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01. „Skandal an der Rampe“ - Jan Bergrath

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thema des monatsJobverlust beim AbladenAm 29. Dezemberkündigte Rhenus dieZusammenarbeitmit Bieli-Tr<strong>an</strong>s.auf die Papiere muss m<strong>an</strong> mit mindestens<strong>an</strong><strong>der</strong>thalb Stunden rechnen.“Bei seiner Ankunftum 18.10 Uhr in Möckmühlist ihm <strong>an</strong>gesichtsdes vollen Parkplatzesschnell klar, dass sich dieEntladung verzögern würde.„Hierüber habe ich meineChefin und Rhenus informiert.Laut meiner Chefinsollte ich auch erst amnächsten Tag entladen. Doch<strong>der</strong> Dispositionsleiter beiRhenus hat mir unmissverständlichmitgeteilt, dass dieEntladung noch <strong>an</strong> diesemTage erfolgen müsse. LenkundRuhezeiten würden ihnnicht interessieren.“Schon bei <strong>der</strong> Anmeldungweist Wikart sofortdarauf hin, dass er spätestensum 21 Uhr <strong>an</strong> <strong>der</strong> Rampe stehenmüsse. Er erhält einen Pager, <strong>der</strong> ihm abererst um 21.40 Uhr eine Rampe zuweist.„Auch <strong>der</strong> Mitarbeiterin im Lagerbüro sagteich, dass meine Schichtzeit um 22.30 Uhrendet. Sie <strong>an</strong>twortete mir klar, dass ich meineArbeit unterbrechen darf, sollte ich dasAbladen bis dahin nicht beendet haben.“Punkt 22.25 Uhr unterbricht Wikart dasAbladen und lässt den Lkw wie vereinbart fürdie Entladung am Folgetag <strong>an</strong> <strong>der</strong> Rampestehen. „Am nächsten Morgen war <strong>der</strong> Teufellos. Die Entladung wurde verweigert. DerLeiter des Lagers und sein Chef waren <strong>der</strong>Meinung, Lenk- und Ruhezeiten stehen aufdem Papier, dies sei geduldig, und die Einhaltung<strong>der</strong> Vorschriften nicht notwendig, dam<strong>an</strong> sowieso nicht erwischt würde.“ LauteWorte seien ihm gegenüber gefallen, behauptetWikart – und bekommt lebensl<strong>an</strong>gesHausverbot für das Kaufl<strong>an</strong>d-Lager. Mit <strong>der</strong>Restladung fährt er zurück.Die Konsequenz: Am 29. Dezember kündigtdie Rhenus <strong>der</strong> Bieli-Tr<strong>an</strong>s die fünf festenLkw, mit demselbem Datum kündigtBieli-Tr<strong>an</strong>s das Arbeitsverhältnis mit Wikartfristlos. Grund: Durch sein Verhalten habem<strong>an</strong> den Kunden Rhenus verloren. Auf dieschriftlichen Anfragen des FERNFAHRER mitDer bewachte Lkw-Parkplatz ist durcheinen Zaun vom Zentrallager getrennt.10 Fernfahrer 6 I 2009


