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die medikamentöse behandlung - MEDICE.CH - Salmon Pharma

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INFORMATIONEN FÜRE L T E R NADHS:DIE MEDIKAMENTÖSE BEHANDLUNG10 Fragen und AntwortenJan FrölichEin Unternehmen der<strong>Salmon</strong> <strong>Pharma</strong> GmbHSt. Jakobs-Strasse 90<strong>CH</strong>-4002 Basel, Schweiz8.3000.1.04.086


InhaltImpressumADHS:DIE MEDIKAMENTÖSE BEHANDLUNGzweite, aktualisierte AuflagevonPriv. Doz. Dr. päd. Dr. med. Jan FrölichArzt für Kinder- und Jugendpsychiatrieund Kinderheilkunde – PsychotherapieBüchsenstrasse 1570173 StuttgartHerausgegeben von:SALMON PHARMA GMBHSt. Jakobs-Strasse 90<strong>CH</strong>-4002 Basel Switzerlandwww.salmon-pharma.com<strong>MEDICE</strong>Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KGKuhloweg 3758638 IserlohnStand: Juni 20101. Wann sollte eine medikamentöse Behandlung bei einemKind / Jugendlichen mit ADHS in Erwägung gezogen werden?2. Muss eine medikamentöse Behandlung stets kombiniert werdenmit anderen, ebenfalls effektiven Massnahmen, wie einerVerhaltenstherapie?3. Wann dürfen Psychostimulanzien nicht eingesetzt werden?4. Wie wirken sich Psychostimulanzien auf <strong>die</strong> Symptomatik einerADHS aus?5. Wie erfolgt <strong>die</strong> Einnahme des Medikaments?Wie ist der Wirkungsverlauf über den Tag?6. Wie funktioniert <strong>die</strong> Überprüfung der Wirksamkeit vonPsychostimulanzien und deren Verträglichkeit?7. Welche Nebenwirkungen können unter einerPsychostimulanzien<strong>behandlung</strong> auftreten?8. Wie erklärt man dem Kind / Jugendlichen <strong>die</strong> Notwendigkeit dermedikamentösen Behandlung und wie wichtig ist seine Mitarbeitfür den Behandlungserfolg?9. Wie lange sollte medikamentös behandelt werden?Sollte es Pausen geben? Muss man durchgehend behandeln?10. Was ist zu bedenken, wenn ein jugendlicher Patient mit einerADHS zur Einnahme missbräuchlicher Substanzen neigt und wiewirken sich Psychostimulanzien auf <strong>die</strong> Fahrsicherheit aus?Seite47912131417212326


1. Wann sollte eine medikamentöseBehandlung bei einem Kind/Jugendlichenmit ADHS in Erwägunggezogen werden?Zunächst setzt der Beginn einer medikamentösenBehandlung natürlich eine sorgfältigeUntersuchung beieinem Kinder- undJugendarzt odereinem Facharzt fürKinder- und Jugend-Psychiatrie voraus, dasich hinter manchenSymptomen einer ADHSursächlich auch anderepsychische Störungenoder organische Erkrankungen (z.B. schlafbezogeneAtmungsstörungen oder Krampfanfälle)verbergen können.Ist <strong>die</strong>s erfolgt, sollte geprüft werden, ob bereitsandere nicht-medikamentöse Massnahmen(v.a. <strong>die</strong> Verhaltenstherapie) durchgeführtwurden und wie gut ihre Wirksamkeitwar.Eine Behandlung mit Medikamenten ist zuprüfen, wenn verhaltenstherapeutische Massnahmenüber eine Dauer von mindestens 6,aber nicht mehr als 12 Monaten keine sichtbarenVerbesserungen bewirkt haben. Dies kannz.B. der Fall sein, wenn nach wie vor ein erheblicherLeidensdruck bei dem Kind oderin seiner direkten Lebensumwelt, vor allembei den Eltern, besteht. Weiterhin, wenn <strong>die</strong>Schullaufbahn des Kindes aufgrund derSymptomatik ernsthaft gefährdet ist, <strong>die</strong>soziale Eingliederung in <strong>die</strong> Gleichaltrigengruppeunzufriedenstellend ist oder wennsich hieraus in der Folge weitere psychischeund soziale Probleme, wie Schulangst, depressiveSymptome oder aggressive Verhaltensweisenzu entwickeln drohen.Eine medikamentöse Behandlung ist desWeiteren sogar noch vor oder parallel mitder Einleitung verhaltensbezogener therapeutischeroder pädagogischer Massnahmenangezeigt, wenn <strong>die</strong> Symptomatikdes Störungsbildes so schwerwiegend ist,dass deren Effekte nicht abgewartet werdenkönnen. Ansonsten steigt das Risiko erheblich,dass sich in der Zwischenzeit weiterestörungsbedingte Komplikationen entwickelthaben, <strong>die</strong> <strong>die</strong> therapeutische Arbeitzusätzlich erschweren.Viele Eltern schrecken vor einer medikamentösenBehandlung zurück, weil sie ihr Kindnicht dem Risiko von möglichen Spätfolgendes eingesetzten Medikaments aussetzenwollen, eine Suchtgefahr oder eine Persönlichkeitsveränderungbefürchten.Bei <strong>die</strong>sen Überlegungen ist es ratsam, zunächsteinmal <strong>die</strong>se Befürchtungen mit dem behan-4 5


