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Letter - DAAD-magazin

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Nr. 3 Dezember 2007, 27.Jg.


Foto: Landesbank Berlin AG<br />

Foto: picture-alliance/ZB<br />

2<br />

Inhalt<br />

Titel:<br />

Familie im Umbruch<br />

S.24<br />

Engagiert sich für Integration:<br />

Jean Claude Diallo<br />

S.39<br />

Forschung im Polareis<br />

S.14<br />

Kunstschau in Berlin: Werk des<br />

Italieners Ben Vautier,<br />

<strong>DAAD</strong>-Stipendiat 1978/79<br />

S.4<br />

Buchkunst und Grafik in Leipzig<br />

S.18<br />

Foto: Michael Jordan<br />

Foto: creative collection/axeptDESIGN Foto: Astrid Richter, Quelle: Alfred-Wegener-Institut<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> – Das Magazin für <strong>DAAD</strong>-Alumni<br />

Dialog Seite 4<br />

Beyond the Wall S. 4<br />

Brief aus Damaskus<br />

<strong>DAAD</strong>-Standpunkt<br />

S. 6<br />

20 Jahre Wandel durch Austausch S. 7<br />

Spektrum Deutschland Seite 8<br />

Hochschule<br />

Von Ägypten lernen<br />

Seite 10<br />

Mehr Frauen in die Naturwissenschaften S. 10<br />

Neues vom Campus S. 11<br />

Wissenschaft und Wirtschaft S. 13<br />

Wissenschaft<br />

Fahrt auf der Eisscholle<br />

Seite 14<br />

Das internationale Polarjahr 2007/08<br />

Heinrich Heine digital<br />

S. 14<br />

Interview mit Claudia Lux über Bibliotheken heute S. 16<br />

Ortstermin Seite 18<br />

Buch-Stadt und Bio-City: Leipzig S. 18<br />

Europa<br />

Wer versteht schon Lëtzebuergesch?<br />

Seite 20<br />

Europa spricht viele Sprachen S. 18<br />

Arbeiten weltweit<br />

Zwei Deutsche in Lettland: Pionierarbeit<br />

Seite 22<br />

als Unternehmerin und Umweltberaterin S. 22<br />

Trends<br />

TITEL:<br />

Familie in Deutschland:<br />

Seite 24<br />

Herbeigesehnt, überfordert, neu definiert S. 24<br />

Rätsel Seite 28<br />

Sprachecke Seite 29<br />

<strong>DAAD</strong> Report<br />

Abschied nach 20 Jahren –<br />

Seite 30<br />

Interview mit <strong>DAAD</strong>-Präsident Theodor Berchem<br />

Absolventen deutscher Auslandsschulen –<br />

S. 30<br />

Stipendiatentreffen in Berlin S. 32<br />

Stipendiaten forschen S. 34<br />

Nachrichten<br />

Gestern Stipendiat – und heute ...<br />

S. 36<br />

Jean Claude Diallo S. 39<br />

Köpfe S. 40<br />

Bücher von unseren Lesern S. 42<br />

Impressum S. 42<br />

Deutsche Chronik Seite 43<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07


Bei einem internationalen Schriftstellerkongress<br />

im Oktober in Berlin erzählte<br />

der schwedische Autor Lars Gustafsson folgende<br />

Anekdote: 1968 lebte er als <strong>DAAD</strong>-Stipendiat<br />

mit seiner Familie in Berlin. Sein Sohn<br />

– heute Filmkritiker in Stockholm – besuchte<br />

damals eine Berliner Schule. Eines Tages kam<br />

er ohne Hausarbeiten in den Unterricht – mit<br />

der Entschuldigung, er habe die halbe Nacht<br />

mit Günter Grass, Uwe Johnson und seinem<br />

Vater zugebracht. Der verblüffte Lehrer ließ<br />

es ihm durchgehen. Solche und viele andere<br />

Erlebnisse und Eindrücke berühmter ausländischer<br />

Künstler in Berlin waren in diesem<br />

Herbst bei der internationalen Veranstaltung<br />

„Beyond the Wall“ zu erfahren (Bericht auf<br />

Seite 4).<br />

Wenn Väter heute von ihren Kindern erzählen,<br />

kommt es immer häufiger vor,<br />

dass sie von Windeln und Fläschchen reden.<br />

Junge Väter in Deutschland übernehmen zunehmend<br />

Familienpflichten in der Babyphase<br />

ihrer Kinder. Finanzielle Hilfe erhalten sie<br />

vom Staat. Dies ist nur ein Symptom für den<br />

Wandel der Familie, wie in unserer Titelgeschichte<br />

nachzulesen ist (Seite 24).<br />

Dass Paare ihren Kinderwunsch verwirklichen<br />

können, ohne dass die Frauen auf Beruf<br />

und Karriere verzichten müssen, ist eines der<br />

Ziele einer neuen Familienpolitik in Deutschland.<br />

Sie wird ganz wesentlich von einer Frau<br />

Foto: Reiner Zensen<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07<br />

Foto: Jochen Luebke/ddp<br />

bestimmt, die weiß, wovon sie spricht: Familienministerin<br />

Ursula von der Leyen hat selbst<br />

sieben Kinder großgezogen. Interview mit der<br />

Ministerin auf Seite 27.<br />

Nicht um den familiären, sondern um den<br />

wissenschaftlichen Nachwuchs geht es<br />

in unserem Interview mit <strong>DAAD</strong>-Präsident<br />

Theodor Berchem (Seite 30). Anfang 1988<br />

rückte er an die Spitze des <strong>DAAD</strong>, nach 20-jähriger<br />

Amtszeit geht er jetzt in den Ruhestand.<br />

Viele <strong>Letter</strong>-Leserinnen und -Leser kennen<br />

ihn von Treffen im In- und Ausland, wo er<br />

zu Stipendiaten und Alumni schnell unmit-<br />

Editorial<br />

Die heutige Familienministerin Ursula von der Leyen mit ihrer Familie im Jahr 2005<br />

<strong>DAAD</strong>-Präsident<br />

Theodor Berchem<br />

Gitarre spielend mit<br />

<strong>DAAD</strong>-Stipendiaten<br />

telbaren Kontakt fand. Die <strong>Letter</strong>-Redaktion<br />

verdankt ihm viele anregende Beiträge und<br />

Gespräche.<br />

Beim Rückblick auf seine Amtszeit wird<br />

deutlich: Es waren Jahre großen Wandels. Der<br />

<strong>DAAD</strong> sah sich einer dynamischen Internationalisierung<br />

aller Lebensbereiche gegenüber<br />

und hat – dank des persönlichen Einsatzes<br />

seines Präsidenten – diese Entwicklung im<br />

akademischen Austausch aktiv mitgestaltet<br />

(Seite 7).<br />

Wandel durch Internationalisierung erleben<br />

auch die Bibliotheken. Es sind vor allem die<br />

elektronischen Medien, die den Alltag eines<br />

Bibliothekars verändert haben, sagt Claudia<br />

Lux. Die ehemalige <strong>DAAD</strong>-Stipendiatin ist seit<br />

wenigen Monaten als Präsidentin des Weltverbandes<br />

der Bibliotheken „weltoberste Bibliothekarin“<br />

(Interview Seite 16).<br />

Mit der nächsten Ausgabe von <strong>Letter</strong> wird<br />

eine Leserumfrage gestartet. Darin soll<br />

unter anderem nach den Wünschen unserer<br />

Leser an die Zeitschrift gefragt werden. Zunächst<br />

aber wünschen wir Ihnen, liebe Leserinnen<br />

und Leser, von Herzen ein frohes, gesundes<br />

und friedliches Jahr 2008!<br />

Der <strong>DAAD</strong> und die <strong>Letter</strong>-Redaktion<br />

3


4<br />

Dialog<br />

Berlin ist Anziehungspunkt für Künstler aus aller Welt. Viele von ihnen<br />

sind als <strong>DAAD</strong>-Stipendiaten gekommen, zur Zeit der geteilten<br />

Stadt und nach dem Mauerfall. Was die Stadt ihnen bedeutet und wie<br />

sie sich in ihren Werken spiegelt, war drei Monate lang in einer Kunst-<br />

Ausstellung, bei einer Schriftstellerkonferenz sowie bei Lesungen und<br />

Konzerten in Berlin zu erfahren.<br />

Der Afrikaner Georges Adéagbo kennt Berlin<br />

wie seine Westentasche. Kein Wunder,<br />

er hat die Stadt und ihre Flohmärkte durchstreift,<br />

immer auf der Jagd nach Fundstücken<br />

für seine große Installation. Die zeigt ein Sammelsurium<br />

von Gegenständen, mit denen der<br />

Künstler aus Benin das Brandenburger Tor ins<br />

Zentrum rückt und gleichzeitig Verbindungen<br />

schafft zu den vier Alliierten der Berliner<br />

Nachkriegszeit: USA, England, Frankreich und<br />

Russland. Auch die Geschichte des kolonialen<br />

Afrikas gerät in den Blick. Die zentrale Figur<br />

sieht in alle vier Himmelsrichtungen: Berlin<br />

ist Teil eines gemeinsamen Ursprungs.<br />

Adéagbo, zurzeit Stipendiat des Berliner<br />

Künstlerprogramms (BKP) des <strong>DAAD</strong> und gefeierter<br />

Documenta-Künstler (2002), hat sich<br />

künstlerisch mit Berlin auseinandergesetzt –<br />

und das gilt für die meisten der Werke, die von<br />

September bis Dezember unter dem Titel „Beyond<br />

the Wall. Berlin – Freihafen der Künste“<br />

im Max Liebermann Haus direkt neben dem<br />

Brandenburger Tor zu sehen waren.<br />

Die Schau – veranstaltet von der Stiftung<br />

Brandenburger Tor, die hier Leihgaben vor<br />

allem der Landesbank Berlin zeigte –, konzentrierte<br />

sich auf 27 Künstler, die in den vergangenen<br />

44 Jahren am Berliner Künstlerprogramm<br />

des <strong>DAAD</strong> teilgenommen haben. Das<br />

renommierte Stipendienprogramm sollte nach<br />

dem Mauerbau dem eingeschlossenen Westteil<br />

Berlins Verbindung zur internationalen Kunstszene<br />

verschaffen. Seit 1963 hat der <strong>DAAD</strong><br />

mehr als 1 000 ausländische Künstler aus den<br />

Sparten Bildende Kunst, Literatur, Musik und<br />

Film jeweils für mehrere Monate nach Berlin<br />

geladen, wo sie – oft in enger Verbindung mit<br />

der Stadt – bedeutende Werke schufen.<br />

Foto: Stiftung Brandenburger Tor<br />

Foto: Privatleihgabe, Bremen


Berlin rekonstruiert<br />

„Beyond the Wall“ – das meint die Kunst aus<br />

aller Welt sowie die Kunst vor und nach der<br />

Berliner Mauer. Von denen, die sie schufen,<br />

sind heute viele weltberühmt, seien es die<br />

Amerikaner John Cage, der 1972 nach Berlin<br />

kam oder Jimmie Durham (1998), der Japaner<br />

On Kawara (1976), der Brite Damien Hirst<br />

(1993/94) oder der Belgier Marcel Broodthaers<br />

(1974). Und etliche haben ein Werk in Berlin<br />

gelassen, wie der Israeli Micha Ullman<br />

(1989/90), dessen Denkmal „Bibliothek“ auf<br />

dem Berliner Bebelplatz an die Bücherverbrennung<br />

von 1933 erinnert.<br />

Berliner Flohmärkte waren schon immer Anziehungspunkt<br />

für die Künstler, die sich mit<br />

der Geschichte der Stadt auseinandersetzten:<br />

Der Franzose Christian Boltanski (1975) hat<br />

dort eine Schachtel mit Fotos einer Berliner<br />

Familie entdeckt und sie zu einer „Chronik<br />

des Alltags“ zusammengestellt. Der US-Amerikaner<br />

Edward Kienholz (1973/74) hat auf dem<br />

Flohmarkt Radios aus der Nazizeit gefunden<br />

und aus den „Volksempfängern“ ein Objekt gestaltet,<br />

das Diktatur und Massenmanipulation<br />

reflektiert. Kienholz behielt 20 Jahre lang eine<br />

Wohnung in Berlin.<br />

Berlins Geschichte faszinierte auch den US-<br />

Amerikaner Emmett Williams, der Anfang der<br />

80er Jahre „aus dem Chaos elektrostatischer<br />

Verzerrungen“ Bilder einer Stadt konstruierte,<br />

die „selbst aus dem Chaos des Krieges<br />

rekonstruiert wurde“, wie er sagt. Und auch<br />

auf einem Gemälde der Österreicherin Maria<br />

Lassnig (1978), ihrem Regenbogenfarbenbild<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07<br />

Foto: Landesbank Berlin AG<br />

„Hände“, lässt sich ein Beziehungsgeflecht erkennen,<br />

das Symbol für die gesellschaftliche<br />

Struktur der Stadt sein könnte.<br />

Berlin ein Laboratorium<br />

„Freihafen der Künste“ – so sieht der ungarische<br />

Schriftsteller György Konrád Berlin. Er<br />

und 24 Autorenkollegen aus aller Welt, fast<br />

alle ehemalige Stipendiaten, standen im Mittelpunkt<br />

eines Schriftstellerkongresses und<br />

von Lesungen, die begleitend zur Ausstellung<br />

vom <strong>DAAD</strong> gemeinsam mit dem Literarischen<br />

Colloqium Berlin veranstaltet wurden.<br />

György Konrád, 1977/78 BKP-Gast und später<br />

Präsident der Berliner Akademie der Künste,<br />

ist einer von fast 100 ungarischen Autoren,<br />

die sich mit einem <strong>DAAD</strong>-Stipendium in Berlin<br />

aufhielten. Er erzählt, wie die Osteuropäer<br />

„mit Herzklopfen erlebten, dass sie sich geografisch<br />

mitten im Sowjetreich und dennoch<br />

außerhalb davon befanden.“ Für viele von ihnen<br />

wurde die Stadt zum Zufluchtsort vor Verfolgung<br />

und Schreibverbot in der Heimat.<br />

Der Ungar Lászlo Földenyi, den es magisch<br />

zur Mauer zog, notierte in seinem Berlin-Tagebuch<br />

im September 1988: „Ich blickte wie ein<br />

Schizophrener über die Mauer, stand gaffend<br />

hier, wohl wissend, dass mein Platz dort wäre,<br />

dass ich dorther gaffen müsste.“ Und auch<br />

Paul Nizon, der in Paris lebende Schweizer,<br />

machte 1982 seine Erfahrung mit der Mauer.<br />

Für ihn war Westberlin „ein Laboratorium für<br />

tolerantes Koexistieren von Lebensformen...<br />

Gleich nebenan herrschte das Gegenteil“.<br />

Dialog<br />

In Berlin ausgestellt:<br />

„Une espace avec le monde“, 2007,<br />

von Georges Adéagbou (links unten),<br />

„Brandenburger Tor und Hindenburg“,1981,<br />

von Emmett Williams (links oben) und<br />

„Hände“, 1989,<br />

von Maria Lassnig<br />

Eine ganz andere Art der Freiheit genoss der<br />

Schwede Lars Gustafsson, der zu Hause in<br />

Schweden hauptberuflich Journalist war. Im<br />

Berlin der 70er Jahre, wo er sich „ungewöhnlich<br />

frei und ungewöhnlich eingeschlossen“<br />

fühlte, nutzte er die Abstinenz vom Brotberuf<br />

dazu, in 15 Monaten drei Romane zu schreiben.<br />

Berlin als Notizbuch<br />

Die Französin Cécile Wajsbrod, deren Familie<br />

den nationalsozialistischen Judenmord in<br />

Paris überlebte, konnte erst nach der Wende<br />

kommen, weil Berlin bis dahin für sie die<br />

Hauptstadt des Dritten Reiches war. „Mit dem<br />

Mauerfall wurde Berlin zur europäischen<br />

Stadt“, sagt sie. Auch Yuri Andruchowytsch<br />

aus der Ukraine hat die Mauer nie gesehen.<br />

Dennoch war sie während seines Jahres in<br />

Berlin 2005/06 für ihn noch lebendig: „Was<br />

könnte Marzahn und Dahlem in einem gemeinsamen<br />

Organismus vereinen?“ fragt er<br />

in seinen Aufzeichnungen „Berlin als Notizbuch“.<br />

Die meisten Autoren haben irgendwann<br />

über Berlin geschrieben. Die Rumänin Carmen<br />

Francesca Banciu, die inzwischen auch<br />

in deutscher Sprache schreibt, versichert in<br />

ihrem gleichnamigen Buch: „Berlin ist mein<br />

Paris.“ Der Brasilianer João Ubaldo Ribeiro<br />

nimmt in seinem Buch „Ein Brasilianer in Berlin“<br />

die Berliner, deren Lebensart ihm fremd<br />

geblieben ist, mit Humor.<br />

Alle Künstler, ob sie in das geteilte Berlin<br />

kamen oder erst nach dem Fall der Mauer, genossen<br />

die freizügige Atmosphäre für Kunst<br />

jeder Art. Und sie gaben der Stadt etwas zurück,<br />

sei es mit ihren Werken oder auch nur<br />

mit einem Stück Atmosphäre aus ihrer Heimat.<br />

Das gilt auch für die Musik-Stipendiaten,<br />

die im Rahmen von „Beyond the Wall“ die<br />

Berliner mit zwei großen Konzerten erfreuten.<br />

Gespielt wurden Stücke so berühmter Komponisten<br />

und „Berliner auf Zeit“ wie Luigi Nono<br />

(Italien), Arvo Pärt (Finnland), Olga Neuwirth<br />

(Österreich), Morton Feldman (USA) und Mark<br />

Andre (Frankreich).<br />

Leonie Loreck<br />

Der Katalog zur Ausstellung enthält auch<br />

Texte mehrerer BKP-Autoren: Beyond the<br />

Wall, Hrsg.: Stiftung Brandenburger Tor. Nicolaische<br />

Verlagsbuchhandlung Berlin 2007<br />

5


6<br />

Dialog<br />

Warum dieses Thema? Die Wahrnehmung<br />

des kulturell, sprachlich und ethnisch<br />

Anderen stellt einen wesentlichen Aspekt<br />

aller Gesellschaften und Kulturen dar und<br />

liefert die Quelle für die Images anderer Nationen<br />

in Literatur, Kunst, Medien, Religion<br />

etc. Die Wahrnehmung des Anderen ist auch<br />

ausschlaggebend für Identitätsbestimmung,<br />

inneren Zusammenhang und Wandel von Kulturen.<br />

Sie kann aber auch zu interkulturellen<br />

Spannungen und Konflikten führen, die zu<br />

politischen Krisen oder gar zu militärischen<br />

Auseinandersetzungen eskalieren.<br />

Bestes Beispiel dafür ist der zeitgenössische<br />

Konflikt zwischen dem „Westen“ und dem „Islam“,<br />

in dem der amerikanische Sozialwissenschaftler<br />

Samuel Huntington einen „Kampf<br />

der Kulturen“ sieht. Es war daher naheliegend,<br />

das Thema zum Gegenstand wissenschaftlicher<br />

Forschung und kritischer Reflexion zu<br />

machen und damit die Hoffnung zu verbinden,<br />

zur Verbesserung der deutsch-arabischen<br />

Beziehungen beizutragen.<br />

An dem Symposium, das vom Institut für<br />

Arabistik und Islamwissenschaft der Westfälischen<br />

Wilhelms-Universität (WWU) Münster<br />

veranstaltet wurde, nahmen 21 Wissenschaftler<br />

teil, die an deutschen und arabischen Universitäten<br />

tätig sind – darunter erfreulich viele<br />

Nachwuchs-Wissenschaftler. Das Spektrum<br />

der Themen war groß. Das begann mit der<br />

theoretischen Problematisierung des Begriffs<br />

vom „Anderen“ aus der Sicht der arabisch-islamischen<br />

Kultur. Die kritische Überprüfung<br />

des Begriffs führte zwangsläufig zur Auseinandersetzung<br />

mit der eigenen kulturellen<br />

Identität.<br />

Verhärtete Fronten<br />

Anhand von konkreten Beispielen der Berichterstattung<br />

über Muslime in deutschen<br />

Zeitungen, Filmen und Schulbüchern stellten<br />

mehrere Referenten fest, dass diese von<br />

Stereo typisierung, Exotisierung und sogar von<br />

Verzerrung beherrscht sei. Besonders gefährlich<br />

sei es, wenn die Berichterstattung den<br />

Islam und die Muslime mit dem Terrorismus<br />

verbände und so die in Deutschland lebenden<br />

Muslime in Terrorismusverdacht brächte.<br />

Wie aus arabischen Autobiografien und<br />

Reiseberichten hervorgeht, war Europa aus<br />

Verzerrte Wahrnehmung Brief aus Damaskus<br />

Um die „Wahrnehmung des Anderen in Deutschland und der arabischen Welt“ ist es nicht<br />

gut bestellt. Zu diesem Resultat kamen Wissenschaftler beider Kulturen bei einem gleichnamigen<br />

Symposium im Juni dieses Jahres an der Universität Münster. Anlass war eine<br />

Gastdozentur des syrischen Komparatistikprofessors und ehemaligen <strong>DAAD</strong>-Stipendiaten<br />

Abdo Abboud, der über die Veranstaltung für <strong>Letter</strong> berichtet.<br />

