Villigster Medien 3/2005 - Pädagogisches Institut der EKvW

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12.07.2015 Aufrufe

B ANDACHTENSEITE 16Diskjockey bei der Arbeit mit dem dazu passenden ‚Hard-Rock-Cafe’, einen Strandmit Palmen, einen eleganten Damenschuh und einen Sportschuh mit Fußball, einenWildwasserkanuten, Billardkugeln, unterschiedliche Graffitis und ein paar 50 €-Scheine im Kopf des Mädchens unterbringen.Doch das ist längst nicht alles: Noch nicht genannt habe ich die Symbole für die aktuellePatriotismus-Diskussion in den USA, aber auch bei uns in Deutschland: dieFreiheitsstatue und die schwarz-rot-goldene Bundesdienstflagge. Und bei einem Plakat,das für das Fach Religion wirbt, dürfen natürlich auch religiöse Symbole nichtfehlen: Eine Moschee, eine weiße (‚Friedens’)Taube, ein Halskettchen mit Kreuzanhänger,ein Handschlag und als Zeichen der Solidarität und Mitmenschlichkeit eine roteSchleife der internationalen Aidshilfe.„Armes Kind“, denke ich, „da muss dir ja der Kopf zerspringen, wenn du als Projektionsflächeall’ dessen herhalten musst, was uns heute umtreibt und quält.“Aber natürlich hat der Grafiker recht: Alles das, was er in das Bild eingezeichnet hat,stürmt auf unsere Kinder und Jugendlichen ein. Sie grundsätzlich davor bewahren zuwollen, ist vielleicht gut gemeint, aber letztlich weder möglich noch sinnvoll.Wenn wir unseren Kindern etwas Gutes tun wollen, dann machen wir sie stark für einLeben in dieser verwirrend-bunten Welt und drängen sie nicht ab in eine schwarzweißeScheinwirklichkeit.Doch wie macht man Kinder stark für eine Welt, die immer raffiniertere Methodenentwickelt, sie zu ‚bannen’ und auf ein potentielles Konsumentendasein zu reduzieren?• Indem man ihnen vom ersten (Lebens-)Moment an alles an Zuwendung, Geborgenheitund Sicherheit gibt, was menschenmöglich ist.• Indem man sie nicht permanent unter Druck setzt nach dem Motto: „Wenn dunicht das Letzte aus dir herausholst, dann wirst du in dieser Ellenbogengesellschaftnicht bestehen, kein Abi machen, nicht studieren können, ….“• Der Göttinger Neurobiologe Gerald Hüther sagt: Macht Kinder stark, indem ihrihnen positive Selbstbilder vermittelt. Nur wer an sich selbst glaubt, wer seineneigenen inneren Bildern (ver)traut, hat die Kraft im Leben zu bestehen. In seinemBuch ‚Die Macht der inneren Bilder’ 1 berichtet er von einem renommiertenSchweizer Anwalt, den er ‚durch Zufall’ auf einer Bahnfahrt traf und dessen‚Schulkarriere’ eigentlich mit dem 10. Lebensjahr in einem Kinderheim für‚Schwererziehbare’ bereits zu Ende schien. Doch die Wende kam mit einem Lehrer,der diesem Kind anders als die Erzieher/innen zuvor begegnete: „Er war der ersteMensch, dem ich bis dahin begegnet war, der mich wirklich angeschaut und mich– so, wie ich war – einfach angenommen hat. … Irgendwie hat es dieser Lehrergeschafft, in mir das Gefühl zu wecken, wirklich wichtig zu sein.“ 2„Du bist wichtig und du bist stark!“, möchte ich dem Mädchen gerne sagen. „Du bistdem nicht hilflos ausgeliefert, was tagtäglich auf dich einstürmt!“ Und dann würdeich dem Mädchen noch gerne ein paar Zeilen aus Psalm 8 vorlesen:1 Gerald Hüther: Die Macht der inneren Bilder. Wie Visionen das Gehirn, den Menschen und die Welt verändern, Göttingen2004.2 ebd. S. 107.VILLIGSTER MEDIEN 3/2005 „MEIN LEBEN IST WIE ...“