delnden Arzt offen anzusprechen, um sich überWirkungen und Nebenwirkungen einer möglichenMedikation zuinformieren.Es ist festzuhalten, dasseine medikamentöseBehandlung mit sog.Psychostimulanzienaufgrund einer Vielzahlvon kontrolliertenStu<strong>die</strong>n und aufgrundlangjähriger klinischer Erfahrung nach derzeitigemwissenschaftlichen Erkenntnisstand alseine medizinisch sichere Behandlungssäulemit großer Wichtigkeit im Gesamt<strong>behandlung</strong>skonzeptanzusehen ist.Die Behandlung mit Medikamenten kann ganzerheblich dazu beitragen, weitere Folgestörungenoder -erkrankungen, <strong>die</strong> mit einer ADHSeinhergehen, zu vermeiden.Bei den als Psychostimulanzien eingesetztenArzneimitteln handelt es sich um Methylphenidatoder um Amphetamin.2. Muss eine medikamentöse Behandlungstets kombiniert werden mitanderen, ebenfalls effektivenMassnahmen, wie einer Verhaltenstherapie?Dies hängt wesentlich davon ab, wie viele Begleitproblemedas Kind aufweist, z.B. gestörtes,aggressives Sozialverhalten, Schulängste o.ä..Wenn eins oder mehrere Begleitproblemevorliegen, und das ist bei mehr als 60% dervon einer ADHS Betroffenen der Fall, ist <strong>die</strong>Kombination mit anderen therapeutischenMassnahmen umso wichtiger. In <strong>die</strong>sem Fallbesteht <strong>die</strong> vordringliche Aufgabe der medikamentösenTherapie darin, <strong>die</strong> Kernsymptomedes Störungsbildes, also Aufmerksamkeitsdefizienz,Impulsivität und Hyperaktivität, zu verringern,während sich z.B. <strong>die</strong> verhaltenstherapeutischenMassnahmen auf <strong>die</strong> Begleitsymptomekonzentrieren. Auf <strong>die</strong>se Weise ergänzensich beide Therapiestränge gegenseitig undkönnen das Behandlungsergebnis verbessern.Auf der anderen Seite gibt es natürlich aberauch Fälle, in denen eine reine Aufmerksamkeitsdefizitstörungohne Begleitproblemebesteht. Vor allem bei den Kindern und Jugendlichen,bei denen eine sehr gute medikamentöseWirkung erzielt werden kann,kommt es in der Folge zu einer ausgesprochen6 7


