Dateidownload als PDF - des TuS Wieren von 1921 eV
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Türen der<br />
St. Jakobuskirche<br />
Offen zum Gottesdienst,<br />
Besinnung oder auch nur zur<br />
Besichtigung
Das wohl älteste Foto der 1911<br />
eingeweihten neuen Kirche in <strong>Wieren</strong>
<strong>Wieren</strong> und der Kirchenbau <strong>von</strong> 1909 bis 1911<br />
<strong>von</strong> Walter Schröder (erschienen in der AZ-Beilage „Heidewanderer“ Januar 1987)<br />
Die AZ berichtete am 13. November 1986 über das Kirchenweihfest in <strong>Wieren</strong>. Am 5. November<br />
1911 war die neue Kirche eingeweiht worden. In diesem Jahr konnte man das 75jährige<br />
Jubiläum feiern. Der nachfolgende Bericht gibt Auskunft über die wirtschaftlichen Hintergründe<br />
und über den Kirchbau in <strong>Wieren</strong> um die Jahrhundertwende.<br />
Golden leuchtet das Kreuz auf der Kirchturmspitze<br />
Golden leuchtet das Kreuz auf der Kirchturmspitze in der Sonne. Die <strong>Wieren</strong>er Kirchengemeinde<br />
wollte einen Turm, der <strong>von</strong> überall her im Kirchspiel zu sehen war, auch <strong>von</strong> Drohe aus. Pastor<br />
Fricke, Vorsitzender <strong>des</strong> <strong>Wieren</strong>er Kirchenvorstan<strong>des</strong>, hatte schon 1908 einem Architekten aus<br />
Hannover mitgeteilt, "dass die Kirchengemeinde <strong>von</strong> Einwürfen im sogenannten Niedersachsen-<br />
oder Dorfstil nichts wissen will." Kirchenvorsteher und Gemeinde hatten eigene Vorstellungen.<br />
So entstand in den Jahren 1909-1911 diesen Vorstellungen gemäß die neue <strong>Wieren</strong>er Kirche <strong>als</strong><br />
weithin sichtbares Zeichen für alle Gläubigen, Orientierungspunkt für Durchreisende, steinerne<br />
Zeuge der Empfindungen der Menschen um die Jahrhundertwende.<br />
Jede geschichtliche Epoche hat dem Geist ihrer Zeit sichtbaren Ausdruck verliehen durch<br />
Kunstdenkmäler oder Bauten, die den Bedürfnissen ihrer Zeit entsprachen. Heute baut man<br />
Einrichtungen für Freizeit und Erholung, Sportstätten, Freizeitparks, Gemeinschaftshäuser. Um<br />
die Jahrhundertwende waren es neue Kirchen. Allein im Kirchspiel Lehmke entstanden<br />
innerhalb <strong>von</strong> 16 Jahren drei neue Kirchen: Emern (1893). Lehmke (1898) und Ostedt (1909).<br />
Leider wurden in diesen Orten die alten Kirchen abgerissen. In <strong>Wieren</strong> blieb sie stehen; die<br />
Regierung in Lüneburg hatte das zur Auflage gemacht und für den Erhalt finanzielle<br />
Unterstützung zugesagt.<br />
Jeden Sonntag in die Kirche<br />
Der Bau dieser vielen Kirchen zeugt <strong>von</strong> der tiefen Gläubigkeit, insbesondere der dörflichen<br />
Bevölkerung um die Jahrhundertwende. Man ging jeden Sonntag in die Kirche, nur ein<br />
Notdienst blieb zu Hause. Die Gläubigkeit der Menschen und die daraus zur Regel gewordenen<br />
Verhaltensweisen orderten einen regelmäßigen Kirchbesuch.<br />
Besondere Achtung muss man diesen Menschen zollen, wenn man weiß, wie die Kirchen<br />
dam<strong>als</strong> ausgestattet waren. In <strong>Wieren</strong> saßen die Männer auf der Prieche, heute Empore<br />
genannt, eng gedrängt und in schlechter Luft. Die Frauen saßen unten. Dort war es kalt, auch im<br />
Sommer war es fußkalt. Im Mittelgang der alten Kirche lagen Fliesen, an den Seiten war ein<br />
Pflaster aus kleinen Feldsteinen gelegt worden. Natürlich gab es in der alten Kirche keinen Ofen.<br />
Viele Frauen nahmen daher Decken oder Fußsäckchen mit. Außerdem begann der Gottesdienst<br />
morgens schon um 8 Uhr, auch im Winter<br />
Die Gläubigkeit dieser Menschen spürt man auch in den Texten <strong>des</strong> Chronisten der Gemeinde<br />
<strong>Wieren</strong>. Er schrieb achtzehn Seiten über den Kirchbau, der damalige Kantor und Lehrer Adolf<br />
Krüger. Für den Bau der neuen Schule an der Hauptstraße (1888), in der er arbeitete und<br />
wohnte, genügten ihm ganze acht Seiten.<br />
Die Kirche hatte in der Gesellschaft eine unangefochtene Stellung. Sonst hätte man solch große<br />
und relativ aufwendige Bauten nicht erstellen können. Die Bereitschaft hätte gefehlt, sie zu<br />
bezahlen, denn die Gemeinde mussten alle Baukosten selbst aufbringen. Es gab keine<br />
Zuschüsse, allenfalls langfristige Darlehen.<br />
Wirtschaftlicher Aufstieg <strong>Wieren</strong>s durch den Bau der Bahnlinie Uelzen-Stendal<br />
<strong>Wieren</strong> scheint um die Jahrhundertwende finanziell nicht schlecht gestellt gewesen zu sein. Es<br />
war ein aufstrebender Ort. Grundlage für den wirtschaftlichen Aufstieg war der Bau der<br />
Bahnlinie Uelzen - Stendal - Magdeburg im Jahre 1873.