arabischer Sicht nicht nur eine fremde, nichtislamische<br />

Kultur, von der sich die islamische<br />

Kultur abgrenzte, sondern auch ein Ort, wo die<br />

Moderne Realität ist. Europa war auch die militärisch<br />

überlegene Macht, die die arabisch-islamische<br />

Welt besiegte und unter ihre kolonialistische<br />

Herrschaft brachte. Insbesondere seit<br />

dem Krieg der USA und ihrer Verbündeten<br />

gegen den Irak wird der „Westen“ zunehmend<br />

als eine Gefahr für die arabisch-islamische<br />

Kultur betrachtet, die sich einer „kulturellen<br />

Invasion“ ausgesetzt fühlt.<br />

Auch die religiösen Fronten zwischen dem<br />

„Islam“ und dem als christlich betrachteten<br />

„Westen“ verhärteten sich in den letzten Jahren.<br />

Die massenhaften Proteste, zu denen es<br />

in mehreren islamisch geprägten Staaten als<br />

Reaktion auf die dänischen „Mohammed-Karikaturen“<br />

und auf die Regensburger Vorlesung<br />

von Papst Benedikt XVI. kam, zeugen von einer<br />

Verschärfung der religiösen Spannungen.<br />

So wurde bei dem Symposium auch die Wahrnehmung<br />

des religiös Anderen im Islam, im<br />

Christentum und Judentum in Geschichte und<br />

Gegenwart reflektiert.<br />

Orientierung<br />

„Hiwar Fanni“ – das ist arabisch und heißt<br />

„künstlerischer Dialog“. Und der findet zurzeit<br />

in einem erfolgreichen Projekt zwischen der<br />

Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig<br />

und Hochschulen in Ägypten, Libanon,<br />

Syrien und Jordanien statt. Auf Studienreisen<br />

und in Workshops lernen die am Austausch<br />

beteiligten Studierenden die Kunst und Kultur<br />

des jeweils Anderen kennen. Ende November<br />

Dialog zu Hause beginnen<br />

Die Teilnehmer des Symposiums stimmten<br />

weitgehend darin überein, dass es um die<br />

Wahrnehmung des jeweils Anderen nicht gut<br />

bestellt ist. Das gilt auch innerhalb der eigenen<br />

Gesellschaft – für die Wahrnehmung des<br />

Islam und der Muslime in Deutschland sowie<br />

der religiösen und ethnischen Minderheiten<br />

in der arabischen Welt. Der interkulturelle<br />

Dialog muss daher zu Hause beginnen. Die<br />

Zusammenarbeit zwischen dem Institut für<br />

Arabistik und Islamwissenschaft der WWU<br />

und dem Ausländerbeirat der Stadt Münster,<br />

der das Symposium mitfinanzierte, war ein<br />

richtiger Schritt in diese Richtung.<br />

Abdo Abboud lehrt Komparatistik an der<br />

Universität Damaskus. Seine einjährige Gastprofessur<br />

wurde vom <strong>DAAD</strong> und der WWU<br />

Münster ermöglicht. Das Symposium wurde<br />

auch vom <strong>DAAD</strong> unterstützt. Eine Dokumentation<br />

der Tagung wird 2008 im LIT Verlag<br />

Münster erscheinen.<br />

haben sie in Leipzig in der Ausstellung „Orientierung“<br />

Malereien, Fotografien, Grafiken<br />

und Videoarbeiten gezeigt – alles Werke,<br />

die vom Eindruck der anderen Kultur so<br />

beeinflusst sind wie der ägyptische „Kamelmarkt“<br />

von Franziska Junge. Das dreijährige<br />

Programm wird vom <strong>DAAD</strong> finanziert und<br />

endet 2008 mit einer Reise an die Universität<br />

Damaskus. Llo<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07


Foto: Eric Lichtenscheidt<br />

Dr. Christian Bode ist<br />

Generalsekretär des <strong>DAAD</strong><br />

Wenn Theodor Berchem zum Jahresende<br />

2007 nach 20-jähriger Amtszeit seine<br />

<strong>DAAD</strong>-Präsidentschaft beendet, übergibt<br />

er seinem Nachfolger eine Organisation, die<br />

weltweit die Nummer eins unter den Agenturen<br />

für akademischen Austausch und internationale<br />

Zusammenarbeit ist und die auch<br />

in ihrer Doppelnatur als Selbstverwaltungs-<br />

Einrichtung der Hochschulen und zugleich<br />

Mittlerorganisation staatlicher (Außen-)Kultur-,<br />

Wissenschafts- und Entwicklungspolitik<br />

ziemlich einzigartig sein dürfte.<br />

Theodor Berchems fünf Amtsperioden fielen<br />

in eine Zeit, die als eine Phase großer geistiger,<br />

politischer und wirtschaftlicher Umwälzungen<br />

bezeichnet werden kann und deren<br />

herausragende Eigenschaft eine dynamische<br />

Internationalisierung („Globalisierung“) fast<br />

aller Lebensbereiche ist. Schlagworte wie<br />

Mauerfall, Osterweiterung und Europäische<br />

Integration können nur unzureichend die<br />

Dynamik beschreiben, mit der die Landkarte<br />

der ganzen Welt buchstäblich aus den (alten)<br />

Fugen geriet.<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07<br />

So ist die eindrucksvolle Bilanz dieser zwei<br />

Jahrzehnte 1 – unter anderem haben sich das<br />

<strong>DAAD</strong>-Budget (278 Millionen Euro), die Zahl<br />

der Geförderten (55 000 pro Jahr) und die Zahl<br />

der Programme (heute weit über 200) in dieser<br />

Zeit mindestens verdoppelt – sicher auch<br />

der Gunst der historischen Stunde geschuldet.<br />

Doch gerade diese Zeit des Wandels bot herausragenden<br />

Führungspersönlichkeiten das<br />

politische Parkett, mit Mut und Beharrlichkeit<br />

Veränderungen aktiv mitzugestalten. Solch<br />

eine Führungspersönlichkeit hatte der <strong>DAAD</strong><br />

in seinem langjährigen Präsidenten.<br />

Theodor Berchem war und ist ein Mann der<br />

Rekorde und des langen Atems: 20 Jahre<br />

<strong>DAAD</strong>-Präsidentschaft, 28 Jahre Rektor und<br />

Präsident der Universität Würzburg, zahlreiche<br />

Auszeichnungen und Ehrendoktorwürden,<br />

mehr als ein Dutzend Fremdsprachen,<br />

die er von leidlich bis fast muttersprachlich<br />

beherrscht, dazu ein Schriftenverzeichnis, das<br />

auch einem „Nur“ -Wissenschaftler zur Ehre<br />

gereichen würde.<br />

Das alles stärkte zu Recht sein Selbstbewusstsein,<br />

verführte ihn aber nie zu Eitelkeit oder<br />

Überheblichkeit. Von seinen Mitarbeitern<br />

erwartete er neben Einsatz auch unbedingte<br />

Loyalität, aber er gab sie mit gleicher Münze<br />

zurück. Die Wertigkeit der Menschen taxierte<br />

er nicht nach Titeln und Epauletten, sondern<br />

nach ihren persönlichen Verdiensten und charakterlichen<br />

Stärken. Das galt für Mitarbeiter<br />

ebenso wie für Minister. Angst vor Fürstenthronen<br />

war Berchems Sache nicht, ebenso wie<br />

Dialog<br />

<strong>DAAD</strong>-Standpunkt<br />

20 Jahre Wandel durch Austausch<br />

Hommage auf Theo Berchem (<strong>DAAD</strong>-Präsident 1988 – 2007)<br />

Von Christian Bode<br />

ihm, bei allem taktischen Geschick, jedwede<br />

Form von Opportunismus zuwider war. Das<br />

hat ihm in einer Zeit, in der Zivilcourage eher<br />

auszusterben scheint, nicht immer Vorteile,<br />

aber jedenfalls Respekt und manchmal auch<br />

Bewunderung eingebracht.<br />

Schließlich ist der sichere politische Instinkt<br />

zu nennen, der Berchem gerade in unübersichtlichen<br />

kontroversen Situationen zur<br />

Verfügung stand und der sich insbesondere<br />

in aufgeregten Gremiendebatten bewährte.<br />

Manchmal war es gewiss auch nur Berufs- und<br />

Lebenserfahrung, seine rheinische Gewitztheit<br />

und die richtige Prise Humor an der richtigen<br />

Stelle, die es richteten. In schwierigen<br />

Fällen dagegen, wenn es um inhaltliche Richtungsfragen<br />

ging, half ihm ein anderes, das<br />

nur wenige ihr Eigen nennen können: Ein aus<br />

Erfahrung und Leistung aufgebautes und gesichertes<br />

Selbstvertrauen und eine geistige Orientierung,<br />

die gleichermaßen traditionellen<br />

Werten verpflichtet wie neuen Einsichten und<br />

Erfahrungen aufgeschlossen war. Und genau<br />

dies ist die Mischung, aus der auch der Erfolg<br />

des <strong>DAAD</strong> in den letzten 20 Jahren entstand.<br />

Der <strong>DAAD</strong> wünscht seinem Ehrenpräsidenten<br />

noch viele Jahre und Jahrzehnte voller Schaffens-<br />

und Lebensfreude!<br />

(Siehe auch Interview Seite 30 in diesem Heft)<br />

1 Vgl. dazu: Dr. Christian Bode und<br />

Dr. Dorothea Jecht (Hrsg): 20 Jahre<br />

Wandel durch Austausch. Festschrift für<br />

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Theodor Berchem,<br />

<strong>DAAD</strong>-Präsident 1988 – 2007, Bonn 2007<br />

7


8<br />

Spektrum Deutschland<br />

Nobelpreis 2007<br />

Erfolg für deutsche Chemie und Physik<br />

Gleich über zwei Nobelpreise darf sich die<br />

deutsche Wissenschaftsgemeinschaft in diesem<br />

Jahr freuen. Der Preis für Chemie ging an<br />

den 1936 in Stuttgart geborenen Physiker Gerhard<br />

Ertl, bis 2004 Direktor der Abteilung für<br />

physikalische Chemie am Fritz-Haber-Institut<br />

der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin. Geehrt<br />

wurde er für seine Arbeit zum Verständnis<br />

der heterogenen Katalyse, das sind chemische<br />

Prozesse, die sich auf festen Oberflächen abspielen.<br />

Den Preis für Physik teilen sich der<br />

deutsche Physiker Peter Grünberg vom Forschungszentrum<br />

Jülich und der Franzose Albert<br />

Fert für ihre Entdeckung des Riesenmagnetowiderstands<br />

(GMR).<br />

Besonders erfreulich aus deutscher Sicht:<br />

Beide Preisträger hatten ihre Hauptwirkungsstätten<br />

an deutschen Universitäten oder Forschungseinrichtungen.<br />

Gerhard Ertl studierte<br />

ab 1955 an der Universität Stuttgart und folgte<br />

seinem Doktorvater 1962 an die Technische<br />

Universität München, wo er sich auch habilitierte.<br />

Dort blieb er – mit kurzen Unterbrechungen<br />

durch einen Aufenthalt an der Universität<br />

Hannover und Gastprofessuren in den<br />

USA –, bis er 1986 an das Fritz-Haber-Institut<br />

nach Berlin ging. Seine Erkenntnisse zu Katalysatoren<br />

waren bedeutend für so verschiedene<br />

Prozesse wie die Brennstoffzelle, den<br />

Autokatalysator oder auch für die Herstellung<br />

von Kunstdünger.<br />

Peter Grünberg wurde 1939 in der Tschechoslowakei<br />

geboren und kam 1946 als Flüchtling<br />

nach Hessen. Er studierte ab 1962 Physik an<br />

der Universität Frankfurt, später an der Technischen<br />

Hochschule Darmstadt, wo er promovierte.<br />

Seit 1972 arbeitet er am Forschungszentrum<br />

Jülich und habilitierte an der Universität<br />

Köln. Dank des von ihm und Fert 1988<br />

entdeckten GMR-Effektes konnten Festplatten<br />

erheblich verkleinert und zugleich mit deutlich<br />

höherer Speicherkapazität ausgestattet werden.<br />

Beide Preisträger haben während ihrer<br />

Wissenschaftler-Karriere kurzfristig eine Förderung<br />

durch <strong>DAAD</strong>-Programme genutzt. kj<br />

Archäologisches Institut<br />

100 Jahre am Nil<br />

Jubiläum in Kairo: seit 100 Jahren sind Forscher<br />

des Deutschen Archäologischen Instituts<br />

(DAI) auf den Spuren der alten Ägypter. 1907<br />

als „Kaiserlich Deutsches Institut für Alterskunde“<br />

gegründet, umfasst das Arbeitsgebiet<br />

des DAI einen Zeitraum von über 6000 Jahren:<br />

von der pharaonischen Zeit über die griechisch-römische,<br />

die bzyantinisch-koptische<br />

bis hin zur arabisch-islamischen Epoche.<br />

Behutsam legen die Wissenschaftler bei ihren<br />

Ausgrabungen die Schätze der Vergangenheit<br />

frei, bringen zurück ans Tageslicht, was<br />

irgendwann unter dem ägyptischen Wüstensand<br />

verschwand. Es gab Projekte, bei denen<br />

Schnelligkeit gefragt war: 1962/63 etwa, als<br />

der Tempel von Kalabscha unter Aufsicht von<br />

DAI-Archäologen in 13 000 Blöcke zerlegt wurde,<br />

um ihn nilabwärts wieder<br />

neu aufzubauen. Nach<br />

dem Bau des Assuan-<br />

Staudamms flutete bereits<br />

der neu entstandene Nassersee<br />

das einst heilige<br />

Areal, als die Deutschen<br />

den Tempel stückweise<br />

retteten. Die spektakuläre<br />

Versetzung gelang in<br />

einer Rekordzeit von nur<br />

sechs Monaten.<br />

„Begegnung mit der<br />

Vergangenheit“ hat das<br />

DAI Kairo sein Jubiläum<br />

überschrieben. Die reiche<br />

Foto: Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Kairo<br />

Foto: picture-alliance/ZB<br />

Gerhard Ertl (links) und Peter Grünberg bei<br />

einer Fernsehtalkshow 2007<br />

Geschichte Ägyptens und ein ganzes Jahrhundert<br />

deutscher Forschungsarbeit bieten eine<br />

Vielzahl dieser Begegnungen. Zu den Jubiläumsveranstaltungen<br />

gehört auch eine Sonderausstellung<br />

des DAI im Ägyptischen Museum<br />

in Kairo. Darin sind zum Teil noch nie<br />

in der Öffentlichkeit präsentierte Fundstücke<br />

deutscher Grabungsmissionen zu sehen (bis<br />

15.1.2008). wf<br />

Informationen:<br />

www.dainst.org/kairo100jahre<br />

Günter Dreyer, Daniel Polz (Hrsg.): Begegnung<br />

mit der Vergangenheit – 100 Jahre in Ägypten.<br />

Mainz 2007<br />

Wettbewerb<br />

Schönste Wörter<br />

Yakamoz ist das schönste Wort der Welt. Es<br />

ist türkisch und bedeutet in etwa „die Widerspiegelung<br />

des Mondes im Wasser“. Weil sie<br />

es „einfach schön“ findet, „dieses Phänomen<br />

in einem Wort ausdrücken zu können“, ist es<br />

das Lieblingswort der Türkin Rana Aydin. Sie<br />

beteiligte sich an einem Wettbewerb, mit dem<br />

das Institut für Auslandsbeziehungen in Stuttgart<br />

im Rahmen des Jahres der Geisteswissenschaften<br />

schönste Wörter weltweit ausfindig<br />

machen wollte.<br />

2 469 Sprachbegeisterte aus 58 Nationen sandten<br />

ihr Lieblingswort ein. Die Jury bewertete<br />

die Originalität der Wörter und die Begründung<br />

der Einsender. Das „ABC der schönsten<br />

Wörter“ reicht von Ài, chinesisch Liebe, bis<br />

Zmrzlina, slowakisch Eis.<br />

Die Wörter hu lu, chinesisch schnarchen, und<br />

volongoto, was in Luganda unordentlich oder<br />

chaotisch heißt, kamen auf Platz zwei und drei<br />

der Rangliste. Auch einige deutsche Wörter<br />

sind in dem ABC enthalten, etwa Kladderadatsch,<br />

Kichererbse und Rhabarber.<br />

Informationen: abckultur@ifa.de Llo<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07


Foto: picture-alliance/dpa<br />

Kampagne gegen Adipositas<br />

Die Deutschen sind zu dick<br />

Angesichts alarmierender Zahlen hat die deutsche<br />

Bundesregierung Übergewicht und Fettleibigkeit<br />

(Adipositas) zum Top-Thema erklärt<br />

und im Mai einen Nationalen Aktionsplan zur<br />

Prävention beschlossen. Bis 2020 will die Regierung<br />

das Ernährungs- und Bewegungsverhalten<br />

der Deutschen verbessern und die Zahl<br />

der Übergewichtigen verringern, insbesondere<br />

bei Kindern und Jugendlichen.<br />

Etwa ein Drittel der Menschen in den Wohlstandsgesellschaften<br />

ist übergewichtig, Tendenz<br />

steigend. Bis 2030 werden Schätzungen<br />

zufolge 45 Prozent der Deutschen adipös sein.<br />

In Europa nimmt Deutschland damit in Sachen<br />

Übergewicht eine Spitzenstellung ein.<br />

Vor allem die Zahl der adipösen Kinder und<br />

Jugendlichen ist seit 1990 dramatisch angestiegen.<br />

Circa 15 Prozent der Schulkinder sind<br />

mittlerweile übergewichtig, sechs Prozent sogar<br />

fettleibig.<br />

Adipositas geht mit Folgeerkrankungen einher,<br />

die häufig chronisch werden: Diabetes<br />

mellitus Typ II (Alterszucker), Herz-Kreislauf-<br />

Krankheiten, orthopädische Folgeschäden<br />

und Fettleber. Die Kosten, die durch ernährungsbedingte<br />

Krankheiten entstehen, wer-<br />

Aufbau des Großen Tempels in<br />

Neu-Kalabscha<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07<br />

den auf 70 Milliarden Euro geschätzt – das<br />

sind 30 Prozent aller Gesundheitskosten in<br />

Deutschland. aj<br />

Research in Germany Award<br />

Spitzenforscher gefragt<br />

Ein mit fünf Millionen Euro dotierter Preis soll<br />

internationale Spitzenforscher nach Deutschland<br />

bringen. Der neue „Research in Germany<br />

Award“ wurde vom Bundesministerium für<br />

Bildung und Forschung gestiftet und wird von<br />

der Alexander von Humboldt-Stiftung verliehen.<br />

Der Preis soll jährlich an bis zu zehn international<br />

renommierte Wissenschaftler aller Disziplinen<br />

für einen längeren Forschungsaufenthalt<br />

an deutschen Hochschulen vergeben<br />

werden. Die Forscher werden von den Hochschulen<br />

nominiert. Absicht sei, „Deutschland<br />

dauerhaft und nachhaltig in der internationalen<br />

Spitzenliga zu halten“, sagte Bundesforschungsministerin<br />

Annette Schavan Anfang<br />

Dezember bei der Bekanntmachung des Forschungsfonds<br />

in Berlin.<br />

Die Preissumme soll den Spitzenforschern<br />

nicht nur ein konkurrenzfähiges Gehalt bieten,<br />

sondern auch dem Aufbau neuer Forschungsgruppen<br />

und Strukturen dienen, die<br />

in das Gesamtkonzept der jeweiligen Hochschule<br />

passen. Llo<br />

Informationen: www.humboldt-foundation.de<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

Spektrum<br />

Deutschland<br />

Davor – danach: Drei<br />

Jahre nach dem verheerenden<br />

Brand in der<br />

Weimarer Herzogin-<br />

Anna-Amalia-Bibliothek<br />

sind die Restaurierungsarbeiten<br />

weitgehend<br />

abgeschlossen. Der<br />

Rokoko-Saal präsentiert<br />

sich wieder in alter<br />

Schönheit. Im Buchbestand<br />

sind die ärgsten<br />

Lücken beseitigt. Seit<br />

Ende Oktober ist es<br />

wieder möglich, die<br />

Bibliothek zu nutzen.<br />

Bei der Feuersbrunst<br />

Anfang September<br />

2004 wurden in<br />

dem 400 Jahre alten<br />

Gebäude etwa 50 000<br />

Bücher vernichtet. Der<br />

Staat unterstützte die<br />

Sanierung mit rund<br />

13 Millionen Euro.<br />

Internet-Nutzung<br />

Frauen seltener online<br />

Noch nutzen mehr Männer als Frauen in<br />

Deutschland das Internet, doch das könnte<br />

sich bald ändern: Die „digitale Kluft“ zwischen<br />

den Geschlechtern wird kleiner, so die<br />

aktuelle Sonderauswertung Gender & Diversity<br />

des (N)ONLINER Atlas 2007. Diesjähriger<br />

Schwerpunkt der Untersuchung des Berliner<br />

Kompetenzzentrums Technik ist eine Fünf-<br />

Jahres-Bilanz der Gender-Verteilung in den<br />

einzelnen Bundesländern.<br />

Während 67,1 Prozent der Männer inzwischen<br />

online sind, liegt die Quote der Onlinerinnen<br />

bei 53,8 Prozent. Im Vergleich zum<br />

Vorjahr ist das eine Steigerung um etwa zwei<br />

Prozent. Der Abstand zu den Männern liegt<br />

mit 13,3 Prozent auf dem niedrigsten Stand<br />

seit Beginn der Erhebung im Jahr 2001. Betrachtet<br />

man alle Surfer, sind 53,5 Prozent<br />

männlich und 46,5 Prozent weiblich.<br />

Ungünstig für Frauen entwickelt sich die<br />

Schere zwischen den Geschlechtern mit abnehmendem<br />

Bildungsgrad: Absolventinnen<br />

der Hauptschule und ohne Ausbildung nutzen<br />

das Internet zu 23 Prozent – ihre männlichen<br />

Kollegen mehr als doppelt so häufig. Bei Nutzern<br />

mit abgeschlossenem Studium existiert<br />

dieser „Gender-Gap“ dagegen nicht. 81 Prozent<br />

dieser Gruppe arbeiten mit dem Internet,<br />

egal ob männlich oder weiblich. kri<br />

9


10<br />

Hochschule<br />

Von Ägypten lernen Mehr Frauen in die Naturwissenschaften<br />

Im Rahmen des Deutsch-Ägyptischen Wissenschaftsjahres trafen<br />

sich an der Humboldt-Universität zu Berlin Wissenschaftler beider<br />

Länder, um Probleme und Chancen von Frauen in den Naturwissenschaften<br />

zu diskutieren. Die Veranstaltung war zugleich der<br />

Auftakt für das Förderprojekt FiNCA – Frauen in den Naturwissenschaften<br />

am Campus Adlershof.<br />

Wovon Deutschland nur träumen kann,<br />

das haben Ägypterinnen in ihrem Land<br />

längst verwirklicht: Dort studieren nahezu<br />

genauso viele Frauen wie Männer ein naturwissenschaftliches<br />

Fach. An deutschen Unis<br />

ist die Frauenquote in diesen Fächern eine<br />

der niedrigsten im weltweiten Vergleich. Das<br />

bestätigten die Teilnehmerinnen des Workshops<br />

„Haben Naturwissenschaften ein Geschlecht?“,<br />

den die Humboldt-Universität gemeinsam<br />

mit Partnern am Wissenschafts- und<br />

Wirtschaftsstandort Adlershof im Oktober in<br />

Berlin veranstaltete.<br />

Mehrere Rollen<br />

„Frauen in der ägyptischen Gesellschaft spielen<br />

mehrere Rollen – als Wissenschaftlerin,<br />

im Haushalt und als Mutter“, erklärte Noha<br />

Seada, Assistenz-Dozentin des Fachbereichs<br />

Computer und Informationswissenschaften<br />

an der Ain Shams University in Kairo, selbstbewusst.<br />

Und auch Neamat El Gayar, Assistenzprofessorin<br />

an der Cairo-University im<br />

Fachbereich „Computer and Information“,<br />

sieht die gesellschaftliche Realität<br />

in Ägypten ganz nüchtern. Die<br />

Informatikerin, die die deutsche<br />

Schule in Kairo besuchte und<br />

<strong>DAAD</strong>-Stipendiatin war, betonte:<br />

„Unsere Gesellschaft wird stark<br />

von Männern dominiert, die eine<br />

sehr traditionelle Vorstellung von<br />

der Rollenverteilung haben.“<br />

Trotz dieser Erfahrungen repräsentierten<br />

beide Frauen in Berlin<br />

den Typ der selbstbewussten und<br />

erfolgreichen ägyptischen Wissenschaftlerin,<br />

ja sie vertraten eine<br />

erstaunlich große Zahl von Frauen<br />

in den Naturwissenschaften ihres<br />

Landes. „Der Frauenanteil an unseren<br />

naturwissenschaftlichen Fakultäten<br />

betrug im Wintersemester<br />

2003/2004 durchschnittlich 49<br />

Prozent“, berichtete Nadia Hagazi,<br />

Professorin am National Research<br />

Center in Kairo. In Fächern wie<br />

Pharmazie, Zahnmedizin und Veterinärmedizin<br />

stellten Studentinnen die Mehrheit.<br />

An der Cairo-University sind laut Neamat El<br />

Gayar derzeit 60 Prozent der Informatik-Professuren<br />

von Frauen besetzt, 40 Prozent ihrer<br />

Studenten sind weiblich.<br />

Bessere Noten<br />

Ganz anders in Deutschland: Dort studierten<br />

im Wintersemester 2005/2006 gerade einmal<br />

1860 Frauen – oder 15 Prozent – das Fach<br />

Computerwissenschaften, erläuterte Britta<br />

Schinzel, Professorin am Institut für Informatik<br />

und Gesellschaft der Universität Freiburg.<br />

„Damit liegen wir im internationalen Vergleich<br />

ganz hinten“, so Schinzel.<br />

Ohne ausländische Stipendiatinnen sähe das<br />

Geschlechterverhältnis an deutschen Universitäten<br />

noch düsterer aus, weiß sie zu berichten:<br />

Rund 18 Prozent der Informatik-Studentinnen<br />

kommen nicht aus Deutschland. „Dabei erzielen<br />

die wenigen Frauen wesentlich bessere<br />

Noten.“ Im Informatik-Vordiplom, so Schinzel,<br />

schneiden über 15 Prozent der Studentinnen<br />

mit der besten Note ab. Das schaffen nur etwa<br />

zwei Prozent ihrer Kollegen.<br />

In naher Zukunft werde sich an dieser Geschlechter-Verteilung<br />

auch nichts ändern, da<br />

ist sich die Physikerin Tanja Tajmel sicher. Die<br />

wissenschaftliche Mitarbeiterin der Humboldt-<br />

Universität hat im Rahmen des EU-Projekts<br />

PROMISE Schülerinnen der Klassen 10 bis 13<br />

aus Deutschland, Österreich, der Türkei und<br />

Bosnien-Herzegowina nach ihren Wunsch-<br />

Studienfächern befragt. Das Ergebnis: Während<br />

in Bosnien-Herzegowina 56 Prozent der<br />

Schülerinnen Naturwissenschaften studieren<br />

wollen, planen in Deutschland nicht einmal<br />

zehn Prozent, ein solches Fach zu belegen.<br />

Mit spezifischen Förderprogrammen wie<br />

FiNCA sollen in Berlin nun mehr Studentinnen<br />

für die männlich dominierten naturwissenschaftlichen<br />

Fächer gewonnen werden.<br />

Das Programm umfasst die Gewinnung von<br />

Schülerinnen für ein naturwissenschaftliches<br />

Studium und die Qualifikation von Frauen für<br />

die Hochschullehrer-Laufbahn bis hin zum<br />

Aufbau eines Frauennetzwerks. Kerstin Rippel<br />

Seltener Anblick: Frau in den<br />

Naturwissenschaften Foto: picture-alliance/ZB<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07


NEUES VoM CAMPUS<br />

Berlin/Peru<br />

Ernte in 3 500 Metern Höhe<br />

Die Hoffnungen der Menschen<br />

von Laraos wurden im August<br />

begraben – ein Erdbeben vernichtete<br />

nahezu alle Häuser des<br />

700-Seelen-Dorfes in den peruanischen<br />

Anden. Dabei sah es Anfang<br />

des Jahres so gut aus: Laraos<br />

mit seinen über 2000 Jahre alten<br />

Terrassenlandschaften, die den<br />

Menschen in der gebirgigen Region<br />

den Anbau von Mais ermöglichen,<br />

hatte es auf die Liste der<br />

100 am meisten bedrohten Stätten<br />

des Weltkulturerbes geschafft, die<br />

World Monuments List.<br />

Möglich wurde dies durch den<br />

engagierten Einsatz einer Gruppe<br />

von Berliner Studenten um Professor<br />

Heiko Diestel vom Institut für<br />

Umweltplanung der Technischen<br />

Universität (TU) Berlin. Im Sommer<br />

2004 kamen sie zum ersten<br />

Mal in die Anden, um empirische<br />

Daten zu sammeln. Fazit: Immer<br />

mehr Dorfbewohner wandern in<br />

die Großstädte ab, weil sich die<br />

Landwirtschaft nicht mehr lohnt.<br />

In der Folge drohen die Terrassen<br />

zu verfallen, weil kaum noch Menschen<br />

da sind, die sie bewirtschaften<br />

und pflegen können.<br />

Gefördert durch den <strong>DAAD</strong>,<br />

brach 2006 ein zweites interdisziplinäres<br />

Studierenden-Team in<br />

die Andenregion auf. Dieses Mal<br />

unterstützt von fünf peruanischen<br />

Studenten und mit dem erklärten<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07<br />

Ziel, die Laraos-Terrassen zu schützen.<br />

„Das größte Problem war, die<br />

Menschen vor Ort zu erreichen,<br />

ohne sie zu bevormunden“, sagt<br />

Projektkoordinator Thomas Nehls<br />

von der TU. Die Projektgruppe<br />

führte Theaterstücke auf und veranstaltete<br />

Workshops – bis ein<br />

vertrauensvolles Verhältnis entstanden<br />

war.<br />

„Was wir gemeinsam mit den<br />

Bauern entwickelt haben, diente<br />

als Vorlage für den Antrag beim<br />

World Monuments Fund“, erzählt<br />

Nehls, der stolz ist auf das Erreichte.<br />

Denn auf der WMF-Liste<br />

zu stehen, bedeutet für Laraos die<br />

Chance auf Spendengelder, um die<br />

Terrassen erhalten zu können.<br />

Die Berliner Studenten setzen<br />

im Augenblick andere Prioritäten:<br />

Als sie von dem Erdbeben erfahren<br />

hatten, begannen sie, Spenden zu<br />

sammeln – damit die Menschen in<br />

Laraos bald wieder ein Dach über<br />

dem Kopf haben. Kri<br />

Informationen: www.laraos.info<br />

Hamburg<br />

Wettbewerb für<br />

junge Doktoren<br />

Wer erst kürzlich eine Doktorarbeit<br />

mit besonderer gesellschaftlicher<br />

Bedeutung geschrieben hat,<br />

kann jetzt für einen Spitzenpreis<br />

ins Rennen gehen. Die Hamburger<br />

Körber-Stiftung vergibt künftig<br />

den Deutschen Studienpreis<br />

Foto: TU Berlin<br />

für eine exzellente Dissertation,<br />

deren wissenschaftliche Erkenntnis<br />

mit einem speziellen gesellschaftlichen<br />

Nutzen verbunden<br />

ist. Mit drei Preisen von je 30 000<br />

Euro zählt der Wettbewerb zu den<br />

Hochschule 11<br />

Bedrohtes Erbe: Viele Terrassen<br />

rund um Laraos in den Anden sind<br />

bereits verlassen und verwildert<br />

höchstdotierten deutschen Nachwuchspreisen.<br />

Der Wettbewerb steht Forschern<br />

aller Fachrichtungen offen. Teilnehmen<br />

können auch Ausländer,<br />

die im Jahr 2007 an einer deutschen<br />

Hochschule und Deutsche,<br />

die an einer ausländischen Hochschule<br />

promoviert haben. Einsendeschluss<br />

ist der 1. März 2008.<br />

Informationen:<br />

www.studienpreis.de Llo<br />

Bundesweit<br />

Deutschland entdeckt<br />

seine Elite-Unis<br />

„Die besten deutschen Universitäten<br />

werden jetzt weltweit noch<br />

sichtbarer und im globalen Wettbewerb<br />

der Bildungsstandorte<br />

stärker.“ Das erklärte Bundesforschungsministerin<br />

Annette Schavan<br />

Mitte Oktober zum Abschluss<br />

eines offiziellen Exzellenzwettbewerbs<br />

unter den Hochschulen im<br />

Anzeige


12<br />

Hochschule<br />

Lande Humboldts. Dabei stellten<br />

sich die deutschen Universitäten<br />

erstmals einem direkten Vergleich<br />

ihrer Forschungskapazität.<br />

Der Wettbewerb lief in zwei Bewerberrunden<br />

2006/2007. Rund<br />

400 Fachexperten aus aller Welt<br />

prüften, welche Universitäten<br />

sich als Ganzes oder teilweise auf<br />

Weltniveau aufgestellt haben und<br />

als Global Player gelten können.<br />

Sie dürfen in den nächsten fünf<br />

Jahren mit einem Preisgeld von<br />

insgesamt zwei Milliarden Euro<br />

rechnen.<br />

Das klare Ergebnis: Neun von<br />

mehr als über hundert deutschen<br />

Universitäten haben Strahlkraft in<br />

alle Welt. Neben den Traditionsstandorten<br />

Freiburg, Göttingen,<br />

Heidelberg sowie der Ludwig-Maximilians-Universität<br />

München<br />

sind das die viel jüngere Freie<br />

Universität Berlin, die gerade<br />

40 Jahre alte Uni Konstanz sowie<br />

die Technischen Hochschulen in<br />

Aachen, Karlsruhe und München.<br />

Rund 30 weitere Universitäten<br />

erreichen in speziellen Graduiertenschulen<br />

oder in der „Clusterbildung“<br />

– zumal mit der Industrieforschung<br />

– ein exzellentes<br />

Niveau. Lebenswissenschaften,<br />

neue Werkstoffe und Mikroelektronik<br />

waren die dominierenden<br />

Themen. Im Organisatorischen<br />

erwies sich insbesondere die stärkere<br />

Vernetzung mit den intellektuellen<br />

und finanziellen Ressour-<br />

Stammzellen eines<br />

Mäuseembryos<br />

cen der außeruniversitären Forschung<br />

als zukunftsweisend.<br />

„Es gab eigentlich nur Gewinner,<br />

keine Verlierer“, sagte Peter<br />

Strohschneider als Vorsitzender<br />

des Wissenschaftsrates, der die<br />

Regierungen von Bund und Ländern<br />

in Sachen Hochschulen und<br />

Forschung berät. Und damit meinte<br />

er die Aufbruchstimmung, die<br />

der Wettbewerb an allen teilnehmenden<br />

Universitäten hervorrief.<br />

Informationen: www.dfg.de<br />

www.wissenschaftsrat.de H.H.<br />

Dresden<br />

Stammzellenforschung<br />

im Aufwind<br />

Dresden entwickelt sich zum<br />

wichtigen Standort für die deutsche<br />

Stammzellenforschung. Das<br />

Netzwerk „From Cells to Tissues<br />

to Therapies“ an der Technischen<br />

Universität (TU) Dresden erhält<br />

im Rahmen der Exzellenzinitiative<br />

des Bundes seit einem Jahr –<br />

als erstes in den neuen Bundesländern<br />

– jährlich 1,5 Millionen Euro<br />

für seine Forschung.<br />

In dem Exzellenzcluster, das<br />

aus dem bereits bestehenden<br />

„Zentrum für Regenerative Therapien<br />

(CRTD)“ der TU gegründet<br />

wurde, arbeiten 71 Mitarbeiter an<br />

Themen aus der Stammzellenforschung.<br />

Ziel ist es, die regenerativen<br />

Fähigkeiten des Körpers<br />

zu erforschen und mit diesem<br />

Exzellent: Die 1966 gegründete Universität Konstanz<br />

entwickelt ein Zentrum für junge Spitzenforscher<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

Wissen neue Therapien zu entwickeln.<br />

Dabei werden Stammzellen<br />

so beeinflusst, dass sie spezielle<br />

Eigenschaften annehmen und zu<br />

Nerven-, Muskel- oder Blutzellen<br />

werden. Neuartige regenerative<br />

Therapien könnten zukünftig<br />

Knorpel- und Knochenerkrankungen,Herz-Kreislauferkrankungen,<br />

Diabetes oder Alzheimer<br />

heilen.<br />

Ein Beispiel aus der Dresdner<br />

Forschung: Die Arbeitsgruppe um<br />

Elly Tanaka hinterfragt die Fähigkeit<br />

von Zellen zur Regeneration<br />

von Gewebe, wie sie beispielsweise<br />

beim Salamander zu finden<br />

HoCHSCHULE IM INTErNET<br />

Die Kirche Basilica di San<br />

Francesco in Assisi in Florenz<br />

kann bis zum 27. Januar<br />

2008 unter http://expo.khi.fi.it/<br />

galerie/assisi in einer Online-Ausstellung<br />

bewundert werden. Sie<br />

zeigt vor allem die Fresken der<br />

weltberühmten, erst kürzlich restaurierten<br />

Kirche. Zwei Studierende<br />

der Leipziger Hochschule<br />

für Technik, Wirtschaft und Kultur<br />

erarbeiteten gemeinsam mit dem<br />

Kunsthistorischen Institut Florenz<br />

die virtuelle Sammlung. Neben<br />

vielen Bildern von den Restaurierungsarbeiten<br />

gibt es auch Fotos<br />

aus der Zeit vor dem schweren<br />

Erdbeben 1997, bei dem 200 Quadratmeter<br />

Fresken zerstört wurden.<br />

Zur Präsidentschaftswahl in<br />

den USA haben Studierende<br />

der Fachhochschule (FH) Brandenburg<br />

unter www.straight2who.<br />

com ein Community-Portal eingerichtet.<br />

Dort können Bürger die<br />

Präsidentschaftskandidaten per<br />

E-Mail, Video oder Tondokument<br />

ansprechen und Botschaften anderer<br />

Bürger einsehen und bewerten.<br />

Seit Juni kooperieren die<br />

Brandenburger – gemeinsam mit<br />

ABB.: The Exploratorium, www.exploratorium.edu<br />

ist. Weiß man, wie diese Regenerationsprozesse<br />

bei primitiven<br />

Wirbeltieren funktionieren,<br />

könnte man sie auch<br />

auf menschliches Gewebe<br />

übertragen und zum Beispiel<br />

neue Behandlungen für Querschnittslähmungen<br />

entwickeln.<br />

In Deutschland ist die Stammzellenforschung<br />

nach wie vor umstritten<br />

und nur unter strengen<br />

gesetzlichen Auflagen möglich.<br />

Das Embryonenschutzgesetz verbietet<br />

seit 1991 die Gewinnung<br />

von embryonalen Stammzellen<br />

aus befruchteten Eizellen. Seit<br />

2002 regelt das „Stammzellgesetz“<br />

den Import von embryonalen<br />

Stammzellen nach Deutschland.<br />

Aus dem Ausland dürfen sie zwar<br />

eingeführt werden, jedoch nur solche,<br />

die vor dem 1. Januar 2002<br />

gewonnen wurden. AD<br />

www.crt-dresden.de<br />

der Freien Universität Berlin – mit<br />

amerikanischen Studenten. Diese<br />

wollen das an der FH Brandenburg<br />

entwickelte „many-to-one“-<br />

Kommunikationssystem auch in<br />

den Staaten einführen. In Deutschland<br />

hat sich bereits die Webseite<br />

www.direktzurkanzlerin.de bewährt.<br />

Die dort gestellten Fragen lässt<br />

Bundeskanzlerin Angela Merkel<br />

beantworten.<br />

Ein neues Mitglied der Living<br />

Reviews-Familie ist online:<br />

die elektronische Fachzeitschrift<br />

Landscape Research. Herausgeber<br />

des frei zugänglichen,<br />

kostenlosen e-Journals ist das<br />

Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung.<br />

Die Beiträge<br />

über das noch relativ neue, interdisziplinäre<br />

Feld der Landschaftsforschung<br />

reichen von Agrarwissenschaften<br />

über Hydrologie bis<br />

zur Tourismuswissenschaft. Die<br />

Reihe „Living Reviews“ wurde am<br />

Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik<br />

entwickelt, das seit<br />

zehn Jahren „Living Reviews in<br />

Relativity“ herausgibt.<br />

http://landscaperesearch.livingreviews.org<br />

www.livingreviews.org aj<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07


WISSENSCHAFT UND WIrTSCHAFT<br />

Lernfabrik in Darmstadt<br />

Schlanke Produktion<br />

Ingenieure müssen unter den<br />

Bedingungen des globalisierten<br />

Marktes nicht nur in der Lösung<br />

technischer Probleme gut sein,<br />

sondern auch effiziente Produktionsmethoden<br />

anwenden. Das<br />

Stichwort lautet „lean manufacturing“,<br />

also „schlanke Produktion”.<br />

Die Technische Universität Darmstadt<br />

und die Unternehmensberatung<br />

McKinsey haben im Herbst<br />

eine Lernfabrik für Produktionsprozesse<br />

gegründet. Sie bietet den<br />

Studierenden die Möglichkeit, in<br />

alle Stufen eines effizienten Produktionsprozesses<br />

einzutauchen<br />

– von der Planung über die Fertigungssteuerung<br />

bis zur Qualitätssicherung.<br />

Das so genannte „Center für industrielle<br />

Produktivität“ (CiP) auf<br />

dem Campus der TU Darmstadt<br />

umfasst eine Fläche von 500 Quadratmetern<br />

und ist am Institut für<br />

Produktionsmanagement, Technologie<br />

und Werkzeugmaschinen<br />

angesiedelt. Institutsleiter Eberhard<br />

Abele sagt: „Die Lernfabrik<br />

vermittelt in einzigartiger Weise<br />

Fähigkeiten, die viele Industrieunternehmen<br />

in Deutschland<br />

schmerzlich vermissen.“ Konkret<br />

lernen die Studierenden die<br />

„schlanke Produktion“ anhand<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07<br />

