong>Stiftung</strong> <strong>Rheinische</strong> <strong>Kulturlandschaft</strong> 2012<br />

Flächenbedarf ist ganz klar zu hoch und<br />

muss dringend verringert werden. Dazu<br />

werden auch gesetzliche Änderungen notwendig<br />

sein. Ausgleichsmaßnahmen finden<br />

in der Landwirtschaft nur Akzeptanz,<br />

wenn dadurch kein Einkommensverlust<br />

entsteht“.<br />

Darum ist die Kooperation mit der <strong>Stiftung</strong><br />

in jedem Fall die beste Lösung, weil<br />

hier der Wille zur Zusammenarbeit mit der<br />

Landwirtschaft und Fachwissen vorhanden<br />

sind und eine Entschädigung gezahlt wird“.<br />

Für eine weitere Ausgleichsmaßnahme hat<br />

er daher in Absprache mit Projektleiter Jan<br />

Dirk Schierloh von der <strong>Stiftung</strong> <strong>Rheinische</strong><br />

<strong>Kulturlandschaft</strong> auch in diesem Jahr wieder<br />

zahlreiche Lerchenfenster in seinen<br />

Weizenschlägen angelegt. leh<br />

Flächenmanagement<br />

• Jährliche Kontrolle<br />

• Berichterstattung<br />

• Pflegemanagement<br />

• Vertragsverlängerung<br />

betreut und honoriert<br />

Eigentümervertrag zur<br />

Flächenbereitstellung<br />

• Maßnahme<br />

• Sicherung<br />

• Laufzeit<br />

• Entschädigung<br />

Bewirtschaftervertrag zur<br />

Herstellung und Pflege<br />

• Maßnahme<br />

• Auflagen<br />

• Laufzeit<br />

• Vergütung<br />

Wenn der<br />

Amtsschimmel wiehert<br />

Die Arbeit der Kulturlandstiftung genießt<br />

im Rheinland einen guten Ruf unter<br />

den Land- und Forstwirten und wird insgesamt<br />

positiv aufgenommen. Ein Beispiel<br />

dafür, wie überzogene Auflagen vom grünen<br />

Tisch den Erfolg von Naturschutzmaßnahmen<br />

massiv gefährden, liefert jedoch das<br />

anfangs erfolgreich initiierte Projekt ‚Feldlerchenfenster‘.<br />

Fenster für Lerchen: Für die Anlage in Getreide<br />

zahlt die <strong>Stiftung</strong> 10 Euro pro Fenster<br />

von mindestens 20 m². Voriges Jahr<br />

wurden landesweit rund 10.000 solcher<br />

Bruthilfen für die Feldlerche eingerichtet. Das<br />

Programm wurde von den Landwirten also<br />

gut angenommen.<br />

Auf Druck des Landes NRW mit seinem<br />

grünen Landwirtschaftsminister wurden die<br />

Auflagen dieses Jahr jedoch verschärft. Die<br />

Fenster dürfen jetzt nicht mehr in Wintergerste<br />

freigehalten werden. Zudem müssen<br />

sie mindestens 150 m von geschlossenen<br />

Ortschaften und Baumbeständen sowie 50<br />

m von Straßen, Strauchhecken und Greifvogelansitzen<br />

entfernt sein.<br />

Folge: Die Beteiligung ging auf ein Drittel<br />

des Vorjahres zurück! Die Mindestabstände<br />

können wegen der Flächenstruktur häufig<br />

schlicht nicht eingehalten werden.<br />

In anderen Bundesländern, wo ähnliche<br />

Projekte angeboten werden, wurden die<br />

Auflagen nicht erschwert. leh<br />

www.dlz-agrarmagazin.de


<strong>Agrarwelt</strong><br />

Foto: Unkel<br />

28 I Titelthema<br />

Gerhard Risser, Stetten<br />

Partner der Natur<br />

Naturschutz Wie sich vorbildlicher Artenschutz in die eigenen<br />

betrieblichen Abläufe ganz praktisch integrieren lässt, zeigt das<br />

Beispiel von Gerhard Risser aus der Pfalz.<br />

Naturschutz liegt ihm „von Natur<br />

aus“ am Herzen, sagt Gerhard<br />

Risser, der mit seiner Frau Christa<br />

einen 75 ha Ackerbaubetrieb in Stetten<br />

bewirtschaftet. In der Nordpfalz herrscht<br />

recht hohe Ertragssicherheit und ein<br />

vergleichsweise breites Anbauspektrum.<br />

Künftig wird sich der Naturschutz „bei<br />

uns in dieses System integrieren“, sagt der<br />

kommunikative Pfälzer.<br />

Bedingt durch Sonderkulturen wie<br />

Spargel und Kartoffeln liegt das Pachtpreisniveau<br />

in seiner Region bei 500 €/ha,<br />

Tendenz steigend. Die Betriebsflächen<br />

befinden sich teilweise in einem Natura<br />

2000-Gebiet vorrangig mit Vogelschutz.<br />

Gerhard Risser nimmt teil am Projekt<br />

‚Partnerbetrieb Naturschutz‘.<br />

Motiviert<br />

für den Naturschutz<br />

Auf die Frage, was ihn motiviert, aktiv<br />

dabei mitzumachen, antwortet Risser<br />

spontan: „Handfeste Vorteile auch für<br />

den eigenen Betrieb, jedenfalls bei gut<br />

abgestimmter Zusammenarbeit zwischen<br />

Landwirten und Naturschützern“. Im Mittelpunkt<br />

steht für den öffentlich bestellten<br />

Sachverständigen dabei „die angemessene<br />

Vergütung“ von Naturschutzleistungen.<br />

Ackerbauer Gerhard Risser diskutiert Agrarumweltmaßnahmen mit<br />

Ludwig Simon, Artenschutzreferent am Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft<br />