starken Verminderung der ADHS bezogenenSymptome, so dass durch weitere Massnahmenkeine weiteren Symptomverminderungenzu erwarten sind. Bei <strong>die</strong>ser Gruppevon Kindern und Jugendlichen führt zudem<strong>die</strong> positive Wirkung der Medikation zu erheblichenpositiven Folgeeffekten, z.B. zu einerhöheren Motivation bei zu tätigenden Aufgabenin der Schule und zuhause.2Zweitens sollten <strong>die</strong> Eltern und Lehrer inder Lage dazu sein und sich darin auch fähigfühlen, dem Kind eine angemessene pädagogischeStruktur zu geben, <strong>die</strong> den Besonderheitendes Störungsbildes Rechnung trägt. Diessetzt gute Kenntnisse über das Störungsbildvoraus und <strong>die</strong> Fähigkeit zu einemkompetenten, sehr strukturierten Umgangmit dem Kind.1Eine ausschliessliche medikamentöse Behandlungsetzt zugleich aber zumindest zwei vorauszusetzendeGrundbedingungen in der Lebensweltdes Kindes voraus:Erstens sollte <strong>die</strong> Medikation von einem inder Behandlung von Kindern und JugendlichenADHS-erfahrenen Arzt sorgfältig ausgetestetwerden. Sie sollte immer wieder, z.B.alle drei Monate, sorgfältig kontrolliertwerden, um ggf. effektive Dosisanpassungenvornehmen zu können und mögliche Nebenwirkungenzu kontrollieren. Dabei ist auchimmer wieder zu besprechen, ob sich in derZwischenzeit andere, bislang nicht bekannteProbleme bei dem Kind entwickelt haben,so dass jederzeit eine nicht-medikamentöseBehandlungsmassnahme geplant werden kann.Der behandelnde Arzt ist auf <strong>die</strong>se Weise dererste Ansprechpartner für <strong>die</strong> Probleme desKindes und seiner Familie und sollte auf <strong>die</strong>seWeise zum Lotsen bzw. Fallmanager für zuplanende weitergehende Massnahmen werden.3. Wann dürfen Psychostimulanziennicht eingesetzt werden?Gegen eine Behandlung mit Psychostimulanzien(vor allem Methylphenidat, Amphetamin) gibtes nur einzelne absolute Gegenanzeigen.Es bestehen eher so genannte relative Gegenanzeigen,also vorbestehende Bedingungenbeim Patienten, unter denen eine Erst<strong>behandlung</strong>mit einem Psychostimulanz unter besonderenmedizinischen Vorsichtsmassnahmendurchgeführt werden sollte.Bei einem vorbestehenden Hirnkrampfleiden(Epilepsie) sollte mit den dafürzur Verfügung stehenden MedikamentenAnfallsfreiheit vorliegen.Eine Kombination mit einem Psychostimulanzist dann durchführbarBei Vorliegen eines Herz-Kreislaufleidensist eine Psychostimulanzienmedikation in8 9


enger Absprache mit dem behandelndenSpezialisten möglich.Eine vorangehende oder bestehende sog.Ticstörung, oder Gilles-de la-Tourette-Syndrom, welche sich in unwillkürlichenZuckungen der Muskulatur oder Lautäusserungenäussert, zwingt zu einer vorsichtigenDosierung des gewählten Psychostimulanz.Es sollte aber auch erwähntwerden, dass sich <strong>die</strong> Ticsymptome untereiner Behandlung mit einem Psychostimulanzsogar verbessern können.In wenigen Fällen kann eine Behandlungmit Psychostimulanzien eine depressiveStimmung sowie Ängste bei den Kindernoder Jugendlichen verstärken oderauslösen, so dass hier im konkreten Einzelfallüber <strong>die</strong> Fortführung der medikamentösenBehandlung entschieden werdenmuss.Bei gleichzeitigem Vorliegen von einerADHS mit einem der beiden Störungsbilderwäre aber auch als individuellerHeilversuch eine kombinierte Behandlungmit einem modernen Antidepressivum(sogenannte Serotonin-Wiederaufnahmehemmer)möglich.Bei Verstärkung der Tics unter der Psychostimulanzien<strong>behandlung</strong>muss gegebenenfalls<strong>die</strong> Dosierung verringert werden, <strong>die</strong>Behandlung abgebrochen oder, falls nötig,eine kombinierte medikamentöse Behandlungmit einer Tic vermindernden Substanzbegonnen werden.Bei Vorliegen eines Drogenmissbrauchsdes Patienten oder in seinem direkten Umfeldsollte eine Psychostimulanzien<strong>behandlung</strong>wegen des Missbrauchspotentials aufnicht sachgemässe Einnahme durch denPatienten oder Dritte nicht oder nur durch<strong>die</strong> Vergabe missbrauchsgeschützter Darreichungsformenerfolgen. Im Zweifelsfallsollte in <strong>die</strong>sen Fällen eher auf Medikamentezweiter Wahl wie Atomoxetinzurückgegriffen werden.Bei einer bestehenden Magersuchtsollten Psychostimulanzien auf keinenFall gegeben werden.Eine (vor-) bestehende Psychose kannsich unter einer Behandlung mit Psychostimulanzienverschlechtern.Deshalb dürfen sie in <strong>die</strong>sen Fällen nichtzum Einsatz kommen.Weiterhin verbietet sich der Einsatz:Bei Überempfindlichkeit gegenüberMethylphenidat oder anderen Medikamenten,<strong>die</strong> das sympathische Nervensystemstimulieren.Bei mittelschwerem und schweremBluthochdruck.Bei Schilddrüsenüberfunktion.Bei erhöhtem Augeninnendruck.Bei Patientinnen während derSchwangerschaft.10 11


