Relativitätstheorie - Fakultät für Physik und Astronomie - Universität ...

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110 Elektrodynamik als Eichtheorie Abbildung 5.1: Bausteine der Elektrodynamik. (a) In jedem Punkt der Raumzeit wird ein kompaktifizierter eindimensionaler Raum in Form eines Kreises aufgehängt. (b,c) Die Kreise benachbarter Punkte der Raumzeit werden durch Verbindungselemente verklebt. Diese können ‘gerade’ oder ‘verdreht’ sein. (d) Wäre die Raumzeit eindimensional, erhielte man durch die Verklebung einen Torus. Bemerkung: Die Bezeichnung U(n) steht für “unitäre Transformation in n Dimensionen” und analog SU(n) für “spezielle unitäre Transformationen in n Dimensionen”. Diese Gruppen sind die komplexen Gegenstücke zu den orthogonalen Gruppen O(n) bzw. SO(n) der reellen Drehungen und Spiegelungen. Die Gruppenelemente kann man sich als komplexwertige Drehungen auf C n vorstellen, die das Standard-Skalarprodukt auf diesem Raum erhalten. Die Gruppe U(1) beschreibt dementsprechend Drehungen einer komplexen Zahl in der komplexen Ebene, ist also isomorph zur Kreisgruppe. Sie ist als einzige dieser Lie-Gruppen kommutativ und besitzt nur einen einzigen Generator. Wir betrachten nun eine relativistische Theorie mit einer intrinschen U(1)-Symmetrie, wobei wir Gravitationseffekte vernachlässigen wollen. In einer solchen Theorie ist die Raumzeit ein ebener Minkowskiraum R 3+1 , in dem an jedem Punkt ein Kreis aufghängt ist. Um davon ein anschauliches Verständnis zu entwickeln, stellen wir uns die Raumzeit zunächst eindimensional vor, als ob es nur die x-Achse gäbe (siehe Abb. 5.1d). Ferner wollen wir uns diese Achse als diskrete Folge von Punkten vorstellen. In jedem dieser Punkte wird nun ein Kreis aufgehängt. Ein Teilchen wird nun nicht nur mehr allein durch seinen Aufenthaltsort auf der x-Achse, sondern zusätzlich durch seine entsprechende Position auf dem Kreis charakterisiert. Um sich entlang der x-Achse bewegen zu können, ist es notwendig, die Kreise miteinander zu verbinden. Dies geschieht durch schlauchartige Verbindungselemente, mit denen Teilchen von einem Kreis zum nächsten transportiert werden können. Die Verbindungsstücke können entweder gerade (Abb. 5.1b) oder in sich verdreht sein (Abb. 5.1c), je nachdem ob sich bei einem Transport des Teilchens die Lage auf dem Kreis ändert oder nicht. Wären alle Kreise mit geraden Schläuchen verbunden, würden Teilchen, die z.B. am ‘tiefsten Punkt’ des Kreises ruhen, bei Bewegung durch die Raumzeit auch dort verbleiben. Ein makroskopischer Beobachter würde in diesem Fall die Existenz der kleinen Kreise gar nicht bemerken. Echte physikalische Effekte kommen erst dadurch zustande, dass die Verbindungselemente verdreht sein können. Bemerkung: Im Rahmen der klassischen Physik besteht der Raum natürlich nicht aus äquidistanten Punkten, sondern aus einem Kontinuum von Punkten. Der in Abb. 5.1d dargestellte Raum ist also in Wirklichkeit ein kontinuierlicher Torus R ⊕ S 1 . Die diskretisierte Version wird hier jedoch aus folgenden Gründen benutzt: 1. Die Verbindungselemente veranschaulichen das mathematische Konzept eines Zusammenhangs. 2. Während man sich den tatsächlichen Raum R 3+1 ⊕S 1 ohnehin nicht vorstellen kann, vermittelt die Diskretisierung zumindest eine teilweise Anschaulichkeit des Raumes R 2 ⊕ S 1 (s.u.). Haye Hinrichsen — Allgemeine Relativitätstheorie