Das kleine Bauerndorf am Ilmenauknie hatte plötzlich einen Bahnhof erhalten. Die Fläche, die<br />
dieses neue Unternehmen beanspruchte, war so groß wie das gesamte alte Dorf. Da die<br />
Reichsbahn dam<strong>als</strong> das einzige Transportmittel über weite Strecken war, wurde sie rege<br />
genutzt. An den Bahnhöfen entstanden Wirtschaftszentren.<br />
Von weither kamen dam<strong>als</strong> die Kutscher mit ihren Pferdewagen nach <strong>Wieren</strong>, um hier etwas<br />
abzuholen oder abzuliefern. Tag und Nacht wurde auf dem Güterbahnhof verladen. Viele<br />
Fahrzeuge kamen aus dem Raume Bodenteich-Wittingen. Sie hatten einen weiten Weg und<br />
mussten über Nacht in <strong>Wieren</strong> bleiben. Reger Betrieb war in den Gaststätten, bis zu 100 Pferde<br />
waren nachts in den Ställen der großen Gasthäuser keine Seltenheit.<br />
Diesen regen Verkehr durch den Ort nutzten unternehmungsfreudige Handwerker. Sie bauten<br />
an der Durchgangsstraße ihre Häuser. Wer nun zum Bahnhof in <strong>Wieren</strong> fuhr, konnte gleich beim<br />
Handwerker vorsprechen, beim Schneider, Schuster, Stellmacher, Sattler, Tischler oder<br />
Dachdecker, um nur die Handwerker zu nennen, die es heute im Orte nicht mehr gibt.<br />
Geld kam ins Dorf. Am Bahnhof entstanden Genossenschaften für die Vermarktung<br />
landwirtschaftlicher Produkte. Sie alle haben sich weiterentwickelt und waren nicht das letzte<br />
Wort in der sind heute noch präsent. Diese wirtschaftliche Kraft und sicher auch eine große<br />
Portion Selbstbewusstsein veranlassten <strong>Wieren</strong>er, schon 1892 den Bau einer neuen Kirche zu<br />
fordern.<br />
"Unaufhaltsames Reißen der Mauern und Gewölbe <strong>des</strong> Chores"<br />
Um die Pläne für einen Kirchbau zu begründen, wurde ein Gutachter bestellt. Maurermeister<br />
Behne aus Uelzen erhielt den Auftrag. Er lieferte den <strong>Wieren</strong>ern die gewünschten Argumente,<br />
indem er feststellte, die alte Kirche mache einen ärmlichen Eindruck, habe nicht ausreichend<br />
Licht, der hölzerne Turm sei schadhaft, es sei auch nicht genügend Platz vorhanden. Außerdem<br />
stellte er ein unaufhaltsames Reißen der Mauern und Gewölbe <strong>des</strong> Chores auf dem sumpfigen<br />
Wiesengelände fest.<br />
Die Antwort der beiden Kirchenkommissarien Propst Beer und der amtierende Landrat, waren<br />
recht gelassen. Man lehnte ab, machte dem Kirchenvorstand jedoch zur Pflicht die Risse im<br />
Mauerwerk genauestens zu beobachten.<br />
Zu den baulichen Gründen: Wenn die vom historischen Museum Hannover angegebene Zahl<br />
stimmt, so steht die alte <strong>Wieren</strong>er Kirche schon seit dem 12. Jahrhundert in diesem "sumpfigen<br />
Wiesengelände". Der Chor dürfte später, wahrscheinlich 1433, angebaut worden sein. Die<br />
Kirche steht heute noch, trotz der damaligen Risse.<br />
Zu der räumlichen Enge: die damalige Kirche hatte 226 Plätze, die reichten dam<strong>als</strong> nicht aus.<br />
Besonders auf der Mannerprieche war bedrückend eng.<br />
Neue Belebung der Kirchbaupläne<br />
Die ablehnende Antwort <strong>von</strong> Propst und Landrat im Jahre 1892 waren nicht das letzte Wort in<br />
der Kirchbausache.<br />
Fast zehn Jahre später, es war das Jahr 1901, gab das Konsistorium die Anregung, mit dem<br />
Kirchbau zu beginnen. In einer Gemeindeversammlung wurde jedoch beschlossen, das<br />
Vorhaben bis 1915 zu vertagen. Die Gründe hierfür? Sie sind in der Chronik nicht angegeben,<br />
wir sind <strong>als</strong>o auf Vermutungen angewiesen. Es könnte sein, dass der 1896 erstellte Schulanbau<br />
finanziell noch zu schaffen machte. Außerdem hatte die rasante wirtschaftliche Entwicklung<br />
<strong>Wieren</strong>s plötzlich ein vorläufiges Ende erfahren. Was war geschehen? Im September Jahres<br />
1900 fuhr der erste Zug auf der neuen Eisenbahnlinie Uelzen - Bodenteich - Wittingen - Gifhorn.<br />
Die Kundschaft aus dem Raume blieb nun aus. Wirtschaftliche Einbußen waren die Folge. Sie<br />
haben sicher zu dem dam<strong>als</strong> ablehnenden Beschluss der Gemeindeversammlung beigetragen.<br />
Diesmal gaben sich die beiden Kirchenkommissarien, Probst und Landrat, damit nicht zufrieden.<br />
Im September 1901 fand in <strong>Wieren</strong> die entscheidende Sitzung statt.