4. Wie wirken sich Psychostimulanzien auf<strong>die</strong> Symptomatik einer ADHS aus?Die Psychostimulanzien bewirken beiKindern und Jugendlichen mit einer ADHSzunächst einmal vor allem eine positiveBeeinflussung der typischen Zeichen desStörungsbildes, d.h. eine Verminderung derHyperaktivität, eine Verringerung der Impulsivitätund eine Verbesserung der Konzentrationsfähigkeit.Zusätzlich kommt es in der Regelzu einer Abnahme oppositioneller und aggressiverVerhaltensweisen. Daneben verbessert sichoftmals der WachheitsgraddesBehandelten, dasSchriftbild und auch<strong>die</strong> Motorik.Von entscheidender Bedeutung ist, dass sichdurch <strong>die</strong> positive Beeinflussung derKernprobleme sehr oft vielfache positiveFolgeauswirkungenbeim Behandeltenals auch inseinem Umfeldergeben: Aufgrundder besseren Ausschöpfungder geistigenFähigkeiten wirdoft eine Verbesserung der Schulnoten erzielt,was natürlich <strong>die</strong> Leistungsmotivation entscheidendpositiv beeinflusst. Störverhaltensweisenwährend des Unterrichts werden geringer.Im Hausaufgabenbereich wird selbständiger,schneller und zielgerichteter gearbeitet. In derFolge verbessert sich ebenfalls <strong>die</strong> Beziehungdes Kindes/des Jugendlichen zu seinen Eltern,den Lehrern oder zu Gleichaltrigen bedeutend.5. Wie erfolgt <strong>die</strong> Einnahme desMedikaments? Wie ist derWirkungsverlauf über den Tag?In vielen Fällen erfolgt <strong>die</strong> Einnahme des Medikamenteszweimal am Tag zumeist zum Frühstückund beim Mittagessen.Es sollte auf eineausreichende Nahrungsaufnahmegeachtetwerden, da nüchternmöglicherweise Magenbeschwerdenzu erwartensind oder z.B. beiverzögert wirksamenMethylphenidatpräparaten<strong>die</strong> Medikamentenwirkung wieder rascherabgebaut werden kann. Die Wirkung setzt zumeist30-45 Minuten nach der Einnahmeein, erreicht ihr Maximum nach ca. 2 Stundenund lässt dann bei verzögert freigesetztemWirkstoff individuell unterschiedlich nach6-8 Stunden wieder nach. Hierbei kann eserhebliche individuelle Unterschiede geben.Bei manchen Kindern setzt <strong>die</strong> Wirkung inner-12 13


halb von Minuten dramatisch ein, um nach einigenStunden ebenso abrupt wieder zu Ende zugehen. Bei vielen Kindern, vor allem wenn Verzögerungspräparateeingenommen werden,sind <strong>die</strong> Übergänge "weicher" und <strong>die</strong> Wirkungdes Medikaments ist je nach eingesetztem Präparatunterschiedlich lang bis in den Nachmittagoder in den Abend hinein festzustellen.Als <strong>die</strong> drei wichtigsten Zielsetzungen einerindividuellen medikamentösen Austestungkönnen deswegen formuliert werden:1. Auffinden der niedrigst notwendigenDosierung, <strong>die</strong> optimale Therapieeffekteerbringt und2. zugleich keine oder nur geringe,tolerierbare Nebenwirkungen zulässt.6. Wie funktioniert <strong>die</strong> Überprüfung derWirksamkeit von Psychostimulanzienund deren Verträglichkeit?Hierbei handelt es sich um eine individuelleAustestung, weil sowohl <strong>die</strong> Wirkungen alsauch <strong>die</strong> Nebenwirkungen des eingesetztenMedikamentes beim einzelnen Kind oderJugendlichen sehr unterschiedlich ausfallenund natürlich auch <strong>die</strong> Symptomatik desStörungsbildes sehr vielgestaltig ist.Vor dem Beginn einer individuellen medikamentösenAustestung sowie in regelmässigenAbständen während der Behandlung solltenbei dem Patienten einige körperliche Untersuchungen(wie z.B. Blutbild, Blutdruck, Puls,Köpergrösse und -gewicht) durchgeführt werden,über deren Umfang und Notwendigkeitder behandelnde Arzt im Einzelfall entscheidet.3. Auswahl einer Medikation, <strong>die</strong> je nachAusprägung der Problematik im Tagesverlaufentweder nur kurz (Vormittag),mittellang (bis zum Nachmittag) odersehr lang (bis zum Abend) anhält.Es ist wichtig, <strong>die</strong> medikamentöse Austestungin möglichst standardisierter Formdurchzuführen und auch so objektiv wiemöglich zu gestalten.Praktisch bedeutet <strong>die</strong>s, dass hierfür zum einenFragebögen/Checklisten über Wirkung undNebenwirkungen der Medikation verwendetwerden sollten. Wie in einem Tagebuch solltenhier wöchentlich Beobachtungen durchgeführtwerden. Es werden wochenweise wechselndeDosierungen eines zunächst nichtretar<strong>die</strong>rten Psychostimulanz eingesetzt(niedrig–mittel–hoch), um <strong>die</strong> optimale Wirkdosiszu ermitteln. Es ist sinnvoll, <strong>die</strong> Austestungzunächst mit einer kurz wirksamen Substanzvorzunehmen, da hierdurch <strong>die</strong> optimale indi-14 15