eines Pneumatikzylinders und<br />

der Montage eines Getriebemotors,<br />

später eines Webcam- und<br />

Fotostativs kennen. Das Projekt<br />

wird von den Unternehmen Bosch<br />

Rexroth sowie SEW-Eurodrive<br />

unterstützt, die sich auf Antriebstechnik<br />

spezialisiert haben.<br />

Katalyse-Forschungszentrum<br />

Schnelle reaktion<br />

An der Rheinisch-Westfälischen<br />

Technischen Hochschule (RWTH)<br />

Aachen entsteht in Zusammenarbeit<br />

mit der Wirtschaft ein neues<br />

Katalyse-Forschungszentrum.<br />

Zwei Tochterunternehmen des Leverkusener<br />

Chemie-Konzerns, die<br />

Bayer Material Science AG und die<br />

Bayer Technology Services GmbH,<br />

stecken über einen Zeitraum von<br />

fünf Jahren 7,25 Millionen Euro in<br />

das neue Zentrum, das Land Nordrhein-Westfalen<br />

und die RWTH<br />

Aachen steuern 2,7 Millionen<br />

Euro bei.<br />

In den neuen Laboren erarbeiten<br />

Forscher in enger Kooperation mit<br />

Experten von Bayer Grundlagenwissen<br />

in katalytischen Prozessen.<br />

Die Katalyse, also chemische<br />

Reaktionsbeschleunigung oder<br />

-verlangsamung, ist für viele Fertigungsprozesse<br />

der chemischen<br />

Industrie unentbehrlich, von der<br />

Foto: Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen, TU Darmstadt<br />

Effizienz zählt: Studierende<br />

steuern Produktionsprozesse<br />

Welche Lichterkette ist<br />

die richtige für mich?<br />

Kunstdünger- über die Mikro chip-<br />

Produktion bis zur Brennstoffzelle.<br />

Die Bedeutung der Katalyse-<br />

Forschung wurde in diesem Jahr<br />

durch die Verleihung des Nobelpreises<br />

an den deutschen Chemiker<br />

Gerhard Ertl unterstrichen,<br />

der auf diesem Gebiet forscht<br />

(siehe Seite 8). Am Aachener Katalysezentrum<br />

sollen bis zu zwölf<br />

Forscher arbeiten.<br />

Hochschule 13<br />

Verbraucher<br />

Einkaufsberater online<br />

Weihnachten kann eine Vielzahl<br />

von schwierigen Kaufentscheidungen<br />

mit sich bringen: Eine<br />

Lichterkette für den Vorgarten,<br />

einen neuen Fernseher, eine Ente<br />

für das Festessen. Was kaufen<br />

und worauf achten bei der gro ßen<br />

Auswahl? Bereits seit Sommer<br />

2007 gibt es Hilfe im Internet.<br />

Das Verbraucherportal „konsumo“<br />

untersucht und bewertet<br />

nicht bestimmte Markenprodukte,<br />

sondern beantwortet erst einmal<br />

generell die Frage, welche Kriterien<br />

man beim Kauf eines Artikels<br />

beachten sollte.<br />

Vier Absolventen des Studiengangs<br />

Technikjournalismus der<br />

Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />

haben „konsumo“ gegründet. Sie<br />

glauben, damit eine echte Marktlücke<br />

geschlossen zu haben. Das<br />

Portal verfolgt das Motto „gemeinsam<br />

einfach schlau“ und funktioniert<br />

nach dem so genannten<br />

„Wiki“-Prinzip. Das heißt, alle<br />

Internet-Nutzer können sich registrieren<br />

und dann gleichberechtigt<br />

an den Texten mitarbeiten. So<br />

können sie ihr Fachwissen an andere<br />

weitergeben und selber neue<br />

Produkte zum Katalog hinzufügen.<br />

Beispiel Lichterkette: Hier raten<br />

die Nutzer von „konsumo“ zu<br />

LED-Lampen (LED: Light Emitting<br />

Diode). Denn sie leuchten fast so<br />

hell wie Glühbirnen, verbrauchen<br />

aber weniger Strom. Katja Spross<br />

Info: www.konsumo.de<br />

Foto: Lilith2000/photocase.com


Foto: Alfred-Wegener-Institut<br />

14<br />

Wissenschaft<br />

Fahrt auf der Eisscholle<br />

Wie sich Deutschland am internationalen Polarjahr beteiligt<br />

In der internationalen Polarforschung ist<br />

Deutschland eines der führenden Länder.<br />

Mit zwei permanent besetzten Stationen in<br />

der Arktis und Antarktis, dem Forschungseisbrecher<br />

„Polarstern“, dem Forschungs-U-Boot<br />

„Jago“ und zwei Polarflugzeugen leistet es<br />

einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der<br />

weißen Wildnis.<br />

Rund 60 deutsche Wissenschaftler aus 35<br />

Einrichtungen arbeiten zurzeit in 92 Projekten<br />

zum Polarjahr, das von März 2007 bis März<br />

2008 stattfindet. Die Spannbreite der Projekte<br />

reicht von geologischen Expeditionen zu Land<br />

und Wasser bis hin zur Folgenabschätzung<br />

des Klimawandels sowohl für die Tier- und<br />

Pflanzenwelt als auch für die Menschheit.<br />

Mehr Öffentlichkeit<br />

Aus der Vielzahl der Daten erhoffen sich die<br />

Wissenschaftler bessere Vorhersagemöglichkeiten<br />

zur zukünftigen Entwicklung des<br />

Erdklimas. Die organisatorischen Fäden aller<br />

deutschen Beiträge laufen am Alfred-Wegener-<br />

Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI)<br />

in Bremerhaven und an der Technischen Universität<br />

Dresden zusammen. Hier werden<br />

die Projekte national und international abgestimmt.<br />

Aufgeschreckt von Bildern abschmelzender<br />

Gletscher und den alarmierenden<br />

Berichten der Klimakommission<br />

der Vereinten Nationen, wird der<br />

Menschheit immer stärker bewusst,<br />

wie wenig sie über die Polarregionen<br />

der Erde weiß. Abhilfe schaffen wollen<br />

internationale Wissenschaftlerteams,<br />

die ein Jahr lang verstärkt im ewigen<br />

Eis forschen.<br />

Neben der Forschung haben sich die Wissenschaftler<br />

zur Aufgabe gemacht, die Probleme<br />

der Polarregionen einer größeren Öffentlichkeit<br />

zu vermitteln. „Vom Polarjahr verspreche<br />

ich mir eine weitere Intensivierung der internationalen<br />

Zusammenarbeit und wünsche<br />

mir, dass die Probleme der Polargebiete noch<br />

mehr in die Öffentlichkeit dringen“, sagt der<br />

Geophysiker Christian Haas vom AWI, der<br />

sich als wissenschaftlicher Teilnehmer mit<br />

Messungen der Meereisdicke in der Arktis<br />

beschäftigt.<br />

Entsprechend breit ist das Veranstaltungs-<br />

und Themenspektrum: Es reicht von Schul-<br />

und „Mitmach“-Projekten, über U-Booteinsätze<br />

in norwegischen Fjorden bis hin zur Untersuchung<br />

klimabedingter Verhaltensänderungen<br />

bei Rentieren.<br />

Packeis und Korallenriffe<br />

Ein Highlight der deutschen Polarforschung<br />

2007 ist die Fahrt zum Nordpol auf einer Eisscholle<br />

ohne eigenen Antrieb. Seit Ende August<br />

sind unter russischer Leitung 36 Forscher<br />

auf einer treibenden Eisscholle im arktischen<br />

Packeis unterwegs. Von deutscher Seite ist der<br />

AWI-Meteorologe Jürgen Gräser dabei. „Wir<br />

waren schon kurz davor, das Unternehmen<br />

Meeresobjekte unter Beobachtung:<br />

ein Untereisamphipode (oben) und<br />

Teil eines Kaltwasserkorallenriffs<br />

abzubrechen, als wir endlich eine geeignete<br />

Scholle fanden. Jetzt sind wir dabei, unsere<br />

Station aufzubauen“, berichtet Gräser per E-<br />

Mail. Die Scholle musste groß und stabil genug<br />

sein, um 36 Menschen, Schlaf-, Wohn- und<br />

Arbeitscontainer sowie Material und Vorräte<br />

für mehrere Monate aufzunehmen. Außerdem<br />

musste sie Platz für eine kleine Landebahn<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07<br />

Foto: JAGO-Team IFM-GEOMAR Foto: Florian Breier, Quelle: Alfred-Wegener-Institut


ieten, um die Versorgung der Wissenschaftler<br />

aus der Luft zu gewährleisten.<br />

Auf ihrem Weg durch den Arktischen Ozean<br />

wollen die Forscher Daten zu den Veränderungen<br />

des Ozeans und der Atmosphäre<br />

sammeln. Erstmals setzen sie einen mit einer<br />

Kamera versehenen Fesselballon ein, um die<br />

Ausdehnung und Verteilung des Meereises<br />

aus der Vogelperspektive zu erfassen. Gegen<br />

Weihnachten 2007 wollen sie den Nordpol erreichen.<br />

Eine wissenschaftliche Sensation war die<br />

Entdeckung der nördlichsten Korallenriffe der<br />

Welt. Mit dem Kieler Forschungs-U-Boot „Jago“<br />

erkundeten Ende Juli Wissenschaftler des<br />

Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften<br />

(IFM-GEOMAR) Kiel und des AWI Korallenriffe<br />

in den Fjorden Norwegens. „Kaltwasserkorallen<br />

sind der Wissenschaft erst seit rund<br />

zehn Jahren bekannt“, sagt AWI-Direktor Jörn<br />

Thiede. „Sie leben in Wassertiefen von 60 bis<br />

2 000 Metern. Ihre Riffe ziehen sich als breites<br />

Band entlang des nordwesteuropäischen Kontinentalrands<br />

von Gibraltar bis Nordnorwegen.“<br />

Im Gegensatz zu ihren tropischen Verwandten<br />

ernähren sich die Kaltwasserkorallen in der<br />

lichtlosen Tiefsee von tierischem Plankton,<br />

das dort im Überfluss vorkommt.<br />

„Coole Klassen“<br />

Dass der Physik- und Biologielehrer Michael<br />

Bauer vom Erich Kästner-Gymnasium in Eis-<br />

ABSTrACT<br />

International Polar Year:<br />

Floating on an Ice Floe<br />

Alarming climate reports and photos of melting<br />

glaciers have heightened public awareness<br />

of the polar regions. The International<br />

Polar Year, from March 2007 to March 2008,<br />

has been organized to boost research in<br />

and publicity about the polar regions.<br />

At present, some 60 German scientists from 35<br />

institutions are at work on 92 Polar Year projects.<br />

The studies range from geological expeditions on<br />

land and sea to assessments of the effects of climate<br />

change. One high point is a voyage through<br />

the Arctic Ocean on an ice floe with no artificial<br />

propulsion. An international team of scientists<br />

is using this “research vessel” to collect data on<br />

changes in the ocean and the atmosphere. Another<br />

scientific sensation is the discovery in Norway‘s<br />

fjords of the northernmost coral reef in the world.<br />

Polar researchers are also increasingly addressing<br />

the public. The “Cool Classes” project for example<br />

gives teachers and pupils a look at scientific<br />

work in the field. All the German projects for the<br />

International Polar Year are being co-ordinated by<br />

the Alfred Wegener Institute for Polar and Marine<br />

Research in Bremerhaven (AWI) and TU Dresden.<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07<br />

lingen (Baden-Württemberg) bei einer Expedition<br />

an Bord der „Polarstern“ mitfahren durfte,<br />

hatte er dem Projekt „Coole Klassen“ zu verdanken.<br />

In dem von der Robert Bosch Stiftung<br />

geförderten Projekt geben die Polarforscher<br />

Lehrern und Schülern Gelegenheit, sie zu begleiten<br />

und bei ihrer Arbeit zu beobachten.<br />

130 Lehrer in ganz Deutschland sind beteiligt.<br />

An ihren Schulen betreuen sie eigene<br />

Projekte zu Polarthemen. Zusammen mit<br />

zwei Kollegen aus Belgien und Norwegen war<br />

Michael Bauer zwei Wochen an Bord des Forschungsschiffs.<br />

Die Schönheit der Arktis zog<br />

den 35-Jährigen in ihren Bann: „Am zweiten<br />

Morgen auf See wurde ich mit der Bemerkung,<br />

es gäbe draußen ‚Zitronensorbet’, an Deck geschickt.<br />

Irritiert ging ich nach draußen und<br />

Wissenschaft<br />

war augenblicklich überwältigt von dem Anblick,<br />

der sich mir bot. Das Meer war spiegelglatt.<br />

Im gleißenden Licht der Mitternachtssonne<br />

schwammen weiße Eisschollen auf dem<br />

blauen Meer. Einfach unglaublich schön.“<br />

Besonders beeindruckend war für Bauer,<br />

wie eng die Wissenschaftsdisziplinen miteinander<br />

verzahnt und wie abhängig sie voneinander<br />

sind. „Jede Arbeitsgruppe liefert<br />

ihr Puzzlestück zum Gesamtbild. Das hätten<br />

meine Schüler sehen sollen, schnell wäre das<br />

schultypische Schubladendenken – Physik ist<br />

Physik und hat mit Biologie nichts zu tun –<br />

verflogen.“ Rüdiger Schacht<br />

Informationen:<br />

www.awi.de und www.Polarjahr.de<br />

Das Forschungs-U-Boot Jago vor einem Tauchgang in Norwegen<br />

Foto: Karen Hissmann, JAGO-Team IFM-GEOMAR<br />

15


16<br />

Wissenschaft<br />

Claudia Lux, Generaldirektorin der Zentral-<br />

und Landesbibliothek Berlin, ist die neue<br />

Präsidentin des Weltverbandes der Bibliotheken,<br />

dem 1500 Mitgliederverbände aus<br />

150 Ländern angehören. Über die Zukunft<br />

der Bibliotheken als Bildungseinrichtung<br />

im digitalen Zeitalter, über die politischen<br />

Rahmenbedingungen und die Vorzüge des<br />

guten alten Buches sprach <strong>Letter</strong> mit der<br />

ehemaligen <strong>DAAD</strong>-Stipendiatin.<br />

Warum sind Öffentliche Bibliotheken – im<br />

Vergleich zu Museen – ein Stiefkind der<br />

Kulturpolitik?<br />

Weil in den Museen oft glanzvolle Eröffnungen<br />

stattfinden, bei denen man sich gerne zeigt.<br />

Und weil auf der anderen Seite viele Politiker<br />

nicht wissen, was sich heute in einer Bibliothek<br />

abspielt. Bei vielen gibt es noch das veraltete<br />

Bild aus der Jugendzeit. Sie denken, das<br />

Internet habe die Bibliotheken abgelöst, und<br />

wissen nicht, dass es die Bibliotheken sind, die<br />

viele Daten und Materialien im Internet zur<br />

Verfügung stellen. Durch die modernen Biblio-<br />

Heinrich Heine digital<br />

Claudia Lux will den Bibliotheken mehr Prestige verschaffen<br />

theken wird das Internet für viele Nutzer erst<br />

zugänglich.<br />

Darum ist es jetzt mein Ziel – gerade auch als<br />

Präsidentin des Weltverbandes – das Thema Bibliotheken<br />

in der Politik auf die Tagesordnung<br />

zu setzen. Schließlich spielen Bibliotheken eine<br />

ganz zentrale Rolle in der Bildung für Schüler<br />

und Erwachsene und darüber hinaus in vielen<br />

Bereichen der Gesellschaft, etwa bei der Integration<br />

von Migranten und Minderheiten. Aber<br />

auch für die Wirtschaft, für kleine und mittlere<br />

Unternehmen ist die Bibliothek eine wichtige<br />

Informationsquelle. Bibliotheken gehören zu<br />

den besonders häufig genutzten kulturellen<br />

Einrichtungen einer Stadt. Das alles müssen<br />

wir viel deutlicher machen und ein neues Bild<br />

von der Bibliothek heute präsentieren.<br />

Brauchen wir ein Bibliotheksgesetz, das<br />

den Betrieb einer Bibliothek zur Pflichtaufgabe<br />

für die Gemeinde macht?<br />

Ja, das brauchen wir unbedingt. Dann können<br />

die Haushälter in einer Kommune nicht einfach<br />

sagen: Die Bibliothek ist keine gesetzliche<br />

Foto: wikipedia / Sächsischen Landesbibliothek Dresden<br />

Aufgabe, und deshalb fördern wir sie nicht<br />

weiter. Das würde die Geldgeber stärker in die<br />

Pflicht nehmen und die öffentliche Aufgabe<br />

der Bibliothek in den Blick rücken. Es müsste<br />

ganz selbstverständlich sein, dass man bei<br />

jeder Planung – auch außerhalb des engeren<br />

Bildungsbereiches – fragt: Welche Rolle kann<br />

dabei unsere Bibliothek spielen? In Skandinavien<br />

oder den USA ist das so.<br />

Ein Beispiel: Wenn Internet-Plätze für die Bürger<br />

eingerichtet werden, macht man das automatisch<br />

in der Post, weil man denkt, die seien<br />

für Kommunikation zuständig. Diese Geräte<br />

werden bei der Post vielleicht technisch betreut,<br />

jedoch bestimmt nicht inhaltlich. Die Bibliothekare<br />

aber wissen, wie man Inhalte erschließt.<br />

Also wären solche Geräte in Bibliotheken viel<br />

besser aufgehoben.<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07<br />

Foto: Zentral- und Landesbibliothek Berlin


Präsentieren sich Bibliotheken zu oft als<br />

kulturelle Spielwiese und zu wenig als bildungspolitisches<br />

Instrument?<br />

In Deutschland werden Bildung und Spaß oft<br />

als verschiedene Bereiche angesehen – die<br />

alte Trennung von „E“ und „U“, von Ernst und<br />

Unterhaltung. Bibliotheken haben das schon<br />

immer zusammengebracht. Das ist unsere Stärke.<br />

Richtig aber ist, dass die Bibliotheken noch<br />

nicht genügend genutzt werden, um Bildungsziele<br />

zu erreichen.<br />

Ich denke da an die Ergebnisse der internationalen<br />

Pisa-Studie, die den deutschen Schülern<br />

ein schlechtes Zeugnis bei ihren Leseleistungen<br />

ausstellt. Da wird nun nach den Schulen gerufen,<br />

aber auch die Bibliotheken können einen<br />

Beitrag leisten, das Lesevermögen zu steigern<br />

– und das kann sogar Spaß machen.<br />

Sind die Bibliotheken für das digitale Zeitalter<br />

gerüstet?<br />

Wir haben das in unseren Häusern schon vollzogen.<br />

Wir recherchieren in Datenbanken, haben<br />

elektronische Kataloge, die Bibliothekare<br />

sind geschult in Recherchen im Internet und<br />

können Informationskompetenz auch vermitteln.<br />

Damit sind wir ein Stück weiter als der<br />

Rest der Gesellschaft.<br />

Herrin der Bücher<br />

Claudia Lux, geboren 1950 in Gladbeck,<br />

studierte in Bochum, Berlin und den USA<br />

sowie als <strong>DAAD</strong>-Stipendiatin 1974 bis 1976<br />

in China. Nach dem Diplom in Sozialwissenschaften<br />

und der Promotion in Sinologie<br />

begann sie ihre Ausbildung zum Höheren<br />

Bibliotheksdienst an der Staatsbibliothek in<br />

Berlin und arbeitete dort als Fachreferentin<br />

für Sinologie. Sie wurde Direktorin der<br />

Senatsbibliothek und 1997 Generaldirektorin<br />

der Zentral- und Landesbibliothek Berlin. Die<br />

Vereinigung der geteilten Berliner Stadtbibliotheken<br />

nach dem Mauerfall zählt sie heute zu<br />

ihren größten beruflichen Erfolgen.<br />

Seit 2006 ist Claudia Lux Honorarprofessorin<br />

am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaften<br />

der Humboldt-Universität. Sie<br />

war Vorsitzende des Deutschen Bibliotheksverbandes,<br />

bevor sie im August 2007 ihr Amt<br />

als Präsidentin des Weltverbandes der Bibliotheken<br />

(IFLA) antrat. Die Frankfurter Allgemeine<br />

Zeitung bezeichnet Lux als „Cheflobbyistin<br />

weltweit für die Interessen der Bibliotheken“.<br />

ors<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07<br />

Droht die „digitale Spaltung“ in der Gesellschaft<br />

zwischen Nutzern und Nicht-Nutzern<br />

der neuen Medien?<br />

Ja – und nicht nur global, sondern auch innerhalb<br />

Europas. Sogar innerhalb der Städte.<br />

Wer keinen Zugang hat, sei es materiell oder<br />

vom Wissen her, ist diskriminiert. Es gehört zu<br />

den Aufgaben der Bibliotheken, den Zugang<br />

zu digitalen Informationen kostenlos zur Verfügung<br />

zu stellen und auch Hilfestellung beim<br />

Umgang damit zu leisten. Dabei geht es nicht<br />

nur um Bildung, sondern auch um demokratische<br />

Rechte. Man denke an den „digitalen<br />

Staat“, an Formulare über das Netz. An dieser<br />

Arbeit beteiligen wir uns täglich.<br />

Aber wir müssen auch den Veränderungen in<br />

der Gesellschaft Rechnung tragen. Früher war<br />

es das höchste Ziel, ein eigenes Arbeits- oder<br />

Studierzimmer zu haben. Heute arbeitet die<br />

mobile Gesellschaft gern mit ihren Laptops in<br />

öffentlichen Räumen. Wir müssen attraktive<br />

Räumlichkeiten zur Verfügung stellen, in denen<br />

man sich ungezwungen aufhalten kann<br />

und nicht konsumieren muss. Wenn wir sehen,<br />

wie solche Bibliotheksräume in Singapur oder<br />

Skandinavien aussehen – nämlich sehr sicher,<br />

sehr großzügig und mit langen Öffnungszeiten<br />

–, dann haben wir in Deutschland noch<br />

einen langen Weg vor uns.<br />

Welche Eigenschaften braucht ein<br />

Bibliothekar?<br />

Man muss sehr gut strukturiert denken und<br />

kreativ arbeiten können. Und ohne Freude an<br />

der digitalen Welt geht es heute auf keinen<br />

Fall. Es geht um digitale Langzeitspeicherung,<br />

um große Datenbanken. Aber es geht auch um<br />

neue Herausforderungen beim Umgang mit<br />

den traditionellen Medien, man denke nur an<br />

den durch Säure hervorgerufenen Zerfall von<br />

Büchern. Und eigentlich verwalten wir ja nicht<br />

nur die Formate, sondern die Inhalte. Das unterscheidet<br />

uns von den Telekommunikations-<br />

Leuten.<br />

Hat das gute alte Buch denn auch noch<br />

seine Stärken?<br />

Ja, denn viele Menschen können sehr leicht<br />

damit umgehen, und es kann an jedem Ort<br />

benutzt werden. Aber ich würde das nicht<br />

überstrapazieren. Denn auch auf meinem Laptop<br />

kann ich jederzeit und überall in Texten<br />

blättern, auch am Strand. Bücher kann man<br />

Foto: Stadt- und Landesbibliothek Dortmund<br />

Wissenschaft<br />

auch am Bildschirm lesen. Man sieht ja auch<br />

schon, dass junge Leute anders lesen: nicht<br />

mehr linear, sondern ganze Textblöcke bildmäßig<br />

erfassend.<br />

Welches ist denn Ihr Lieblingsbuch?<br />

Heinrich Heine, Das Buch der Lieder.<br />

Und das lesen Sie am liebsten auf dem<br />

Bildschirm?<br />

Ich muss zugeben, da setze ich mich gern in<br />

einen Sessel und nehme das Buch zur Hand.<br />

Dazu gibt es einen Kaffee. Und ich sammele<br />

auch schön gestaltete und illustrierte Ausgaben<br />

dieses Buches. Die Anmerkungen und<br />

Kommentare – das ist freilich eine gute Idee –<br />

könnte man dann nebenan auf dem Bildschirm<br />

lesen. So ist es heute in den Bibliotheken – es<br />

existiert beides nebeneinander, man muss nur<br />

die richtige Nutzung finden.<br />

Die Fragen stellte Horst Willi Schors<br />

Digitale Bibliothek an öffentlichen<br />

Internet-PCs<br />

17


18<br />

Foto: picture-alliance/ZB<br />

Ortstermin<br />

Buch-Stadt und<br />

Bio-City<br />

Leipzig verknüpft Kulturtradition<br />

mit Zukunftstechnologien<br />

Bach und Lessing haben hier gewirkt, Musik<br />

und Literatur sind in Leipzig zu Hause.<br />

Doch nicht nur an diese berühmte<br />

Tradition knüpft die Stadt heute an. Beim<br />

Aufbruch zum modernen Wissenschaftsstandort<br />

geht sie neue Wege.<br />

Eine gewaltige Baugrube im Herzen Leipzigs<br />

zeugt von Aufbau und Neubeginn.<br />

Hier, am Augustusplatz neben Gewandhaus<br />

und Oper, entsteht der innerstädtische Campus<br />

der Universität Leipzig. Alte Gebäude werden<br />

saniert und umgebaut, neue Institutsgebäude,<br />

eine Mensa und eine Aula errichtet. Die veranschlagten<br />

140 Millionen Euro werden vermutlich<br />

nicht ausreichen. Bis zum Jubiläumsjahr<br />

2009 – dann wird die Uni 600 Jahre alt – soll<br />

alles fertig sein. Dann schlägt das moderne,<br />

an den Orten und Grundrissen der alten Uni<br />

orientierte Herz der Leipziger Forschung und<br />

Lehre mitten in der Stadt mit rund 30 000 Studenten<br />

und 500 Professoren.<br />

Die Geschichte ist ein bestimmendes Element<br />

in der Leipziger Wissenschafts- und<br />

Hochschullandschaft. Natürlich ist man stolz<br />

auf 600 Jahre kontinuierlichen Universitätsbetrieb,<br />

auf berühmte Lehrende wie Werner<br />

Heisenberg und Gotthold Ephraim Lessing,<br />

prominente Alumni wie Gottfried Wilhelm<br />

Leibniz, Richard Wagner und die heutige Bundeskanzlerin<br />

Angela Merkel. Die Geschichte<br />

der Leipziger Uni ist aber auch eine Geschichte<br />

der Diskontinuitäten: Die Umwandlung zur<br />

Karl-Marx-Universität im DDR-Staat und die<br />

Neuorientierung nach dem Wendejahr 1989<br />

haben tiefe Einschnitte hinterlassen.<br />

Zeit des Umbruchs<br />

Das betrifft nicht nur die Universität. Die<br />

Fachhochschule (heute 6200 Studenten) wurde<br />

1992 unter dem Namen „Hochschule für<br />

Technik, Wirtschaft und Kultur“ neu gegründet<br />

und löste eine Reihe von bestehenden<br />

Hochschulen und Fachschulen ab. Die „Deutsche<br />

Hochschule für Körperkultur und Sport“,<br />

jahrzehntelang ein Garant für DDR-Erfolge im<br />

Leistungssport, die Verwicklung in Doping-<br />

Praktiken inbegriffen, wurde 1993 aufgelöst.<br />

Ähnlich erging es dem „Literaturinstitut Johannes<br />

R. Becher“, das eine Erziehung von<br />

Schriftstellern im Sinne des sozialistischen<br />

In der Hochschule für Grafik und Buchkunst:<br />

Installation von Mario Röhling mit Büchern<br />

aus der hauseigenen Bibliothek<br />

Realismus leisten sollte. 1995 wurde es – unter<br />

veränderten Vorzeichen als „Deutsches<br />

Literaturinstitut“ – neu gegründet und bietet<br />

heute einen Bachelor-Studiengang „Literarisches<br />

Schreiben“.<br />

So wurden die 90er Jahre eine Zeit des Umbruchs<br />

und der Neuorientierung – mit allen<br />

Chancen und Risiken. Neu in die Stadt kamen<br />

unter anderem die Fachhochschule der Deutschen<br />

Telekom (1991), später die Leibniz-Institute<br />

für Troposphärenforschung, Oberflächenmodifizierung<br />

und Länderkunde (alle 1992)<br />

sowie die Max-Planck-Institute für evolutionäre<br />

Anthropologie (1997) und Mathematik in<br />

den Naturwissenschaften (1996).<br />

Mit dem „Max-Planck-Institut für Kognitions-<br />

und Neurowissenschaften“ etablierte sich<br />

ein ganz besonders zukunftsträchtiger und<br />

öffentlichkeitswirksamer Forschungszweig<br />

in Leipzig. Mit moderner Messtechnik, wie<br />

etwa der Kernspintomographie, werden hier<br />

die Reaktionen im Hirn auf Reize gemessen<br />

und eine naturwissenschaftliche Antwort auf<br />

die klassische philosophische Frage nach dem<br />

Vorgang und dem Ort des Denkens gesucht.<br />

Das Thema hat Tradition in Leipzig: 1927<br />

Hochschule und Forschung in Leipzig<br />

Universität Leipzig www.uni-leipzig.de<br />

Handelshochschule Leipzig (HHL) www.hhl.de<br />

Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur<br />

www.htwk-leipzig.de<br />

Hochschule für Grafik und Buchkunst<br />

www.hgb-leipzig.de<br />

Hochschule für Musik und Theater<br />

„Felix Mendelssohn Bartholdy“ www.hmt-leipzig.de<br />

Fachhochschule der Deutschen Telekom AG<br />

www.fh-telekom-leipzig.de<br />

Bio City Leipzig www.bio-city-leipzig.de<br />

Forschungsinstitut für Informations-Technologien<br />

www.fit-leipzig.de<br />

Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und<br />

Immunologie www.izi.fraunhofer.de<br />

Fraunhofer-Institut für Mittel- und Osteuropa<br />

www.moez.fraunhofer.de<br />

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung<br />

www.ufz.de<br />

Leibniz-Institut für Oberflächenmodifizierung<br />

www.iom-leipzig.de<br />

Leibniz-Institut für Länderkunde www.ifl-leipzig.de<br />

Leibniz-Institut für Troposphärenforschung<br />

www.tropos.de<br />

Max-Planck-Institut für Mathematik in den<br />

Naturwissenschaften www.mis.mpg.de<br />

Max-Planck-Institut für Kognitions- und<br />

Neurowissenschaften www.cbs.mpg.de<br />

Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie<br />

www.eva.mpg.de<br />

Simon-Dubnow-Institut für Jüdische Geschichte<br />

und Kultur www.dubnow.de<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07


Abb.: Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften<br />

entstand hier der erste Lehrstuhl für Hirnforschung.<br />

Der Ausbau des Instituts ist noch in<br />

vollem Gange, 2008 sollen dort mehr als 220<br />

Mitarbeiter beschäftigt sein.<br />

Biomedizin und mehr<br />

In Leipzig bemühte man sich zudem schon<br />

frühzeitig um das, was heute als ein Königsweg<br />

in den angewandten Wissenschaften gilt:<br />

die enge – auch räumliche – Verzahnung von<br />

Wissenschaft und High-tech-Industrie. Das<br />

Schlüsselwort lautet: „Bio-City“. 2003 eröffnet,<br />

sind dort Institute der Universität (sie nehmen<br />

etwa 40 Prozent der Betriebsfläche von rund<br />

20 000 Quadratmetern ein) und rund zwanzig<br />

kleine und mittlere Unternehmen angesiedelt.<br />

Die Stadt Leipzig koordiniert.<br />

Rings um diesen harten Kern biomedizinischer<br />

Forschung haben sich das neue Klinikum,<br />

das Max-Planck-Institut für evolutionäre<br />

Anthropologie und das Fraunhofer-Institut<br />

für Zelltherapie und Immunologie mit dem<br />

Schwerpunkt regenerative Medizin angesiedelt.<br />

Erst vor wenigen Wochen fand dort der<br />

Weltkongress für regenerative Medizin statt.<br />

„Das Projekt funktioniert“, sagt Ulrich Brieler,<br />

Mitarbeiter des Leipziger Oberbürgermeisters,<br />

„die Bio-City entwickelt einen regelrechten<br />

Sog.“<br />

Durchgesetzt hat sich Leipzig auch beim<br />

Wettbewerb um die Entwicklung einer anderen<br />

zukunftsträchtigen Technologie: Kraftstoff<br />

aus Biomasse. Bis zu 100 Wissenschaftler sollen<br />

dort einmal tätig sein. Nicht zuletzt das<br />

Helmholtz-Institut für Umweltforschung, das<br />

seit 1991 in Leipzig angesiedelt ist, galt den<br />

Entscheidern als Standortvorteil für Leipzig.<br />

Buchmesse und Bach<br />

Eine große, über Jahrhunderte reichende<br />

Tradition hat Leipzig als Buch-Stadt. Das ehemalige<br />

Uni-Gebäude auf dem Augustusplatz,<br />

ein Hochhaus in Form eines aufgeschlagenen<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07<br />