B ANDACHTENSEITE 17„Wenn ich sehe den Himmel, deiner Finger Werk,den Mond und die Sterne, die du bereitet hast,was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst,und des Menschen Kind,dass du dich seiner annimmst?Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott,mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt.“ (Ps. 8, 4-6)Sich angesichts der Unendlichkeit der Schöpfung seiner eigenen Grenzen bewusst zusein und zugleich doch an die Größe des eigenen Auftrags zu glauben, muss kein Widerspruchsein. Jeder Mensch ist einmalig und von Gott beauftragt, als sein Gegenüberund Mitarbeiter an der Gestaltung dieser Welt mitzuwirken. Was kann es Größeresgeben?Ob der Grafiker dieses Plakates ähnliche Gedanken hatte wie ich, weiß ich nicht. Mirgefallen die Bildquadrate am besten, die in kein Schema und auch in keine (Gesellschafts-)Theoriepassen:Ein kleines weißes Schmusetier, ein Notenblatt, eine Geige mit dem dazu gehörigenBogen, eine einsame Straße, ein still gelegenes Haus und so etwas ‚Rückständiges’ wieein ganz normaler Briefkasten.Gerne würde ich zum Schluss der Unbekannten noch einen Wunsch mit auf den Wegzu dem einsamen Haus geben: „Lass dich von diesen vielen Eindrücken nicht verwirren.Zieh dich immer mal wieder an so einen stillen Ort, an dem du allein sein kannst,zurück - ohne Handy, Discman und PC. Nimm dein Schmusetier mit und lass es direine Kraftquelle sein, solange du es willst und brauchst. Wenn du magst, nimm dieGeige mit und etwas Briefpapier, um etwas (auf)schreiben zu können. Ich bin sicher,in dir werden Gedanken, Melodien und innere Bilder entstehen, die nur dir gehören,die einmalig sind. Und wenn du magst, dann schreibst du einen Brief – vielleichtauch an Gott (?) – und dankst ihm dafür, dass er dich so wunderbar gemacht hat.“Mein Leben ist wie ...(Meinfried Jetzschke)„Mein Leben ist wie ...“. Dieser Satz steht als Impuls am Anfang einer Gesprächsrunde.Die Schülerinnen und Schüler der Klasse 10a einer Realschule werden vom Gesprächsleiterder Religiösen Schulwoche gebeten, den Satz zu ergänzen.Stirnrunzeln macht sich breit: „Mein Leben ist wie ... ja, wie ist denn mein Leben?“„Mein Leben ist wie ein Puzzle. Ich krieg’s bloß nicht zusammen“, schreibt Sandra,und mutig liest sie diesen Satz vor. Einige Mitschüler/innen horchen auf. Ihre Blickeverraten Interesse und Mitgefühl. Einige Jungs verschränken die Arme und lehnensich auf ihren Stühlen bewusst „cool“ zurück. Immerhin: Ihre Reaktion zeigt, dass siewissen, worum es geht. Es geht um Fragen wie:Wer bin ich? Wie sehe ich mich selbst, wie sehen mich andere? Was ist meine Rolleals Mann, als Frau, als Mitglied einer Clique, als Gegenüber von Eltern und anderenAutoritäten? Werde ich gebraucht, bin ich etwas wert oder ganz konkret - bekommeich einen Ausbildungsplatz? Wie soll mein Leben demnächst aussehen? Möchte icheinmal so leben wie meine Eltern? Warum lässt Gott soviel Elend auf der Welt zu?Was gibt mir Halt und Geborgenheit? Was ist Glück?VILLIGSTER MEDIEN 3/2005 „MEIN LEBEN IST WIE ...“