viduelle Dosierung am besten ermittelt werdenkann und darüber hinaus auch festgestelltwerden kann, wie lange <strong>die</strong> Wirkung anhältbei <strong>die</strong>ser Darreichungsform. Alternativ kannjedoch auch von Beginn der Behandlung an einverzögert freisetzendes Psychostimulanz inniedriger Dosierung verwendet werden, wennschon zu Beginn der Behandlung absehbar ist,dass <strong>die</strong> mehrmalige Einnahme eines sofort freisetzendenMedikamentes nicht durchführbarist. Die sachliche Beurteilung der Austestungsteigt erheblich, wenn der Klassenlehrermit in <strong>die</strong> Beobachtung einbezogen wird.Die Forschungsergebnisse weisen darauf hin,dass, gerade im Hinblick auf <strong>die</strong> Verbesserungder Kernsymptome der ADHS, der Lehrer <strong>die</strong>wichtigste Informationsquelle darstellt, <strong>die</strong>Eltern dagegen am besten <strong>die</strong> Verträglichkeiteinschätzen können.Mit Sicherheit kann gesagt werden, dass <strong>die</strong>seindividuelle Form der medikamentösen Austestung<strong>die</strong> effektivste Form darstellt zu überprüfen,ob ein Kind oder Jugendlicher mit einerADHS auf das Psychostimulanz anspricht. In derRegel ist <strong>die</strong> Beantwortung <strong>die</strong>ser Frage mit<strong>die</strong>ser Methode innerhalb von 4–6 Wochen klarmöglich! Bei bis zu 80% der Kinder oderJugendlichen mit einer ADHS kann mit<strong>die</strong>ser Methode ein spürbarer Rückgangder Symptomatik erzielt werden.Nach der Phase der medikamentösen Einstellungempfehlen sich zunächst weiter Rück-sprachen mit dem behandelnden Arzt alle 6-8Wochen, da manchmal doch noch Dosisanpassungenvorgenommen werden müssen und vorallem <strong>die</strong> Frage zu beantworten ist, ob dasKind/der Jugendliche mit einer nicht retar<strong>die</strong>rtenSubstanz, einem verzögert wirksamen sog.Retardpräparat mit mittellanger Wirkung odersehr langer Wirkung behandelt werden sollte.Dies hängt wesentlich davon ab, wie stark <strong>die</strong>Symptomatik im Tagesverlauf ausgeprägt ist, obes erhebliche Symptomschwankungen mit undohne medikamentöse Wirkung gibt und ob einemöglicherweise zwei– bis dreimalige Gabe amTag gewährleistet werden kann und auch zumutbarist.Eine Behandlung mit einer Retardsubstanzempfiehlt sich immer bei starken Symptomschwankungen,raschem Nachlassender medikamentösen Wirkung und Problemenbei der regelmässigen Tabletteneinnahme.7. Welche Nebenwirkungen könnenunter einer Psychostimulanzien<strong>behandlung</strong>auftreten?Grundsätzlich ist festzustellen, dass <strong>die</strong> Psychostimulanziengut verträglich sind. Von allenauf das zentrale Nervensystem wirksamenArzneimitteln ist <strong>die</strong>se Substanzgruppe im16 17