und Gewerbeaufsicht, Brigitte Leicht aus der Agrarberatung<br />

sowie zwei Praktikantinnen (v.l.n.r.).<br />

dlz agrarmagazin ◾ Januar 2012<br />

Zudem zählt der „Dialog auf Augenhöhe“,<br />

sagt Risser, nicht nur beim Festlegen der<br />

Maßnahmen, sondern auch bei der Wahl<br />

der Flächen und bei der Analyse der Ergebnisse.<br />

„Dabei wird nichts von Behörden<br />

vordiktiert“.<br />

Die Teilnahme am rheinland-pfälzischen<br />

Agrarumweltprogramm PAULa ist<br />

für den Betriebsleiter momentan „überhaupt<br />

kein Thema“. Der Grund: „Unzureichende<br />

finanzielle Anreize und zu hoher<br />

Verwaltungsaufwand“. Risser wünscht sich<br />

stattdessen „flexible Laufzeiten“ und Förderpämien,<br />

die dem Ertragspotential seines<br />

Standorts angepasst sind.<br />

Intensive Ackerbauregionen, wie das<br />

Gebiet um Stetten, „nehmen trotz guter<br />

Ansätze die bei PAULa in Betracht kommenden<br />

Programmteile derzeit nicht an“,<br />

weiß auch Jörg Weickel. Der Abteilungsleiter<br />

Landwirtschaft im Dienstleistungszentrum<br />

Ländlicher Raum (DLR) Rheinhessen-Nahe-Hunsrück<br />

in Bad Kreuznach<br />

gibt zu: „Dazu reicht einfach die Prämienausstattung<br />

im Moment nicht“.<br />

Auf dem Betrieb Risser werden im<br />

Rahmen des ‚Partnerbetriebs Naturschutz‘<br />

Erhebungen durchgeführt, um den betriebsindividuellen<br />

Prämienbedarf für<br />

ausgewählte Programmteile zu ermitteln.<br />

Foto: Unkel<br />

Gerhard Risser, Beraterin Brigitte Leicht.<br />

Weickel: „Die Ergebnisse dienen als eine<br />

Diskussionsgrundlage für die Programmfortschreibung<br />

von PAULa ab 2014“.<br />

Naturschutz in Arbeit einbauen<br />

Unabdingbar ist, erklärt Gerhard Risser,<br />

dass „die Naturschützer die wirtschaftlichen<br />

Interessen der Landwirte anerkennen“. Zudem<br />

muss „die Kommunikation auf beiden<br />

Seiten verbessert werden“. In Stetten bestehen<br />

inzwischen gute Voraussetzungen, lohnenden<br />

Naturschutz umzusetzen. Risser:<br />

„Auch die hiesigen Jagdpächter haben ihre<br />

Bereitschaft signalisiert, sich an der Anlage<br />

und Umsetzung von Projekten finanziell<br />

zu beteiligen“. Natürlich musste der Praktiker<br />

dabei auch „Lehrgeld“ zahlen, vor<br />

allem mit den vorherigen Pächtern. „Die<br />

hatten wenig Verständnis für betriebswirtschaftliche<br />

Belange“ aufgebracht. Das ist<br />

inzwischen anders. Auf seinen Flächen<br />

Ackerrand- und auch unbearbeitete Grünstreifen im Feld bieten echten<br />

Schutz für viele Arten. Dazu zählt, dass die Schlaggrenze nicht<br />

immer näher an den Wegesrand rückt: „4,50 m breite Wege müssen<br />

auch 4,50 m breit bleiben“.<br />

Foto: Leicht


Betriebsspiegel Risser<br />

Betriebsleiter: Landwirtschaftsmeister Gerhard,<br />

56, und Dipl.-Landwirtin Christa Risser;<br />

ein Sohn, promoviert, bei Südzucker, und zwei<br />

Töchter außerhalb der Landwirtschaft tätig;<br />

Arbeitskraft: 0,5 AK; in Agil e.V. Vermarktung<br />

15.000 bis 20.000 t Getreide jährlich; Mitbegründer<br />

Kraichgau-Korn; Disponent 65 Mitarbeiter<br />

bei Zuckerrübenlogistik Donnersberg;<br />