B ANDACHTENSEITE 16Diskjockey bei <strong>der</strong> Arbeit mit dem dazu passenden ‚Hard-Rock-Cafe’, einen Strandmit Palmen, einen eleganten Damenschuh und einen Sportschuh mit Fußball, einenWildwasserkanuten, Billardkugeln, unterschiedliche Graffitis und ein paar 50 €-Scheine im Kopf des Mädchens unterbringen.Doch das ist längst nicht alles: Noch nicht genannt habe ich die Symbole für die aktuellePatriotismus-Diskussion in den USA, aber auch bei uns in Deutschland: dieFreiheitsstatue und die schwarz-rot-goldene Bundesdienstflagge. Und bei einem Plakat,das für das Fach Religion wirbt, dürfen natürlich auch religiöse Symbole nichtfehlen: Eine Moschee, eine weiße (‚Friedens’)Taube, ein Halskettchen mit Kreuzanhänger,ein Handschlag und als Zeichen <strong>der</strong> Solidarität und Mitmenschlichkeit eine roteSchleife <strong>der</strong> internationalen Aidshilfe.„Armes Kind“, denke ich, „da muss dir ja <strong>der</strong> Kopf zerspringen, wenn du als Projektionsflächeall’ dessen herhalten musst, was uns heute umtreibt und quält.“Aber natürlich hat <strong>der</strong> Grafiker recht: Alles das, was er in das Bild eingezeichnet hat,stürmt auf unsere Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen ein. Sie grundsätzlich davor bewahren zuwollen, ist vielleicht gut gemeint, aber letztlich we<strong>der</strong> möglich noch sinnvoll.Wenn wir unseren Kin<strong>der</strong>n etwas Gutes tun wollen, dann machen wir sie stark für einLeben in dieser verwirrend-bunten Welt und drängen sie nicht ab in eine schwarzweißeScheinwirklichkeit.Doch wie macht man Kin<strong>der</strong> stark für eine Welt, die immer raffiniertere Methodenentwickelt, sie zu ‚bannen’ und auf ein potentielles Konsumentendasein zu reduzieren?• Indem man ihnen vom ersten (Lebens-)Moment an alles an Zuwendung, Geborgenheitund Sicherheit gibt, was menschenmöglich ist.• Indem man sie nicht permanent unter Druck setzt nach dem Motto: „Wenn dunicht das Letzte aus dir herausholst, dann wirst du in dieser Ellenbogengesellschaftnicht bestehen, kein Abi machen, nicht studieren können, ….“• Der Göttinger Neurobiologe Gerald Hüther sagt: Macht Kin<strong>der</strong> stark, indem ihrihnen positive Selbstbil<strong>der</strong> vermittelt. Nur wer an sich selbst glaubt, wer seineneigenen inneren Bil<strong>der</strong>n (ver)traut, hat die Kraft im Leben zu bestehen. In seinemBuch ‚Die Macht <strong>der</strong> inneren Bil<strong>der</strong>’ 1 berichtet er von einem renommiertenSchweizer Anwalt, den er ‚durch Zufall’ auf einer Bahnfahrt traf und dessen‚Schulkarriere’ eigentlich mit dem 10. Lebensjahr in einem Kin<strong>der</strong>heim für‚Schwererziehbare’ bereits zu Ende schien. Doch die Wende kam mit einem Lehrer,<strong>der</strong> diesem Kind an<strong>der</strong>s als die Erzieher/innen zuvor begegnete: „Er war <strong>der</strong> ersteMensch, dem ich bis dahin begegnet war, <strong>der</strong> mich wirklich angeschaut und mich– so, wie ich war – einfach angenommen hat. … Irgendwie hat es dieser Lehrergeschafft, in mir das Gefühl zu wecken, wirklich wichtig zu sein.“ 2„Du bist wichtig und du bist stark!“, möchte ich dem Mädchen gerne sagen. „Du bistdem nicht hilflos ausgeliefert, was tagtäglich auf dich einstürmt!“ Und dann würdeich dem Mädchen noch gerne ein paar Zeilen aus Psalm 8 vorlesen:1 Gerald Hüther: Die Macht <strong>der</strong> inneren Bil<strong>der</strong>. Wie Visionen das Gehirn, den Menschen und die Welt verän<strong>der</strong>n, Göttingen2004.2 ebd. S. 107.VILLIGSTER MEDIEN 3/<strong>2005</strong> „MEIN LEBEN IST WIE ...“

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