Dateidownload als PDF - des TuS Wieren von 1921 eV
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<strong>Wieren</strong> und der Kirchenbau <strong>von</strong> 1909 bis 1911<br />
<strong>von</strong> Walter Schröder (erschienen in der AZ-Beilage „Heidewanderer“ Januar 1987)<br />
Die AZ berichtete am 13. November 1986 über das Kirchenweihfest in <strong>Wieren</strong>. Am 5. November<br />
1911 war die neue Kirche eingeweiht worden. In diesem Jahr konnte man das 75jährige<br />
Jubiläum feiern. Der nachfolgende Bericht gibt Auskunft über die wirtschaftlichen Hintergründe<br />
und über den Kirchbau in <strong>Wieren</strong> um die Jahrhundertwende.<br />
Golden leuchtet das Kreuz auf der Kirchturmspitze<br />
Golden leuchtet das Kreuz auf der Kirchturmspitze in der Sonne. Die <strong>Wieren</strong>er Kirchengemeinde<br />
wollte einen Turm, der <strong>von</strong> überall her im Kirchspiel zu sehen war, auch <strong>von</strong> Drohe aus. Pastor<br />
Fricke, Vorsitzender <strong>des</strong> <strong>Wieren</strong>er Kirchenvorstan<strong>des</strong>, hatte schon 1908 einem Architekten aus<br />
Hannover mitgeteilt, "dass die Kirchengemeinde <strong>von</strong> Einwürfen im sogenannten Niedersachsen-<br />
oder Dorfstil nichts wissen will." Kirchenvorsteher und Gemeinde hatten eigene Vorstellungen.<br />
So entstand in den Jahren 1909-1911 diesen Vorstellungen gemäß die neue <strong>Wieren</strong>er Kirche <strong>als</strong><br />
weithin sichtbares Zeichen für alle Gläubigen, Orientierungspunkt für Durchreisende, steinerne<br />
Zeuge der Empfindungen der Menschen um die Jahrhundertwende.<br />
Jede geschichtliche Epoche hat dem Geist ihrer Zeit sichtbaren Ausdruck verliehen durch<br />
Kunstdenkmäler oder Bauten, die den Bedürfnissen ihrer Zeit entsprachen. Heute baut man<br />
Einrichtungen für Freizeit und Erholung, Sportstätten, Freizeitparks, Gemeinschaftshäuser. Um<br />
die Jahrhundertwende waren es neue Kirchen. Allein im Kirchspiel Lehmke entstanden<br />
innerhalb <strong>von</strong> 16 Jahren drei neue Kirchen: Emern (1893). Lehmke (1898) und Ostedt (1909).<br />
Leider wurden in diesen Orten die alten Kirchen abgerissen. In <strong>Wieren</strong> blieb sie stehen; die<br />
Regierung in Lüneburg hatte das zur Auflage gemacht und für den Erhalt finanzielle<br />
Unterstützung zugesagt.<br />
Jeden Sonntag in die Kirche<br />
Der Bau dieser vielen Kirchen zeugt <strong>von</strong> der tiefen Gläubigkeit, insbesondere der dörflichen<br />
Bevölkerung um die Jahrhundertwende. Man ging jeden Sonntag in die Kirche, nur ein<br />
Notdienst blieb zu Hause. Die Gläubigkeit der Menschen und die daraus zur Regel gewordenen<br />
Verhaltensweisen orderten einen regelmäßigen Kirchbesuch.<br />
Besondere Achtung muss man diesen Menschen zollen, wenn man weiß, wie die Kirchen<br />
dam<strong>als</strong> ausgestattet waren. In <strong>Wieren</strong> saßen die Männer auf der Prieche, heute Empore<br />
genannt, eng gedrängt und in schlechter Luft. Die Frauen saßen unten. Dort war es kalt, auch im<br />
Sommer war es fußkalt. Im Mittelgang der alten Kirche lagen Fliesen, an den Seiten war ein<br />
Pflaster aus kleinen Feldsteinen gelegt worden. Natürlich gab es in der alten Kirche keinen Ofen.<br />
Viele Frauen nahmen daher Decken oder Fußsäckchen mit. Außerdem begann der Gottesdienst<br />
morgens schon um 8 Uhr, auch im Winter<br />
Die Gläubigkeit dieser Menschen spürt man auch in den Texten <strong>des</strong> Chronisten der Gemeinde<br />
<strong>Wieren</strong>. Er schrieb achtzehn Seiten über den Kirchbau, der damalige Kantor und Lehrer Adolf<br />
Krüger. Für den Bau der neuen Schule an der Hauptstraße (1888), in der er arbeitete und<br />
wohnte, genügten ihm ganze acht Seiten.<br />
Die Kirche hatte in der Gesellschaft eine unangefochtene Stellung. Sonst hätte man solch große<br />
und relativ aufwendige Bauten nicht erstellen können. Die Bereitschaft hätte gefehlt, sie zu<br />
bezahlen, denn die Gemeinde mussten alle Baukosten selbst aufbringen. Es gab keine<br />
Zuschüsse, allenfalls langfristige Darlehen.<br />
Wirtschaftlicher Aufstieg <strong>Wieren</strong>s durch den Bau der Bahnlinie Uelzen-Stendal<br />
<strong>Wieren</strong> scheint um die Jahrhundertwende finanziell nicht schlecht gestellt gewesen zu sein. Es<br />
war ein aufstrebender Ort. Grundlage für den wirtschaftlichen Aufstieg war der Bau der<br />
Bahnlinie Uelzen - Stendal - Magdeburg im Jahre 1873.