öffentlich bestellter Sachverständiger Rheinland-Pfalz,<br />

Baden-Württemberg, Hessen;<br />

Betrieb: 75 ha Ackerbau, rund 0,7 ha Weinberge;<br />

circa 0,5 ha Hof-, Streuobstfläche;<br />

Standort: Gemarkung Stetten, Pfalz, 280 m<br />

über NN; Durschnittstemperatur 1980 bis 2010<br />

über 9° C bei etwa 500 mm Niederschlag;<br />

Verkehrslage: Hof-Feldentfernung 1 km; 15<br />

Teilstücke von 1 ha bis 9 ha;<br />

Boden: 50 bis 90 Punkte; pfluglos;<br />

Anbau: Zuckerrüben und Winterweizen je 25<br />

integriert Risser den Naturschutz in die<br />

Arbeitsabläufe. Er sät auf Randstreifen<br />

und Kleinflächen ein- und mehrjährige<br />

Blühmischungen. Auf Flächen „mit floristischem<br />

Potential“ legt er in Wintergetreide<br />

ungedüngte und ungespritzte Streifen an,<br />

um Ackerwildkräuter zu fördern. Andernorts<br />

sät er eigene Blühmischungen ein, „die<br />

faunistischen Zielen dienen“. Neben Hase,<br />

Fasan und Rebhuhn soll etwa auch der<br />

Feldhamster gefördert werden.<br />

Um Weihen zu unterstützen, pflegt und<br />

mulcht der Landwirtschaftsmeister Graswege<br />

in der Gemarkung. Er sorgt dafür,<br />

dass „4,50 m breite Wege auch 4,50 m breit<br />

bleiben und nicht immer weiter umgepflügt<br />

werden“. Bodenbrüter fördert er mit Strohmulch<br />

in Zuckerrüben. „Mit Förderung<br />

des örtlichen Jagdpächters werden weitere<br />

Berufskollegen mit ins Boot geholt“.<br />

Für 6 bis 10 m breite Blühstreifen,<br />

bei den Jägern „Hennenwiesen“ genannt<br />

wegen der unzähligen Fasanenhennen,<br />

hat Risser inzwischen „gestaffelte Vergütungen“<br />

vereinbart: Ausgehend von 1.350<br />

Euro/ha bei 100 Bodenpunkten geht<br />

es weiter in 150 Euro-Schritten je nach<br />

Bodengüte, also 1.050 Euro bei 80 Punkten,<br />

600 Euro bei 50 und 300 Euro/ha bei<br />

30 Bodenpunkten plus Prämien. „Mit mindestens<br />

2,5 ha davon auf 500 ha“ lassen sich<br />

in der Gemarkung sinnvolle Vernetzungsstrukturen<br />

etablieren.<br />

Zusammenarbeit in Augenhöhe<br />

Durch das Verschneiden der Flächengeometrien<br />

des Betriebs auf der einen mit vorliegenden<br />

Fachplanungen auf der anderen<br />

Seite, von Naturschutzdaten über Bodenkarten<br />

bis zum Erosionskataster, werden<br />

Prozent; Sommer- und Winterbraugerste je 20<br />

Prozent, Winterroggen 10 Prozent;<br />

Ertragsniveau: (1980 bis 2010) Rüben 400<br />

bis 850 dt/ha, Weizen 58 bis 110 dt, Roggen<br />

54 bis 110 dt, Sommergerste 52 bis 82, Winterbraugerste<br />

56 bis 86 dt/ha;<br />

Maschinen: zum Teil mit Partner; Schlepper:<br />

John Deere 6920, Case CS 86; 6 t-,10<br />

t-, 14 t-, 18 t-Hänger; Bodenbearbeitung: 3<br />

m-Horsch Terrano FX, 4-m-Horsch-Kurzscheibenegge,<br />

6-m-Köckerling Federzinkengrubber,<br />

6,30-m-Cambridge-Walze; Saat: 5,60-m-<br />

Rau-Saatbettkombination mit Kverneland<br />

Kreiselegge, Güttler-Frontpacker, Accord-Drille;<br />

Pflege: 21-m-Rauch-Axis- Wiegestreuer;<br />

21-m-Rau-Spritze Flowmate Control und<br />

12-m-Jacobi-Feldspritze für Zuckerrüben;<br />

Getreidelager für 300 t; ohne Mähdrescher,<br />

Rübenroder und Rübensägerät.<br />

die Naturschutzpotentiale des Betriebs und<br />