5.1 U(1)-Eichtheorie 111 3. Bei Computersimulationen von Quantenfeldtheorien, sogenannten Gittereichtheorien, wird das Kontinuum tatsächlich auf die beschriebene Weise diskretisiert. 4. Es wird erwartet, dass die Raumzeit auf der Planck-Skala von 10 −35 m eine noch unbekannte Mikrostruktur besitzt, die auf eine effektive Diskretisierung hinauslaufen könnte. Ein möglicher Ansatz ist die Quantenschleifengravitation (engl. quantum loop gravity), wie sie z.B. von Carlo Rovelli beschrieben wird [14]. Die hier gewählte Präsentation soll auf diese neuen Ansätze hinführen und deren Verständnis erleichtern. Ein gerades Verbindungselement ist eine identische Abbildung von einem Kreis auf den nächsten, ein verdrehtes Verbindungselement bewirkt dagegen eine zusätzliche Translation auf dem Kreises. Die Verbindungselemente sind also selbst nichts anderes als Symmetrietransformationen und damit Gruppenelemente der Symmetriegruppe U(1). Hier erkennen wir bereits ein grundlegendes Konstruktionsprinzip von Eichtheorien: Die intrinsischen Freiheitsgrade sind räumlich durch Gruppenelemente der entsprechenden Symmetriegruppe miteinander verbunden. Da wir es in Wirklichkeit nicht mit einer diskreten Punktmenge sondern mit einem Kontinuum von Punkten mit daran aufgehängten Kreisen zu tun haben, können wir annehmen, dass die Verbindungselemente sehr klein sind und deshalb zwischen Kreisen im Abstand dx im Limes dx → 0 nur infinitesimale Verdrehungen bewirken. Die Verbindungslemente g ∈ U(1) sind also infinitesimale Transformationen, die sich also nur geringfügig von der identischen Abbildung unterscheiden und sich deshalb in erster Ordnung Taylor-entwickeln lassen: g = � + ∆ dx (5.1) Die Größe ∆ ist der Generator dieser infinitesimalen Transformation und ist als solcher ein Element der Lie-Algebra der Symmetriegruppe. Genauer: Die Lie-Algebra u(1) der Lie-Gruppe U(1) ist sehr einfach, da sie kommutativ ist und nur einen einzigen Generator a besitzt. Dieser Generator erfüllt die Relation a 2 = −1 und lässt sich deshalb am einfachsten in der komplexen Ebene mit a = i darstellen. 5.1.2 Darstellung der intrinsischen Freiheitsgrade Um mit intrischen Freiheitsgraden rechnen zu können, ist es wie immer notwendig, eine geeignete Darstellung zu wählen. Es ist üblich, den Kreis als einen Einheitskreis in der komplexen Ebene z ∈ C, |z| = 1 darzustellen. Der hier betrachtete Raum R ⊕ S 1 wird also durch zwei Koordinaten x,z beschrieben. Bei der Definition des Koordinatensystems hat man allerdings die Freiheit, den Ursprung des Koordinatensystems z = 1 auf dem jedem der Kreise willkürlich festzulegen. Diese Freiheit wird als Eichfreiheit bezeichnet, – eine Eichung ist also nicht anderes eine spezielle Wahl des Koordinatensystems in einem intrinsischen Raum. Wir werden im folgenden Abschnitt darauf zurückkommen. Sobald ein bestimmtes Koordinatensystem gewählt ist, lässt sich ein Punkt auf dem Kreis an der Stelle x, der dort die Koordinate z(x) besitzt, über die Verbindungsstücke ‘parallel verschieben’ zum benachbarten Kreis an der Stelle x + dx, wo er dann die Koordinate z �(x + dx) = g(x)z(x) (5.2) besitzt. Das Gruppenelement g ∈ U(1) wird dabei ebenfalls als komplexe Zahl auf dem Einheitskreis dargestellt. Da sich diese Transformation gemäß Gl. (5.1) für kleine dx nur wenig von Haye Hinrichsen — Allgemeine Relativitätstheorie

5.1 U(1)-Eichtheorie 111<br />

3. Bei Computersimulationen von Quantenfeldtheorien, sogenannten Gittereichtheorien, wird das<br />

Kontinuum tatsächlich auf die beschriebene Weise diskretisiert.<br />

4. Es wird erwartet, dass die Raumzeit auf der Planck-Skala von 10 −35 m eine noch unbekannte<br />

Mikrostruktur besitzt, die auf eine effektive Diskretisierung hinauslaufen könnte. Ein möglicher<br />