Probst Baustaedt und Landrat Albrecht waren gekommen und sprachen mit dem dam<strong>als</strong><br />
amtierenden Kirchenvorstand. Das waren 1901 Pastor Fricke, Friedrich Winkelmann, Heinrich<br />
Rust, Friedrich Sander und Heinrich Wellmann.<br />
Ein neuer Beschluss wurde gefasst. 1910 sollte mit dem Bau begonnen werden. Gleichzeitig<br />
beschloss man, jährlich ein Drittel der Grund- und Gebäu<strong>des</strong>teuer für den geplanten Kirchbau<br />
zu erheben und anzusparen. Jährlich waren das etwa 640 Mark (M oder GmK = Goldmark); bis<br />
1910 kamen über 5.000 M zusammen.<br />
Die Grund- und Gebäu<strong>des</strong>teuer der politischen Gemeinde war die Grundlage für die<br />
Berechnung der örtlichen Kirchensteuer. Bei diesem Beschluss vom 25. September 1901 handelt<br />
es sich daher nicht um eine Maßnahme der politischen, sondern der Kirchengemeinde. Sie<br />
erhob diesen Betrag zusätzlich.<br />
Die Bürger sparten <strong>als</strong>o für etwas, was sie später erhalten sollten. Das passte den Steuerzahlern<br />
nicht, sie wollten noch zu Lebzeiten etwas für ihr Geld sehen und in die neue Kirche gehen<br />
können. Das Verlangen der Gemeinde, früher mit dem Kirchbau zu beginnen, wurde immer<br />
dringender. Der Kirchenvorstand beugte sich den Wünschen und beschloss, schon 1909, zu<br />
bauen.<br />
Steigende Einwohnerzahlen<br />
Die Einwohnerzahl <strong>Wieren</strong>s war gestiegen. War der Ort um 1800 noch ein unscheinbares<br />
kleines Bauerndorf gewesen, vielleicht mit 300 Einwohnern, so waren es jetzt in <strong>Wieren</strong> 567<br />
und in Drohe 153 Einwohner, zusammen 720.<br />
Man rechnete auch mit einem weiteren Bevölkerungszuwachs. Pastor Fricke schrieb<br />
dazu:"<strong>Wieren</strong> ist schon jetzt der Treffpunkt der beiden Staatsbahnen Braunschweig-Uelzen und<br />
Magdeburg-Uelzen. Über kurz oder lang wird auch die längst geplante Linie Dannenberg-Uelzen<br />
gebaut werden und wahrscheinlich ebenfalls in <strong>Wieren</strong> einlaufen."<br />
Der Kirchenvorstand fasste <strong>des</strong>halb am 29. Mai 1908 folgenden Beschluss: "Die Zahl der<br />
Sitzplätze in der neuen Kirche soll um ein geringes über das im Verhältnis zur Seelenzahl übliche<br />
Maß hinausgehen, sie soll für Erwachsene 350 und für Kinder 30 betragen. Der Bau der neuen<br />
Kirche soll im Frühjahr 1909 begonnen werden."<br />
Gleichzeitig wollte man auch das Problem der gewachsenen Platz- und Sitzrechte in der Kirche<br />
lösen. Jeder Grundstücksbesitzer hatte in der alten Kirche seinen angestammten Platz, meistens<br />
schon <strong>von</strong> den Vorfahren übernommen. Setzte sich ein Fremder auf diesen Platz, gab es Ärger.<br />
Pastor Fricke schrieb dazu:"In der vorhandenen Kirche haben nur die Hofbesitzer und ein paar<br />
Anbauer rechtmäßige Plätze, die allermeisten Anbauer, sämtliche Arbeiter, alle Post- und<br />
Bahnbeamten entbehren der ihnen rechtmäßig zustehenden Plätze. Es ist ernstlich die Frage zu<br />
erwägen, ob nicht, abgesehen <strong>von</strong> festen Plätzen für die Kirchenvorsteher, sämtliche Plätze zu<br />
Freiplätzen zu bestimmen sind."<br />
Es folgt dann ein Bericht aus anderen Orten, vom "bitteren Streit" um die Plätze in den neuen<br />
Kirchen. Als Vorbild wird Lehmke hingestellt, dort herrsche Friede, weil es keine festen Plätze<br />
gäbe.<br />
Finanzierungspläne und neue Schwierigkeiten<br />
In dem 1901 beschlossenen Kirchbaufonds hatten sich bis 1908 über 4.000 Mark angesammelt.<br />
Da die Gesamtkosten für den Neubau bei 60 000 M liegen sollten, beschloss der<br />
Kirchenvorstand die Aufnahme eines Darlehens <strong>von</strong> 60 000 M bei üblichen Zinsen mit 2 ½%<br />
Abtrag jährlich.<br />
Gleichzeitig wurde <strong>als</strong> Bauplatz für die neue Kirche der alte Friedhof ausersehen. Das war der<br />
höchste Punkt <strong>des</strong> Ortes. Seit 1855 war hier nicht mehr begraben worden.<br />
Doch so einfach war das alles nicht. Bei einem Kirchbau hatte auch die Königliche Regierung in<br />
Lüneburg mitzureden. Es ging um Finanzfragen, hier übte sie die Aufsicht aus und war<br />
mitverantwortlich, wenn sich eine Gemeinde übernahm.