Bitte um Stellungnahme reagierte Bieli-Tr<strong>an</strong>sbis zum Redaktionsschluss nicht. Rhenus<strong>an</strong>twortete lapidar, es h<strong>an</strong>dele sich um einProblem des Subunternehmens.Es sei sehr wohl ein Problem <strong>der</strong> Rhenus,teilt ein Beamter <strong>der</strong> zuständigen Gewerbeaufsichtauf Nachfrage mit. „Und wenn bek<strong>an</strong>ntwar, dassAm selben Tag erhieltWikart die Kündigung<strong>der</strong> Bieli-Tr<strong>an</strong>s.Kaufl<strong>an</strong>d das Abladenverzögerto<strong>der</strong> weitere Arbeitenvon demFahrer erwartetwerden, die er beiVerzögerungen nicht ohne Zuwi<strong>der</strong>h<strong>an</strong>dlunggegen geltendes Recht ausführen k<strong>an</strong>n, hätte<strong>der</strong> Unternehmer einen Beifahrer mitschickenmüssen, <strong>der</strong> diese Arbeiten ausführt.“Kaufl<strong>an</strong>d wiegelt ab – die Einhaltung <strong>der</strong>Lenk- und Ruhezeiten sei für Kaufl<strong>an</strong>d eineSelbstverständlichkeit. M<strong>an</strong> verlagert dasProblem <strong>der</strong> Wartezeiten aber auf die Spediteure– die sich zu selten <strong>an</strong>vereinbarte Zeiten haltenwürden: „Grundsätzlich ist<strong>der</strong> Disponent des Liefer<strong>an</strong>tendafür ver<strong>an</strong>twortlich,dass seine Ware unter Berücksichtigung<strong>der</strong> Einhaltung<strong>der</strong> Lenk- und Ruhezeiten<strong>an</strong>geliefert werdenk<strong>an</strong>n. Ist dies nicht <strong>der</strong>Fall, muss eine Neuterminierungdurch den Disponentenin Abstimmungmit dem betroffenenFahrer erfolgen.“Doch bei konsequenterInterpretation<strong>der</strong> EU-Verordnungwäre Kaufl<strong>an</strong>d als Auftraggeber<strong>der</strong> Beschaffungslogistik mitver<strong>an</strong>twortlich– und hätte den Lkw selbst neuterminieren o<strong>der</strong> mit eigenem Personal entladenkönnen. So aber will sich bei Kaufl<strong>an</strong>dniem<strong>an</strong>d mehr <strong>an</strong> die Abmachung erinnernund wirft Wikart stattdessen eine Blockadeeiner <strong>der</strong> wichtigstenRampenZuerst kündigt Rhenusseinem Subunternehmer, d<strong>an</strong>ndieser seinem Fahrervor. Er hätterechtzeitig aufden Parkplatzfahren können.„Doch dazuhat mich niem<strong>an</strong>d konkret aufgefor<strong>der</strong>t“,sagt Wikart. „Ohne Anweisung durch dieSpedition Rhenus als Dienstleister durfte ichbei nicht abgeschlossener Entladung dieRampe auch gar nicht verlassen, da dieseiner Arbeitsverweigerung gleichkäme. Hätteich mich auf den Lkw-Parkplatz gestellt, hätteich das Betriebsgelände verlassen müs-sen, was eine komplette Ausbuchung erfor<strong>der</strong>lichgemacht hätte.“Kaufl<strong>an</strong>d hat zumindest das „lebensl<strong>an</strong>ge“Hausverbot in ein „unbefristetes“ gew<strong>an</strong>deltund die Rhenus gebeten, den Schritt zuüberdenken. „In dem uns vorliegenden Fallhätte bei Kenntnis <strong>der</strong> aktuellen Situation<strong>der</strong> Lenk- und Ruhezeiten deutlich besserreagiert werden können“, bemüht sich dasLebensmittelhaus. „Der Fahrer hätte darüberjedoch rechtzeitig vor <strong>der</strong> Entladung informierenmüssen.“ Genau das hat er get<strong>an</strong>.Kaufl<strong>an</strong>d gelobt: „Wir werden nochmalsunsere Mitarbeiter <strong>an</strong> unseren Zentrallagerst<strong>an</strong>dortendarauf aufmerksam machen, imUmg<strong>an</strong>g mit unseren Liefer<strong>an</strong>ten und Fahrerneinen freundlichen und <strong>an</strong>gemessenenUmg<strong>an</strong>gston zu pflegen.“ Die Geschäftsleitungerwartet das aber auch von den Fahrern– und spricht von einem Einzelfall. „Es istnur deshalb ein Einzelfall“, entgegnet Wikart,„weil viele Fahrer Bestimmungen missachtenmüssen, aber nichts sagen. Denn eine Rückendeckungdurch die Speditionen ist in <strong>der</strong>Regel nicht gegeben. Der Hase wird erschossen,<strong>der</strong> Fuchs laufen gelassen.“Eure Meinung dazu im Blogauf www.fernfahrer.deWegen schlechter Pl<strong>an</strong>ung musste Wikartschon mal in Fr<strong>an</strong>kreich kräftig zahlen.GDrohende Klageegen die fristlose Kündigung hatGerhard Wikart geklagt. Damitliegt er im traurigen Trend. Denn<strong>der</strong> Ton in den Unternehmen wird rauer,die Zahl <strong>der</strong> Kündigungen nimmt zu. DasBundesarbeitsgericht rechnet mit einerregelrechten Klagewelle – <strong>an</strong> einigen Arbeitsgerichtengehen bis zu 30 Prozentmehr Klagen ein. Beim Rechtsschutzdes Deutschen Gewerkschaftsbundes(DGB) stieg die Zahl <strong>der</strong> unterstütztenKündigungsklagen um 50 Prozent.Doch viele Fahrer, die nicht privat o<strong>der</strong>über ihre Gewerkschaftsmitgliedschaftrechtsschutzversichert sind, scheuenden G<strong>an</strong>g vor den Kadi: Denn in ersterInst<strong>an</strong>z trägt jede Partei ihre Anwaltskostenselbst, egal, ob sie gewinnt o<strong>der</strong>unterliegt. Dabei k<strong>an</strong>n <strong>der</strong> Arbeitnehmeram Arbeitsgericht bei einem Rechtspflegerfast kostenlos selbst die Klageeinreichen.Täglich steuern bis zu 400 Lastzügedas Kaufl<strong>an</strong>d-Zentrallager <strong>an</strong>.Fernfahrer 6 I 200911

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