Buches, erinnert daran, dass<br />

die einst weltweit führende<br />

Leipziger Buchmesse, die<br />

reiche Verlagslandschaft im<br />

grafischen Viertel und die<br />

Deutsche Nationalbibliothek<br />

(heute zum Leidwesen<br />

der Leipziger nur noch eine<br />

Zweigstelle der Frankfurter Zentrale) der Kern<br />

der damaligen Wissens-Industrie waren. Geblieben<br />

ist davon vor allem die renommierte<br />

„Hochschule für Grafik und Buchkunst“,<br />

1764 gegründet, mit heute mehr als 500 Studenten.<br />

Eine ehrwürdige Tradition hat auch die Musik<br />

in Leipzig, für die nicht nur die Namen<br />

des Komponisten Johann Sebastian Bach und<br />

seiner Söhne stehen, die im 18. Jahrhundert<br />

von Leipzig aus die musikalische Welt ungemein<br />

befruchtet haben. Die renommierte<br />

Hochschule für Musik wurde 1843 von dem<br />

Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy<br />

gegründet, der prägende Jahre in der damals<br />

schon berühmten Musikstadt verbrachte. Sie<br />

ist die älteste Musikhochschule Deutschlands.<br />

ABSTrACT<br />

Leipzig, the home of the second-oldest university<br />

in Germany, is a city steeped in history and<br />

teeming with famous names. After the German<br />

unification in 1989, the city’s academic and<br />

scientific institutions were thoroughly reorganized.<br />

Since then, Leipzig has been burgeoning.<br />

The most obvious sign of growth is the huge<br />

building site in the city centre, where the University<br />

will rise anew in 2009 — its 600 th year.<br />

The new Leipzig “Bio City” is a medical and<br />

biological research cluster in which businesses<br />

and research institutes work closely together.<br />

Forschung am Gehirn: Max-Planck-Forscher<br />

in Leipzig messen mit modernsten Methoden<br />

Ortstermin<br />

Gesänge von Bach:<br />

Der Leipziger Thomanerchor probt in der Thomaskirche 2006<br />

Leipzig vereint viele solcher Einrichtungen<br />

auf engstem Raum, umgeben von einer attraktiven,<br />

mit kulturellen Großeinrichtungen<br />

gespickten Innenstadt. Bibliotheken, Galerien,<br />

Theater- und Konzerthäuser, mehr als ein Dutzend<br />

hochkarätiger Forschungseinrichtungen<br />

sowie sechs Hochschulen – zum Teil in den<br />

alten, im Zentrum angesiedelten Häusern der<br />

ehemaligen Leipziger Messe untergebracht –<br />

schaffen überraschende Verbindungen. „Gerade<br />

diese räumliche Dichte ermöglicht enorme<br />

Chancen der Kooperation“, sagt Ulrich Brieler.<br />

Man wolle die Qualität und Breite der wissenschaftlichen<br />

Bildungsmöglichkeiten zum Markenzeichen<br />

machen. Man könnte es auch kürzer<br />

sagen: Synergie durch räumliche Nähe.<br />

Horst Willi Schors<br />

Leipzig, City of Literature and Life Sciences<br />

Applied environmental science is another new<br />

focus area: in the coming year, the German<br />

biomass research centre will go into operation.<br />

Leipzig’s rich history as a city of music and publishing<br />

is still apparent today in the Academy<br />

of Visual Arts and the Felix Mendelssohn Bartholdy<br />

University of Music and Theatre. The city<br />

is developing a brand — Wissenschaftsstandort<br />

Leipzig — to represent its dense constellation of<br />

universities, top-flight research facilities and<br />

historic, highly prized cultural institutions.<br />

ors<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

19


20<br />

Europa<br />

Wer versteht schon Lëtzebuergesch?<br />

Europa spricht viele Sprachen<br />

In mindestens zwei Fremdsprachen soll<br />

jeder Bürger der Europäischen Union fit<br />

sein. Dieses Klassenziel hat die Europäische<br />

Kommission ihren Bürgern gesetzt.<br />

Hochschulen können die ehrgeizigen Pläne<br />

unterstützen.<br />

Fast alle Luxemburger sprechen<br />

zwei, viele sogar drei<br />

oder vier Sprachen, die meisten<br />

Briten dagegen nur eine<br />

Sprache, nämlich Englisch. Das<br />

hat einen einfachen Grund:<br />

Auf Englisch kann man sich<br />

überall verständigen – aber<br />

wer versteht schon Lëtzebuergesch,<br />

die luxemburgische<br />

Nationalsprache? „Dieses Beispiel<br />

zeigt, dass Sprachenlernen<br />

zuallererst eine Frage der<br />

Motivation ist“, erklärt Wolfgang<br />

Mackiewicz. Der Leiter<br />

des Sprachenzentrums der<br />

Freien Universität Berlin war<br />

bis Oktober Vorsitzender einer<br />

von der Europäischen Kommission<br />

eingesetzten Expertengruppe,<br />

die sich mit dem<br />

Thema „Mehrsprachigkeit“ in<br />

der Europäischen Union (EU)<br />

befasste. Der Auftrag an die<br />

elf Spezialisten lautete: „neue<br />

Impulse und Ideen“ für mehr<br />

Sprachenkompetenz der EU-Bürger.<br />

Neben 23 Amtssprachen existieren in den<br />

27 Mitgliedstaaten der EU 60 Regional- und<br />

Minderheitensprachen, zum Beispiel Sorbisch<br />

in Deutschland, Walisisch in Großbritannien<br />

oder Rätoromanisch in Italien. In einer Umfrage<br />

von Eurobarometer gab 2005 die Hälfte<br />

der Interviewten an, neben der Muttersprache<br />

noch eine weitere Sprache zu beherrschen –<br />

und zwar auf einem Niveau, auf dem eine Unterhaltung<br />

möglich ist. In zwei Fremdsprachen<br />

können sich gut ein Viertel der EU-Bürger verständigen<br />

(Befragung 2000).<br />

Das ist den europäischen Staats- und Regierungschefs<br />

zu wenig. Auf ihrem Gipfeltreffen<br />

2002 in Barcelona einigten sie sich darauf,<br />

dass alle EU-Bürger von Kindheit an mindestens<br />

zwei Fremdsprachen lernen sollen.<br />

„Innerhalb von wenigen Jahren lässt sich<br />

das nicht realisieren, aber es war wichtig,<br />

ein gemeinsames Ziel zu verabreden“, meint<br />

Wolfgang Mackiewicz. Um die Bürger stärker<br />

als bisher zu motivieren, Fremdsprachen zu<br />

lernen, empfiehlt die Expertengruppe, Sprachenlernen<br />

zu einer Freizeitbeschäftigung<br />

für alle Altersgruppen zu machen. Vor allem<br />

die Medien spielen dabei eine äußerst wichtige<br />

Rolle: Fernsehfilme in Originalsprache<br />

mit Untertiteln oder Fernsehsendungen, die<br />

Unterhaltung und Sprachenlernen miteinander<br />

verbinden, sind wichtige Impulsgeber für<br />

die lebenslange Beschäftigung mit Sprachen.<br />

Darüber hinaus setzt sich die Gruppe dafür<br />

ein, die Forschung zum Thema Mehrsprachigkeit<br />

voranzutreiben und die sprachlichen und<br />

kulturellen Fähigkeiten von Migranten zu<br />

nutzen, sei es im Schulunterricht oder in der<br />

Wirtschaft.<br />

Entscheidend sind auch die Lehrpläne an den<br />

Hochschulen. „An der Freien Universität ist<br />

die Sprachausbildung in alle Studiengänge<br />

integriert. Wer eine Sprache lernt, kann seine<br />

Leistungspunkte in jedem Fach anrechnen<br />

lassen. Das spornt zusätzlich an“, erklärt Englischprofessor<br />

Mackiewicz. Einige deutsche<br />

Hochschulen geben Sprachen ein ähnliches<br />

Gewicht, nach Ansicht von Mackiewicz könnte<br />

es überall so sein.<br />

Deutsch bleibt wichtig<br />

Seit Januar 2007 hat die Europäische Union<br />

nun einen eigenen Kommissar für Mehrsprachigkeit:<br />

den Rumänen Leonard Orban. Er<br />

sagt: „Wir wollen, dass EU-Bürgerinnen und<br />

-Bürger in allen europäischen Ländern problemlos<br />

Arbeitsangebote wahrnehmen oder<br />

ein Studium aufnehmen können.“ Im November<br />

traf sich der Kommissar mit europäischen<br />

Alles eine Frage der Motivation: Mit Fremdsprachen kommt man weiter<br />

Spitzenmanagern in Lissabon, um über ihren<br />

Part bei der Ausbildung mehrsprachiger Arbeitnehmer<br />

zu diskutieren. Denn längst ist<br />

klar: Mangelnde Fremdsprachenkenntnisse<br />

führen zu Geschäftsverlusten. Firmen, die<br />

dagegen eine mehrsprachige Kommunikation<br />

strategisch nutzen, können ihren Exportumsatz<br />

steigern. Dabei nimmt die Nachfrage nach<br />

anderen Sprachen als Englisch zu. Dies bestätigten<br />

Unternehmer in einer Untersuchung<br />

und sagten, sie müssten sich künftig näher<br />

mit Deutsch und Französisch beschäftigen.<br />

Katja Spross<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07<br />

Abb.: <strong>DAAD</strong>


NACHrICHTEN<br />

Kroatien<br />

Wirklich europäisch<br />

Im Bildungsbereich wächst Europa<br />

manchmal schneller zusammen<br />

als auf der offiziellen politischen<br />

Ebene. Ende September startete in<br />

der kroatischen Hauptstadt Zagreb<br />

das Zentrum für Europäische Bildung,<br />

eine Gründung der Universitäten<br />

Zagreb und Münster. Das<br />

Zentrum bietet den einjährigen<br />

Masterstudiengang „Management<br />

und Beratung für europäische<br />

Bildung“, der eine Präsenzphase<br />

an beiden Universitäten und eine<br />

E-Learning-Phase am Heimatort<br />

der Studierenden umfasst. Andere<br />

Fortbildungsangebote, Symposien<br />

und Vorträge drehen sich um die<br />

Themen Bildungspolitik und Bildungsreformen<br />

in Europa, Schul-<br />

und Hochschulentwicklung sowie<br />

Sprachenpolitik.<br />

Bei der Eröffnung sprach Bundesbildungsministerin<br />

Annette<br />

Schavan von einem „wirklich europäischen<br />

Projekt“. Das Zentrum<br />

für Europäische Bildung werde<br />

dazu beitragen, das europäische<br />

Bewusstsein zu schärfen. In den<br />

kommenden drei Jahren wird das<br />

Zentrum von der EU finanziert<br />

und zwar über das Projekt „Lernen<br />

für Europa“ (TEMPUS-Programm).<br />

Daran beteiligt sind zwölf Universitäten<br />

aus zehn west- und südosteuropäischen<br />

Ländern – unter<br />

anderem auch aus der Türkei.<br />

TEMPUS<br />

Deutschland mit<br />

Abstand vorn<br />

Das EU-Förderprogramm TEMPUS<br />

für die Hochschulzusammenarbeit<br />

mit Osteuropa, Zentralasien,<br />

Südosteuropa und Nordafrika ist<br />

hierzulande beliebt: Seit dem Jahr<br />

2000 sind deutsche Hochschulen<br />

im EU-Vergleich an den meisten<br />

Projekten beteiligt, 2007 lagen sie<br />

sogar mit Abstand vorn und warben<br />

rund 15 Millionen Euro ein.<br />

„Die deutschen Hochschulen engagieren<br />

sich aus Überzeugung.<br />

Sie entwickeln die Curricula mit<br />

den Partnerhochschulen weiter,<br />

fördern den akademischen Aus-<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07<br />

tausch und die interkulturelle<br />

Zusammenarbeit. Damit vertiefen<br />

sie auch ihre eigene internationale<br />

Vernetzung, was einen Imagegewinn<br />

für sie bedeutet“, erklärt<br />

Angelika Sachsenröder, Leiterin<br />

der nationalen TEMPUS-Kontaktstelle<br />

im <strong>DAAD</strong>.<br />

TEMPUS unterstützte seit dem<br />

Fall des Eisernen Vorhangs 1990<br />

den Reformprozess der mittel- und<br />

osteuropäischen Hochschulen<br />

und Gesellschaften in Richtung<br />

Marktwirtschaft und<br />

Demokratisierung. Viele der<br />

anfangs geförderten Länder<br />

sind inzwischen selbst EU-<br />

Mitglieder. Die EU verlängerte<br />

TEMPUS und veränderte die<br />

Zielregionen: Neue Unabhängige<br />

Staaten (NUS), Mongolei,<br />

westliche Balkanländer<br />

und ab 2002 südliche Mittelmeeranrainer.<br />

Seit 2007 zählt<br />

Israel zu den förderungswürdigen<br />

Ländern.<br />

Über den Atlantik hinweg:<br />

Europa und USA bieten<br />

Doppelabschlüsse<br />

Foto: picture-alliance/Bildagentur Huber<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

Bildung<br />

Transatlantischer Austausch<br />

Ein Jahr nach Unterzeichung des<br />

neuen achtjährigen Bildungsabkommens<br />

zwischen der Europäischen<br />

Union und den Vereinigten<br />

Staaten (2006 – 2013) gaben<br />

beide Partner das Startsignal für<br />

14 transatlantische Kooperationsprojekte,<br />

darunter acht Studiengänge<br />

mit Doppelabschluss. Dazu<br />

Symbolträchtig:<br />

Kroatiens Regierung flaggt Europa<br />

Europa<br />

zählen das Bachelor-Studium in<br />

Geowissenschaften der Universitäten<br />

Potsdam und Montana und<br />

das Bachelor-Studium in Ingenieurwissenschaften,<br />

gemeinsam<br />

angeboten von der Universität des<br />

Saarlands und der Oregon State<br />

University. Die EU stellt 3,8 Millionen<br />

Euro für alle Projekte bereit<br />

– denselben Betrag wie die USA.<br />

Der Austausch von Studierenden,<br />

die gemeinsame Lehrplanentwicklung<br />

und die Zusammenarbeit<br />

bei Studien sollen die<br />

transatlantische Zusammenarbeit<br />

festigen. „Das Programm Atlantis<br />

fördert das gegenseitige Verständnis<br />

der EU- und US-Bürger.<br />

Europäische und amerikanische<br />

Studierende erhalten Gelegenheit,<br />

ein bis drei Semester auf der anderen<br />

Seite des Atlantiks zu verbringen<br />

– bei uneingeschränkter<br />

akademischer Anerkennung ihrer<br />

Leistungsnachweise“, erklärte<br />

EU-Bildungskommissar Ján Figel<br />

zum Start der 14 neuen Projekte.<br />

Seit dem Beginn von Atlantis 1995<br />

haben über 4 000 Studierende an<br />

einem Austausch teilgenommen.<br />

Katja Spross<br />

21


22<br />

Fotos: privat<br />

Arbeiten weltweit<br />

Aufbruchstimmung setzt Kräfte frei<br />

Unternehmerin und Umweltberaterin – Pionierarbeit in Lettland<br />

Sabine Betz (links)<br />

und Heidrun Fammler<br />

Lettland: Seit 1991 ist das baltische Land<br />

an der Ostsee unabhängig. Mit der „singenden“<br />

Revolution lösten sich die Letten<br />

nach 46 Jahren von der Sowjetunion.<br />

Der historische Umbruch eröffnete neue<br />

Chancen: Heidrun Fammler und Sabine<br />

Betz gingen nach Riga und verwirklichten<br />

dort ihre Ideen.<br />

ch galt Mitte der 80er Jahre als schwer ver-<br />

„Imittelbare Akademikerin, meine Fächer<br />

Germanistik, Soziologie und Kunstgeschichte<br />

waren nicht sehr gefragt“, erinnert sich Sabine<br />

Betz an ihre Zeit nach dem Studium in<br />

Münster. Heute ist sie Chefin von 24 Mitarbeitern<br />

in Riga und importiert Türbeschläge<br />

und Klinken aus Deutschland. Ein weiter Weg?<br />

Sabine Betz’ Beziehung zu Lettland hat lange<br />

Tradition: Sie ist Halblettin und besuchte das<br />

lettische Gymnasium in Münster. Ein Vorteil,<br />

den damals noch keiner erkannte: „Mit Lettisch<br />

kann man doch kein Geld verdienen,<br />

bekam ich oft zu hören. Außerdem hielt jeder<br />

Anfang der 80er Jahre die Unabhängigkeit für<br />

unwahrscheinlich.“<br />

Ende der 80er Jahre passierte das, womit<br />

niemand gerechnet hatte: Im August 1989 bildeten<br />

Esten, Letten und Litauer eine mehrere<br />

hundert Kilometer lange Menschenkette von<br />

Tallinn über Riga bis Vilnius, Anfang 1991 errichteten<br />

die Rigenser Barrikaden, sangen baltische<br />

Lieder, und die „singende Revolution“<br />

siegte im August 1991 – die drei baltischen<br />

Staaten erklärten ihre Unabhängigkeit.<br />

Riga: Die Hansestadt<br />

ist die größte Metropole<br />

des Baltikums …<br />

Die Software-Firma, in der Sabine<br />

Betz arbeitete, gehörte Exilletten,<br />

die mit Programmierern in der alten<br />

Heimat via Standleitung Projekte<br />

in Deutschland abwickelten. Die<br />

Zusammenarbeit lief gut, und der<br />

jungen Frau wurde das Einmalige der Situation<br />

bewusst: „Der Zeitpunkt ist so günstig,<br />

ich möchte dabei sein“, entschied sie und<br />

wanderte mit ihrem sieben Monate alten Sohn<br />

nach Riga aus. „Es gab überall Marktlücken,<br />

die komplette Wirtschaft stellte sich um, und<br />

ich war mittendrin“, sagt sie noch heute voller<br />

Begeisterung. Wahrscheinlich sei es ihr Vorteil<br />

gewesen, dass sie keine speziellen Branchenkenntnisse<br />

hatte und neugierig den Markt<br />

beob achtete. „Irgendwann kam die Anfrage, ob<br />

ich 5 000 Stück einer Türklinke in Deutschland<br />

besorgen könnte, und danach ging es weiter“,<br />

beschreibt Sabine Betz ihren Weg zur Fachfrau<br />

und mittelständischen Unternehmerin. 1994<br />

gründete sie die Firma „SB un Partneri SIA,<br />

Großhandel für Baubeschläge“, im letzten Jahr<br />

erwirtschaftete sie 1,8 Millionen Euro.<br />

Kapitalismus neu erfinden<br />

Ihre westliche Herkunft kam der jungen Unternehmerin<br />

zugute. „Die Kunden haben mir<br />

meine Expertise geglaubt, ich kam aus dem<br />

Westen, also musste ich es wissen.“ Tatsächlich<br />

war sie ihren Kunden immer nur um ein paar<br />

Schritte voraus, paukte Fachvokabular und besuchte<br />

alle Messen. Sabine Betz musste sich<br />

zügeln, nicht immer Vergleiche mit dem Westen<br />

zu ziehen. „Ich konnte meinen Mitarbeitern<br />

nicht ständig deutsche Lösungsvorschläge<br />

präsentieren. Wir mussten alles neu erfinden,<br />

denn der Kapitalismus existierte hier nicht.“<br />

Für die heute 49-Jährige ist ein Traum in Erfüllung<br />

gegangen. „Ich habe mich hier verwirklicht.<br />

In Deutschland hätte ich diesen Mut nicht<br />

gehabt.“ Um ihre Firma weiterhin erfolgreich<br />

führen zu können, muss die Unternehmerin<br />

immer wieder lernen, lettische Eigenheiten zu<br />

respektieren. Offene Kommunikation ist eher<br />

selten und das Diskutieren von Problemen mit<br />

Vorgesetzten unüblich. „Mir sind die Letten<br />

zu freundlich, ich wünsche mir ein bisschen<br />

mehr Konfliktbereitschaft.“<br />

Europa konkret<br />

„Zurückhaltend nordisch, vorsichtig sozialistisch“<br />

– so beschreibt Heidrun Fammler<br />

ihre Kooperationspartner in Lettland. Sie ist<br />

Präsidentin des Netzwerks „Baltic Environmental<br />

Forum“ und organisiert Seminare und<br />

Kongresse zu Umweltthemen. Als Reiseleiterin<br />

kam die Historikerin zunächst nach Riga,<br />

sie hatte Russisch studiert und interessierte<br />

sich schon früh für Umweltthemen. Deshalb<br />

bewarb sie sich 1995 erfolgreich auf eine Stelle<br />

als Projektleiterin in Riga. „Ich kannte die Bedingungen<br />

der Sowjetzeit, und nun sollte ich<br />

in allen drei unabhängigen baltischen Staaten<br />

Seminare zur europäischen Umweltpolitik<br />

halten.“<br />

Hinter der abstrakt klingenden Aufgabe<br />

verbargen sich konkrete Probleme: Die drei<br />

Länder hatten zwar die „Environmental action<br />

plans“ der OECD unterschrieben und finanzierten<br />

ein gemeinsames Büro in Riga – die<br />

Umsetzung war jedoch allen Akteuren unklar.<br />

Heidrun Fammler vermittelte zunächst mit<br />

nur einer Mitarbeiterin Beamten aus Umweltministerien<br />

und Verwaltungen Bewusstsein<br />

für umweltpolitische Themen und lotete mögliche<br />

Kooperationen aus. Mit Beginn der EU-<br />

Beitrittsphase bekam das Forum neue Aufgaben:<br />

„Wir hielten Seminare zu EU-Richtlinien<br />

und luden Experten aus Brüssel und einzelnen<br />

Mitgliedsländern ein“, erläutert Heidrun<br />

Fammler.<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07


Bedürfnisse vor Ort erfragen<br />

Dabei hatte sie die Zielgruppe genau im Blick:<br />

„Ich habe immer nach den konkreten Bedürfnissen<br />

vor Ort gefragt.“ Denn zunächst wussten<br />

die Verantwortlichen in Lettland, Litauen und<br />

Estland nicht, was sie brauchten – zu unbekannt<br />

war die europäische Terminologie, zu<br />

abstrakt die Verordnungen. Heidrun Fammler<br />

ging pragmatisch mit dem Abgrenzungsbedürfnis<br />

der baltischen Staaten um. Politisch<br />

wurde und wird auf die Unterschiedlichkeit<br />

abgehoben, auf der fachlichen Ebene existieren<br />

ausgezeichnete Kooperationen, die gerade<br />

im Umweltbereich sehr wichtig sind.<br />

Nach dem EU-Beitritt wurden die Ideen und<br />

Aktivitäten des Forums keineswegs überflüssig,<br />

wie Heidrun Fammler zunächst befürchtet<br />

hatte. Eine Seminarteilnehmerin machte<br />

ihr damals Mut: „Wenn wir<br />

in Brüssel angekommen sind,<br />

werden wir merken, was wir<br />

nicht verstanden haben.“ Erneut<br />

veränderte die Umweltmanagerin<br />

den Fokus. „Der<br />

Beitritt hat die Länder viel<br />

Kraft gekostet. Jetzt geht es darum,<br />

die Minimalvorgaben aus<br />

Brüssel mit Leben zu füllen<br />

und die EU-Umweltstandards<br />

in Gemeinden und Unternehmen<br />

umzusetzen.“ Daher<br />

managt sie gemeinsam mit<br />

insgesamt 30 Mitarbeitern in<br />

den drei Ländern kleine Projekte,<br />

die spezifische Beratung<br />

bieten. Seit 2002 tauschen<br />

beispielsweise Kommunen aus<br />

Nordrhein-Westfalen und Lettland<br />

Praktiker aus, um Probleme<br />

vor Ort zu lösen.<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07<br />

Foto: picture-alliance/ZB<br />

Mittlerweile hat die 42-Jährige das „Baltic Environmental<br />

Forum“ auf insgesamt fünf Vereine<br />

erweitert: Zu den drei aus den baltischen Ländern<br />

kommen ein Büro in St. Petersburg und<br />

eins in Hamburg. Damit stellt sie die wichtige<br />

Verbindung nach Russland her und erhält sich<br />

ein Standbein in ihrer Studienstadt Hamburg<br />

– spätere Rückkehr nicht ausgeschlossen. Zurzeit<br />

genießt sie es, in Riga zu leben, denn „die<br />

Ostsee ist gleich um die Ecke“. Gleichzeitig<br />

betrachtet sie den rasanten Bauboom kritisch.<br />

„Die entstehende Konsumgesellschaft macht<br />

dieselben Fehler wie im Westen, doch wir sind<br />

die Letzten, die das kritisieren sollten.“ Aus<br />

ABSTrACT<br />

A Fresh Start,<br />

a Dynamic Environment<br />

They put their ideas into practice and achieved<br />

success in Latvia: Heidrun Fammler and<br />

Sabine Betz are working in a country of<br />

2.3 million inhabitants on the Baltic coast.<br />

After graduating in German language and<br />

literature, Betz set up her own business, and<br />

now imports doorknobs and handles from<br />

Germany. She seized her opportunity when,<br />

after Latvia gained its independence, the<br />

country’s entire infrastructure was reorganized.<br />

Heidrun Fammler works in Riga as<br />

president of the Baltic Environmental Forum,<br />

a network that advises local governments and<br />

agencies on environmental issues. She enjoys<br />

the Latvian mentality, which she describes<br />

as “hesitantly Nordic, cautiously Socialist”.<br />

Arbeiten weltweit<br />

diesen Beobachtungen hat Heidrun Fammler<br />

ein Projekt entwickelt. Sie möchte den Bauboom<br />

untersuchen und ergründen, welche<br />

Konzepte zur Energieeinsparung angewendet<br />

werden können. Solche Ideen beflügeln sie:<br />

„Hier kann ich etwas bewegen, das motiviert<br />

mich sehr.“ Ob sie Seminare in Ukrainisch,<br />

Russisch oder Weißrussisch abhält, neue Projekte<br />

beantragt oder deutsche Umwelttechnik<br />

den lokalen Gegebenheiten anpasst – „mein<br />

preußisches Planungs-Gen hilft mir“.<br />

Isabell Lisberg-Haag<br />

… mit restaurierten Fassaden und engen Gassen<br />

Foto: concoon/photocase.com<br />

23


24<br />

Trends<br />

Abschied von einem Ideal<br />

Familie in Deutschland: Herbeigesehnt, überfordert, neu definiert<br />

Neue Väter, Patchworkfamilie, Alleinerziehende<br />

oder Scheidungsrate – die Stichwörter<br />

zum Thema Familie könnten ganze<br />

Lexika füllen, und täglich kommen neue<br />

Begriffe hinzu. Die Familie, im deutschen<br />

Grundgesetz unter Schutz gestellt, wandelt<br />

sich.<br />

Lange spielte sie allenfalls die zweite Geige:<br />

Familienpolitik in Deutschland war kein<br />

Gebiet, auf dem Karriere zu machen war. Entsprechend<br />

gering fiel das Engagement der Politiker<br />

aus. Das ist plötzlich anders geworden.<br />

Der Staat unterstützt mit Elterngeld und Krippenförderung<br />

ein verändertes Frauen- und<br />

Familienbild.<br />

Was ist passiert? Bis die Familie in den Fokus<br />

der Parteien rückte, mussten erst Fakten<br />

schmerzhaft deutlich werden, die sich freilich<br />

seit Jahren abzeichneten. Mit 1,3 Geburten pro<br />

Frau kommen in Deutschland zu wenige Kinder<br />

auf die Welt, um Sozialsysteme und Innovationskraft<br />

zu sichern.<br />

Neue Väter braucht das Land<br />

„Möglichkeiten, seine Kinder während der<br />

eigenen Arbeitszeit gut unterzubringen, sind<br />

viel mehr wert als Geld“, sagt Christian Hohlfeld,<br />

Vater zweier Kleinkinder, und spricht damit<br />

für viele Eltern. 67 Prozent der Eltern von<br />

Deutsche Wirklichkeit: Patchworkfamilien<br />

sind längst keine Seltenheit mehr<br />

Zweijährigen wünschen sich für ihr Kind einen<br />

Platz in einer Kindertagesstätte, doch nur<br />

27 Prozent haben Erfolg, so eine Analyse des<br />

Deutschen Jugendinstituts in München. „Eine<br />

sichere Betreuung macht Menschen Mut, Kinder<br />

zu bekommen und beruflich am Ball zu<br />

bleiben“, so Christian Hohlfeld.<br />

Foto: Enno Kapitza, www.ennokapitza.de<br />

Der Pressereferent der Technischen Universität<br />

Berlin ist in Elternzeit und kümmert sich<br />

um Laura (4) und Lennart (2), nachdem seine<br />

Frau nach vierjähriger Pause wieder ganztags<br />

arbeitet. „Ich genieße es, zu sehen, wie meine<br />

Kinder sich täglich verändern und wie sie lernen.“<br />

Der fast 40-Jährige erlebt sich allerdings<br />

als „Unikat“. Er kennt bisher keinen anderen<br />

Vater, der für eine gewisse Zeit den Job mit der<br />

Erziehungsarbeit getauscht hat.<br />

Noch zählt Christian Hohlfeld zu einer Minderheit,<br />

aber sie soll wachsen, so das Ziel der<br />

christdemokratischen Bundesfamilienministerin<br />

Ursula von der Leyen (siehe Interview).<br />

Ein Weg dorthin ist das bis zu 14 Monate nach<br />

der Geburt gezahlte Elterngeld. Es gehört zu<br />

den zentralen Reformprojekten der Bundesregierung,<br />

um Beruf und Familie besser zu<br />

vereinbaren.<br />

Elterngeld gibt es seit Anfang 2007, wenn<br />

Vater oder Mutter im Beruf pausiert oder weniger<br />

arbeitet. Gezahlt werden 67 Prozent des<br />

letzten Nettogehaltes, maximal 1 800 Euro<br />

im Monat. Ein Elternteil kann die staatliche<br />

Leistung zwölf Monate in Anspruch nehmen,<br />

die weiteren zwei Monate gibt es nur, wenn<br />

der Partner die Betreuung des Nachwuchses<br />

übernimmt.<br />

Doch finanzielle Hilfen allein retten die Familie<br />

nicht. In Großstädten wird inzwischen<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07<br />

Foto: amridesign/Fotolia.com


Foto: Jupp Darchinger Foto: ullstein bild - Haeckel-Archiv Foto: akg-images<br />

jede zweite Ehe geschieden, Menschen finden<br />

sich zu Patchworkfamilien zusammen, in die<br />

jeder Partner seine Kinder mitbringt, viele<br />

Paare bleiben kinderlos. Der „Familienvater“,<br />

der seine Lieben ernährt, und seine Frau, die<br />

daheim für Kinder und gemütliche Atmosphäre<br />

sorgt, haben ausgedient. Alternative Familienformen<br />

sind „in“. Innerhalb von zehn<br />

Jahren ging die Zahl verheirateter Paare mit<br />

Kindern um 16 Prozent auf 6,5 Millionen zurück.<br />

Gleichzeitig nahm die Zahl von Lebensgemeinschaften<br />

mit Kindern sowie die Zahl<br />

Alleinerziehender von 1996 bis 2006 um 30<br />

Prozent zu.<br />

Diese Entwicklung hat nichts mit Familienfeindlichkeit<br />

zu tun, wie es manche Zeitgenossen<br />

heraufbeschwören. Neueste Umfragen<br />

zeigen: 52 Prozent der Deutschen schätzen<br />

die Familie weit mehr als ihre persönliche<br />

Freiheit. Für ein Viertel der Befragten hat die<br />

Familie in den vergangenen Jahren noch an<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07<br />