Zu einem Lokaltermin in <strong>Wieren</strong> trafen sich im August 1908 zwei Regierungsbauräte aus<br />
Lüneburg, zwei Vertreter <strong>des</strong> Konsistoriums aus Hannover, Probst, Landrat und der <strong>Wieren</strong>er<br />
Kirchenvorstand. Ein Regierungsvertreter bestritt einfach das Bedürfnis eines Neubaus und<br />
bezeichnete das <strong>Wieren</strong>er Verlangen schlichtweg <strong>als</strong> töricht. Allenfalls gestand er zu, die alte<br />
Kirche könne erweitert werden. So kam plötzlich der Vorschlag, der hölzerne Turm solle<br />
entfernt und an seine Stelle ein Querschiff angebaut werden. Ein neuer Turm könnte späteren<br />
Jahren vorbehalten werden.<br />
Diese Pläne lösten Empörung aus und wurden in <strong>Wieren</strong> strikt abgelehnt. Wohl wurde die<br />
Erhaltung der alten Kirche ohne hölzernen Turm zugestanden, jedoch konsequent der Bau einer<br />
neuen Kirche gefordert. Pastor Fricke schrieb dazu:"Der Um- und Erweiterungsbau würde<br />
verhältnismäßig teuer werden. Es müssten nach dem Vorschlage <strong>des</strong> Herrn Vertreters der<br />
Königlichen Regierung die Fundamente der alten Kirche unterfangen werden, da einige<br />
Strebepfeiler und sämtliche Wandflächen Risse aufweisen. Was würde solches Unterfangen im<br />
sumpfigen Baugrunde kosten? Die Kirche steht auf einer Bruchwiese, die gegenwärtig zu einem<br />
großen Teil unter Wasser steht."<br />
Schließlich teilte man auch mit, dass für die Erweiterung der alten Kirche stehe kein Platz zur<br />
Verfügung, der Besitzer <strong>des</strong> Nachbargrundstückes wolle nicht verkaufen.<br />
Auf Wunsch <strong>des</strong> Konsistoriums wurden auch andere Pläne besprochen. Man überlegte auch, ob<br />
man die Kirche auf einem anderen Platz errichten könnte, vielleicht auf dem neuen<br />
Schulgrundstück (heute Hauptstraße). Hartnäckig blieb man in <strong>Wieren</strong> jedoch beim ersten Plan,<br />
eine weithin sichtbare Kirche auf dem alten Friedhof. Leider hatte die Gemeinde noch keine<br />
detaillierten Pläne vorzuzeigen, der beauftragtet Architekt, Eberhard Warnecke aus Uelzen, ließ<br />
auf sich warten. Ohne Pläne aber wollte das Konsistorium keine Genehmigung erteilen.<br />
Schließlich lagen der Gemeinde vier Entwürfe vor, <strong>von</strong> denen sie einen aussuchte. Im Mai 1909<br />
reiste der gesamte <strong>Wieren</strong>er Kirchenvorstand zum Königlichen Konsistorium nach Hannover.<br />
Nun ging es schneller.<br />
Im Juni wurde die Genehmigung erteilt, Material anzufahren und ein Darlehen aufzunehmen<br />
<strong>von</strong> 60.000 M bei allgemein üblichem Zins und einer Tilgung <strong>von</strong> ½% Zins jährlich.<br />
Der Bau der Kirche ging zügig voran<br />
Im Juli kam endlich die Baugenehmigung, und sofort begann man mit den Erdarbeiten. Bereits<br />
im September 1909 waren die Fundamente fertig, obwohl die Gründung für den Turm<br />
Schwierigkeiten bereitet hatte <strong>als</strong> erwartet. Man musste tief hinunter, bevor man auf festen<br />
Baugrund traf. Im September 1909 die Grundsteinlegung begangen. In die Mauer <strong>des</strong> Turms<br />
wurde eine Kupferkapsel eingemauert. In einer Urkunde sind die Namen der Kirchenvorsteher<br />
verzeichnet, es werden die Gründe für den Neubau mitgeteilt. Neben der Tageszeitung wurde<br />
eine Mitgliederliste <strong>des</strong> Männerchores <strong>Wieren</strong> in die Hülse gelegt.<br />
Zügig ging der Bau weiter, bis in den Winter hinein wurde gearbeitet. Engpässe gab es zuweilen<br />
bei den Materiallieferungen. Dadurch wurden die Grundmauern unterschiedlich hochgezogen.<br />
Die Befürchtungen, es würden Risse entstehen, waren jedoch gegenstandslos.<br />
Der Richtkranz auf der Kirchturmspitze<br />
Im August 1910 war Richtfest. Bei strahlendem Wetter war das gesamte Dorf unterwegs.<br />
Vereine, Schule, Posaunenchor, alle waren dabei. Oben auf der Kirchturmspitze wurde der<br />
Richtkranz befestigt. Die Hochrufe der Zimmerleute wurden ausgebracht, und am Abend wurde<br />
gebührend gefeiert.<br />
Gut ein Jahr später waren alle Bauarbeiten beendet, sogar die große Treppe und die äußere<br />
Einfriedigung waren fertig. Zweieinhalb Jahre hatte man für den Bau gebraucht. Stolz erwähnt<br />
der da- malige Chronist, dass es zu keinem Unfall gekommen sei.<br />
.