Kindes- und Jugendalter am besten untersucht.Im Regelfall treten, falls überhaupt,Nebenwirkungen nur vorübergehend, d.h.während der ersten Wochen der Einnahme, auf.Sie sind dosisabhängig und in den meistenFällen nicht schwerwiegend. Des Weiterengilt, dass Nebenwirkungen beim Absetzender Behandlung rasch wieder nachlassen undauch oft durch eine Verringerung der Dosierungoder eine Veränderung der Verabreichungszeitendeutlich verringert werdenkönnen. Entgegen immer wieder vorgebrachterKritik, Psychostimulanzien würden ein Suchtpotentialbeinhalten, muss <strong>die</strong>se Vorhaltungklar verneint bzw. differenziert werden.Auf dem ärztlich vorgeschriebenen, mit derNahrung erfolgenden Verabreichungsweg überden Magen-Darm Trakt besteht keine Suchtgefahrfür <strong>die</strong> Einnahme der Psychostimulanzien.Eine gewisse Suchtgefahr sowie ein erhöhtesRisiko zur Auslösung psychotischer Zuständebesteht dagegen, falls <strong>die</strong> Einnahme über <strong>die</strong>Nasenschleimhaut oder intravenös erfolgt.Des weiteren ist bei der Verschreibung vonMethylphenidat Vorsicht geboten, wenn sichder Patient in einem sozialen Umfeld mit einemerhöhten Risiko für Arzneimittel- oder Drogenmissbrauchbewegt.Die häufigste Nebenwirkung kann eine Verminderungdes Appetits darstellen, daPsychostimulanzien eine appetithemmendeWirkung entfalten können. Aus <strong>die</strong>sem Grundsollte zum einen <strong>die</strong> Medikamenteneinnahmezu oder direkt nach den Mahlzeiten erfolgen.Kommt es zu einer Appetitverminderung, istz.B. eine Kalorienanreicherung der Nahrung zuüberlegen. Auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhrsollte auch geachtet werden. In seltenenAusnahmefällen stellt eine ausgelöste deutlicheGewichtsabnahme einen Grund dar, <strong>die</strong> Behandlungz.B. in den Ferien auszusetzen.Des Weiteren können Psychostimulanzien eineEin- oder auch Durchschlafstörung nach sichziehen. Deshalb sollte <strong>die</strong> Mittagsgabe zumeistnicht am späteren Nachmittag erfolgen.In Einzelfällen kann eine ausgeprägte Schlafstörung,einhergehend mit einem anhaltendenUnausgeschlafensein des Kindes/des Jugendlichenzu einer Zunahme der Konzentrationsproblemeam Tage und einer vermehrten Impulsivitätbzw. Reizbarkeit führen.Dieses Phänomen kann v.a. bei Präparaten mitverlängerter Wirkzeit (Retardpräparate) beobachtetwerden. Im Einzelfall ist hier <strong>die</strong> Nachmittagsdosiszu reduzieren. Es sollte aber aucherwähnt werden, dass vorbestehende Ein- undDurchschlafprobleme bei manchen Kindern/Jugendlichen durch eine Medikamentengabeam späten Nachmittag sogar verringert werdenkönnen.Relativ häufig können zu Beginn der Behandlungleichte Kopf- oder Bauchschmerzenauftreten sowie Schwindelgefühl. DieseNebenwirkungen lassen aber in den meisten18 19


Fällen nach wenigen Tagen wieder nach.Die vorübergehende Gabe eines Schmerzmittels(z.B. Paracetamol) wäre in Absprache mit dembehandelnden Arzt denkbar.In seltenen Fällen ist auch ein geringer Anstiegder Schlaghäufigkeit des Herzens sowie desBlutdrucks möglich. Anzeichen hierfür könnenKopfschmerzen oder ein unangenehmes Unruhegefühlim Brustbereich sein. Es empfiehltsich dann eine regelmässige Kontrolle der beidenWerte.Manchmal können Psychostimulanzien einenVerlust an Freude, eine traurige Verstimmungoder eine Antriebsminderung bis hinzur Teilnahmslosigkeit zur Folge haben.Auch eine Zunahme von Weinerlichkeit undÄngstlichkeit kann beobachtet werden. Umgekehrtkönnen sehr selten auch eine über <strong>die</strong>Massen fröhliche Stimmungslage sowie Veränderungendes Denkens und der Wahrnehmung,sog. psychotische Symptomebeobachtet werden. Meist sind <strong>die</strong>se ZeichenAusdruck einer zu hohen Dosierung. Wichtig istnatürlich, vor der Behandlung zu klären, ob daszu behandelnde Kind/der Jugendliche schoneinmal unter den beschriebenen Auffälligkeitenlitt oder <strong>die</strong>se neben der ADHS bestehen, da siesich unter der Psychostimulanzien<strong>behandlung</strong>verstärken können.Eine vorbestehende Ticstörung kann sichdurch eine Psychostimulanzienmedikation ver-schlechtern, sie kann aber auch ausgelöstwerden und sogar in Einzelfällen nach derBeendigung der Behandlung fortbestehen.Andererseits gibt es aber sogar auch Fälle,in denen sich <strong>die</strong> Ticsymptomatik unter derPsychostimulanzien<strong>behandlung</strong> vermindert.In sehr seltenen Fällen können Überempfindlichkeitsreaktionenauftreten, z.B. Hautjuckenoder -ausschlag, Bindehautentzündung,Nesselsucht, Haarausfall sowie Muskel- oderGelenkschmerzen. Sehr selten sind ebenfallsBlutbildveränderungen oder eine Erhöhung derLeberwerte. Ein Absetzen der Behandlung istdann zu erwägen.Unter der Behandlung können vor allemunter hohen Dosierungen Wachstumsverzögerungenauftreten, allerdings wird <strong>die</strong>Körpergrösse nach heutigem Kenntnisstandlangfristig nicht negativ beeinflusst.8. Wie erklärt man dem Kind/Jugendlichen <strong>die</strong> Notwendigkeitder medikamentösen Behandlungund wie wichtig ist seine Mitarbeitfür den Behandlungserfolg?Auf jeden Fall sollte das Kind/der Jugendliche inaltersgemässer Form über <strong>die</strong> Zielsetzung undWirkungen der medikamentösen Behandlung20 21