Bedeutung gewonnen – aber mit veränderten<br />

Bedingungen. Immer mehr gut qualifizierte<br />

Frauen wollen nach der Geburt ihres ersten<br />

Kindes nicht mehr beruflich zurückstecken<br />

und wehren sich dagegen, gar nicht oder erst<br />

nach einigen Jahren an ihren Arbeitsplatz zurückkehren<br />

zu können.<br />

Mütter sollen in den ersten Lebensjahren<br />

bei den Kindern bleiben – so das konservative<br />

Familienbild, das noch heute in den westdeutschen<br />

Bundesländern fortwirkt. Hier meinen<br />

60 Prozent der Menschen, dass ein Vorschulkind<br />

unter der Berufstätigkeit der Mutter leidet,<br />

in Ostdeutschland sind es nur 23 Prozent.<br />

Die Westdeutschen sehen die Berufstätigkeit<br />

von Müttern somit auch wesentlich kritischer<br />

als viele ihrer europäischen Nachbarn.<br />

Eine Umkehrung der gesellschaftlichen Entwicklung<br />

ist unmöglich, „weil Männer und<br />

Frauen schon zu modern geworden sind für<br />

die altmodische Form“, so Familienforscher<br />

Hans Bertram von der Humboldt-<br />

Universität zu Berlin. In Deutschland<br />

geht zwar jede zweite Frau in einem<br />

Paarhaushalt mit Kindern unter zwölf<br />

Jahren nicht arbeiten, aber nur sechs<br />

Prozent sagen: Ich habe es so gewollt.<br />

Dieser Widerspruch ist alles andere<br />

als förderlich. Denn in Ländern, in denen<br />

Frauen emanzipierter sind und<br />

moderner denken als die Gesellschaft,<br />

Familienbild im Wandel der Zeit:<br />

1803: König Wilhelm III. mit Frau<br />

und Söhnen<br />

Um 1900: Ammen kümmern sich um<br />

den Nachwuchs<br />

1950: Feste Rollenverteilung<br />

ABSTrACT<br />

Farewell to an Ideal<br />

For many years, commitment to family<br />

policy was hard to find among<br />

politicians in Germany. But that has<br />

changed: with parental benefits and<br />

day care subsidies, the state now<br />

supports a new notion of women<br />

and families. Because at the current<br />

birth rate of 1.3 per woman, there<br />

are not enough children being born<br />

to secure the country’s social welfare<br />

systems and its innovative power.<br />

Lifestyles are changing. In the big cities,<br />

half of all marriages end in divorce.<br />

Within ten years, the number of married<br />

couples with children has dropped<br />

16 percent to 6.5 million. And in the<br />

same period, the number of unmarried<br />

Foto: vario images<br />

Titel<br />

Trends<br />

Trübe Aussichten:<br />

Kinderarmut nimmt in Deutschland zu<br />

in der sie leben, werden die wenigsten Kinder<br />

geboren, haben Forscher des Berlin-Instituts<br />

für Bevölkerung und Entwicklung festgestellt.<br />

Familienfreundliche Unternehmen<br />

Elena de Graat kennt diese Diskussionen seit<br />

fast 20 Jahren. Die Geschäftsführerin des Bonner<br />

Instituts „Work & Life“ berät Unternehmen<br />

zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf:<br />

„Wir ermitteln, was sich die Beschäftigten<br />

wünschen und zeigen Möglichkeiten auf.“ Lösungen<br />

gibt es viele: betriebseigener Kindergarten,<br />

Zuschüsse zur Kinderbetreuung, Unterstützung<br />

eines Sportvereins oder flexible<br />

Arbeitszeiten. „Teamabsprachen über Arbeitszeiten<br />

reichen manchmal schon, um Eltern zu<br />

entlasten, es muss nicht immer der teure Kindergarten<br />

auf dem Werksgelände sein“, sagt<br />

die 48-jährige Diplompsychologin. Nicht nur<br />

große Konzerne engagieren sich. „Kleinere<br />

couples with children and the number of<br />

single parents has increased by 30 percent.<br />

The latest surveys show that 52 percent of<br />

Germans value family far more than their<br />

personal freedom. A quarter of the respondents<br />

felt that the family has continued to grow<br />

more important in recent years — but under<br />

changed conditions. More and more highly<br />

qualified women don’t want to sacrifice their<br />

professional lives after the birth of a first child.<br />

Family-friendly policies pay off. A survey by the<br />

German Ministry for Families found that the<br />

management of 44 percent of businesses considered<br />

family-friendly offerings a competitive<br />

advantage in recruiting employees. Nonetheless,<br />

unemployment and insufficient income remain<br />

a problem for parents: 2.5 million children<br />

need support from the state. At present Germany<br />

has more children growing up in poverty<br />

than most other industrialized countries.<br />

25


26<br />

Trends<br />

Ein Kind im Spind:<br />

Sarah Wöhler, Hochschule Mannheim,<br />

3. Platz beim 21. Plakatwettbewerb<br />

„Kinder? Kinder!“ des Deutschen<br />

Studentenwerks<br />

und mittlere Betriebe können häufig flexibel<br />

und schnell reagieren und müssen nicht alles<br />

mit der Konzernleitung abstimmen“, sagt die<br />

Beraterin.<br />

Familienfreundlichkeit lohnt sich. In einer<br />

Umfrage des Bundesfamilienministeriums<br />

halten 44 Prozent der Unternehmensleitungen<br />

familienfreundliche Angebote für einen Wettbewerbsvorteil<br />

bei der Gewinnung von Personal<br />

– außerdem lohnt es sich. Einer von de<br />

Graats Kunden hat es vorgerechnet: Für jeden<br />

investierten Euro in Familienfreundlichkeit<br />

hat das Unternehmen zwei Euro gespart.<br />

Kind und Karriere<br />

Die Wahl zwischen Beruf und Kind ist überholt,<br />

betont Familienministerin von der Leyen<br />

und schlägt familienpolitisch einen Weg ein,<br />

den Sozialdemokraten nicht erwartet und Konservative<br />

skeptisch bis widerwillig begleitet<br />

haben. Bis 2013 sollen 750 000 Betreuungsplätze<br />

für Kinder unter drei Jahren zur Verfügung<br />

stehen. Und die Ministerin schmiedet<br />

Bündnisse. Gemeinsam mit der Wirtschaft<br />

möchte sie Unternehmen ermutigen, mehr<br />

für bessere Betreuung zu tun. Ab 2008 finanziert<br />

das Ministerium drei Jahre lang Plätze<br />

in betriebseigenen Kindertagesstätten mit 50<br />

Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds.<br />

Doch so leicht verabschiedet sich<br />

kein Land, in dem eine berufstätige<br />

Mutter schon mal als „Rabenmutter“<br />

abgestempelt wird, von<br />

seinem traditionellen Familienbild.<br />

Beispiel Betreuungsgeld: Für ihre<br />

Zustimmung zum Rechtsanspruch<br />

auf einen Krippenplatz ab 2013<br />

verlangen konservative Politiker,<br />

dass Eltern, die ihr Kind nicht in<br />

die Krippe bringen, 150 Euro pro<br />

Monat erhalten. Kopfschütteln<br />

beiden europäischen Nachbarn, in<br />

Deutschland sprechen die Kritiker<br />

von einer „Herdprämie“, die Frauen<br />

wieder ans Haus binden soll.<br />

Ob es daheim allerdings so harmonisch<br />

zugeht, wie manche Politiker<br />

zu glauben scheinen, ist zu bezweifeln.<br />

Denn immer mehr Eltern<br />

fühlen sich mit der Erziehung ihrer<br />

Sprösslinge überfordert. An mehreren<br />

tausend Orten in Deutschland<br />

treffen sie sich abends in „Elternschulen“,<br />

suchen Beratungsstellen<br />

auf oder schalten wöchentlich die Sendung<br />

„Super Nanny“ ein, in der eine Erzieherin<br />

gestresste Eltern und randalierende Kinder<br />

coacht. Durch veränderte Lebensformen, den<br />

großen Einfluss der Medien und den unsicheren<br />

Arbeitsmarkt scheinen Werte und Normen<br />

außer Kraft gesetzt, die für Generationen<br />

galten.<br />

Betreuung plus Erziehung<br />

Der „Kinderreport Deutschland 2007“ ist<br />

alarmierend: Die Armut nimmt zu; 2,5 Millionen<br />

Kinder sind auf staatliche Unterstützung<br />

angewiesen – 208 Euro pro Monat. Mittlerweile<br />

wachsen in Deutschland mehr Kinder<br />

in Armut auf als in den meisten anderen Industriestaaten,<br />

so ein Ergebnis der aktuellen<br />

Studie der Organisation für wirtschaftliche<br />

Zusammenarbeit und Entwicklung OECD.<br />

„Kein Geld für Bildung, kein Geld für Kultur.<br />

Kleidung nur secondhand, viele Eltern schaffen<br />

es nicht mal mehr, ihre Kinder gesund zu<br />

ernähren“, beschreibt eine arbeitslose 40-jährige<br />

Mutter die Not. Um diesen Kindern die<br />

gleichen Bildungschancen wie Kindern aus<br />

besser gestellten Familien zu ermöglichen,<br />

halten Erziehungswissenschaftler ein Betreuungssystem,<br />

das früh und umfassend fördert,<br />

für unverzichtbar.<br />

Auch dabei hat Deutschland Nachholbedarf.<br />

Die pädagogische Arbeit ist oft eher unstrukturiert,<br />

wenig zielgerichtet und kaum nachhaltig,<br />

stellten die OECD-Bildungsexperten 2004<br />

fest. Die Unternehmensberatung McKinsey<br />

versucht etwas Neues. In einem bundesweit<br />

einmaligen Projekt führen die Berater in der<br />

ostdeutschen Stadt Halle ein Qualitätsmanagementsystem<br />

ein. Die Erzieherinnen in den Kindergärten<br />

analysieren Stärken und Schwächen<br />

ihrer Arbeit, stellen strukturierte Themenpläne<br />

auf und suchen verstärkt Kontakt mit den<br />

Eltern. Ob Familienzentren, Ganztagsschulen,<br />

Steuererleichterungen – erst wenn die Gesellschaft<br />

akzeptiert, dass sich Lebensentwürfe<br />

grundlegend wandeln, wird das Modell Familie<br />

– grundlegend verändert – überleben.<br />

Uschi Heidel/Isabell Lisberg-Haag<br />

Alltag bei Familie Hohlfeld:<br />

Vater Christian kocht gemeinsam mit seinen Kindern Laura und Lennart<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07<br />

Foto: Cynthia Rühmekorf


<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07<br />

Gut betreut:<br />

Betriebskindergärten entlasten<br />

berufstätige Eltern<br />

Noch ein weiter Weg<br />

Interview<br />

mit Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen<br />

Seit zwei Jahren steht Ursula von der Leyen<br />

an der Spitze des Bundesministeriums für<br />

Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Zuvor<br />

war die 49-jährige Christdemokratin<br />

Ministerin für Soziales, Frauen, Familie<br />

und Gesundheit des Bundeslandes Niedersachen.<br />

Die promovierte Ärztin hat sieben<br />

Kinder.<br />

Die Bundesregierung und die Bundesländer<br />

wollen bis 2013 insgesamt 750 000<br />

Krippenplätze für ein- bis dreijährige Kinder<br />

zur Verfügung stellen. Warum ist dieser<br />

starke Ausbau notwendig?<br />

Zuallererst brauchen Kinder Mütter und Väter.<br />

Aber Eltern hatten in früheren Zeiten Hilfe, die<br />

ähnlich wie die Krippen waren, nämlich viele<br />

Geschwister, Onkel, Tanten, Großväter und<br />

-mütter, die die Kinder mit durchs Leben begleitet<br />

haben. Das ist heute nicht mehr so. Viele<br />

junge Männer und Frauen wollen heute beides:<br />

Sie wünschen sich Kinder, sie wünschen sich<br />

aber auch, dass sie gleichzeitig in ihrem Beruf<br />

arbeiten können. Wir Politiker müssen die<br />

Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass<br />

wieder mehr Kinder geboren werden. Heute<br />

sind Mehrgenerationenhäuser, Familienzentren<br />

oder Krippen der Ort, an dem Kinder eine<br />

Chance haben, andere Kinder zu treffen. Jedes<br />

dritte Kind unter sechs Jahren hat heute einen<br />

Migrationshintergrund, und jedes dritte Kind<br />

unter fünf Jahren hat keine Geschwister. Diese<br />

Kinder brauchen einen Raum, um gemeinsam<br />

mit Gleichaltrigen die Welt entdecken zu können<br />

und bereits früh Bildung zu erfahren.<br />

Sie haben mit dem Elterngeld, das seit<br />

Januar 2007 nach der Geburt eines Kindes<br />

gezahlt wird, auch Vätern Anreiz gegeben,<br />

im Beruf auszusetzen und sich um das<br />

Baby zu kümmern. Wie wird diese Möglichkeit<br />

von den Männern angenommen?<br />

Zu einem erfüllten Leben als Mann gehört<br />

auch die Möglichkeit, ein aktiver Vater zu sein<br />

und Erziehungsverantwortung übernehmen<br />

zu können. Mit den Partnermonaten beim Elterngeld<br />

stärken wir den jungen Männern den<br />

Rücken – und die Entwicklung ist außerordentlich<br />

positiv: Seit Einführung des Elterngeldes<br />

Anfang des Jahres haben fast dreimal so viele<br />

Väter wie bisher Elternzeit genommen – der<br />

Bundesdurchschnitt liegt inzwischen bei 8,5<br />

Prozent. Ich freue mich, wie viele junge Väter<br />

jetzt gleich nach der Geburt ihres Kindes ihre<br />

Vaterzeit nehmen. Dieser Trend ist ermutigend,<br />

denn Kinder brauchen die Mutter, aber auch<br />

den Vater!<br />

Ist Deutschland im internationalen Vergleich<br />

familienfeindlich?<br />

Deutschland ist nicht kinderfeindlich, aber wir<br />

haben noch einen weiten Weg zu gehen, um wieder<br />

Anschluss an die anderen Nationen zu bekommen,<br />

in denen wesentlich mehr Kinder geboren<br />

werden. Bei Kinderbetreuungsangeboten<br />

für unter Dreijährige sind wir zum Beispiel fast<br />

Schlusslicht in Europa. In den alten Bundesländern<br />

gibt es für neun von zehn Eltern gar keine<br />

Angebote. Mütter und Väter sollten aber die<br />

Wahl haben, ob und wie sie Kindererziehung<br />

und ihren Beruf vereinbaren können. Diese<br />

Wahlfreiheit haben wir zurzeit nicht. Wenn wir<br />

die Zahl der Tagesmütter und Krippenplätze bis<br />

2013 verdreifachen und auf 750 000 erhöhen,<br />

haben wir einen ersten Schritt in diese Richtung<br />

gemacht. Die Länder, die sich bereits vor Jahren<br />

auf den Weg gemacht haben, verzeichnen steigende<br />

Geburtenraten. Sie haben Qualität und<br />

Foto: picture-alliance/ZB<br />

Titel<br />

Trends<br />

Zahl der Betreuungsplätze erhöht – und stehen<br />

dadurch auch wirtschaftlich besser da. Dort<br />

sind mehr junge Menschen im Job. Es gibt dort<br />

mehr Kinder und – das wird oft vergessen – die<br />

Kinderarmut ist in diesen Ländern auch geringer.<br />

Das sollte uns zu denken geben.<br />

In welchen Bereichen der Familienpolitik<br />

möchten Sie weitere Akzente setzen?<br />

Besonders am Herzen liegt mir, dass wir die<br />

Kinderarmut konsequenter bekämpfen. Dazu<br />

braucht es gute Sachleistungen, wie Bildungsangebote<br />

im Kindergartenalter für Kinder aus<br />

Familien, die oft schon über Generationen vom<br />

Staat abhängig sind. Aber wir müssen auch<br />

die große Zahl der Eltern stärker unterstützen,<br />

die fleißig arbeiten, wo der Verdienst jedoch<br />

für alle Kinder nicht reicht und die deshalb<br />

zusätzlich Hartz IV beziehen.<br />

Anmerkung der Redaktion:<br />

Anfang 2005 wurden Arbeitslosenhilfe und<br />

Sozialhilfe zusammengelegt. Der Name Hartz<br />

IV geht auf Peter Hartz, ehemaliges Vorstandsmitglied<br />

der Volkswagen AG, zurück.<br />

Hartz leitete die Kommission zur Reform des<br />

Arbeitsmarktes.<br />

27<br />

Foto: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend


28 Rätsel<br />

Die Märchen der Brüder Jacob und Wilhelm<br />

Grimm sind rund um den Globus äußerst populär.<br />

In unserem Rätsel geht es um Details aus einigen<br />

ihrer bekanntesten Volksmärchen. Einzutragen ist jeweils das<br />

richtige Substantiv am Ende des Satzes.<br />

Dornröschen verletzt sich am Finger und fällt in einen<br />

hundertjährigen<br />

Die Schwester von Hänsel heißt<br />

Hänsel und seine Schwester werden im Wald gefangen genommen<br />

von einer<br />

Vier von den Menschen gequälte Tiere – Esel, Hund, Katze und Hahn –<br />

schließen sich als „Stadtmusikanten“ zusammen und suchen<br />

den Weg nach<br />

Rotkäppchen soll die kranke Großmutter besuchen. Im Korb trägt das<br />

Mädchen Kuchen und<br />

Aschenputtel soll Linsen aus der Asche aufsammeln.<br />

Dabei helfen ihr die<br />

Schneewittchen wird von der bösen Stiefmutter besucht. Die Stiefmutter reicht ihr<br />

einen vergifteten<br />

Eine geheimnisvolle Frau legt größten Wert darauf, dass ihr Bett gut<br />

aufgeschüttelt ist. Angeblich schneit es dann auf der Erde.<br />

Es handelt sich um Frau<br />

Der böse Wolf will in ein Haus eindringen und sieben Geißlein fressen.<br />

Um nicht an der rauen Stimme erkannt zu werden,<br />

isst der Wolf zuvor<br />

Schneewittchen läuft in einen Wald.<br />

Dort helfen ihr die sieben<br />

Sind die richtigen Wörter eingetragen, so ergeben die Buchstaben in den dick umrandeten Feldern<br />

hintereinander gelesen das Lösungswort: Es ist der Titel – und zugleich die Titelfigur – eines<br />

Märchens der Brüder Grimm.<br />

Schreiben Sie das Lösungswort an t<br />

Unter den richtigen Lösungen werden zehn Hauptgewinne und zehn Trostpreise vergeben. Bei<br />

diesem Rätsel nehmen an der Auslosung nur Einsendungen von Leserinnen und Lesern teil,<br />

deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Bitte die vollständige<br />

Anschrift des Absenders angeben!<br />

DIE GEWINNER KÖNNEN ZWISCHEN FOLGENDEN PREISEN WÄHLEN:<br />

1. Duden – Die deutsche Rechtschreibung. 24. Auflage<br />

(die neue, seit 1. August 2006 gültige Rechtschreibung). Dudenverlag<br />

2. Die schönsten Märchen der Brüder Grimm. Diogenes Verlag.<br />

Dazu 2 Hörbuch-CDs: Märchen der Brüder Grimm. hoergut-verlag<br />

3. Die Blaue Blume. Traditional German Folk Songs. Von Sterndreher: CD New Earth Records<br />

4. Bernd Schuh: 50 Klassiker. Naturwissenschaftler von Aristoteles bis Crick & Watson.<br />

Gerstenberg Verlag<br />

Bitte geben Sie mit der Lösung auch den von Ihnen gewünschten Preis an.<br />

Wer war’s? Professor Grübler fragt<br />

Wie lernt man eigentlich am besten Fremdsprachen?<br />

Der Sohn eines Pfarrers aus dem Norden Deutschlands<br />

praktiziert im 19. Jahrhundert eine ganz besondere Methode:<br />

Er nimmt die Übersetzung eines Buches zur Hand,<br />

dessen Original-Ausgabe er fast auswendig kann. Er schreibt:<br />

„Nach einmaligem Durchlesen hatte ich wenigstens die Hälfte<br />

der in dem Buche vorkommenden Wörter inne, und nach<br />

einer Wiederholung dieses Verfahrens hatte ich sie beinahe<br />

alle gelernt, ohne dabei auch nur eine Minute mit Nachschlagen<br />

in einem Wörterbuch verloren zu haben.“ Das Resultat:<br />

Binnen sechs Wochen beherrscht der vom lebenslangen Lernen<br />

geradezu besessene Schlaukopf das Griechische.<br />

Griechenland hat es ihm angetan – und bestimmt sein Forscherleben.<br />

Er heiratet in zweiter Ehe eine Griechin und schreibt<br />

seinem Vater: „Ich kann nur mit einer Griechin glücklich werden.“<br />

So sehr ist er auf die uralte hellenistische Kultur fixiert,<br />

dass auch seine Kinder griechische Namen erhalten. Sein<br />

Sohn heißt Agamemnon, die Tochter Andromache.<br />

Er lernt Fremdsprache um Fremdsprache und forscht mit<br />

eiserner Energie. Und das mit großartigem Erfolg. Im Jahr<br />

1873 entdeckt er einen unermesslich wertvollen Schatz,<br />

den er eigenhändig aus uralten Trümmern hervorholt.<br />

Da bestätigt sich für ihn seine Maxime: „Wo viel<br />

Schutt liegt, ist auch viel zu finden.“<br />

Man überhäuft ihn mit Ehrungen. Die Universität<br />

Rostock verleiht ihm den Doktor-Titel, obwohl<br />

er es in seiner ärmlichen Jugendzeit nicht<br />

bis zum Abitur gebracht hat. Im Alter von<br />

68 Jahren stirbt er an den Folgen eines<br />

Ohrenleidens.<br />

Professor Grübler fragt: Wer war’s?<br />

Unter den richtigen Lösungen werden<br />

fünf Gewinner ausgelost. Der Rechtsweg<br />

ist ausgeschlossen. Bitte wählen<br />

Sie unter den links unten genannten<br />

Preisen.<br />

Senden Sie die Lösung an t<br />

Redaktion <strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong><br />

Trio MedienService<br />

Chausseestraße 103<br />

10115 Berlin, Germany<br />

Fax: +49 30/28 09 61 97<br />

E-Mail: raetsel@trio-medien.de<br />

Einsendeschluss ist der 10. März 2008<br />

!<br />

Die Lösung und die Gewinner<br />

der vorigen <strong>Letter</strong>-Rätsel<br />

finden Sie auf Seite 42<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07


SPrACHWErKSTATT<br />

Zeitlebens ein romantiker<br />

Formen der Zeit werden mit den so genannten Temporal- oder Zeitadverbien beschrieben:<br />

zum Beispiel die Tageszeit (nachts), die Pünktlichkeit (rechtzeitig) oder die Häufigkeit<br />

(manchmal). Im folgenden Text ist – aus den vorgegebenen Adverbien – jeweils<br />

das passende Wort zu ergänzen. Mehrfachnennungen sind möglich.<br />

bald, damals, darauf, früh, heute, immer, inzwischen, jetzt, kürzlich, noch, oft, schließlich,<br />

schon, später, wieder, zuerst, zuvor<br />

„Wie wird’s nun alles so stille<br />

_______!/ So war mirs _______ in<br />

der Kinderzeit,/ die Bäche gehen<br />

rauschend nieder/ durch die dämmernde<br />

Einsamkeit...“ So beginnt<br />

das Gedicht „Im Alter“ von Joseph<br />

von Eichendorff . _______ gilt er als<br />

der bedeutendste Vertreter der deutschen<br />

Spätromantik. Aber _______<br />

zu seinen Lebzeiten machte er sich<br />

als Dichter einen Namen. _______,<br />

am 26. November 2007, jährte sich<br />

Eichendorffs Todestag zum 150.<br />

Mal, und _______, am 10. März<br />

2008, wird man sich seines 220.<br />

Geburtstags erinnern.<br />

Auf Schloss Lubowitz bei Ratibor<br />

in Oberschlesien kam Eichendorff<br />

1788 als Sohn eines preußischen<br />

Offiziers zur Welt. Nach dem Besuch<br />

des katholischen Gymnasiums<br />

studierte er ab 1805 Jura: _______<br />

in Halle und _______ in Heidelberg.<br />

Nach einer längeren Bildungsreise setzte er das Studium in Berlin fort und beendete<br />

es _______ 1812 in Wien. _______ war der Weg frei für den Eintritt in den preußischen<br />

Staatsdienst. Doch Eichendorff entschied sich, _______ an den Befreiungskriegen gegen<br />

Napoleon teilzunehmen.<br />

Nach seiner Heirat mit Luise von Larisch arbeitete er als Referendar in Breslau, bevor<br />

er 1821 – er war _______ dreifacher Vater – Regierungsrat in Danzig wurde. Nach<br />

mehreren Jahren in Danzig und Königsberg übersiedelte er 1831 mit seiner Familie nach<br />

Berlin, wo er eine Tätigkeit im Kultusministerium übernahm. _______ wurde er 1841 zum<br />

Geheimen Rat ernannt und drei Jahre _______ pensioniert.<br />

Neben seiner Arbeit im Staatsdienst war Eichendorff Schriftsteller. Seine Erzählungen und<br />

Gedichte zeugen _______ _______von der Sehnsucht nach einer weniger bürgerlichen,<br />

mit der Natur und dem Glauben an Gott verbundenen Welt. Wohl am berühmtesten ist<br />

bis _______ seine 1826 erschienene Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“, mit<br />

der er _______ bekannt wurde.<br />

Aber auch die Naturgedichte und Wanderlieder Eichendorffs, in denen sich _______ die<br />

Liebe zur Landschaft seiner schlesischen Heimat spiegelt, gelten _______ _______ als<br />

Höhepunkt romantischer Lyrik. _______ nur eingestreut in seine Erzählungen, wurden sie<br />

_______ auch in Sammelbänden veröffentlicht und _______ durch Komponisten wie Felix<br />

Mendelssohn, Robert Schumann oder Richard Strauss vertont.<br />

Nach seiner Pensionierung hörte Eichendorff mit dem Dichten auf. 1855 zog er zu seiner<br />

Tochter nach Neiße in Oberschlesien; 1856 verlor er seine Frau. Er selbst starb im Jahr<br />

_______ mit 69 Jahren an den Folgen einer Erkältung.<br />

Christine Hardt<br />

LÖSUNG: wieder; oft; heute; schon; kürzlich; bald; zuerst; später; schließlich; jetzt; zuvor; inzwischen; schließlich; später; schon früh;<br />

heute; damals; oft; immer noch; zuerst; später; schließlich; darauf.<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07<br />

Illustration von Hans Traxler aus: Eichendorff – Taugenichts, Reclam, ISBN 978-3-15-010626-6, Euro 16,90<br />

AUFGESPIESST<br />

Sprachecke<br />

Nussschokolade im Betttuch?<br />

War es früher wirklich einfacher mit der deutschen<br />

Rechtschreibung? In den längst vergangenen<br />

Zeiten vor ihrer Reform, als mancher<br />

«Ballettänzer» noch ohne «Sauerstoffflasche»<br />

eine «Schiffahrt» wagte, gab es zum Beispiel folgende<br />

Regel: Treffen drei gleiche Konsonanten<br />

zusammen, so werden nur zwei von ihnen geschrieben,<br />

wenn auf sie ein Vokal folgt («Ballettänzer»<br />

oder «Schiffahrt») – folgt ihnen aber<br />

ein Konsonant, werden alle drei geschrieben<br />

(»Sauerstoffflasche«).<br />

Ganz einleuchtend war diese Regel nicht, und<br />

so fiel sie wohl zu Recht der Reform zum Opfer.<br />

Heute folgt man auch bei den von den Fachleuten<br />

so genannten «Tripelkonsonanten» dem Prinzip<br />

der Stammschreibung. Das bedeutet, dass der<br />

Stamm eines Wortes auch in seinen Ableitungen<br />

erkennbar bleibt («der Rat», «die Räte», «raten»,<br />

«er/sie/es rät», «ratsam» usw.). Nach der jetzt<br />

gültigen Rechtschreibung schreibt man grundsätzlich<br />

alle Buchstaben hin, die zum Wortstamm<br />

gehören – auch wenn «Flusssand», «Rollladen»<br />

oder «Brennnessel» manche Zeitgenossen immer<br />

noch ein wenig befremden mögen.<br />

Die neue Rechtschreibung erlaubt aber auch den<br />

relativ großzügigen Gebrauch des Bindestrichs<br />

– es ist durchaus korrekt, dem «Zoo-Orchester«<br />

nach seinem Auftritt «Nuss-Schokolade» anzubieten.<br />

Wenn man auf sinnvolle Trennungen<br />

achtet und nicht die falschen Wörter miteinander<br />

in Beziehung setzt, vermeidet man mit einem<br />

solchen Bindestrich auf elegante Art wahre Wortungetüme<br />

wie «Flussschifffahrt» oder «Teeeieinhängehaken».<br />

Ist die Sache also einfacher geworden als früher?<br />

Ja. Und nein. Denn «Mittag» bleibt «Mittag», obwohl<br />

natürlich die Mitte des Tages gemeint ist.<br />

Konsequenz sieht wohl anders aus. «Dennoch»<br />

(auch so ein Wort!): Deutsch bleibt eine wunderschöne<br />

Sprache, findet<br />

29


30<br />

<strong>DAAD</strong><br />

„Gut sein reicht nicht“<br />

Abschied nach 20 Jahren – <strong>DAAD</strong>-Präsident Theodor Berchem<br />

über Erfolge und neue Pläne<br />

Herr Berchem, Sie kommen gerade aus<br />

Indien. Wie wichtig war diese letzte große<br />

Dienstreise, die Sie als <strong>DAAD</strong>-Präsident<br />

unternommen haben?<br />

Indien ist als zweitgrößtes Land der Erde natürlich<br />

sehr wichtig. Wir haben alte freundschaftliche<br />

Verbindungen, allein schon durch<br />

die Pionierleistungen deutscher Indologen und<br />

Sanskritologen. Der Wissenschaftsaustausch<br />

ist aber bis heute nicht befriedigend. Zwar haben<br />

wir jetzt circa 4 000 Inder bei uns, aber insgesamt<br />

studieren und forschen 130 000 Inder<br />

im Ausland, davon 8 000 in den USA. Deshalb<br />

rollt jetzt der Science Express durch Indien, ein<br />

Zug, der dem Besucher moderne wissenschaftliche<br />

Themen präsentiert – und in dem auch der<br />

<strong>DAAD</strong> über Bildungs- und Forschungsmöglichkeiten<br />

in Indien und Deutschland informiert.<br />

Damit wollen wir den indischen Nachwuchs<br />

auf die Chancen einer Karriere in Forschung<br />

und Entwicklung aufmerksam machen.<br />

Der Austausch funktioniert aber nur, wenn<br />

auch mehr Deutsche nach Indien gehen. Dafür<br />

muss man die entsprechenden Strukturen<br />

schaffen: Kooperationen, Doppeldiplome, ein<br />

Exzellenzzentrum für binationale Projekte. Für<br />

die neuen Initiativen will uns das Bundesforschungsministerium<br />

zusätzlich über vier Millionen<br />

Euro pro Jahr geben, was eine gute Verdoppelung<br />

unseres Haushalts für Indien ist.<br />

(Siehe auch Bericht auf Seite 36)<br />

Dafür, dass der Austausch keine Einbahnstraße<br />

bleibt, hat sich der <strong>DAAD</strong> während<br />

Ihrer Amtszeit stark eingesetzt.<br />

Ja, und mit Erfolg. Wir wollten zunächst zehn<br />

Prozent deutsche Studierende mit Auslandserfahrung,<br />

dann 15 Prozent. Wenn man heute zu<br />

den Studiensemestern auch Ferienkurse und<br />

Praktika im Ausland hinzuzählt, sind es etwa<br />

30 Prozent. Wir wollen es in den nächsten Jahren<br />

auf 50 Prozent bringen, damit stehen wir<br />

dann an der Spitze der Industrienationen.<br />

Wenn Sie auf 20 Jahre Präsidentschaft<br />

zurücksehen – welches waren besonders<br />

erfreuliche Entwicklungen in der Austauschpolitik?<br />

Erfreulich ist, dass es trotz aller Schwierigkeiten<br />

und ständigem Gerangel ums Geld gelungen<br />

ist, seit meinem Amtsantritt den Haushalt<br />

zu verdreifachen. Ganz generell können<br />

wir dankbar sein, dass unser Parlament und<br />

alle Parteien uns so gewogen sind. Dass wir<br />

das Geld, das wir bekommen, nach bestimmten<br />

Kriterien selbst verteilen können – das gibt es<br />

in keinem anderen Land der Welt.<br />

Als ich den <strong>DAAD</strong> übernommen habe, war das<br />

schon eine sehr gute Organisation. Aber in unserer<br />

Zeit reicht es nicht, gut zu sein. Man muss<br />

auch darüber reden. Wir haben uns in den letz-<br />

ten Jahren als gute Adresse weltweit bekannt<br />

gemacht und dasselbe mit Marketing-Aktionen<br />

und Messeauftritten für den Hochschulstandort<br />

Deutschland erreicht.<br />

Was ist Ihnen besonders gut gelungen,<br />

worauf sind Sie vielleicht sogar stolz?<br />

Eines der wichtigsten Ereignisse – auch von der<br />

Gemütslage her – war die Wiedervereinigung<br />

mit ihren ganz besonderen Herausforderungen<br />

an den <strong>DAAD</strong>. Wir haben damals, ohne lange<br />

zu zögern, gesagt: Wir übernehmen die circa<br />

7 000 ausländischen Stipendiaten der DDR.<br />

Denn kein ausländischer Student sollte mit<br />

der Wiedervereinigung sein eigenes Scheitern<br />

verbinden. Politisch war das nicht ganz leicht<br />

durchzusetzen, und wir brauchten ja auch mit<br />

einem Schlag 70 Millionen Mark mehr. Aber<br />

wir haben das geschafft.<br />

Mehr als 90 Prozent dieser Stipendiaten haben<br />

ihr Studium erfolgreich abgeschlossen. Das ist<br />

eine hervorragende Bilanz, denn sie befanden<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07