Streit um den Weg zum Kirchplatz<br />
Um die Zuwegung zum Kirchplatz hatte es Schwierigkeiten gegeben. Der Zugang war nur über<br />
das Grundstück Nr.55 möglich. Heute gehört es der Kirche, das alte Küsterhaus bzw. neue<br />
Gemeindehaus steht darauf. Aber dam<strong>als</strong> war es im Besitze eines Pferdehändlers, der nicht in<br />
<strong>Wieren</strong> wohnte und auch zum Ort keine Beziehungen hatte. Bis 1855 hatte die Gemeinde ein<br />
Wegerecht ausgeübt, wie hätte man sonst auf den alten Friedhof gelangen sollen! Der neue<br />
Besitzer meinte 1911, das Wegerecht sei erloschen, er wollte Geld sehen. Schließlich blieb der<br />
Gemeinde nur noch der Rechtsweg. Der Prozess endete mit einem Vergleich, aber endgültig<br />
wurde die Angelegenheit erst 1917 bereinigt. Die Kirchengemeinde kaufte das Grundstück <strong>von</strong><br />
den Erben ihres Kontrahenten, sie zahlte 4.700 M.<br />
Auch zwischen der politischen Gemeinde und den Kirchenvorstehern gab es Streit. Es ging um<br />
den "Holligenweg" (Hohlweg). Wie weit durften die Kirchenvorsteher den Weg an der Droher<br />
Seite verbessern oder verändern? Es war wohl mehr ein Kompetenzstreit, dennoch wurde<br />
Landrat Albrecht bemüht, durch seine Vermittlung wurde schließlich eine Lösung gefunden.<br />
Keinen Ärger dagegen gab es um den Treppenaufgang <strong>von</strong> der Hauptstraße her. Das Grundstück<br />
gehörte dem Kirchenvorsteher Mertens. Kostenlos gestand er der Kirche das Recht zu, über<br />
seinen mit viel Mühe und Liebe angelegten terrassierten Garten eine 4,5 Meter breite und<br />
genau so hohe Treppe zu bauen.<br />
Viele technische Dinge waren beispielhaft<br />
Stolz waren die <strong>Wieren</strong>er, <strong>als</strong> am 5. November 1911 die Einweihung erfolgen konnte. Vieles an<br />
diesem Bau war beispielhaft, zum Beispiel die Zentralheizung, wo gab es die schon bei uns?<br />
Eine Firma aus Hannover hatte sie installiert. Ganz neu war das elektrische Licht. Zwei Jahre<br />
zuvor hatte das <strong>Wieren</strong>er Elektrizitätswerk seinen Betrieb aufgenommen. Die vier<br />
Kirchenvorsteher, Wilhelm Märtens, Georg Strecker, Friedrich Abelmann und Hermann Sander,<br />
hatten der Kirche zwei Kronleuchter geschenkt, die Licht in dam<strong>als</strong> ungewohnter Fülle gaben. In<br />
gewöhnlichen Wohnstuben leuchtete nur eine 25-Watt-Birne, in Nebenräumen und<br />
Schlafzimmern gab es überhaupt kein elektrisches Licht, und nun in der neuen Kirche diese<br />
Lichtfülle!<br />
Dazu kam die elektrische Läutemaschine, die vom <strong>Wieren</strong>er Elektrizitätswerk installiert worden<br />
war. Dank <strong>des</strong> elektrischen Anschlusses brauchte auch niemand mehr den Blasebalg der Orgel<br />
zu treten.<br />
Das Grundstück für die Außentreppe<br />
zur Kirche wurde <strong>von</strong> Kirchenvorstand<br />
Märtens zur Verfügung gestellt. Die<br />
Mauer hat inzwischen eine<br />
Kupferabdeckdung<br />
Elektrisches Licht war 1911 dank <strong>des</strong><br />
<strong>Wieren</strong> Elektrizitätswerkes und dem<br />
schmiedeeisernen Kronleuchter <strong>als</strong><br />
Geschenk der Kirchenvorsteher etwas<br />
ganz besonderes in der neuen Kirche
Ausführlich wird in der Chronik der Gemeinde <strong>Wieren</strong> über die Einweihung<br />
berichtet. Hier ein Ausschnitt:<br />
Die Einweihung fand am 5. November 1911 statt<br />
Dieser Tag gestaltete sich zu einem hohen Festtag für unsere Kirchengemeinde. Galt es doch,<br />
unsere neue Kirche feierlich in Gebrauch zu nehmen. Bei windigem, trübem Novemberwetter<br />
brachte uns der Sonntagmorgen einen Zudrang <strong>von</strong> Menschen zu Fuß, zu Wagen, zu Rad und<br />
Automobil, wie wir ihn hier selten gesehen hatten. Der Posaunenchor <strong>von</strong> Wrestedt leitete mit<br />
stimmungsvollen Klängen die Feier ein. Kurz nach 11 1/2 Uhr begann der Abschiedsgottesdienst<br />
im überfüllten alten Kirchlein, in welchem der Gemeinde das Wort zugerufen wurde: "Ihr sollt<br />
in Freuden ausziehen und in Frieden geleitet werden." Nach dem Gesang "Unsern Ausgang<br />
segne Gott", Vaterunser und Segen verließ die Gemeinde das alte Gotteshaus.<br />
Nach dem Verlassen der alten Kirche ordnete sich der Festzug unter Vorantritt <strong>des</strong><br />
Posaunenchores und der Schulkinder mit ihren Lehrern. Unter Glockengeläut und dem Klang<br />
der Posaunen bewegte sich der Zug zur neuen Kirche, wo vor dem Haupteingang Architekt<br />
Warnecke dem Gener<strong>als</strong>uperintendenten den Schlüssel überreichte. Der Gener<strong>als</strong>uperintendent<br />
gab den Schlüssel an Pastor Fricke weiter, der öffnete die Tür den Worten: "Machet die Tore und<br />
die Türen hoch, dass der König der Ehren einziehe!" Nun zog eine solch große Schar ein, dass<br />
unser herrliches, geräumiges Gotteshaus nicht die Menge zu fassen vermochte. Selbst die Gänge<br />
waren überfüllt, und etwa 50 Personen mussten draußen bleiben. Mit herzlicher inniglicher<br />
wurde das erste Lied "Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren" angestimmt und<br />
gesungen. Ergreifend war. die Weiherede <strong>des</strong> Gener<strong>als</strong>uperintendenten über das Wort: "Aus<br />
Gnaden seid Ihr selig, geworden durch den Glauben.