der Flächen abgebildet. Naturschutz- und<br />

Landwirtschaftsberater erstellen dann gemeinsam<br />

für den Betrieb eine Potentialanalyse<br />

für den Naturschutz.<br />

„Die wird auch gemeinsam diskutiert“,<br />

erläutert der Nordpfälzer. Wichtig dabei:<br />

„Die Entscheidung über zu treffende Maß-<br />

So läuft der ‚Partnerbetrieb<br />

Naturschutz‘<br />

Der ‚Partnerbetrieb Naturschutz‘ ist in<br />

Rheinland-Pfalz ein gemeinsames<br />

Instrument von Naturschutz- und staatlicher<br />

Landwirtschaftsberatung. In Wein-,<br />

Obstbau und Landwirtschaft arbeiten die<br />

verschiedenen Seiten zusammen. Kernbestandteil<br />

des ‚Partnerbetriebs‘ ist die<br />

Potentialanalyse des Betriebs auf Basis<br />

von vorliegenden Geo- und Fachdaten. Die<br />

werden von Naturschutz- und staatlicher<br />

Landwirtschaftsberatung geliefert.<br />

Analysen und Beratungen sind für alle<br />

interessierten Landwirte kostenlos verfügbar.<br />

Die Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen<br />

ist in jedem Fall freiwillig. Sie liegt<br />

allein in der Entscheidung des Landwirts.<br />

Flankierend ist das Fach ‚Naturschutz‘ Pflicht<br />

im Fachschulunterricht Landwirtschaft am<br />

Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum<br />

(DLR) Rheinhessen-Nahe-Hunsrück.<br />

In der DLR-Abteilung Landwirtschaft ist<br />

auch die landesweit zuständige Koordinationsstelle<br />

angesiedelt. Zur Zeit nehmen<br />

78 Betriebe aller Produktions- und Anbaurichtungen<br />

im Rahmen eines ersten<br />

Antragsverfahrens daran teil.<br />

Foto: Mattern<br />

Titelthema I 29<br />

Rübenbauer Gerhard Risser arbeit seit Jahren<br />

pfluglos. „Für Bodenbrüter ist vor allem<br />

der Strohmulch in Zuckerrüben förderlich.“<br />

nahmen liegt allein bei mir“. Zuvor hat Risser<br />

mit den Beratern die naturschutzfachlichen,<br />

ackerbaulichen und ökonomischen<br />

Aspekte umfassend diskutiert.<br />

„Je nach Problemlage“, weiß der<br />

Landwirt, stehen beide Beratungs-<br />

stränge „einzeln oder gemeinsam“ für<br />

weitere Gespräche und Termine zur Verfügung.<br />

Wichtig ist Gerhard Risser auch<br />

dabei „der offene und vertrauensvolle Dialog<br />

auf Augenhöhe“. Die Entscheidung<br />

für einzelne Naturschutz-Maßnahmen<br />

bleibt freiwillig. Risser: „Sie liegt allein in<br />

meiner Verantwortung“. So sieht er die<br />

eigene Region in Sachen Naturschutz „auf<br />

gutem Weg“.<br />

„Allerdings fehlt es zur Zeit noch an<br />

auf das Gebiet abgestimmten Natur-<br />

schutz-Strategien“, räumt Jörg Weickel<br />

ein. „Zusammen mit Landwirten können<br />

diese Konzepte aber entwickelt und<br />

umgesetzt werden“, ist er sicher. Dabei<br />

muss das Augenmerk auch weiter auf<br />

der Freiwilligkeit liegen, auf dem Dialog<br />

und dem wirtschaftlichen Arbeiten der<br />

Betriebe“. Da ist Jörg Weickelt mit Gerhard<br />

Risser einig: „Der ‚Partnerbetrieb<br />

Naturschutz‘ ist das richtige Instrument,<br />

um Naturschutz in die landwirtschaftliche<br />

Praxis zu tragen“. kb<br />

www.dlz-agrarmagazin.de

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