sich in einem System, das im Umbruch war.<br />

Keine leichte Situation: Die Professoren wurden<br />

ausgewechselt, ebenso die Studieninhalte.<br />

Dass es trotzdem ein Erfolg wurde, macht mich<br />

wirklich stolz.<br />

Sie haben die Arbeit für den <strong>DAAD</strong> viele<br />

Jahre neben Ihrem Vollzeitjob als Präsident<br />

der Universität Würzburg gemacht. Was<br />

hat Sie daran so gereizt, dass Sie die Doppelbelastung<br />

auf sich genommen haben?<br />

Da gab es eine ganze Reihe von Motivationen.<br />

Zum einen ist es ungeheuer befriedigend, junge<br />

Leute für die Wissenschaft zu begeistern, ob<br />

junge Deutsche, die man rausschicken, oder<br />

Ausländer, die man für sich gewinnen möchte.<br />

Etwas pathetisch könnte ich sagen, dass unsere<br />

Arbeit auch eine wichtige Leistung für den<br />

Frieden in der Welt ist. Wir bilden Eliten aus,<br />

die Freunde Deutschlands werden und sich<br />

später womöglich für den Frieden einsetzen<br />

werden.<br />

Ich bin ja von Haus aus Philologe, also anderen<br />

Ländern und Mentalitäten gegenüber<br />

ohnehin aufgeschlossen. So habe ich es auch<br />

als eine ungeheure Bereicherung empfunden,<br />

in der Welt zu reisen und mit offenen Augen<br />

und Ohren alles aufzunehmen. Man muss sich<br />

ja nicht identifizieren, aber man kann sich<br />

innerlich annähern, um zu verstehen, warum<br />

andere Leute anders leben als wir. Allerdings<br />

ließ das dichte Arbeitsprogramm auf diesen<br />

Reisen – Brasilien oder Japan in drei Tagen –<br />

oft kaum Zeit dafür.<br />

Welches Land möchten Sie als Privatmann<br />

wieder besuchen und noch näher kennenlernen?<br />

Das sind eine ganze Reihe von Ländern. Da<br />

ich Romanist bin, werde ich von der Romania<br />

nicht lassen, und die ist ja nicht nur in Europa<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07<br />

angesiedelt, sondern auch auf dem gewaltigen<br />

Subkontinent Lateinamerika.<br />

Haben Sie da ein bestimmtes Projekt?<br />

Ja, ich möchte demnächst, wenn ich mehr Zeit<br />

habe, ein Buch fertig schreiben, einen systematischen<br />

Vergleich zwischen Spanisch und<br />

Portugiesisch. Das soll all denen nützlich sein,<br />

die beide Sprachen sprechen wollen. In Lateinamerika<br />

leben 180 Millionen Portugiesen<br />

und Brasilianer und ungefähr 350 Millionen<br />

Hispanophone zusammen und müssen sich<br />

verständigen. Was dabei herauskommt, ist weder<br />

Spanisch noch Portugiesisch, sondern Portunhol.<br />

Damit können sie sich verständigen,<br />

aber sie wissen, dass das unvollkommen ist.<br />

Ich bin häufig gefragt worden: Wie machst Du<br />

das, dass Du die Sprachen auseinanderhältst.<br />

Und da dachte ich mir, das kann ich mal aufschreiben.<br />

Bei Ihren Auslandsbesuchen haben Sie<br />

die Gastgeber und <strong>DAAD</strong>-Alumni immer<br />

wieder verblüfft, weil Sie mit ihnen in ihrer<br />

eigenen Sprache reden konnten. Wie viele<br />

Sprachen können Sie wirklich?<br />

(Berchem lacht:) Das kann ich gar nicht genau<br />

sagen (denkt nach und zählt 15 Sprachen<br />

auf – von Rumänisch und Griechisch über<br />

Katalanisch bis Russisch, Serbokroatisch und<br />

Arabisch), bei einigen fehlt natürlich auch die<br />

Praxis, und ich beherrsche sie eher passiv.<br />

Wo lässt Sie Ihre Arbeit unbefriedigt, was<br />

ist nicht erreicht?<br />

Ich hatte in der Vergangenheit oft den Eindruck,<br />

dass Afrika wissenschaftlich, politisch<br />

und wirtschaftlich ein verlorener, aufgegebener<br />

Kontinent ist. Doch das ändert sich gerade. Die<br />

<strong>DAAD</strong><br />

offizielle Politik in Deutschland ist aufmerksam<br />

geworden, unser Bundespräsident ist sehr<br />

engagiert und dort auch sehr geachtet. Was wir<br />

bisher dort leisten, ist jedoch angesichts der<br />

Größe des Kontinents nicht angemessen.<br />

Allerdings dürfen wir nicht zu den Ländern gehören,<br />

die die afrikanischen Eliten abziehen.<br />

Vor einem Jahr war ich mit dem Bundespräsidenten<br />

in Ghana. Da wurde uns gesagt: „75<br />

Prozent unserer ausgebildeten Ärzte sind im<br />

Ausland.“ Wir haben überlegt, wie man das<br />

ändern könnte. Eine Möglichkeit wäre, dass<br />

man die Besten des Landes zur Ausbildung<br />

gar nicht erst für mehrere Jahre zu uns holt,<br />

sondern dass sie durch Kooperation, etwa mit<br />

Gastdozenten, vor Ort lernen.<br />

Wenn Afrika auf eigenen Füßen stehen will,<br />

braucht es eigene Lehrer. Man muss sie ausbilden,<br />

zum Beispiel in Centers of Excellence,<br />

wo sie aus den Anrainerstaaten zusammenkommen<br />

und gut ausgebildet werden – das<br />

könnten wir mit Surplace-Stipendien unter-<br />

stützen – und wo sie untereinander vernetzt<br />

werden. So könnte man vermeiden, die guten<br />

Leute von dort abzuziehen. Ich hoffe, dass die<br />

Politik bereit ist, das mitzufinanzieren. Die Regierungen<br />

in Afrika müssen allerdings auch<br />

dafür sorgen, dass man etwa mit einem Arztgehalt<br />

dort angemessen leben kann.<br />

In einem <strong>Letter</strong>-Interview 1987, direkt vor<br />

Ihrem Amtsantritt als <strong>DAAD</strong>-Präsident, haben<br />

Sie sich bereits für die Einführung von<br />

Bachelor und Master an den deutschen<br />

Hochschulen ausgesprochen. Wie denken<br />

Sie heute darüber?<br />

Ja, ich zähle zu den Vorkämpfern der gegliederten<br />

Studienstruktur. Sie sorgt für eine größere<br />

Kompatibilität, und das ist gut. Wenn<br />

Ausländer früher mit einem Diplom aus<br />

Aachen – immerhin eine der ersten Adressen<br />

– nach Hause zurückgingen, hatten sie<br />

Schwierigkeiten, den als Master anerkannt zu<br />

bekommen. Und deutsche Master-Absolventen<br />

Fotos: Reiner Zensen<br />

31


32<br />

<strong>DAAD</strong><br />

konnten in Deutschland nur schwer eingegliedert<br />

werden. Das ist vorbei.<br />

Bei dem Ziel, mehr Mobilität zu schaffen,<br />

habe ich allerdings meine Zweifel. Wenn man<br />

im Bachelor-Studiengang in drei Jahren so<br />

viel lernen will, dass man für den Beruf qualifiziert<br />

ist, muss das Studium sehr gestrafft<br />

sein. Da ist es schwierig, eine Zeitlang ins Ausland<br />

zu gehen. Ein Philologe aber muss sich<br />

so früh wie möglich im Ausland aufhalten,<br />

um dort Englisch, Russisch oder Chinesisch<br />

zu lernen.<br />

Der <strong>DAAD</strong> sieht in bi- und trilateralen Vereinbarungen<br />

eine Chance, dieses Problem zu lösen.<br />

Das heißt, dass ein Semester in Cambridge<br />

so in das Studium in Deutschland eingepasst<br />

wäre, dass es zählt. Das ist allerdings aufwändig.<br />

Ich laste der Politik an, dass sie den Bachelor<br />

als generell berufsbildenden Abschluss<br />

ansieht und Vorgaben machen will, wie viele<br />

weiter studieren dürfen. Ob jemand nach dem<br />

Bachelor den Master machen will, sollte man<br />

ihm selbst und der Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt<br />

überlassen.<br />

Was kommt nach zwei Präsidentschaften?<br />

Ich gehe davon aus, dass es ein bisschen ruhiger<br />

wird als bisher. Ich werde mich nicht<br />

völlig aus dem Hochschulleben zurückziehen,<br />

unter anderem engagiere ich mich weiter im<br />

Hochschulrat der Universität Augsburg. Aber<br />

es wird eine Freude sein, an den Schreibtisch<br />

zurückzukehren – und auch wieder mehr Gitarre<br />

zu spielen. Immerhin habe ich die Begeisterung<br />

für dieses Instrument an vier Enkel<br />

vererbt, die fleißig spielen.<br />

Vielen Dank für das Gespräch!<br />

Die Fragen stellte Leonie Loreck<br />

Theodor Berchem, 1935 in Pützchen bei Bonn<br />

geboren, studierte Romanistik, Anglistik und<br />

Slawistik in Genf, Köln und Paris, wo er 1963<br />

promovierte.<br />

Der Habilitation 1966 folgte 1967 der Ruf als<br />

Romanistikprofessor an die Universität Würzburg.<br />

Zu Berchems wissenschaftlichen Schwerpunkten<br />

gehören die Dialektologie, Phonetik<br />

und Stilistik.<br />

1975 wurde Berchem Rektor der Universität<br />

Würzburg und war von 1976 bis 2003 ihr<br />

Präsident. Bevor er 1988 das Amt des <strong>DAAD</strong>-<br />

Präsidenten antrat, war er vier Jahre Präsident<br />

der Hochschulrektorenkonferenz.<br />

Für sein internationales Engagement wurde<br />

er mit zahlreichen höchsten akademischen<br />

und staatlichen Ehrungen im In- und Ausland<br />

bedacht, zuletzt Ende November in Thailand, wo<br />

er aus den Händen von Prinzessin Maha Chakri<br />

Sirindhorn als erster deutscher Akademiker den<br />

Mongkutthai Orden, den „Most Noble Order of<br />

the Crown of Thailand“, entgegennahm.<br />

Berchem und seine französische Ehefrau Marie-<br />

José haben vier Töchter und 10 Enkelkinder. Llo<br />

Foto: Nicole Maskus<br />

Eine Münchnerin aus Ägypten<br />

200 Absolventen deutscher Auslandsschulen beim<br />

Stipendiatentreffen in Berlin<br />

Sie kommen von deutschen Schulen im<br />

Ausland zum Studium nach Deutschland,<br />

sprechen perfekt Deutsch, sind bikulturell<br />

und hochmotiviert. Beim großen Treffen in<br />

Berlin machte die gute Nachricht schnell<br />

die Runde: Der <strong>DAAD</strong> stockt die Stipendienzahl<br />

für diese Auslands-Abiturienten<br />

um das Doppelte auf.<br />

ir haben nicht nur Mathe, Deutsch und<br />

„WEnglisch gelernt, sondern auch Fleiß<br />

und Toleranz“, beschreibt Burak Altintas seine<br />

Zeit auf der Deutschen Schule in Istanbul. „Die<br />

Toleranz kam ganz von allein - durch unsere<br />

deutschen Lehrer und die deutschen Schüler,<br />

die mit uns die Schule besuchten, lernten wir,<br />

mit einer anderen Lebensweise und Kultur<br />

umzugehen.“ Nach dem Abitur war dann der<br />

Anreiz groß, in dem aus der Ferne schon vertrauten<br />

Land eine Zeitlang zu leben.<br />

Heute studiert Altintas im 9. Semester Medizin<br />

in Heidelberg. Der junge Türke war einer<br />

von 200 Stipendiaten, die der <strong>DAAD</strong> im November<br />

nach Berlin geladen hatte. Bei einem<br />

Besuch im Auswärtigen Amt zeigte sich Außenminister<br />

Frank-Walter Steinmeier beim Gespräch<br />

mit den Studenten positiv überrascht<br />

von deren Sprachkenntnissen. Viele sprechen<br />

Deutsch wie ihre Muttersprache.<br />

„Mit dem Programm holen wir die Talentiertesten<br />

zu uns“, sagt <strong>DAAD</strong>-Generalsekretär<br />

Christian Bode und erinnert daran, dass viele<br />

der jungen Leute beim Besuch der Deutschen<br />

Schule bereits in die Fußstapfen ihrer Eltern<br />

treten: „Da gibt es dauerhafte Bindungen an<br />

Deutschland.“ Von den Schulen für das Stipendium<br />

vorgeschlagen, kommen überdies die besonders<br />

Begabten.<br />

Diese exzellenten Voraussetzungen sind<br />

auch der Grund, warum die deutschen Hochschulen<br />

verstärkt um die Auslandsschul-Absolventen<br />

werben wollen. Bislang entscheiden<br />

sich nur etwa 25 Prozent für eine deutsche<br />

Universität. In dem 2001 eingerichteten <strong>DAAD</strong>-<br />

Programm „Absolventen deutscher Auslandsschulen“<br />

werden zurzeit 60 Stipendien pro<br />

Jahr vergeben. Das Auswärtige Amt will diese<br />

Zahl ab 2008 verdoppeln. Davon profitieren<br />

nicht nur die Abiturienten der deutschen<br />

Schulen, sondern verstärkt auch Absolventen<br />

einheimischer Schulen mit deutschem Zweig.<br />

Dort erwerben sie mit dem einheimischen<br />

Schulabschluss auch das Deutsche Sprachdiplom<br />

und damit den direkten Zugang zu den<br />

deutschen Hochschulen.<br />

Solarstrom für Brasilien<br />

Die Neugier auf das Leben in Deutschland ist<br />

bei den meisten nur ein, wenn auch wichtiger<br />

Grund. Baruk Altintas, der später als Chirurg<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07


ABSTrACT<br />

From a German School Abroad<br />

to a University in Germany<br />

This November in Berlin, 200 <strong>DAAD</strong> scholarship<br />

students who came to Germany for their<br />

university studies after graduating from a<br />

German school abroad gathered at the invitation<br />

of the <strong>DAAD</strong>. Foreign Minister Frank-<br />

Walter Steinmeier, who welcomed the students,<br />

expressed surprise at their language skills.<br />

Most of them speak German like natives.<br />

The graduates of German schools abroad are<br />

bicultural and highly motivated. Their excellent<br />

preparation is the reason why German<br />

higher education institutions increasingly<br />

want to attract them. Up to now, only about 25<br />

percent of these graduates have chosen German<br />

universities. In 2001 the <strong>DAAD</strong> began a<br />

programme especially for graduates of German<br />

schools abroad, which currently grants 60<br />

scholarships each year. The Foreign Ministry<br />

wants to double this figure starting in 2008.<br />

in der Türkei arbeiten möchte, sagt: „Die Ausbildung<br />

hätte ich natürlich auch in Istanbul<br />

machen können, aber hier habe ich ganz<br />

andere Forschungsmöglichkeiten. Es reicht<br />

nicht, ein guter Kliniker zu sein – man muss<br />

heute auch über die neuesten Entwicklungen<br />

in der Molekularbiologie, der Onkologie oder<br />

der Stammzellenforschung auf dem Laufenden<br />

sein.“ Seinen Wunsch, experimentell<br />

zu forschen, konnte er bereits bei seiner Doktorarbeit<br />

verwirklichen: Altintas hat ein Modell<br />

entworfen, mit dem sich die Interaktion<br />

von Nerven und Krebszellen beim Krebs der<br />

Bauchspeicheldrüse untersuchen lässt.<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07<br />

Blick auf das politische Berlin:<br />

In der Kuppel des Bundestags …<br />

Foto: Nicole Maskus<br />

Der gute Ruf der deutschen Ingenieurwissenschaften<br />

war es, der den Brasilianer Nicolás<br />

Chang an die Technische Hochschule nach<br />

Aachen lockte, wo er im 7. Semester Maschinenbau<br />

studiert. Auch er war auf Deutschland<br />

bestens vorbereitet. „Meine Eltern schickten<br />

mich und meine Schwester auf die Humboldt-<br />

Schule in São Paulo, weil sie gut ist und obwohl<br />

sie 20 Kilometer von zu Hause entfernt<br />

lag.“ Chang, dessen Vater aus Taiwan und dessen<br />

Mutter aus Uruguay stammt, spricht neben<br />

seiner Heimatsprache Portugiesisch auch<br />

Spanisch, Englisch und Chinesisch.<br />

„Deutsch zu lernen, war zuerst ziemlich<br />

schwierig“, erinnert er sich, „aber es hat sich<br />

gelohnt.“ Denn Deutschland ist genau der richtige<br />

Ort für sein Spezialinteresse: die Umwelttechnik.<br />

„Hier gibt es intensive Forschung auf<br />

dem Gebiet, und die erneuerbaren Energien<br />

werden enorm subventioniert.“ Chang träumt<br />

davon, dass mithilfe von solarthermischen<br />

Kraftwerken die Situation im Nordosten Brasiliens<br />

verbessert wird. Während der größte Teil<br />

Brasiliens Energie aus Wasserkraftwerken bezieht,<br />

gibt es in der nördlichen Wüstenregion<br />

bis heute ganze Dörfer ohne Strom, erzählt er.<br />

Auch Trinkwasser fehlt dort, weil das verfügbare<br />

Wasser zu salzig ist, Entsalzungsanlagen<br />

aber Strom brauchen.<br />

Karriere gesichert<br />

Dass er mit dem deutschen Abschluss und<br />

den interkulturellen Erfahrungen einen guten<br />

Job finden wird, daran zweifelt Chang<br />

nicht. „São Paulo gehört weltweit zu den<br />

Städten mit den meisten deutschen Firmen.“<br />

<strong>DAAD</strong><br />

Die Karrierechancen sind gut – das können<br />

auch die ersten 13 Absolventen des <strong>DAAD</strong>-Programms<br />

bestätigen. Die Ägypterin Heba Aguib,<br />

die auf die Frage nach ihrer Herkunft spontan<br />

sagt: „Ich bin Münchnerin“, bekam nach ihrem<br />

Abschluss als Maschinenbauerin an der<br />

Technischen Universität München gleich zwei<br />

Angebote aus der Automobilindustrie.<br />

Der Ingenieurin, die erstmal promovieren<br />

will, liegt die finanzielle Ausstattung und<br />

damit die Zukunft ihrer deutschen Schule in<br />

Kairo am Herzen. „Wenn das Schulgeld erhöht<br />

wird, kann nur noch die Elite ihre Kinder dort<br />

lernen lassen“, warnt sie. Sie würde ihre Kinder<br />

später auch gern zur deutschen Schule<br />

schicken – „wenn sie dann noch genauso gut<br />

ist wie zu meiner Zeit.“<br />

Als sie diesen Wunsch in Berlin bei einer Diskussionsrunde<br />

mit Bundestagsabgeordneten<br />

zur Sprache brachte, traf sie auf offene Ohren.<br />

Peter Gauweiler (CSU), Experte für Auswärtige<br />

Kultur- und Bildungspolitik, forderte die<br />

Stipendiaten auf, ihm Verbesserungsvorschläge<br />

für die deutschen Schulen zu schicken. Die<br />

Wünsche und Tipps sollen in einen für das<br />

nächste Jahr geplanten Beschluss des Bundestags<br />

zu den Deutschen Auslandsschulen<br />

eingehen. Gauweiler kündigte an: „Die fünf<br />

Einsender mit den besten Vorschlägen lade<br />

ich zur Anhörung nach Berlin ein.“<br />

Leonie Loreck<br />

33<br />

… und im Auswärtigen Amt mit Außen minister<br />

Frank-Walter Steinmeier (1. Reihe rechts),<br />

<strong>DAAD</strong>-General sekretär Christian Bode (links<br />

daneben) und Bildungsexperte Rolf Dieter<br />

Schnelle vom Auswärtigen Amt (2. Reihe rechts)


34<br />

Foto: Claudia Krüger<br />

<strong>DAAD</strong><br />

STIPENDIATEN ForSCHEN<br />

1000 Jahre alt: Das Zupfinstrument Mbira<br />

Musikethnologie<br />

Musikalische Geschichten<br />

aus Afrika<br />

Ursprünglich hat sie an der Görlitzer<br />

Universität Sozialarbeit studiert.<br />

Doch während eines Praktikums<br />

in Südafrika entdeckte<br />

Claudia Krüger ihre Liebe zur<br />

afrikanischen Musik. „Afrika hat<br />

mich immer fasziniert und als<br />

Kind habe ich gesungen, bevor<br />

ich sprechen konnte“, sagt die in<br />

Riesa an der Elbe geborene Wissenschaftlerin.<br />

Nach dem Studium<br />

lernte sie einen Musikethnologen<br />

kennen, der sie für sein Fach begeisterte.<br />

An deutschen Hochschulen gibt<br />

es keine Möglichkeit, das exotische<br />

Fach zu studieren, und so<br />

landete die <strong>DAAD</strong>-Stipendiatin<br />

an der Universität im britischen<br />

Sheffield. Der Schwerpunkt ihres<br />

Masterstudiums in Musikethnologie<br />

war die Musik Südafrikas.<br />

Ihr Forschungsprojekt brachte<br />

Claudia Krüger bereits mit in die<br />

mittelenglische Stadt: „Auf einer<br />

Hochzeit in Botswana hatte ich<br />

zuvor Musiker aus Südafrika getroffen,<br />

die mir die Gelegenheit<br />

gaben, ihre Band zu begleiten.“<br />

Neben vielen Gesprächen probte<br />

die Forscherin gemeinsam mit<br />

den afrikanischen Musikern und<br />

durfte sogar mehrmals mit auf<br />

die Bühne. „Das Material, das ich<br />

in dieser Zeit gesammelt habe,<br />

reichte bereits für eine Masterarbeit<br />

aus, daher habe ich mich<br />

in meinem Studium in Sheffield<br />

vor allem auf die theoretischen<br />

Grundlagen konzentriert.“<br />

Noch während des Studiums<br />

nahm die Forscherin eine Teilzeitstelle<br />

in einer kleinen, nicht-kommerziellen<br />

Musikagentur an und<br />

vermittelt seitdem zwischen Sheffielder<br />

Schulen und Künstlern aus<br />

aller Welt. „Wir möchten jungen<br />

Menschen den Geschmack von<br />

„Weltmusik“ näher bringen. Unser<br />

Angebot ist dabei vielfältig –<br />

von „traditional“ bis „urban-style“<br />

ist alles dabei.“ In naher Zukunft<br />

möchte die Musikethnologin ihre<br />

Doktorarbeit über afrikanischen<br />

Tanz schreiben und dazu wahrscheinlich<br />

mit ihrem malawischen<br />

Partner und dem gemeinsamen<br />

Sohn nach Afrika ziehen.<br />

Kriminologie<br />

Gegen Drogenhandel<br />

und Terror<br />

„In meiner Heimat lebt man unter<br />

politischer Spannung“, sagt<br />

Ximena Useche-Gómez. „Dennoch<br />

lebe ich gerne in Kolumbien,<br />

meine Familie ist dort und<br />

neben Gewalt und Drogenhandel<br />

gibt es natürlich auch ein gesellschaftliches<br />

Leben.“ Die Kolumbianerin<br />

ist Juristin und Diplom-<br />

Kriminologin. Seit 2005 absolviert<br />

sie ein Promotionsstudium<br />

am Institut für Kriminologie der<br />

Universität Hamburg – gefördert<br />

über das <strong>DAAD</strong>-Colfuturo-Sonderprogramm,<br />

das sich speziell an<br />

kolumbianische Studierende und<br />

Graduierte richtet.<br />

„Ich analysiere in meiner Arbeit<br />

die Kriminalpolitik gegenüber<br />

dem Terrorismus in Kolumbien<br />

in den letzten acht Jahren.“ Das<br />

Gefahr aus der Luft: Kinder zeichnen ihre Ängste<br />

lateinamerikanische Land kämpft<br />

an vielen Fronten: gegen Drogenhandel,<br />

linksgerichtete Guerillas,<br />

rechtsextreme Todesschwadrone<br />

und paramilitärische Gruppen.<br />

Die Kriminalpolitik Kolumbiens<br />

sei heutzutage zu einer Sicherheitspolitik<br />

des permanenten Ausnahmezustandes<br />

geworden, meint<br />

die Kriminologin. „Trotz der massiven<br />

militärischen Hilfe der USA<br />

konnte unserem Land der Frieden<br />

nicht garantiert werden.“<br />

Die Erfahrungen aus Deutschland<br />

seien sehr wichtig, sagt Ximena<br />

Useche-Gómez, die bereits<br />

1996 an der Hamburger Universität<br />

ihr Diplom in Kriminologie<br />

machte. „Die Gesetzgebung in<br />

Kolumbien ist durch deutsche<br />

Wut und<br />

Enttäuschung:<br />

Junge Franzosen in<br />

den Vorstädten<br />

Traditionen beeinflusst. Viele Juristen,<br />

die unsere Verfassung mitgestalteten,<br />

haben in Deutschland<br />

promoviert. Es ist jedoch schwierig,<br />

die hohen juristischen Standards<br />

umzusetzen, wenn gleichzeitig<br />

ein interner Krieg herrscht.<br />

Aber es ändert sich derzeit viel in<br />

Kolumbien, und dieser Prozess<br />

wird weitergehen.“<br />

Abb.: El Tiempo<br />

Architektur<br />

Ökologische Nachbarschaft<br />

in Vietnam<br />

„Ökobau bedeutet nicht nur Dachbegrünung,<br />

Nutzung erneuerbarer<br />

Energien oder Verwendung<br />

umweltfreundlicher Baustoffe“,<br />

sagt Nguyen Quang Minh. Der<br />

Vietnamese hat Architektur an der<br />

Universität für Bauwesen in Hanoi<br />

studiert und absolviert zurzeit ein<br />

dreijähriges <strong>DAAD</strong>-gefördertes<br />

Promotionsstudium am Lehrstuhl<br />

Ökologisches Bauen der Bauhaus-<br />

Universität Weimar. „Ökologisches<br />

Bauen ist ein Gesamtkonzept, das<br />

auch Freiräume, Verkehr und vor<br />

allem die Nachbarschaft mit einbezieht.“<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07