Die kostbare Altarbibel, ein<br />
Geschenk der Kaiserin Auguste-<br />
Victoria zur Einweihung, wurde bei<br />
der Weiherede <strong>von</strong><br />
Gener<strong>als</strong>uperindendent Möller am<br />
5. Nov. 1911 überreicht.<br />
(Rechts die handschriftliche Widmung.<br />
und ein Foto der letzten Deutschen<br />
Kaiserin)<br />
1913 wurde <strong>von</strong><br />
Pastor Fricke<br />
(Nettelkamp),<br />
Kantor Krüger und<br />
den<br />
Kirchenvorstehern<br />
dieser Text<br />
hinzugefügt.
Am Kirchbau beteiligte Handwerker<br />
Entwurf und Bauleitung oblagen dem Architekten Eberhard Warnecke aus Uelzen. Er hatte zwei<br />
Jahre zuvor die Kirche in Ostedt übergeben.<br />
Soweit möglich, wurden die Arbeiten <strong>von</strong> <strong>Wieren</strong>er Handwerkern ausgeführt. An anderen<br />
Aufträgen waren <strong>Wieren</strong>er Handwerker nur beteiligt. Die Hauptaufträge mussten an auswärtige<br />
Firmen vergeben werden.<br />
Insgesamt kostete die Kirche 90.256,10 Mark. Die zwei aufgenommenen Anleihen <strong>von</strong> 60.000<br />
bzw. 16.000 Mark wurden mit jährlich ½% Prozent getilgt. <strong>1921</strong> sollte ein höherer Tilgungssatz<br />
festgesetzt werden. Das erledigte sich durch die Inflation (1923), <strong>als</strong> eine Billion "Papiermark",<br />
ehem<strong>als</strong> Goldmark (Gmk) genannt, nur noch eine Rentenmark (RM) wert war.<br />
Schlussrechnung über den Kirchenbau im Mai 1915<br />
(Rechnungsführung Adolf Krüger)<br />
Einnahmen in den Jahren 1909 bis 1914.<br />
Aus dem Kirchenbaufonds: 5.925,88<br />
Von der Kreissparkasse Uelzen Kapital 76.000 M und zugeschriebene Zinsen, 1909 bis 1914:<br />
78.555,04<br />
Von den Kirchenvorstehern, Geschenk zu den Kronleuchtern: 655,85<br />
Von Ungenannt oder Einzelpersonen: 482,46<br />
Angespartes Kapital der Kirche:1.600,00<br />
Verkauf <strong>von</strong> Obligationen, die der Kirchengemeinde gehörten: 3.178,49<br />
Zusammen: 90.397,72<br />
Ausgaben<br />
Erd- und Maurerarbeiten: Heinrich Hinrichs, später Wilhelm Hinrichs, Stederdorf: 15.893,06<br />
Steinlieferungen für Maurer- und Dachdeckerarbeiten: 17.470,44<br />
u. a. Ziegeleien in Emmendorf und Knesebeck, Röhrs Hannover<br />
Zimmerarbeiten: Soschinski, Uelzen, 9.101,38<br />
Schmiedearbeiten: Georg Strecker, <strong>Wieren</strong>; Töbing, Uelzen: 2.232,91<br />
Dachdeckerarbeiten: Röhrs, <strong>Wieren</strong>; Schütte, Molbath: 1.213,28<br />
Klempnerarbeiten: Böllmann, Hannover; Fritzsche, Uelzen: 4.625,06<br />
Tischlerarbeiten: August Hallensleben, <strong>Wieren</strong>; Hermann Harms, <strong>Wieren</strong>: 4.626,14<br />
Schlosserarbeiten: Herbst, Uelzen: 498,50<br />
Glaserarbeiten: Müller, Ouedlinburg: 2.400,00<br />
Malerarbeiten: Schulz, Uelzen: 3.301,77<br />
Blitzableiter: Hagemann, Hannover: 803,50<br />
Zentralheizung: Kaferle, Hannover: 2.096,60<br />
Lichtanlage: Schulz, <strong>Wieren</strong>; Schmidt, Iserlohn, 1.463,90<br />
Uhrenanlage: Weule, Bockenem: 11.52,90<br />
Glocken: Radler, Hil<strong>des</strong>heim; Schulz, <strong>Wieren</strong> (Läutemaschine): 5.602,70<br />
Altar und Kanzel: Ostermann, Hannover: 2.416,75<br />
Orgel: Greve, Holzhemmendorf: 5.833,55<br />
Fuhrlöhne: 1.642,09<br />
Frachtkosten: 1.345,25<br />
Sonstige Ausgaben: 2.121,57<br />
Gutachten (für Turm, Orgel): 318,20<br />
Honorare, Architekt und andere: 4.086,55<br />
Zusammen 90.256,10<br />
Überschuss 141,62<br />
Walter Schröder<br />
Chronist der Gemeinde <strong>Wieren</strong>, Autor <strong>des</strong><br />
Buches „Chronik Gemeinde <strong>Wieren</strong> – Elf Dörfer<br />
im Wandel der Zeit“ und der Broschüre „<strong>Wieren</strong>s<br />
alte Feldsteinkirche und ihre Gemeinde“
Die neue Kirche blieb vom Kriegsgeschehen nicht verschont<br />
Zu Beginn <strong>des</strong> ersten Weltkrieges (1915) wurde angefragt, wie viel "Bedachungskupfer" auf dem<br />
Turm sei. Doch der erste Weltkrieg verschonte die Kirche. Es war dem zweiten Weltkrieg<br />
vorbehalten, ihr Schaden zuzufügen.<br />
Zwei Wochen vor Kriegsende, im April 1945, wurde <strong>Wieren</strong> bombardiert und mit Artillerie<br />
beschossen. Am Kupferdach entstanden etliche Schäden. Provisorisch wurde es 1956<br />
ausgebessert, das Geld war knapp. Erst 1968 war die Kirchengemeinde in der Lage, das gesamte<br />
Kupferdach <strong>des</strong> Turmes erneuern zu lassen.<br />
In den letzten Monaten vor Kriegsende war auch die 1910 eingezogene neue Glocke vom Turm<br />
geholt worden. Die alte Glocke mit der Jahreszahl 1886 ließ man zum Glück hängen. Erst 1961<br />
wurde für 14000 DM eine neue Glocke gekauft. Sie trägt die Inschrift "Verleih uns Frieden<br />
gnädiglich, Herr Gott, zu unsern Zeiten.“<br />
Am Ende jeden Gottesdienstes ertönt in <strong>Wieren</strong> der Bittgesang: "Verleih uns Frieden gnädiglich,<br />
Herr Gott, zu unseren Zeiten." Ob der Ruf wohl weit genug hallt?<br />
1956: Reparaturarbeiten am<br />
Kirchturm durch <strong>Wieren</strong>er<br />
Handwerker<br />
(Das Foto Mitte-links zeigt Gerd<br />
Kutz bei Reparaturarbeiten.)