Ansatz ist die Quantenschleifengravitation (engl. quantum loop gravity), wie sie z.B. von<br />

Carlo Rovelli beschrieben wird [14]. Die hier gewählte Präsentation soll auf diese neuen Ansätze<br />

hinführen <strong>und</strong> deren Verständnis erleichtern.<br />

Ein gerades Verbindungselement ist eine identische Abbildung von einem Kreis auf den<br />

nächsten, ein verdrehtes Verbindungselement bewirkt dagegen eine zusätzliche Translation auf<br />

dem Kreises. Die Verbindungselemente sind also selbst nichts anderes als Symmetrietransformationen<br />

<strong>und</strong> damit Gruppenelemente der Symmetriegruppe U(1). Hier erkennen wir bereits<br />

ein gr<strong>und</strong>legendes Konstruktionsprinzip von Eichtheorien:<br />

Die intrinsischen Freiheitsgrade sind räumlich durch Gruppenelemente der<br />

entsprechenden Symmetriegruppe miteinander verb<strong>und</strong>en.<br />

Da wir es in Wirklichkeit nicht mit einer diskreten Punktmenge sondern mit einem Kontinuum<br />

von Punkten mit daran aufgehängten Kreisen zu tun haben, können wir annehmen, dass die<br />

Verbindungselemente sehr klein sind <strong>und</strong> deshalb zwischen Kreisen im Abstand dx im Limes<br />

dx → 0 nur infinitesimale Verdrehungen bewirken. Die Verbindungslemente g ∈ U(1) sind also<br />

infinitesimale Transformationen, die sich also nur geringfügig von der identischen Abbildung<br />

unterscheiden <strong>und</strong> sich deshalb in erster Ordnung Taylor-entwickeln lassen:<br />

g = � + ∆ dx (5.1)<br />

Die Größe ∆ ist der Generator dieser infinitesimalen Transformation <strong>und</strong> ist als solcher ein Element<br />

der Lie-Algebra der Symmetriegruppe.<br />

Genauer: Die Lie-Algebra u(1) der Lie-Gruppe U(1) ist sehr einfach, da sie kommutativ ist <strong>und</strong><br />

nur einen einzigen Generator a besitzt. Dieser Generator erfüllt die Relation a 2 = −1 <strong>und</strong> lässt sich<br />

deshalb am einfachsten in der komplexen Ebene mit a = i darstellen.<br />

5.1.2 Darstellung der intrinsischen Freiheitsgrade<br />

Um mit intrischen Freiheitsgraden rechnen zu können, ist es wie immer notwendig, eine geeignete<br />

Darstellung zu wählen. Es ist üblich, den Kreis als einen Einheitskreis in der komplexen<br />

Ebene z ∈ C, |z| = 1 darzustellen. Der hier betrachtete Raum R ⊕ S 1 wird also durch zwei Koordinaten<br />

x,z beschrieben. Bei der Definition des Koordinatensystems hat man allerdings die<br />

Freiheit, den Ursprung des Koordinatensystems z = 1 auf dem jedem der Kreise willkürlich<br />

festzulegen. Diese Freiheit wird als Eichfreiheit bezeichnet, – eine Eichung ist also nicht anderes<br />

eine spezielle Wahl des Koordinatensystems in einem intrinsischen Raum. Wir werden im<br />

folgenden Abschnitt darauf zurückkommen.<br />

Sobald ein bestimmtes Koordinatensystem gewählt ist, lässt sich ein Punkt auf dem Kreis an<br />

der Stelle x, der dort die Koordinate z(x) besitzt, über die Verbindungsstücke ‘parallel verschieben’<br />

zum benachbarten Kreis an der Stelle x + dx, wo er dann die Koordinate<br />

z �(x + dx) = g(x)z(x) (5.2)<br />

besitzt. Das Gruppenelement g ∈ U(1) wird dabei ebenfalls als komplexe Zahl auf dem Einheitskreis<br />

dargestellt. Da sich diese Transformation gemäß Gl. (5.1) <strong>für</strong> kleine dx nur wenig von<br />

Haye Hinrichsen — Allgemeine <strong>Relativitätstheorie</strong>

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