aufgeklärt werden. Dem Kind sollte erklärtwerden, dass das eingenommene Medikamentdazu beitragensoll und kann,<strong>die</strong> Konzentrationwährend desSchulunterrichtszu erhöhen.Zugleich muss es/eraber darauf hingewiesen werden, dass es sichdabei lediglich um eine "Starthilfe" handeltund <strong>die</strong> Behandlung weder intelligenter machtnoch dass hierdurch von nun an <strong>die</strong> Unterrichtsbeteiligungoder <strong>die</strong> Erledigung der Hausaufgabenohne Eigenanstrengung von stattengeht.Des Weiteren sollte das Kind/der Jugendlichedarin versichert werden, dass <strong>die</strong> Einnahme vonTabletten nicht bedeutet, dass es/er krank ist.Dies würde nur ein unnötiges, weiteres negativesEmpfinden auslösen.Auffällig ist, dass viele der auch sehr erfolgreichbehandelten Kinder/Jugendlichen nicht zuverlässig<strong>die</strong> Wirksamkeit der Behandlung feststellenkönnen, wobei <strong>die</strong> Gründe hierfür unklarsind. Insofern ist das Kind/der Jugendlichezwar eine wichtige Informationsquelle,vor allem für <strong>die</strong> Verträglichkeit,aber entscheidend ist <strong>die</strong> Beobachtungdurch <strong>die</strong> Eltern und <strong>die</strong> Lehrer.Im Jugendlichenalter kommt der Informationdes Behandelten zunehmende Wichtigkeit zu.Hier sollte darauf hingewiesen werden, dassJugendliche oftmals <strong>die</strong> Medikation absetzenmöchten, weil sie "nicht anders sein möchtenals andere Gleichaltrige" oder weil sie sich"nicht echt" fühlen, wenn sie das Medikamenteinnehmen. Es macht hier gar keinen Sinn, vonder Seite der Eltern, auf der Medikamenten-Einnahme zu bestehen, sondern es ist Aufgabedes behandelnden Arztes, den Jugendlichen imEinzelgespräch über den weiteren Nutzen derBehandlung zu informieren und ihn dazu zugewinnen.Manchmal ist es hier ratsam, Kompromisse mitdem Jugendlichen einzugehen (z.B. über denZeitraum der Einnahme), um <strong>die</strong> Fortsetzungder Behandlung nicht zu gefährden.9. Wie lange sollte medikamentös behandeltwerden? Sollte es Pausengeben? Muss man durchgehendbehandeln?Nach der 4-6-wöchigen AustestphasederMedikation solltensich <strong>die</strong>Eltern in allerRegel mit dembehandelndenArzt zusammen-22 23