1968 1988
1961 wird zur<br />
Fünfzigjahrfeier die 1945<br />
entfernte Glocke ersetzt.<br />
Im Turm hängt auch die<br />
1886 gegossene<br />
Bronzeglocke, die <strong>von</strong> der<br />
„Alten Kirche“ hierher<br />
gebracht wurde.<br />
Seit 2008 hängt auch in<br />
der alten Feldsteinkirche<br />
wieder eine, die dritte<br />
Glocke.
Bis zum Aufstieg in den Glockenturm bzw. bis zum Uhrwerk<br />
sind es 78 Stufen.<br />
Die beiden<br />
Glocken haben die<br />
Schlagtöne „dis“<br />
bzw. „fis“.<br />
(Die Glocke in der<br />
alten Kirche „gis“.)
Das Bildprogramm im Altarraum der St. Jakobuskirche in <strong>Wieren</strong> - eine Begegnung<br />
Die meisten Kirchen haben vom Mittelalter an Bildgeschichten <strong>von</strong> Jesus im Altarraum. So ist es auch in<br />
der neugotischen <strong>Wieren</strong>er Kirche <strong>von</strong> 1911.<br />
In der Mitte <strong>des</strong> Flügelaltars sieht man das Ganze beherrschend das Bild der Kreuzigung Jesu. Es dürfte<br />
ein Bild eines Meisters der Renaissance sein. Jesus am Kreuz erscheint aufragend in einen dunklen<br />
Himmel und inmitten der beiden anderen Hingerichteten. Unter dem Kreuz und dahinter sieht man eine<br />
Menschenmenge und vor dem Kreuz Gruppen trauernder Menschen, zur Linken Maria. Alle nehmen auf<br />
ihre Weise teil an dem schrecklichen Geschehen. Die Unterschrift auf dem Rahmen <strong>des</strong> Flügelaltars<br />
nennt das Jahr 1649.Es ist die Zeit <strong>des</strong> Aufatmens nach dem langen Dreißigjährigen Krieg(1618-<br />
1648).Walter Schröder berichtet in seiner Schrift zur Alten Kirche(1999),dass auf dem Rahmen <strong>des</strong> Bil<strong>des</strong><br />
das Jahr 1670 vermerkt ist. Der Flügelaltar kam, 1854 aus der ehemaligen Gutskapelle der Grafen Grote<br />
in Wrestedt in die <strong>Wieren</strong>er Feldsteinkirche. 1911 fand er seinen neuen Platz in der neu erbauten Kirche<br />
neben der Kanzel auf der rechten Seite. Schließlich wanderte er 1975 in die Mitte der Bildgeschichte im<br />
Altarraum, <strong>als</strong> die Kirche renoviert wurde. Wollte man da, nach dem 2.schlimmen Weltkrieg zum<br />
Ausdruck bringen: Hier und nur hier ist Erlösung. Nur hier ist Frieden.<br />
Die Situation <strong>von</strong> 1911, <strong>als</strong> die Kirche geweiht wurde, war eine andere. Das deutsche Kaiserreich hatte<br />
eine gute Entwicklung genommen. Die Menschen wussten noch nichts da<strong>von</strong>, dass es bald Krieg geben<br />
würde, einen Weltkrieg mit Millionen Toten(1914-1918.<br />
Man kann fragen, ob die 3 Bilder in den Fenstern wegen der guten Zeit so hoffnungsvoll und friedlich<br />
<strong>von</strong> Christus erzählen. Die Glasfenster sind <strong>von</strong> der Glasmalereianstalt Ferdinand Müller in Quedlinburg<br />
angefertigt worden. In dem Buch <strong>von</strong> Frank Laska über diese Werkstatt kann man lesen, dass mit der<br />
Künstlergruppe der Nazarener ein ideales Bild gepflegt wurde. Die Bilder sind geprägt <strong>von</strong> Ernst und<br />
frommem Sinn. Im linken Fensterbild spricht Jesus zu einer Frau und 3 Kindern. Die Mutter hat ein Kind<br />
auf dem Arm. Jesus ist den beiden größeren Kindern zugewandt. Mit lebhafter Geste spricht er zu ihnen,<br />
wie ein Lehrer. Man möchte auch an eine Familie mit Jesus <strong>als</strong> Vater denken.<br />
In dem mittleren Fensterbild, das jetzt <strong>von</strong> dem Flügelaltar verdeckt wird, spricht Jesus vor einer Gruppe<br />
<strong>von</strong> Menschen. Er steht erhöht und zeigt mit dem Finger der erhobenen Hand hoch zum Himmel. Er<br />
richtet den Blick geradeaus und über die Gruppe hinweg und zum Betrachter. Gemeint wird die<br />
Bergpredigt sein. Man möchte hören: „Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet<br />
werden“(Mt 5,4).Die da gekommen sind, haben es nicht einfach in ihrem Leben. Einer hat seine Krücke<br />
neben sich gelegt, offenbar ein Behinderter. Alle hängen an Jesu Mund.<br />
Schließlich sind auf dem rechten Fensterbild Jesus und 2 Jünger um einen gedeckten Tisch zu sehen.<br />