Abb.: Van Tho<br />

Quang Minh entwickelt ein solches<br />

Konzept für ökologische Wohnsiedlungen<br />

in seiner Heimatstadt<br />

Hanoi. „Ökologie ist in Vietnam<br />

hochaktuell, und Ökobau wird<br />

künftig eine große Rolle bei der<br />

Stadtentwicklung spielen. In diesem<br />

Kontext geht es vor allem um<br />

Nachhaltigkeit. Bei diesem Thema<br />

spielen – von der Zielsetzung bis<br />

zur Umsetzung – Architekten und<br />

Stadtplaner wie ich eine wichtige<br />

Rolle.“<br />

Eine nachhaltige städtebauliche<br />

Entwicklung hat für Quang Minh<br />

viele Aspekte: Zu jeder ökologischen<br />

Siedlung gehöre ein gemeinsamer<br />

Platz, ein Treffpunkt<br />

für die Bewohner und ein Raum<br />

für Kommunikation, Erholung und<br />

Freizeitgestaltung. „Ich möchte in<br />

meiner Dissertation eine Wohnsiedlung<br />

mit einer ökologischen<br />

Nachbarschaft als komplette Einheit<br />

konzipieren“, sagt der 31-Jährige.<br />

Als ebenso wichtig betrachtet<br />

der Forscher die Bewahrung des<br />

vietnamesischen Architekturerbes:<br />

„Die Bauformen und Stadt-<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07<br />

strukturen unserer Vorväter sind<br />

eine Kunst der Wohnraumgestaltung.<br />

Daher ist die Kombination<br />

von modernen Ökobautechniken<br />

und traditionellen Baustilen heutzutage<br />

eine neue Aufgabe für Architekten.“<br />

Nguyen Quang Minh<br />

möchte nach seiner Promotion<br />

nach Hanoi zurückkehren und<br />

dort als Architekt und Hochschullehrer<br />

arbeiten. „Ich will meine Erfahrungen<br />

in die Praxis umsetzen,<br />

aber auch meine Fachkenntnisse<br />

an Studenten weitergeben. Und<br />

vielleicht wird mein Traum wahr,<br />

eines Tages die erste Ökostadt in<br />

Vietnam zu bauen.“<br />

Ethnologie<br />

Wir sind Franzosen<br />

Im Herbst 2005 erschütterte eine<br />

Serie von Brandstiftungen, gefolgt<br />

von gewalttätigen Zusammenstößen<br />

zwischen meist jugendlichen<br />

Migranten und der Polizei die<br />

Vororte im Großraum Paris – die<br />

so genannten Banlieues. Für den<br />

Ethnologen Michael Westrich der<br />

Anlass, nach den Hintergründen<br />

der Gewaltausbrüche in der französischen<br />

Metropole zu fragen.<br />

Für seine Abschlussarbeit konzentrierte<br />

er sich dabei auf afrikanische<br />

Jugendliche im 18. Pariser<br />

Arrondissement und der nördlichen<br />

Vorstadt.<br />

Der <strong>DAAD</strong>-Stipendiat nahm<br />

Kontakt zu einem afrikanischstämmigen<br />

Fotografen und zu<br />

Mitgliedern einer französischen<br />

Rap-Band auf, die bereits in der<br />

zweiten oder dritten Generation<br />

in Frankreich leben. Die multikulturelle<br />

Rap-Band „La Brigade,<br />

les hommes en colère“ – wütende<br />

Männer – singt vom schwierigen<br />

Leben in den Pariser Vorstädten,<br />

von Hoffnungen und Hass. Sie haben<br />

Verständnis für die Unruhen,<br />

aber eins ist für sie selbstverständlich:<br />

„Wir sind Franzosen.“ Gerade<br />

deshalb empfinden sie die Ausgrenzung<br />

aus der französischen<br />

Gesellschaft so schmerzhaft.<br />

Neben seiner Feldforschung<br />

drehte der Ethnologe mit Hilfe<br />

eines befreundeten Schweizer<br />

Filmteams einen 40-minütigen<br />

Dokumentarfilm mit dem Titel<br />

Zukunft für Hanoi:<br />

Ökobau schafft Freiräume<br />

<strong>DAAD</strong><br />

„Poesie einer Revolte“. Er wurde<br />

Anfang des Jahres in der Ausstellung<br />

„Black Paris“ zunächst in<br />

Bayreuth, dann im Frankfurter<br />

Museum der Weltkulturen gezeigt<br />

und ist bis Februar 2008 noch im<br />

Musée des Arts Derniers in Paris<br />

zu sehen.<br />

„Meine Interviews haben gezeigt,<br />

dass bei den Menschen<br />

sowohl in der ersten als auch in<br />

der zweiten Generation ein Gefühl<br />

der Benachteiligung vorherrscht.<br />

Durch städtebauliche Maßnahmen,<br />

die sozial Schwache in die<br />

Vorstädte verdrängen, und Fehler<br />

im Erziehungssystem wird<br />

der Eindruck noch verstärkt, es<br />

gäbe Bürger zweiter Klasse, die<br />

sich durch äußerliche Fremdartigkeit<br />

ausweisen“, resümiert<br />

der Wissenschaftler. Er steht den<br />

staatlichen Strategien skeptisch<br />

gegenüber: „Die Aufstände mit<br />

Repressionen und Zuzugsbegrenzungen<br />

bekämpfen zu wollen,<br />

führt ins Leere. Eine intensivere<br />

Sicherheits politik kann sogar zur<br />

Verstärkung der Situation führen,<br />

wie die heftigen Auseinandersetzungen<br />

im November 2005<br />

zeigen.“<br />

Die Arbeit in Paris habe seinen<br />

weiteren Werdegang nachhaltig<br />

beeinflusst und den Wunsch geweckt,<br />

tiefer in die Migrationsdebatte<br />

einzusteigen. Seit dem<br />

letzten Wintersemester studiert<br />

der gebürtige Regensburger im<br />

Masterstudiengang „Internationale<br />

Migration und interkulturelle<br />

Beziehungen“ an der Universität<br />

Osnabrück. Doris Bünnagel<br />

Fotos: Michael Westrich<br />

35


36<br />

<strong>DAAD</strong><br />

NACHrICHTEN & BErICHTE<br />

Science Express<br />

Mehr Fahrt für<br />

Austausch mit Indien<br />

Ein Zug rollt durch Indien. An Bord<br />

trägt er eine Hightech-Ausstellung, die<br />

die deutsch-indische Forschungszusammenarbeit<br />

präsentiert. Das Startsignal<br />

gab Bundeskanzlerin Angela Merkel<br />

gemeinsam mit ihrem Amtskollegen,<br />

dem indischen Premierminister Manmohan<br />

Singh, Ende Oktober in Neu Delhi.<br />

Merkel wurde bei ihrem Staatsbesuch<br />

in Indien von einer hochrangigen Wirtschafts-<br />

und Wissenschaftsdelegation<br />

begleitet, darunter Bundesforschungsministerin<br />

Annette Schavan und <strong>DAAD</strong>-<br />

Präsident Theodor Berchem.<br />

An Bord des Zuges, der mit seinen<br />

13 Waggons sieben Monate lang 56 indische<br />

Städte besucht, informiert auch der <strong>DAAD</strong><br />

über den Wissenschaftsstandort Deutschland,<br />

um den indischen Nachwuchs auf Möglichkeiten<br />

des Studierens und Forschens in der<br />

Bundesrepublik aufmerksam zu machen. Zurzeit<br />

sind etwa 4 000 Inder zu diesem Zweck<br />

in Deutschland, in den USA sind es zwanzig<br />

Mal mehr.<br />

Wichtiger Motor der deutsch-indischen Beziehungen<br />

ist die Wirtschaft. Deutsche Firmen<br />

wie etwa die Lufthansa, die Bahn oder<br />

das Luft- und Raumfahrtunternehmen EADS<br />

sind in Indien tätig. Neben der Kooperation im<br />

Maschinenbau soll auch die Zusammenarbeit<br />

bei Klimaschutz und Umwelttechnik ausgebaut<br />

werden.<br />

Angesichts zunehmender Forschungs- und<br />

Wirtschaftskontakte gilt auch die Devise:<br />

Deutschland braucht mehr Nachwuchs mit<br />

Indien-Kompetenz. Unter dem Motto: „Passage<br />

to India“ soll deutschen Studierenden aller<br />

Fachrichtungen und Studiengänge mehr<br />

Anreiz zu einem Studien- und Forschungs-<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

aufenthalt in Indien gegeben werden, etwa<br />

mit binationalen Masterstudiengängen und<br />

anderen Doppelabschlüssen. Am Indian Institute<br />

of Technology (IIT) in Madras soll ein<br />

deutsches Exzellenz-Zentrum für Ingenieur-<br />

und Umweltwissenschaften als Referenzstelle<br />

für binationale Projekte entstehen. Den verstärkten<br />

Austausch mit Indien will das Bundesbildungsministerium<br />

mit jährlich mehr als<br />

vier Millionen Euro zusätzlich fördern. Llo<br />

Indische Stipendiaten<br />

Pünktlich in Stuttgart<br />

In Deutschland streikte die Bahn, aber die<br />

indischen Stipendiaten, die der <strong>DAAD</strong> von<br />

zehn verschiedenen deutschen Hochschulorten<br />

nach Stuttgart geladen hatte, zeigten ein<br />

hohes Maß an Organisationstalent: Fast alle<br />

waren pünktlich. Das Treffen Mitte November<br />

auf dem Campus in Stuttgart-Vaihingen führte<br />

51 Stipendiaten der Indian Institutes of Technology<br />

(IIT) und 16 weitere von den Indian<br />

Institutes of Management (IIM) zusammen.<br />

Zurzeit studieren sie an den führenden Technischen<br />

Universitäten und Business Schools<br />

in Deutschland, um den Master zu erwerben.<br />

In dem 1998 eingerichteten IIT MasterSandwichprogramm<br />

nehmen jährlich zwischen<br />

50 und 60 junge Ingenieure die Möglichkeit<br />

wahr, nach einem sechswöchigen Deutschkurs<br />

ihre Masterarbeit unter deutscher Leitung<br />

zu verfassen. Einige ergänzen ihren<br />

Aufenthalt durch ein Industriepraktikum. Die<br />

IIM-Studenten kommen zu einem viermonatigen<br />

Austauschsemester an deutsche Business<br />

Schools.<br />

Stuttgart ist Daimler-Stadt, und daher überraschte<br />

es nicht, dass der indische Daimler<br />

Vize-Präsident für Forschung und Entwicklung,<br />

Professor Bharat Balasubramaniam,<br />

seine angehenden „Nachfolger“ willkommen<br />

hieß. Außer Minus-Temperaturen und<br />

Schnee – für die indischen Gäste der erste und<br />

deshalb freudig begrüßte – bot das Stuttgarter<br />

Treffen einen Besuch des Mercedes-Museums,<br />

Vorträge an der Universität und „Antakshari”,<br />

einen indischen Gesangswettbewerb. H. B.<br />

Kontinuität der Beziehungen: Irische <strong>DAAD</strong>-Alumni posieren am Trinity College in Dublin<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07<br />

Foto: <strong>DAAD</strong>


Das Startsignal für den Science Express geben<br />

Premierminister Manmohan Singh und Bundeskanzlerin<br />

Angela Merkel. Rechts im Bild<br />

Forschungsministerin Annette Schavan<br />

Alumni in Dublin, Bratislava, Paris<br />

Dichterlesung und Kontaktbörse<br />

Welches waren die Ergebnisse der deutschen<br />

und irischen Ratspräsidentschaft in<br />

der Europäischen Union? Wie sieht Belfasts<br />

Zukunft als moderne europäische Stadt aus?<br />

Welche Vorstellungen haben die Deutschen<br />

von Europa? Antworten auf diese Fragen bekamen<br />

die Teilnehmer des Alumni-Seminars<br />

Ende September 2007 in Dublin. Rund 80<br />

irische ehemalige <strong>DAAD</strong>-Stipendiaten und<br />

einige Lektoren trafen sich im Trinity College<br />

Dublin, um über Hochschulpolitik und<br />

Mobilität in der Forschung sowie über Immigration<br />

und Europa als Kulturraum zu diskutieren.<br />

<strong>DAAD</strong>-Generalsekretär Christian Bode hob<br />

bei der Begrüßung die Kontinuität der akademischen<br />

Beziehungen zwischen beiden<br />

Ländern hervor. Die engen kulturellen Beziehungen<br />

unterstrich der deutsch-irische<br />

Schriftsteller und <strong>DAAD</strong>-Alumnus Hugo Hamilton<br />

mit einer Lesung aus seinem Buch<br />

„The Island of Talking“. Darin beschreibt er<br />

Leute und Orte im Irland der Gegenwart, die<br />

Heinrich Böll einst in seinem „Irischen Tagebuch“<br />

dargestellt hat.<br />

Kultur stand zwar auch auf dem Programm<br />

des ersten Treffens slowakischer Alumni<br />

Mitte Oktober in Bratislava, aber die Schwerpunkte<br />

lagen auf Wirtschaft und Wissenschaft.<br />

Rund 150 ehemalige <strong>DAAD</strong>-Stipendiaten<br />

aller Disziplinen informierten sich in<br />

der Comenius-Universität über „Deutschland<br />

und die Slowakei im europäischen Wissenschafts-<br />

und Wirtschaftsraum“.<br />

Der Stellenwert der Kooperationen beider<br />

Länder auf diesen Feldern wurde unterstrichen<br />

durch die Teilnahme unter anderen des<br />

slowakischen EU-Kommissars Ján Figel. Vor<br />

der Eröffnung des Seminars durch <strong>DAAD</strong>-<br />

Präsident Theodor Berchem konnten die<br />

Alumni bei einer Kontaktbörse an der Wirtschaftsuniversität<br />

in Bratislava mit potenziellen<br />

Arbeitgebern ins Gespräch kommen.<br />

Politisch aktuell war das Alumni-Treffen,<br />

das Anfang November in Paris stattfand. Gut<br />

eine Woche vor Beginn der unbefristeten<br />

Streiks in Frankreich, die als Protest gegen<br />

die Reformpolitik der Regierung Sarkozy<br />

gelten, trafen sich rund 50 ehemalige und<br />

aktuelle <strong>DAAD</strong>-Stipendiaten unter dem Motto:<br />

„Ein Europa der Reformen? Eine deutschfranzösische<br />

Bilanz“. Bei dem Treffen in der<br />

Cité universitaire ging es auch um das Thema<br />

Generationenkonflikte in Frankreich und<br />

Deutschland. CW<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07<br />

10 Jahre Forum Studienjahr<br />

Jerusalem treu<br />

Wenn sich die Mitglieder des Forums Studienjahr<br />

treffen, geht ihr Blick nach Jerusalem.<br />

Eint sie doch das dort verbrachte Theologische<br />

Studienjahr an der Dormition Abbey. „Und<br />

doch sind wir kein Nostalgieverein“, sagte<br />

Vorstandsmitglied Regina Wildgruber Mitte<br />

Oktober beim Jahrestreffen in Erfurt. Dort feierte<br />

der Alumni-Verein sein zehnjähriges Bestehen.<br />

Es gelinge immer wieder, so Wildgruber,<br />

die Erfahrungen des Studienjahrs aktuell<br />

fruchtbar zu machen.<br />

Das Theologische Studienjahr wurde 1973<br />

von dem damaligen Abt der deutschen Benediktinerabtei<br />

Dormition Abbey in Jerusalem,<br />

Laurentius Klein, gegründet. Er wollte evangelischen<br />

und katholischen Theologiestudenten<br />

Foto: Schapowalow/Atlantide<br />

Prägende Eindrücke: Altstadt von Jerusalem<br />

ein Studium im Land der Bibel ermöglichen.<br />

Der Fächerkanon des Intensivstudiums wurde<br />

unter anderem um Judaistik, Islamkunde und<br />

Archäologie erweitert. Der <strong>DAAD</strong> unterstützt<br />

das Programm seit Beginn mit Stipendien.<br />

Die Studienjahrler, ob Pfarrer, Lehrer, Journalisten<br />

oder Unternehmensberater, empfinden<br />

die Zeit in Israel als besonders prägend<br />

für ihre eigene Biografie – da ist es egal, ob sie<br />

30 Jahre zurückliegt, wie bei Pastor Manfred<br />

Rauer aus Hüllhorst, oder erst wenige Monate,<br />

wie bei Studentin Julia Mathias. Das war der<br />

Grund, warum Absolventen vor zehn Jahren<br />

die Gründung eines Ehemaligenvereins beschlossen.<br />

400 Mitglieder zählt er heute.<br />

Gründungsmitglied Uta Zwingenberger erinnerte<br />

an die Anfänge: Als Pater Laurentius<br />

nach mehr als zwei Jahrzehnten die Leitung<br />

<strong>DAAD</strong><br />

des Studienjahrs abgab, hatten die Ehemaligen<br />

den Wunsch, etwas zu schaffen, „das Kontinuität<br />

bewahrt“. Diese Rolle hat das Forum<br />

tatsächlich übernommen, nicht nur, indem es<br />

für das Studienjahr wirbt und es materiell fördert.<br />

Aus seinen Aktivitäten ist auch die Ökumenische<br />

Stiftung Jerusalem erwachsen, die<br />

Sprachkurse in Hebräisch und Arabisch für<br />

die Studierenden in Jerusalem finanziert, ferner<br />

eine wissenschaftliche Buchreihe (Jerusalemer<br />

Theologisches Forum) und Symposien<br />

zu Themen des Studienjahrs.<br />

Auch beim diesjährigen Treffen in Erfurt<br />

blieben die Alumni ihren Interessen treu:<br />

Sie begaben sich auf die Pfade Luthers und<br />

Meister Eckharts, beleuchteten die Situation<br />

der Katholiken in Erfurt und folgten den Spuren<br />

der jüdischen Bevölkerung, etwa bei dem<br />

Besuch eines vor kurzem ausgegrabenen jü-<br />

dischen Bades, einer mittelalterlichen Mikwe.<br />

Im nächsten Jahr heißt der Treffpunkt: Istanbul.<br />

Kristina Hellwig<br />

Informationen: www.studienjahr.de<br />

Alumni-Konferenz in Tirana<br />

Bologna in Albanien<br />

Zwei Jahre Bologna-Prozess in Albanien: Welche<br />

Erfahrungen haben albanische Universitäten<br />

damit gemacht, welche Erfolge sind zu<br />

verzeichnen, welche Defizite sind erkennbar?<br />

Was ist in der Öffentlichkeit bekannt - mehr<br />

als nur, dass es neue, gestufte Studiengänge<br />

mit den neuen Abschlüssen Bachelor und<br />

Mas ter gibt? Was ist noch zu tun? Welche Erfahrungen<br />

wurden in Kooperationsprojekten<br />

mit deutschen Universitäten gesammelt?<br />

37


38<br />

<strong>DAAD</strong><br />

Vor zwei Jahren wurde in Albanien<br />

per Ministerdekret das universitäre<br />

Studium auf Bachelor und Master umgestellt.<br />

Die ersten Studienjahrgänge<br />

in den neuen Studiengängen sind<br />

beendet, in Kürze werden die ersten<br />

Bachelor-Diplome verliehen. Somit<br />

war es Zeit für eine Zwischenbilanz.<br />

Der albanische <strong>DAAD</strong>-Alumniverein<br />

und die örtlichen <strong>DAAD</strong>-Lektoren luden<br />

Universitäten und Politiker zu einer<br />

großen <strong>DAAD</strong>-Alumnikonferenz<br />

ein, die im Oktober unter dem Titel<br />

„Bologna-Prozess: Erfahrungen und<br />

Perspektiven“ in Tirana stattfand.<br />

Der Kreis der Referenten beschränkte<br />

sich nicht auf Universitätsdozenten<br />

in Albanien. Eine Journalistin<br />

stellte das Bild der Universitäten<br />

in der Öffentlichkeit dar; die<br />

Hochschulrektorenkonferenz zeigte<br />

die Entwicklungen in Deutschland auf; auch<br />

wurden internationale Hochschulpartnerschaftsprojekte<br />

vorgestellt. Die Bedeutung des<br />

Themas zeigte sich auch darin, dass neben<br />

dem deutschen Botschafter der albanische Bildungsminister<br />

und der Berater des Premierministers<br />

die Gäste begrüßten.<br />

Der übereilt eingeführte Reformprozess hat,<br />

wie bei der Konferenz deutlich wurde, in Albanien<br />

stellenweise doch zu sinnvollen neuen<br />

Studiengängen geführt und stößt weitgehend<br />

auf Akzeptanz – wenn auch das Wissen<br />

darum, was ein „Bachelor“ eigentlich ist, zu<br />

Beginn sehr gering war. Neben mehr Transparenz<br />

sind weitere große Herausforderungen<br />

an den albanischen Universitäten zu meistern,<br />

vor allem bei der Einrichtung weiterer Masterstudiengänge.<br />

Um die Diskussion weiterzuführen,<br />

ist eine Publikation der wichtigsten<br />

Beiträge und Ergebnisse geplant.<br />

Jürgen Röhling, Holger Kächelein,<br />

<strong>DAAD</strong>-Lektoren, Albanien<br />

Dialogue on Education<br />

Für eine bessere Lehre<br />

Eine neue Kultur des Lehrens sowie Mut<br />

zur Bewertung und Sanktionierung von<br />

Leistungen in der Lehre – das waren zentrale<br />

Forderungen der Teilnehmer des Kongresses<br />

„Exploring Difference – Making University<br />

Teaching Count“. Veranstaltet wurde er vom<br />

<strong>DAAD</strong> gemeinsam mit dem British Council,<br />

der German-American Fulbright Commission,<br />

der Australian Group of Eight und dem Canadian<br />

Bureau for International Education im<br />

Oktober in der Kanadischen Botschaft in Berlin.<br />

Ziel war es, von Erfahrungen in England,<br />

Kanada, USA und Australien zu lernen. Ursula<br />

Lehmkuhl, Vize-Präsidentin der Freien Uni-<br />

versität Berlin, formulierte drei Fragen: Kann<br />

man Lehren lernen? Wie kann man gute von<br />

schlechter Lehre unterscheiden? Welche Rolle<br />

spielt der Wettbewerb?<br />

In Deutschland wird die Lehre nach Ansicht<br />

von Experten noch als Stiefkind behandelt.<br />

Das sei, so die Referenten, auch an den Hochschulen<br />

der englischsprachigen Länder lange<br />

so gewesen. Druck aus der Wirtschaft, die<br />

über schlecht ausgebildete Studenten klagte,<br />

Nachfragen aus der Politik nach dem Effekt<br />

der hohen Bildungs-Investitionen und nicht<br />

zuletzt der Druck der Studenten, die für ihre<br />

Studiengebühren auch gute Lehrangebote<br />

einforderten, hätten in den 90er Jahren einen<br />

Bewusstseinswandel eingeleitet.<br />

Als Ergebnis ist in Kanada ein flächendeckendes<br />

System von „Zentren für Lehren<br />

und Lernen“ entstanden, an amerikanischen<br />

Unis werden schwächere Professoren von Kollegen<br />

gecoacht, in Australien gibt es hoch dotierte<br />

Preise für Exzellenz in der Lehre.<br />

Der „International Dialogue on Education“<br />

(ID-E) – eine Initiative des <strong>DAAD</strong> – soll fortgesetzt<br />

werden und die deutsche Diskussion<br />

durch Impulse aus dem Ausland beleben. ors<br />

Ausstellung<br />

Künstlerblick auf<br />

asiatische Metropolen<br />

„Hyper Cities – Über Städte“ hieß die Ausstellung,<br />

in der 13 junge Künstler – allesamt<br />

<strong>DAAD</strong>-Stipendiaten aus verschiedenen Ländern<br />

– mit Fotos, Videos und Installationen beklemmende<br />

Bilder von asiatischen Großstädten<br />

zeigten: von der Zerstörung gewachsener<br />

Strukturen, von Enge, Lärm, Beschleunigung<br />

und unwirtlicher Gegenwart. Einen „Überraschungstreffer“<br />

und ein „sehenswertes<br />

Hanoi auf dem Weg vom Gestern zum Morgen:<br />

Foto von Thomas Bergmann aus der Serie „Hanoi – Long Bien“ 2004<br />

Statement“ nannte die Presse die Schau, die<br />

im Herbst dieses Jahres im Museum für Asiatische<br />

Kunst in Berlin zu sehen war.<br />

Gegenwart und Zukunft der explosionsartig<br />

wachsenden asiatischen Metropolen – gesehen<br />

durch die Augen von Künstlern: die schmuddelige<br />

Sex-Meile von Bangkok im harten, tristen<br />

Tageslicht; klaustrophobische Drängelszenen<br />

in der Tokioter Untergrundbahn; verzweifelte,<br />

aber auch rührende Versuche von Menschen,<br />

im alles verschlingenden Großstadtdschungel<br />

von Seoul mithilfe von Haustieren ein Stück<br />

Individualismus und „Gemütlichkeit“ zu bewahren.<br />

Entstanden war die Idee zur Ausstellung<br />

beim <strong>DAAD</strong>, als ein Beitrag zur Asien-Pazifik-<br />

Woche in Berlin. Die dramatische Entwicklung<br />

der Mega-Städte in Asien und anderen Regionen<br />

der Welt gilt als politisches Thema von<br />

überragender Bedeutung. Im Jahr 2008 wird<br />

die Hälfte der Weltbevölkerung in Metropolregionen<br />

leben. ors<br />

Online-Service für Deutsche<br />

<strong>DAAD</strong> setzt Beraterin Luzie ein<br />

Einen neuen Beratungsservice hat der <strong>DAAD</strong><br />

auf seinen Internetseiten eingerichtet: „Luzie“<br />

gibt deutschen Studierenden und jungen<br />

Wissenschaftlern Tipps für den Auslandsaufenthalt.<br />

Mit Kompetenz und lebhafter Mimik<br />

erteilt sie Auskunft über viele Details von der<br />

Planung über die Förderung bis zur Durchführung<br />

eines Studien-, Forschungs- oder Praktikums-Aufenthalts.<br />

Damit soll die <strong>DAAD</strong>-Kampagne<br />

„go out! studieren weltweit“ unterstützt<br />

werden. Eine Wissensdatenbank generiert die<br />

Antworten. Die Informationsbasis wird fortlaufend<br />

ergänzt. www.go-out.de und www.daad.de<br />

(Informationen für Deutsche)<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07


