Relativitätstheorie - Fakultät für Physik und Astronomie - Universität ...

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130 Feldgleichen der Allgemeinen Relativitätstheorie Aber, so werden Sie einwenden, in der speziellen Relativitätstheorie war der Minkonwskiraum doch mit der wahren Raumzeit identisch, dort war doch der Minkowskiraum eine physikalisch existierende Realität. Wo ist diese Raumzeit geblieben? Die Antwort ist, dass eine solche Raumzeit zwar für den gravitationsfreien Fall eine mögliche Beschreibungsweise ist, dass diese aber in der allgemeinen Relativitätstheorie ihren Sinn verliert. Beispiel: Was passiert, wenn man im Universum ein homogenes statisches Gravitationsfeld einschalten könnte? Die Galaxien würden in diesem Feld abgelenkt werden, würden also auf der Mannigfaltigkeit bei gleichen Anfangsbedingungen eine andere Bahn beschreiben als ohne Feld. Trotzdem würden wir von diesem Feld nichts spüren. Die Schlussfolgerung: Weder das homogene Feld noch die Mannigfaltigkeit existieren wirklich, sondern sie erweisen sich als redundante Elemente der mathematischen Beschreibung, sozusagen als “Eichfreiheit”. An dieser Stelle rutscht der Boden unter den Füßen weg, weil wir von einer liebgewonnenen Vorstellung Abschied nehmen müssen: von Newtons absolutem Raum. Es gibt ihn nicht, auch nicht gekrümmt, es gibt stattdessen nur das Gravitationsfeld. Newton hat das verschwindende Gravitationsfeld fälschlich für einen absoluten Raum gehalten. Um trotzdem Gravitation beschreiben zu können, hat er auf diesem Gravitationsfeld künstlich ein zweites Gravitationsfeld eingeführt, das als instantane Fernwechselwirkung implementiert ist. 6.2 Feldgleichungen 6.2.1 Konzept Die Einsteinschen Feldgleichungen beschreiben, wie Materie die Raumzeit krümmt. Dabei versteht man unter ‘Materie’ alles, was nicht Gravitation ist. Dazu gehören alle Formen von Materie, Ladungen und Strahlungen, die nicht gravitativer Natur sind, also in heutiger Sprechweise alle Elementarteilchen und Eichbosonen mit Ausnahme des Gravitons. Abgeleitet werden die Feldgleichungen – wie immer – von einem Wirkungsprinzip. Dabei wird angenommen, dass sich die Gesamtwirkung des Universums additiv aus einem gravitativen und einem materiellen Anteil zusammensetzt, d.h. S = SG + SM. (6.2) Die Wirkungsanteile lassen sich schreiben als Integrale über die gesamte Mannigfaltigkeit über die entsprechenden Lagrange-4-Formen LM,G � � S = γ LG + (6.3) bzw. in einer Koordinatendarstellung als Integrale über Lagrangedichten � � S = γ √ 4 LG −g d x + LM √ 4 LM −g d x. (6.4) Dass sich die Wirkung als Summe eines gravitativen und eines nichtgravitativen Anteils schreiben lässt, suggeriert auf den ersten Blick, dass diese beiden Anteile nicht wechselwirken würden. In der nichtrelativitischen Physik, in der die Raumzeit ein statischer Container ist, wäre Haye Hinrichsen — Allgemeine Relativitätstheorie

6.2 Feldgleichungen 131 diese Denkweise richtig. In der Allgemeinen Relativitätstheorie wird aber die Raumzeit selbst zum dynamischen Objekt, eine Variation der Raumzeit im ersten Integral führt deshalb in der Regel auch zu einer Änderung im zweiten Integral, weil nämlich dort über die Raumzeit integriert wird. In einer Koordinatendarstellung äußert sich diese Kopplung dadurch, dass man im zweiten Integral alle partiellen Ableitungen durch kovariante Ableitungen ersetzen muss und damit der Wert des Integrals von den Christoffelsymbolen abhängen wird. Da die beiden Wirkungsanteile also indirekt über die Geometrie der Mannigfaltigkeit gekoppelt sind, muss man durch eine Kopplungskonstante γ angeben, wie stark die beiden Wirkungsanteile gewichtet sind. Diese Kopplungskonstante hat die Qualität einer neuen Naturkonstanten und beschreibt, wie stark eine Masse die Raumzeit verbiegt. Zu variierende Größen Welche Größen sind in den Wirkungsintegralen zu variieren, um zu den Bewegungsgleichungen zu gelangen? Da die Bahn eines Teilchens im Gravitationsfeld eine geodätische Linie ist, also wegen Gl. (4.25) von den Christoffelsymbolen abhängt, diese aber wiederum via Gl. (4.31) vom metrischen Tensor abhängen, sind es die Komponenten des metrischen Tensors, die variiert werden müssen. Bemerkung: Es gibt mehrere formale Herangehensweisen, die sich darin unterscheiden, welche Größen man als ‘das Gravitationsfeld’ betrachtet. Die traditionelle ursprünglich von Einstein benutzte Herangehensweise interpretiert die Metrik als das Gravitationsfeld, variiert also nach den Komponenten des metrischen Tensors. Diese Methode hat allerdings den Nachteil, dass man fermionische Quantenfelder nicht konsistent integrieren kann, und wird deshalb zunehmend durch modernere Varianten abgelöst, von denen wir einige weiter unten besprechen werden. Die wichtigste heute benutzte Variante interpretiert die lokale Minkowski-Basis (Vierbein) als Gravitationsfeld. 6.2.2 Wirkung SG des Gravitationsfeldes und Feldgleichungen im Vakuum Welche Form hat die Lagrangedichte des Gravitationsfeldes? Auch hier lässt man sich vom heuristischen Prinzip der Einfachheit leiten. Der einfachste Skalar, der die Krümmung der Mannigfaltigkeit beschreibt, ist der Ricci- Krümmungsskalar R = R µ µ. Doch gibt es noch einen einfacheren Skalar, nämlich eine Konstante. Diese hat einen physikalischen Effekt, denn sie würde in der Lagrangedichte zu einem Term führen, der proportional zum Vierervolumen ist (also in Differentialformen der Volumenform entsprechen). Eine solche Konstante würde also je nach Vorzeichen eine homogene Expansion oder eine Kontraktion der Raumzeit bewirken, also wie ein gravitativer bzw. antigravitativer homogener “Äther” das gesamte Universum durchsetzen. Bezeichnet man diese Konstante als 2Λ, dann lautet die Wirkung des Gravitationsfeldes � SG = γ (R − 2Λ) √ −g d 4 x. (6.5) Die Konstante Λ bezeichnet man als kosmologische Konstante. Sie hat eine wechselvolle Geschichte, auf die wir noch später zurückkommen werden. Haye Hinrichsen — Allgemeine Relativitätstheorie