setzen und mit ihm <strong>die</strong> Wirksamkeit der Behandlung,<strong>die</strong> aufgetretenen Nebenwirkungenund <strong>die</strong> optimal wirksame Dosis besprechen.Bei guter Wirksamkeit und Verträglichkeit solltenun gemeinsam entschieden werden, ob einedurchgehende medikamentöse Behandlungsinnvoll ist, d.h. auch am Wochenende oder inden Ferien, oder ob <strong>die</strong> Medikation nur währendder Schulwoche eingenommen werdensollte. Hier gilt das Grundprinzip "So wenigwie möglich, so viel wie nötig"!Praktisch bedeutet <strong>die</strong>s, dass bei einem ausgeprägten,in verschiedenen Lebenssituationenauftretenden Schweregrad der Verhaltensauffälligkeitendes Kindes/Jugendlichen,immer eine zunächst durchgehendeBehandlung zu empfehlen ist.In mehr als der Hälfte der Fälle sollte so verfahrenwerden, da auf <strong>die</strong>se Weise zunächsteinmal eine gleichmässige Entlastung in mehrerenLebensbereichen erzielt werden kann.Andererseits sollte auch darauf hingewiesenwerden, dass eine Psychostimulanzien<strong>behandlung</strong>Beschränkt sich <strong>die</strong> Problematik dagegennicht als lebenslang notwendige Mass-im Wesentlichen auf schulische Lern- undnahme angesehen werden sollte analog etwaLeistungsprobleme, kann eine Behandlungeiner Insulin<strong>behandlung</strong> bei Diabetes.lediglich in der Schulwoche durchaus befürwortetDer Jugendliche und junge Erwachsene hatwerden, es sei denn, beim Neubeginnerstens gute Chancen, dass sich <strong>die</strong> Sympto-der Medikamentengabe treten jeweils wiedermatik in der Entwicklung von selbst vermindert,Nebenwirkungen, z.B. Kopfschmerzen oderzum anderen kann der Betroffene aber durchausUnwohlsein, auf.auch lernen, mit den sich aus einer ADHSEine Behandlungspause, vor allem in den längerenergebenden Problemen ohne medikamentöseFerien, empfiehlt sich ausserdem, wenn dasHilfe angemessen umzugehen.24Kind im Einzelfall stark an Gewicht abgenom-25men haben sollte. Die Ferien sollten hier dazugenutzt werden, wieder an Gewicht zuzunehmen.Ausdrücklich sei jedoch darauf hingewiesen,dass eine Behandlungspause entgegenfrüheren Annahmen wegen eines angeblichverlangsamten Körperwachstums nicht notwendigist.Die Dauer der Behandlung sollte zunächstauf ca. ein Schuljahr begrenzt werden.Nachfolgend empfiehlt sich ein kontrollierterAbsetzversuch unter normalen Belastungsbedingungen,also in der Regel nicht in denSchulferien, um zu prüfen, ob <strong>die</strong> Medikationnoch notwendig ist, z.B. wenn zugleicheine Verhaltenstherapie durchgeführt wurde.Aller Erfahrung nach ist <strong>die</strong> Behandlungaber zumeist über mehrere Jahre hinwegnotwendig, weil es sich um ein oftmals bisin das junge Erwachsenenalter hinziehendesStörungsbild handelt.


10. Was ist zu bedenken, wenn einjugendlicher Patient mit einer ADHSzur Einnahme missbräuchlicherSubstanzen neigt und wie wirkensich Psychostimulanzien auf <strong>die</strong>Fahrsicherheit aus?Ohne Frage stellt <strong>die</strong> Psychostimulanzien<strong>behandlung</strong>eines Jugendlichen, der regelmässigAlkohol oder Drogen einnimmt oder bei demgar eine Abhängigkeit besteht, eine Gegenanzeigedar!Dieser Leitsatz gilt aber nur für eine möglichegleichzeitige Einnahme von Drogen und Psychostimulanzien.Bei erzielter Drogenabstinenzkönnen Psychostimulanzien sogar dazu beitragen,Rückfälle in den Substanzmissbrauchzu verhindern.Das Behandlungskonzept sollte nachneueren Erkenntnissen zunächst dasSucht-/Missbrauchsproblem zum erstenZiel erklären und danach <strong>die</strong> ADHS.Dies schliesst nicht aus, dass bereits in der aufden Substanzmissbrauch angelegten Behandlungsphaseandere Medikamente, vor allemAntidepressiva oder Atomoxetin, zum Einsatzkommen können.Zur Fahrsicherheit kann festgestellt werden,dass <strong>die</strong> ordnungsgemässe Einnahme vonPsychostimulanzien<strong>die</strong>Fahrsicherheitnachweislicherhöht, da sich<strong>die</strong> Fähigkeit zueiner konzentriertenund reflektiertenTeilnahmeamStrassenverkehreindeutig erhöht.Dennoch können besonders bei erstmaligerEinnahme oder Dosisänderungenunerwünschte Nebenwirkungen, wie z.B.Schläfrigkeit oder Schwindel auftreten, <strong>die</strong>das Reaktionsvermögen beeinträchtigen.Problematisch kann auch sein, wenn individuellein schneller Wirkverlust der Medikation eintritt.Denkbar ist auch eine Selbstüberschätzungund gesteigerte Risikobereitschaft.Grundsätzlich gilt deswegen, dass derzu Behandelnde gut dazu in der Lage seinsollte, bei sich selbst <strong>die</strong> Art der medikamentösenWirkung, also z.B. Dauer und Wirkprofil,einschätzen zu können und seine Fahrgewohnheitenentsprechend anzupassen. Dass sich eineTeilnahme am Strassenverkehr unter kombinierterEinnahme von Psychostimulanzien mitAlkohol oder anderen Missbrauchssubstanzenverbietet, sollte eine Selbstverständlichkeit sein!26 27

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