<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07<br />

Gestern Stipendiat – und heute...<br />

Jean Claude Diallo<br />

Dezernent für Integration in Frankfurt am Main<br />

Zuerst schlug sein Herz für den Fußballverein<br />

„1860 München“, dann für „Borussia<br />

Mönchengladbach“, und nun hält er schon seit<br />

Jahren „Eintracht Frankfurt“ die Treue. Das<br />

passt, schließlich ist Jean Claude Diallo begeisterter<br />

Frankfurter – und zugleich Weltbürger.<br />

„Ich habe die Welt hier, in dieser Stadt, mit<br />

mehr als 180 Nationalitäten.“ Besser geeignet<br />

könnte das Arbeitsumfeld für einen Dezernenten<br />

für Integration kaum sein. Vor einem<br />

Jahr wurde der Diplom-Psychologe aus Guinea<br />

in das städtische Ehrenamt berufen.<br />

Rund 165 000 Ausländer prägen das Bild<br />

der Finanzmetropole am Main mit. Und genau<br />

darum geht es dem 60-jährigen Stadtrat:<br />

„Die Menschen hier müssen endlich bereit<br />

sein, diese Wirklichkeit wahrzunehmen und<br />

anzunehmen. Die meisten von uns leben doch<br />

im Tunnel, schauen nicht links, nicht rechts,<br />

erkennen nicht ihren Nachbarn in seiner Eigenart.“<br />

Es sind dabei keinesfalls nur die Deutschen,<br />

an die er denkt. Integration versteht<br />

der Psychologe als einen Prozess, in dem die<br />

Gruppen aufeinander zugehen und sich aufeinander<br />

einlassen. Von den Migranten selbst<br />

erwartet er mehr Eigenverantwortlichkeit. Diese<br />

will er fördern, damit die Menschen aus<br />

ihrer Opferhaltung und ihren Nischen herauskommen.<br />

„Mein Hauptmotto ist: Identifiziert<br />

euch mit Deutschland. Lebt voll in dieser Gesellschaft,<br />

weil diese Gesellschaft auch euch<br />

gehört.“<br />

Genau das hat Jean Claude Diallo getan: Vor<br />

40 Jahren kam er mit einem <strong>DAAD</strong>-Stipendium<br />

nach Würzburg. „Ein stockkonservatives<br />

Pflaster“, erinnert er sich. „Die Zivilisation<br />

begann für mich erst in Frankfurt, wo die<br />

Rebellion von 1968 voll im Gange war.“ Der<br />

Psychologie-Student erlebte einen zunächst<br />

„noch sehr autoritären Staat“, dann aber die<br />

Entwicklung zu einem „offenen, diskursiven<br />

Land mit einer gesunden Demokratie“.<br />

Auf dieser soliden Basis konnte<br />

Deutschland, so Jean Claude Diallo,<br />

die Wiedervereinigung verkraften.<br />

Für ihn allerdings hat die Landkarte<br />

seither unangenehme Flecken<br />

bekommen. Östlicher als Weimar<br />

fährt er nicht. „Ich habe einfach<br />

keine Lust, mich in Orte zu begeben, die zur<br />

ausländerfreien Zone erklärt werden“, sagt er<br />

deutlich. Von der Politik erwartet er mehr Einsatz<br />

gegen Rechtsextremismus.<br />

Deutsche in verschiedenen Farbtönen<br />

Aber selbst in Frankfurt haben seine zwei<br />

erwachsenen Söhne hin und wieder erfahren<br />

müssen, dass eines nur langsam in die Köpfe<br />

zu dringen scheint: „Die Deutschen gibt es in<br />

verschiedenen Farbtönen.“ Der vierfache Vater<br />

ist seit langem mit einer Fränkin verheiratet.<br />

Jean Claude Diallo ist ein Genussmensch, er<br />

liebt elegante Kleidung und gutes Essen. Okraschoten<br />

und Palmöl aus seiner Heimat findet<br />

er in der Frankfurter Markthalle. Als Sohn einer<br />

muslimischen Marxistin und eines katholischen<br />

Vaters hatte Religion von Anfang an<br />

ihren Platz in Diallos Leben. Eine Papstreise<br />

<strong>DAAD</strong><br />

ins diktatorische Uganda Mitte der 70er Jahre<br />

bewog den überzeugten Christen, aus der<br />

katholischen Kirche auszutreten. Einige Jahre<br />

später wechselte er zum Protestantismus.<br />

In der evangelischen Kirche fand Jean Claude<br />

Diallo seine langjährige Arbeitgeberin. Er baute<br />

die Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge<br />

in Düsseldorf und am Frankfurter Flughafen<br />

auf. „Es ist eine schwierige Arbeit, Menschen,<br />

die gefoltert worden sind, die alles verloren<br />

haben, zu befähigen, wieder Anschluss ans<br />

Leben zu finden.“ Der Psychologe hat um eine<br />

bessere Unterbringung der Flüchtlinge am<br />

Flughafen gekämpft. Erfolgreich, erfüllend,<br />

aber auch aufreibend – „irgendwann hat es<br />

mir gereicht.“ Er wollte mehr im Management<br />

arbeiten und übernahm die Leitung des Fachbereichs<br />

„Interkulturelle Arbeit: Beratung, Bildung,<br />

Seelsorge“ im evangelischen Regionalverband<br />

Frankfurt. 2008 geht er in Ruhestand.<br />

Dann bleibt ihm mehr Zeit für die Aufgaben<br />

in seinem Ehrenamt, dem Dezernat für Integration.<br />

Seine eigene Biographie mag hilfreich gewesen<br />

sein, Nöte und Sorgen von Migranten<br />

besser zu verstehen, sagt der Afrikaner, aber<br />

auf diese Rolle wolle er sich nicht festnageln<br />

lassen: „Integration bedeutet, sich von solchen<br />

Zuschreibungen zu lösen.“<br />

Frankfurt ist zum Mittelpunkt seines Lebens<br />

geworden. Mitte der 80er Jahre verbrachte<br />

Jean Claude Diallo noch einmal 17 Monate<br />

in Guinea, überraschend berufen zum Minister<br />

für Information und Kultur. Als es „ein<br />

Kampf gegen Windmühlen“ wurde, kehrte<br />

er nach Frankfurt zurück. Die Verbindung<br />

zur Heimat ist lebendig geblieben,<br />

und wenn er den Wunsch spüren sollte,<br />

dort wieder zu leben, würde er das tun.<br />

„Diese Möglichkeit lasse ich mir nicht<br />

nehmen.“ Uschi Heidel<br />

Foto: Michael Jordan<br />

39


40<br />

<strong>DAAD</strong><br />

Auf einen Klick<br />

Der <strong>DAAD</strong> im Internet<br />

www.daad.de/<strong>magazin</strong><br />

Nachrichten und Berichte über<br />

das weltweite Engagement des<br />

<strong>DAAD</strong> – informativ und aktuell.<br />

www.daad.de/alumni<br />

Das <strong>DAAD</strong>-Portal für alle<br />

Alumni mit Infos zu Alumni-<br />

Vereinen, Alumni-Kalender,<br />

Alumni-VIP-Galerie und<br />

Alumni-Adressdatenbank.<br />

Solarauto „Eolian“<br />

Erstes chilenisches<br />

Solarmobil am Start<br />

Zwei <strong>DAAD</strong>-Alumni aus Chile<br />

schickten beim diesjährigen Solar-Autorennen<br />

in Australien das<br />

erste chilenische Solarmobil auf<br />

die Piste. Die beiden Ingenieurwissenschaftler<br />

Rodrigo Palma<br />

Behnke und Carlos Gherardelli<br />

Dezerega entwickelten das schnittige,<br />

umweltfreundliche Fahrzeug<br />

EOLIAN mit ihrem Team an der<br />

Universidad de Chile in Santiago<br />

de Chile.<br />

Erneuerbare Energien sind in<br />

Chile, genauso wie in Deutschland,<br />

ein Topthema. Palma Behnke<br />

studierte von 1995 bis 1999 mit<br />

einem <strong>DAAD</strong>-Stipendium Elektrotechnik<br />

an der Universität Dortmund,<br />

und Gherardelli Dezerega<br />

war von 1994 bis 2002 <strong>DAAD</strong>-<br />

Stipendiat in Berlin, wo er an der<br />

Technischen Universität Wärme-,<br />

Kälte- und Klimatechnik belegte.<br />

Beide Wissenschaftler setzen seitdem<br />

auf innovative Technologien,<br />

Energieeffizienz und Umweltschutz.<br />

Der <strong>DAAD</strong> unterstützte das Projekt<br />

im Rahmen seiner Imagekam-<br />

pagne für den Studienstandort<br />

Deutschland. So wurde das Rennen<br />

mit seiner Hilfe fotografisch<br />

und filmisch begleitet und dokumentiert.<br />

Das Logo „Hi Potentials!<br />

International careers made in<br />

Germany“ prangte nicht nur auf<br />

der Kleidung des Piloten und den<br />

T-Shirts des Rennteams, sondern<br />

auch auf dem Seitenflügel des Solarmobils.<br />

Das weltweit bekannte Panasonic<br />

World Solar Challenge Solar-<br />

Autorennen, führte im Oktober<br />

über 3 000 Kilometer von Darwin<br />

nach Adelaide. Die Chilenen<br />

belegten zwar nur den 14. Platz,<br />

aber in diesem Fall war Dabeisein<br />

alles.<br />

Informationen zum Auto:<br />

www.eolian.cl,<br />

zum Rennen: www.wsc.org.au Llo<br />

<strong>DAAD</strong>-Außenstellen<br />

Neue Gesichter<br />

Die <strong>DAAD</strong>-Büros in Paris, Peking<br />

und Warschau haben seit dem<br />

1. September neue Leiter. In Paris<br />

löste Klaudia Knabel die kommissarische<br />

Leiterin und ehemalige<br />

<strong>DAAD</strong>-Lektorin Stefanie Neubert<br />

ab. Klaudia Knabel leitete zuvor<br />

in der Bonner <strong>DAAD</strong>-Zentrale das<br />

Referat Frankreich und Benelux-<br />

Länder.<br />

Der Pekinger Außenstellenleiter<br />

Thomas Schmidt-Dörr verließ<br />

den <strong>DAAD</strong> und repräsentiert nun<br />

die Freie Universität Berlin in der<br />

chinesischen Hauptstadt. Seine<br />

Stelle bekleidet jetzt Stefan Hase-<br />

Bergen. Der Sinologe war Referent<br />

im Bonner China-Referat, bevor er<br />

2006 zunächst die Akademische<br />

Prüfstelle in Peking übernahm.<br />

Der Leiter der <strong>DAAD</strong>-Vertretung<br />

in Warschau, Peter Hiller, und der<br />

Leiter des Referats Moldau, Rumänien,<br />

Türkei und Ukraine beim<br />

<strong>DAAD</strong>, Randolf Oberschmidt,<br />

tauschten ihre Posten: Hiller<br />

kehrte aus Warschau nach Bonn<br />

zurück, Oberschmidt zog in die<br />

polnische Hauptstadt um.<br />

Seit der Rückkehr der früheren<br />

Leiterin des Londoner <strong>DAAD</strong>-Büros,<br />

Nina Lemmens, nach Bonn<br />

im Sommer 2006 leitete die Historikerin<br />

Antje Schlamm die<br />

Außenstelle an der Themse kommissarisch.<br />

Die ehemalige <strong>DAAD</strong>-<br />

Lektorin in Irland und London<br />

wurde im Sommer auf der Stelle<br />

bestätigt und vertritt den <strong>DAAD</strong><br />

jetzt offiziell in Großbritannien.<br />

Im <strong>DAAD</strong>-Hauptstadtbüro Berlin<br />

verstärkt Daniel Zimmermann<br />

das Team. Der ehemalige Dozent<br />

für Spanisch an der Universität<br />

Viadrina in Frankfurt/Oder leitete<br />

drei Jahre lang das <strong>DAAD</strong>-<br />

Informationszentrum in Barcelona.<br />

Am 1. Oktober trat er seine<br />

Stelle im <strong>DAAD</strong>-Verbindungsbüro<br />

in Berlin an. Als Stellvertreter<br />

der Leiterin des Berliner Büros,<br />

Annette Julius, ist er für die Bereiche<br />

Hochschule und Wissenschaft<br />

zuständig. KS<br />

Fotos: Tobias Titz<br />

Der Solarflitzer<br />

„Eolian“ und seine<br />

Konstrukteure<br />

Rodrigo Palma<br />

(links) und Carlos<br />

Gherardelli<br />

Foto: picture-alliance/ZB<br />

KÖPFE<br />

Als der 85-jährige Wladyslaw<br />

Bartoszewski Anfang November<br />

dieses Jahres vom neuen polnischen<br />

Ministerpräsidenten Donald<br />

Tusk zum Außenstaatssekretär<br />

ernannt wurde, bezeichnete<br />

ihn der polnische Europapolitiker<br />

Jacek Saryusz-Wolski als „unsere<br />

Wunderwaffe“. Bartoszewski soll<br />

die schwierigen Fälle der polnischen<br />

Außenpolitik lösen helfen.<br />

Dass er sich ganz besonders<br />

den deutsch-polnischen Beziehungen<br />

widmen wird, liegt in der<br />

Natur der Sache: Der Historiker,<br />

Publizist, parteilose Politiker und<br />

gläubige Christ ist Wegbereiter<br />

der deutsch-polnischen Aussöhnung.<br />

Als 18-Jähriger wurde Bartoszewski<br />

von den Nationalsozialisten<br />

nach Auschwitz verschleppt<br />

und nach einem halben Jahr<br />

schwerkrank wieder entlassen.<br />

Von da an ging er seinen geistig<br />

und politisch eigenwilligen Weg,<br />

ob im Widerstand gegen die Nazis,<br />

später gegen die Kommunisten –<br />

was ihm sieben Jahre Gefängnis<br />

einbrachte –, ob in der polnischen<br />

Demokratiebewegung, als Professor<br />

an der Katholischen Universität<br />

Lublin oder als Außenminister<br />

(1995 und 2000/2001). Genau 50<br />

Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

hielt er als erster polnischer Politiker<br />

im Deutschen Bundestag eine<br />

große Versöhnungsrede. 1982 war<br />

er mit einem <strong>DAAD</strong>-Stipendium<br />

für ein Forschungsjahr an das<br />

Wissenschaftskolleg zu Berlin gekommen<br />

und blieb sieben weitere<br />

Jahre, in denen er an deutschen<br />

Universitäten lehrte. Llo<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07


Foto: Reiner Zensen<br />

Der Dialog zwischen Polen<br />

und Deutschland liegt auch<br />

Anna Pukajlo am Herzen. Die<br />

Verbindungen der 26-jährigen<br />

Polin zu Deutschland reichen bis<br />

in ihre Kindheit zurück: „Meine<br />

Großmutter sprach häufig deutsch<br />

mit uns“, erzählt sie „ sie war als<br />

Zwangsarbeiterin vier Jahre in<br />

Deutschland.“ Seit 2004 studiert<br />

Anna Pukajlo Germanistische<br />

Linguistik an der Technischen<br />

Universität Berlin. Als eine Studienfahrt<br />

sie 2005 nach Auschwitz<br />

führte, fand sie dort Dokumente<br />

über ihren ermordeten Großonkel.<br />

„Da wusste ich, dass ich etwas tun<br />

muss.“<br />

Seit diesem Herbst koordiniert sie<br />

die deutsch-polnische Jugend-Geschichtswerkstatt<br />

in Hennigsdorf<br />

und Szczecin, die den Dialog unter<br />

Jugendlichen beider Länder fördert.<br />

Gleichzeitig arbeitet sie für<br />

das Projekt www.lernen-aus-dergeschichte.de<br />

, ein Web-Portal, das<br />

Lehrer mit Materialien und Informationen<br />

für den Unterricht über<br />

den Nationalsozialismus versorgt.<br />

Obwohl sie auch noch Deutschen<br />

die polnische Sprache beibringt,<br />

erhält sie an der Uni nur Bestnoten.<br />

Für alles zusammen verlieh<br />

ihr die TU im November den mit<br />

1000 Euro dotierten <strong>DAAD</strong>-Preis.<br />

Damit werden besonders engagierte<br />

ausländische Studierende<br />

an deutschen Hochschulen ausgezeichnet.<br />

kri<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07<br />

Foto: Licht & Burr<br />

Der isländische Autor Sigurjón<br />

Birgir Sigurdsson (45),<br />

der sich einprägsam „Sjón“ nennt,<br />

ist trotz seiner jungen Jahre fast<br />

schon eine Legende. Dazu haben<br />

die Songtexte beigetragen, die<br />

das literarische Multitalent für<br />

die Pop-Ikone Björk geschrieben<br />

hat. Für die Liedtexte zum Björk-<br />

Film „Dancer in the Dark“ bekam<br />

Sjón eine Oskar-Nominierung.<br />

Nun kann die deutsche Öffentlichkeit<br />

den lange als Geheimtipp<br />

geltenden Dichter aus der Nähe<br />

kennenlernen. Seit dem Wintersemester<br />

ist Sjón „Samuel-Fischer-<br />

Gastprofessor“ an der Freien Universität<br />

Berlin (FU) und lehrt isländische<br />

Literatur. Die Professur<br />

wird vom <strong>DAAD</strong>, dem S. Fischer<br />

Verlag, dem Veranstaltungsforum<br />

der Verlagsgruppe Holtzbrinck<br />

und der FU vergeben.<br />

Neben Gedichten, Dramen und<br />

Songtexten hat Sjón auch ein<br />

halbes Dutzend Romane veröffentlicht.<br />

Zudem ist er als Sänger mit<br />

der Kult-Punkband „Icecubes“ und<br />

Performance-Künstlern aufgetreten.<br />

Sein Roman „Schattenfuchs“<br />

ist in diesem Jahr in deutscher<br />

Sprache bei S. Fischer erschienen.<br />

In Island ist Sjón ein Star. Darum<br />

trat bei einer Lesung in Berlin<br />

auch der isländische Botschafter<br />

Ólafur Davídsson auf und verriet<br />

ein Detail, das den deutschen Zuhörern<br />

unbekannt war: „Sjón ist<br />

auch ein hervorragender Sportler.<br />

Er war isländischer Meister im<br />

Dreisprung aus dem Stand.“ ors<br />

Höchst populär ist der mexikanische<br />

Künstler Damián<br />

Ortega beim Berliner Publikum.<br />

Der 40-Jährige wurde mit dem<br />

Publikumspreis des „Preises der<br />

Nationalgalerie“ 2007 geehrt, der<br />

als wichtigste Auszeichnung für<br />

junge Kunst in Deutschland gilt.<br />

Mehr als 50 000 Besucher hatten<br />

sich die Werke von Ortega und<br />

drei Künstlerkollegen angeschaut,<br />

die für den Kunstpreis nominiert<br />

waren. Der Preis der Jury ging an<br />

die Britin Ceal Floyer, die Mehrheit<br />

der Besucher entschied sich<br />

für Ortega.<br />

Der mexikanische Weltenbummler<br />

war 2006/2007 Gast des Berliner<br />

Künstlerprogramms des <strong>DAAD</strong><br />

und hat die Zeit genutzt, sich auf<br />

die Stadt einzulassen und sich<br />

hier auch niederzulassen. Gleich<br />

zwei viel beachtete Ausstellungen<br />

fanden in der <strong>DAAD</strong>-Galerie statt.<br />

Ortegas künstlerisches Prinzip ist<br />

der Gebrauch von Alltagsmaterialien,<br />

die durch Dekonstruktion<br />

und Anordnung im Raum eine<br />

neue, oft überraschende und fast<br />

immer politisch grundierte und<br />

ironisch gebrochene neue Bedeu-<br />

tung bekommen. Die Ergebnisse<br />

kommen als Video, Skulptur, Foto<br />

oder Installation daher. Ein zerlegter<br />

Volkswagen oder eine explodierende<br />

Wolke aus Werkzeugen<br />

(die in Berlin gezeigt wurde) zählen<br />

zu den bekanntesten Werken.<br />

ors<br />

Foto: Courtesy of kurimanzutto, mexico city<br />

<strong>DAAD</strong><br />

ch bin übrigens der Mann von<br />

„I Frau Köhler“, so stellte sich<br />

einer der wichtigsten deutschen<br />

Muslime, Ayyub Axel Köhler, einmal<br />

bei der früheren Bundestagspräsidentin<br />

Rita Süssmuth vor.<br />

Der Vorsitzende des Zentralrats<br />

der Muslime in Deutschland weiß,<br />

warum: Seine Frau Asiye Köhler,<br />

gebürtige Türkin, hat bei entscheidenden<br />

Verhandlungen zwischen<br />

muslimischen Vereinigungen in<br />

Deutschland großen Einfluss: So<br />

schaffte sie es im April 2007 nach<br />

zähen Gesprächen, die vier größten<br />

muslimischen Verbände Deutschlands<br />

zu einer gemeinsamen Allianz<br />

zusammenzuschmieden. Das<br />

war die Geburtsstunde des neuen<br />

Koordinationsrats der Muslime in<br />

Deutschland, der als gemeinsame<br />

Interessenvertretung zentraler<br />

Ansprechpartner für die Politik<br />

sein soll.<br />

„Mir sind die kulturelle Verständigung<br />

und das Zwischenmenschliche<br />

wichtig“, sagt Asiye<br />

Köhler. 1965 kam die älteste von<br />

fünf Töchtern eines anatolischen<br />

Schuhmachers mit einem <strong>DAAD</strong>-<br />

Stipendium zum Studium der Germanistik<br />

nach Köln. Dort wurde<br />

sie Lehrerin an einem Gymnasium.<br />

Die zweifache Mutter, die<br />

ihr Kopftuch nach dem Vorbild<br />

der Frauen in ihrer anatolischen<br />

Heimat über einer Bastkappe<br />

trägt, setzt sich für die religiöse<br />

Gleichstellung ein, erarbeitete einen<br />

Lehrplan für Islamkunde an<br />

deutschen Schulen und engagiert<br />

sich am Zentrum für religiöse Studien<br />

der Universität Münster, wo<br />

inzwischen Islamlehrer ausgebildet<br />

werden. sm<br />

Foto: Matthias Jung<br />

41


42<br />

<strong>DAAD</strong><br />

BüCHEr VoN UNSErEN LESErN<br />

König als Erneuerer<br />

Nachdem Griechenland 1830 seine<br />

Unabhängigkeit erlangt hatte,<br />

begann eine Zeit des intensiven<br />

geistigen Austauschs mit Deutschland.<br />

Grund: Der erste Monarch,<br />

König Otto, stammte aus Deutschland<br />

– genauer: aus Bayern. Eines<br />

seiner Ziele war der Aufbau eines<br />

neuen Rechtssystems. So kam<br />

es zur Gründung der Universität<br />

Athen mit einer Juristischen Fakultät,<br />

deren erste Dozenten an<br />

deutschen Hochschulen ausgebildet<br />

waren. In seinem reich bebilderten<br />

Buch über die Anfänge<br />

dieser Juristischen Fakultät geht<br />

Professor Ioannis K. Karakostas<br />

der „deutschen Epoche“ intensiv<br />

nach. Der ehemalige <strong>DAAD</strong>-Stipendiat<br />

hat in München, Heidelberg<br />

und Berlin geforscht und ist<br />

heute Dekan der Juristischen Fakultät<br />

und Vizerektor der Universität<br />

Athen. CK<br />

Ioannis K. Karakostas: König<br />

Otto, die Otto-Universität und ihre<br />

Juristische Fakultät. Verlag C. H.<br />

Beck, München 2007. (Das Buch<br />

liegt auch in einer griechischen<br />

Ausgabe vor.)<br />

Philosoph als Dichter<br />

Peter Abaelard (1079–1142) war<br />

nicht nur der geniale Philosoph<br />

und Theologe, als den die gelehrte<br />

Welt ihn kennt, sondern auch ein<br />

hochbegabter Dichter. Mit seiner<br />

Dichter- und Sängergabe eroberte<br />

Abb.: Chantilly, musée Condé<br />

Foto: akg-images<br />

In griechischer<br />

Nationalkleidung:<br />

Otto I. von<br />

Griechenland 1835<br />

auf einer<br />

Lithografie von<br />

Gottlieb Bodmer<br />

Berühmtes Liebespaar:<br />

Abaelard und<br />

Heloisa in einer<br />

Handschrift des<br />

„Roman de Rose“<br />

aus dem<br />

14. Jahrhundert<br />

er im Paris des 12. Jahrhunderts<br />

die Herzen der Frauen. Seine Liebeslieder<br />

– geschrieben für seine<br />

Schülerin und spätere Geliebte<br />

Heloisa – sind nicht erhalten.<br />

Wohl aber die Klagelieder, die in<br />

Latein abgefassten Planctus, in<br />

denen Abaelard Leid und Klage<br />

biblischer Personen gestaltet. Ursula<br />

Niggli, die bereits mehrere<br />

Publikationen zu Abaelard vorlegte,<br />

hat die poetischen Verse<br />

erstmals ins Deutsche übersetzt<br />

und darin Anklänge an die Beziehungsgeschichte<br />

mit Heloisa<br />

aufgedeckt. Niggli, die 1975 als<br />

<strong>DAAD</strong>-Stipendiatin in Heidelberg<br />

studierte, leitet in Zürich das von<br />

ihr gegründete Philosophie-Institut<br />

„Paraklet“, in dem sie interessierten<br />

Bürgern die Grundlagen<br />

der Philosophie vermittelt. Llo<br />

Ursula Niggli: Peter Abaelard als<br />

Dichter. Francke Verlag 2007<br />

Hesse musikalisch<br />

Die Werke von Hermann Hesse<br />

sind neben den Märchen der Gebrüder<br />

Grimm die weltweit meistgelesenen<br />

deutschsprachigen Bücher.<br />

Die russische Germanistin<br />

Julia Moritz hat Hesse ganz neu<br />

gelesen. Bei ihrer Interpretation<br />

von Werken wie „Demian“ „Steppenwolf“<br />

oder „Siddharta“ bezieht<br />

sie sich auf die Musikalität als<br />

eine besondere Qualität literarischer<br />

Prosatexte. Mit ihrer Dissertation<br />

macht sie den Versuch,<br />

in die Poetik von Hesses Texten<br />

„hineinzuhören“ und ihnen eine<br />

spezifische – „musikalische“ –<br />

Sinndimension abzugewinnen.<br />

Gleichzeitig behandelt die Autorin<br />

Hesse unter „interkulturellen“<br />

Gesichtspunkten. Neben westlichen<br />

Theorien der Literaturwissenschaft<br />

setzt sie methodische<br />

Interpretationsansätze aus dem<br />

russischsprachigen Raum ein,<br />

etwa von Jurij Lotman. Julia Moritz<br />

hat nach einem Germanistikstudium<br />

an der Staatlichen<br />

Universität Samara, Russland, als<br />

<strong>DAAD</strong>-Stipendiatin an der Universität<br />

Hamburg promoviert. Llo<br />

Julia Moritz: Die musikalische<br />

Dimension der Kunst. Hermann<br />

Hesse, neu gelesen. Verlag Königshausen<br />

& Neumann 2007. Eine<br />

elektronische Version ist unter<br />

www.sub.uni-hamburg.de/opus/<br />

volltexte/2006/2765/ verfügbar.<br />

rätsel-Lösungen<br />

Die Lösung des vorigen <strong>Letter</strong>-Rätsels lautet:<br />

MoNDSCHEIN.<br />

Die Lösung ergibt sich aus folgenden Wörtern:<br />

stockdunkel, pfeilschnell, strohdumm, steinreich,<br />

kugelrund, feuerrot, spottbillig, hauchzart, brandaktuell,<br />

federleicht.<br />

Einen Hauptpreis haben gewonnen:<br />

Sean Dunwoody, Drexel Hill/USA; W. M. Laksiri Andradi,<br />

Eastwood/Australien; Petar Stamenkovski, Skopje/<br />

Mazedonien; Mohamed Alsenbesy, Sohag/Ägypten;<br />

Yevgeniya Suspitsyna, Ust-Kamenogorsk/Kasachstan; Olavi<br />

Laine, Tampere/Finnland; Darja Lukitschowa, Podporoshje/<br />

Russland; Nadine Magaud, Paris/Frankreich; Adel Zagha,<br />

Birzeit/West Bank; Lilawati Kurnia, Jakarta/Indonesien.<br />

Einen Trostpreis erhalten:<br />

Dragana Djordjevic, Nis/Serbien; Honor Clynes, Dublin/<br />

Irland; Isabel T. Mercadal, Buenos Aires/Argentinien;<br />

Simona Piangatello, Tolentino/Italien; José María Escardó,<br />

San Isidro/Argentinien; Arve Brunvoll, Nyborg/Norwegen;<br />

Wojciech Rybiński, Poznań/Polen; Réka Kovacsevics,<br />

Budapest/Ungarn; Zuzana Fecková, Bratislava/Slowakei;<br />

Anis Ali Abdulkhaleq, Aden/Jemen.<br />

Wer war’s?<br />

rUDoLF VIrCHoW<br />

Einen Preis erhalten:<br />

Zsuzsanna Budai, Bucsa/Ungarn; Jorge E. Paolini Gómez,<br />

Caracas/Venezuela; Angela Linda Lettieri, Salerno/Italien;<br />

Ana Maria Brozovic, Zagreb/Kroatien; Mauricio Ayala<br />

Rincon, Brasilia/Brasilien.<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong><br />

Das Magazin für <strong>DAAD</strong>-Alumni<br />

Herausgeber:<br />

Deutscher Akademischer Austauschdienst e.V., Bonn<br />

Kennedyallee 50, 53175 Bonn, Germany<br />

Tel.: +49-228-882-0, Fax: +49-228-882-444<br />

E-Mail: postmaster@daad.de<br />

redaktion: Dr. Leonie Loreck (Llo) (verantwortlich),<br />

Dr. Isabell Lisberg-Haag (lb) (verantw. Seiten 22-23,<br />

34-35), Katja Sproß (KS) (verantw. Seiten 13, 20-21),<br />

Uschi Heidel (uwh) (verantw. Seiten 24-27, 39)<br />

Weitere Autoren: Hannelore Bossmann (H.B.), Anke Dürkoop<br />

(AD), Hermann Horstkotte (H.H.), Dr. Klaus Hübner (Michel),<br />

Anja Janus (aj), Katharina Jung (kj), Christoph Kessler (C.K.),<br />

Silke Meny (sm), Kerstin Rippel (kri), Horst Willi Schors (ors),<br />

Claudia Wallendorf (CW) Cornelia Wegerhoff (wf)<br />

übersetzungen Abstracts: Tony Crawford<br />

Koordination: Sabine Pauly<br />

redaktionsbeirat: Dr. Gregor Berghorn, Dr. Sebastian<br />

Fohrbeck, Claudius Habbich, Alexander Haridi, Francis Hugenroth<br />

(Vorsitz), Dr. Dorothea Jecht, Dr. Markus Motz, Dr. Anette Pieper,<br />

Friederike Schomaker, Dr. Siegbert Wuttig<br />

Gestaltung/Titel: axeptDESIGN, Berlin<br />

Titelfotos: Familie: Pavel Losevsky - Fotolia.com,<br />

Landschaft: Otto Durst - Fotolia.com<br />

Herstellung: Königsdruck, Berlin<br />

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Auch nicht ausgezeichnete Beiträge geben nicht in<br />

jedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder.<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> erscheint dreimal im Jahr.<br />

Einzelpreis 4,– Euro, Jahresabonnement 15,– Euro<br />

inklusive Porto und MwSt.<br />

Printed in Germany – Imprimé en Allemagne PVST 20357<br />

Dieser Ausgabe liegen die Beilagen „<strong>Letter</strong> Literatur“,<br />

„Partnerschaft fördert Entwicklung“ sowie ein Kalender bei.<br />

Ein Teil der Ausgabe enthält ein Faltblatt des<br />

<strong>DAAD</strong>-Freundeskreises.<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07


1. August<br />

Neue regeln<br />

Die Rechtschreibreform tritt endgültig<br />

in Kraft. Damit gilt zum<br />

Beispiel für Schüler: Die alte<br />

Schreibweise „daß“ wird als Fehler<br />

angestrichen, richtig ist nur<br />

noch „dass“.<br />

9. August<br />

Trauer um Plenzdorf<br />

Im Alter von 72 Jahren stirbt der<br />

Schriftsteller Ulrich Plenzdorf –<br />

einst einer der bekanntesten DDR-<br />

Autoren. Zu seinen erfolgreichsten<br />

Werken gehören der Roman „Die<br />

neuen Leiden des jungen W.“ und<br />

die Filmerzählung „Die Legende<br />

von Paul und Paula“.<br />

15. August<br />

Sechsfacher Mord<br />

Bei einer Schießerei in der Innenstadt<br />

von Duisburg (Nordrhein-<br />

Westfalen) sterben sechs Italiener.<br />

Auslöser ist die Rivalität zwischen<br />

verfeindeten Mafia-Clans aus Süd-<br />

Italien.<br />

20. August<br />

Hetzjagd in Kleinstadt<br />

Bei einem Volksfest in Mügeln<br />

(Sachsen) überfällt eine Horde<br />

rechtsradikaler Jugendlicher acht<br />

Inder. Die Angegriffenen können<br />

sich mit knapper Not in ein Haus<br />

retten. Augenzeugen sprechen<br />

von einem völligen Versagen der<br />

Polizei.<br />

25. August<br />

Gefährliche Tierseuche<br />

Auf einem Geflügelhof in der Nähe<br />

von Erlangen (Bayern) wird der<br />

Ausbruch der Vogelgrippe festgestellt.<br />

166 000 Enten müssen getötet<br />

werden, um die Ausbreitung<br />

der Tierseuche zu verhindern.<br />

27. August<br />

China-reise Merkels<br />

Kanzlerin Angela Merkel<br />

reist mit einer großen<br />

Wirtschaftsdelegation nach<br />

China. Sie wirbt dabei unter<br />

anderem für die Einhaltung<br />

der Menschenrechte.<br />

4. September<br />

Anschlag vereitelt<br />

Die Polizei nimmt im Sauerland(Nordrhein-Westfalen)<br />

drei Männer fest, die<br />

Bombenanschläge auf Dis-<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>Letter</strong> 3/07<br />

Deutsche Chronik<br />

Eine Auswahl von Ereignissen, die in der Bundesrepublik Schlagzeilen machten (1. August bis 30. November 2007)<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

kotheken und US-Einrichtungen<br />

in Deutschland geplant haben<br />

sollen. Bei den Festgenommenen<br />

handelt es sich um einen Türken<br />

sowie zwei Deutsche, die zum Islam<br />

übergetreten sind.<br />

23. September<br />

Konflikt mit China<br />

Kanzlerin Angela Merkel empfängt<br />

in Berlin den Dalai Lama,<br />

das religiöse Oberhaupt der Tibeter.<br />

Das Treffen zieht eine schwere<br />

Verstimmung im deutsch-chinesischen<br />

Verhältnis nach sich.<br />

3. Oktober<br />

Öffnung von Moscheen<br />

Zahlreiche moslemische Gemeinden<br />

beteiligen sich am „Tag der<br />

Offenen Moschee“. Rund 100 000<br />

Bundesbürger nutzen das Angebot<br />

und nehmen an Führungen<br />

sowie Folklore-Darbietungen teil.<br />

9. Oktober<br />

Wechsel in Bayern<br />

Bayerns Landtag wählt den bisherigen<br />

Innenminister Günther<br />

Beckstein (CSU) zum neuen Ministerpräsidenten.<br />

Kurz zuvor<br />

hat die Partei Erwin Huber zum<br />

Vorsitzenden gekürt. Damit endet<br />

die Ära von Edmund Stoiber, der<br />

lange Jahre sowohl bayerischer<br />

Ministerpräsident als auch CSU-<br />

Chef war.<br />

10. Oktober<br />

Höchste Auszeichnung<br />

Der Berliner Forscher Gerhard Ertl<br />

erhält den Chemie-Nobelpreis.<br />

Tags zuvor bekam der Jülicher<br />

Forscher Peter Grünberg den Physik-Nobelpreis<br />

zugesprochen.<br />

Geisel kommt frei<br />

Ein in Afghanistan verschleppter<br />

deutscher Bauingenieur kommt<br />

nach 85 Tagen Geiselhaft frei.<br />

20. Oktober<br />

Brücke nach rügen<br />

Die längste Straßenbrücke<br />

Deutschlands wird dem Verkehr<br />

übergeben. Es handelt sich um ein<br />

vier Kilometer langes Bauwerk,<br />

das die Stadt Stralsund an der Ostsee<br />

mit der beliebten Urlaubsinsel<br />

Rügen verbindet.<br />

26. Oktober<br />

Beck bleibt SPD-Chef<br />

Auf einem Parteitag in Hamburg<br />

wird der SPD-Vorsitzende Kurt<br />

Beck im Amt bestätigt. Außenminister<br />

Frank-Walter Steinmeier<br />

rückt zum stellvertretenden SPD-<br />

Chef auf.<br />

3. November<br />

Kanzlerin in Kabul<br />

Bundeskanzlerin Angela Merkel<br />

besucht erstmals Afghanistan.<br />

Der Regierung in Kabul sagt sie<br />

verstärkte deutsche Hilfe bei der<br />

Ausbildung der örtlichen Polizei<br />

zu.<br />

13. November<br />

Minister scheidet aus<br />

Franz Müntefering, Vizekanzler<br />

und Arbeitsminister im Kabinett<br />

von Angela Merkel, tritt zurück.<br />

Der SPD-Politiker begründet dies<br />

mit der Krebs-Erkrankung seiner<br />

Frau. Neuer Vizekanzler wird Außenminister<br />

Frank-Walter Steinmeier<br />

(SPD).<br />

14. November<br />

Kein Zugverkehr<br />

Wegen eines Streiks der Lokomotivführer<br />

kommt der Eisenbahnverkehr<br />

weitgehend zum Erliegen.<br />

Mit dem Arbeitskampf will<br />

die Lokführer-Gewerkschaft nicht<br />

nur zweistellige Lohnerhöhungen,<br />

sondern auch das Recht auf einen<br />

eigenen berufsbezogenen Tarifvertrag<br />

durchsetzen. Nach dem Ende<br />

Bundeskanzlerin<br />

Angela Merkel mit<br />

dem chinesischen<br />

Ministerpräsidenten<br />

Wen Jiabao in Peking<br />

Folge des Streiks:<br />

Leerer Bahnhof<br />

in Rostock<br />

des Streiks nehmen Bahn und Gewerkschaft<br />

neue Tarifgespräche<br />

auf. Bis Ende November liegt aber<br />

noch keine Einigung vor.<br />

22. November<br />

Martyrium eines Kindes<br />

Die Stadtverwaltung von Schwerin<br />

(Mecklenburg-Vorpommern) informiert<br />

über einen Familien-Skandal:<br />

Ein junges Ehepaar hat seine<br />

fünfjährige Tochter über Wochen<br />

so sehr vernachlässigt, bis das<br />

Kind schließlich verhungert und<br />

verdurstet ist. Gegen die Eltern<br />

wird Haftbefehl erlassen.<br />

28. November<br />

Erfolg beim Lesen<br />

Heutige Schüler der vierten Grundschulklasse<br />

können besser lesen<br />

als jene, die 2001 getestet wurden.<br />

Zu diesem Ergebnis kommt die internationale<br />

Langzeitstudie „Iglu“.<br />

Im internationalen Vergleich mit<br />

45 teilnehmenden Ländern und<br />

Regionen liegt Deutschland mit<br />

Platz elf im oberen Viertel. Weiterer<br />

Befund: Mädchen sind bei<br />

Lektüre und Textverständnis besser<br />

als Jungen.<br />

29. November<br />

Mindestlohn bei Post<br />

Die Tarifparteien der Post vereinbaren<br />

einen Mindestlohn für<br />

Briefträger. Demnach haben die<br />

Zusteller vom 1. Januar an Anspruch<br />

auf einen Stundenlohn von<br />

mindestens 9,80 Euro im Westen<br />

Deutschlands und neun Euro im<br />

Osten. Anlass ist die wachsende<br />

Konkurrenz durch private Briefdienste,<br />

die ihre Zusteller bisher<br />

oft schlechter bezahlt haben.<br />

30. November<br />

Weniger Schulden<br />

Der Bundestag verabschiedet den<br />

Regierungshaushalt für 2008. Der<br />

Etat hat ein Volumen von rund<br />

283 Milliarden Euro und sieht<br />

neue Kredite in Höhe von knapp<br />

zwölf Milliarden Euro vor. Das ist<br />

die geringste Neuverschuldung<br />

seit der deutschen Einheit 1990.<br />

43<br />

Foto: picture-alliance/ZB

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