6.2 Feldgleichungen 131<br />

diese Denkweise richtig. In der Allgemeinen <strong>Relativitätstheorie</strong> wird aber die Raumzeit selbst<br />

zum dynamischen Objekt, eine Variation der Raumzeit im ersten Integral führt deshalb in der<br />

Regel auch zu einer Änderung im zweiten Integral, weil nämlich dort über die Raumzeit integriert<br />

wird. In einer Koordinatendarstellung äußert sich diese Kopplung dadurch, dass man im<br />

zweiten Integral alle partiellen Ableitungen durch kovariante Ableitungen ersetzen muss <strong>und</strong><br />

damit der Wert des Integrals von den Christoffelsymbolen abhängen wird.<br />

Da die beiden Wirkungsanteile also indirekt über die Geometrie der Mannigfaltigkeit gekoppelt<br />

sind, muss man durch eine Kopplungskonstante γ angeben, wie stark die beiden Wirkungsanteile<br />

gewichtet sind. Diese Kopplungskonstante hat die Qualität einer neuen Naturkonstanten<br />

<strong>und</strong> beschreibt, wie stark eine Masse die Raumzeit verbiegt.<br />

Zu variierende Größen<br />

Welche Größen sind in den Wirkungsintegralen zu variieren, um zu den Bewegungsgleichungen<br />

zu gelangen? Da die Bahn eines Teilchens im Gravitationsfeld eine geodätische Linie ist, also<br />

wegen Gl. (4.25) von den Christoffelsymbolen abhängt, diese aber wiederum via Gl. (4.31)<br />

vom metrischen Tensor abhängen, sind es die Komponenten des metrischen Tensors, die variiert<br />

werden müssen.<br />

Bemerkung: Es gibt mehrere formale Herangehensweisen, die sich darin unterscheiden, welche Größen<br />

man als ‘das Gravitationsfeld’ betrachtet. Die traditionelle ursprünglich von Einstein benutzte<br />

Herangehensweise interpretiert die Metrik als das Gravitationsfeld, variiert also nach den Komponenten<br />

des metrischen Tensors. Diese Methode hat allerdings den Nachteil, dass man fermionische<br />

Quantenfelder nicht konsistent integrieren kann, <strong>und</strong> wird deshalb zunehmend durch modernere Varianten<br />

abgelöst, von denen wir einige weiter unten besprechen werden. Die wichtigste heute benutzte<br />

Variante interpretiert die lokale Minkowski-Basis (Vierbein) als Gravitationsfeld.<br />

6.2.2 Wirkung SG des Gravitationsfeldes <strong>und</strong> Feldgleichungen im Vakuum<br />

Welche Form hat die Lagrangedichte des Gravitationsfeldes? Auch hier lässt man sich vom<br />

heuristischen Prinzip der Einfachheit leiten.<br />

Der einfachste Skalar, der die Krümmung der Mannigfaltigkeit beschreibt, ist der Ricci-<br />

Krümmungsskalar R = R µ µ. Doch gibt es noch einen einfacheren Skalar, nämlich eine Konstante.<br />

Diese hat einen physikalischen Effekt, denn sie würde in der Lagrangedichte zu einem Term<br />

führen, der proportional zum Vierervolumen ist (also in Differentialformen der Volumenform<br />

entsprechen). Eine solche Konstante würde also je nach Vorzeichen eine homogene Expansion<br />

oder eine Kontraktion der Raumzeit bewirken, also wie ein gravitativer bzw. antigravitativer homogener<br />

“Äther” das gesamte Universum durchsetzen. Bezeichnet man diese Konstante als 2Λ,<br />

dann lautet die Wirkung des Gravitationsfeldes<br />

�<br />

SG = γ (R − 2Λ) √ −g d 4 x. (6.5)<br />

Die Konstante Λ bezeichnet man als kosmologische Konstante. Sie hat eine wechselvolle Geschichte,<br />

auf die wir noch später zurückkommen werden.<br />

Haye Hinrichsen — Allgemeine <strong>Relativitätstheorie</strong>

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