Relativitätstheorie - Fakultät für Physik und Astronomie - Universität ...
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94 Differentialgeometrie<br />
Abbildung 4.6: Paralleltransport eines Tangentialvektors entlang einer Kurve c (siehe Text).<br />
Wir wollen dieses Phänomen nun etwas genauer formulieren. Abb. 4.6 zeigt einen Teil der<br />
Bahnkurve eines Schiffes dargestellt auf einer Karte. Dieses Schiff transportiert einen Tagentialvektor<br />
Z vom Punkt c(λ) zum Punkt c(λ + δλ) gemäß des oben beschriebenen Protokolls. Das<br />
Resultat dieser Verschiebung sei der Vektor Z ′ . Obwohl der Vektor in Wirklichkeit seine Richtung<br />
beibehält, wird er in der Darstellung auf einer Karte im allgemeinen seine Richtung ändern,<br />
d.h. Z ′ weist auf der Karte in eine andere Richtung als Z. Auf der Karte reicht es also nicht aus,<br />
den Vektor Z lediglich zu verschieben (das ergäbe den gestrichelten Vektor), sondern es ist eine<br />
zusätzliche Korrektur erforderlich, die in der Abbildung als roter Differenzvektor dargestellt ist.<br />
Dieser rote Differenzvektor wird um so größer sein, je größer die Verschiebung δλ ist <strong>und</strong> je<br />
länger der zu verschiebende Vektor ist. Für δλ ≪ 1 ist es deshalb vernünftig anzunehmen, dass<br />
beide Abhängigkeiten linear sind. Wir erwarten also, dass<br />
δZ = δλ Γ(X,Z) (4.10)<br />
ist, wobei X = d<br />
dλ c(λ) der Tangentialvektor entlang der Kurve <strong>und</strong> Γ(X,Z) eine in einem noch<br />
zu präzisierenden Sinne bilineare Abbildung zweier Vektoren X <strong>und</strong> Y auf einen Vektor ist. Für<br />
gegebenes X ist hat man damit also eine lineare Abbildung zur Verfügung, welche auf der Karte<br />
die erforderliche Richtungskorrektur von Y generiert, damit dieser Vektor seine ‘wirkliche’<br />
Richtung auf T M beibehält.<br />
4.2.3 Ableitung von Vektorfeldern<br />
Wir betrachten nun ein Tangentialvektorfeld Y auf der Mannigfaltigkeit. Ein Beispiel wäre die<br />
Windgeschwindigkeit auf der Erdoberfläche, die wir uns als ortsabhängig jedoch zeitunabhängig<br />
vorstellen. Von einer Richtungsableitung ∇XY dieses Vektorfeldes erwarten wir, dass sie darüber<br />
Auskunft gibt, wie sich das Vektorfeld in niedrigster Ordnung ändert, wenn man sich ein kleines<br />
Stück in die Richtung X geradeaus bewegt. Mit anderen Worten: Die Richtungsableitung liefert<br />
die Änderungsrate von Y bei Bewegung in Richtung X <strong>und</strong> ist damit selbst vektorwertig.<br />
Aus der Perspektive des Kapitäns ist diese Ableitung einfach zu bilden. Zunächst misst er<br />
Windgeschwindigkeit, stellt also den aktuellen Wert des Vektorfeldes am Aufenthaltsort des<br />
Schiffes fest. Der Kapitän segelt dann ein Stück in eine gegebene Richtung, wobei er den gemessenen<br />
Vektor unverändert lässt, also gemäß dem oben beschriebenen Protokoll parallel transportiert.<br />
Danach wird die Windrichtung erneut gemessen <strong>und</strong> mit der alten, d.h. mit dem parallel<br />
Haye Hinrichsen — Allgemeine <strong>Relativitätstheorie</strong>