Christus segnet, versunken im Gebet, Brot und Wein. Die beiden Gäste schauen hingerissen auf diesen<br />
Gastgeber und was er tut. Wir, die Betrachtenden, wissen: Jesus feiert das Abendmahl. Und wir fühlen<br />
uns mit eingeladen.<br />
Die 3 Fensterbilder nehmen den Betrachter mit zu dem, der die Wahrheit Gottes für die Menschen hat.<br />
Dass er diese Wahrheit mit seinem Leiden und Sterben bestätigt hat und damit auch <strong>von</strong> uns bedürftigen<br />
Menschen zeugt, uns zur Rettung, ergänzt und vervollständigt die Bildgeschichte, wie sie jetzt im<br />
Altarraum zu sehen ist.<br />
Burkhard Henke<br />
Pastor Burkhard Henke (1991) und sein<br />
Nachfolger Johannes Kernich (2001)
Die Fenster im Altarraum
Die Fenster im<br />
Kirchenschiff
Dieser Altar steht seit 1975 in <strong>Wieren</strong><br />
Pastor Fricke schrieb 1911:<br />
„Ein Frevel an dem alten Gotteshaus ist<br />
vor gut fünfzig Jahre verübt worden, in<br />
dem der ursprüngliche Altar für vier Taler<br />
an die benachbarte Kirchengemeinde<br />
Schnega verhandelt wurde, wogegen die<br />
<strong>Wieren</strong>er Kirche den Altar der um jene<br />
Zeit abgebrochenen Gutskapelle im<br />
unfernen Wrestedt erhielt, der die<br />
Jahreszahl 1649 trägt und mit seinem<br />
reichbemalten hölzernen Aufbau <strong>des</strong><br />
Kunstwertes nicht ermangelt.“<br />
Um den Altar bzw.<br />
die Altare ranken<br />
sich viele<br />
Geschichten.<br />
Der Altar in Schnega<br />
Der Altar (1911 -1975)<br />
steht jetzt in Natendorf
1968<br />
Luftbildaufnahmen <strong>von</strong> der St. Jakobuskirche<br />
2010<br />
1999
Luftbildaufnahmen <strong>von</strong> der St. Jakobuskirche<br />
1999<br />
1956: Blicke vom Kirchturm
1976 wurde die neue Orgel eingebaut und das Kirchenschiff renoviert<br />
Kirchenmusik
Erst 1976 erhält die neue Kirche den Namen „St. Jakobus“<br />
Welchen Jakobus hätten Sie denn gerne? Eine Spurensuche<br />
Wenn eine Kirche den Namen St. Petri oder St. Pauli trägt, ist sofort klar, welcher Apostel aus<br />
der Bibel gemeint ist. Wer aber ist Jakobus? In der Bibel wird der Name nur 36mal erwähnt,<br />
wobei nicht einmal längere Geschichten <strong>von</strong> Jakobus erzählt werden. Trotz dieser wenigen<br />
biblischen Belege, geht es hier nicht um eine Person, sondern gleich drei Männer tragen den<br />
Namen Jakobus.<br />
Am unbekanntesten ist Jakobus, der Sohn <strong>des</strong> Alphäus. Dieser wird zwar in allen<br />
Apostelverzeichnissen (Mt 10,3; Mk 3,18; Lk 6,15; Apg 1,13) genannt, aber mehr <strong>als</strong> seinen<br />
Namen kennen wir nicht.<br />
Anders ist das mit Jakobus, dem Sohn <strong>des</strong> Zebedäus. Mit seinem Bruder Johannes und Petrus<br />
gehört er zu den ersten Jüngern (vgl. Mk 1,19). Dementsprechend nahe stand er Jesus<br />
Christus. Mit Johannes und Petrus war er dabei, <strong>als</strong> Jesus auf einem Berg die großen<br />
Gestalten Mose und Elia aus dem Alten Testament traf (Mk 9,2-13). Und <strong>als</strong> Jesus sich kurz<br />
vor seinem Tod in den Garten Gethsemane zum verzweifelten Gebet zurückzieht (Mk 14,32-<br />
42), da sind es wieder nur Jakobus und die beiden anderen, die Jesus mitnimmt. In der<br />
Apostelgeschichte ist er der einzige Apostel, <strong>des</strong>sen Märtyrertod ausdrücklich erwähnt wird<br />
(Apg 12,2). Eine spanische Legende behauptet, dass sein Leichnam in Spanien begraben sei.<br />
Dieses Grab ist Ziel <strong>des</strong> wohl berühmtesten Pilgerweges der Welt (<strong>des</strong> sog. Jakobsweges).<br />
Besonders schillernd ist der Jakobus, der <strong>als</strong> Bruder <strong>von</strong> Jesus Christus bezeichnet wird. Auch<br />
wenn gerade die katholische Bibelauslegung wegen der Jungfräulichkeit Marias lange<br />
bestritten hat, dass es sich um einen leiblichen Bruder Jesu handelt, ist das aber trotzdem<br />
sehr wahrscheinlich. Am interessantesten ist, dass Jakobus, der zu den Lebzeiten Jesu sehr<br />
skeptisch gewesen ist (vgl. Mk 3,21), ob Jesus wirklich der Messias ist, später trotzdem nach<br />
Petrus sogar zum Jerusalemer Gemeindeleiter wird. Paulus bezeichnet ihn <strong>als</strong> einen der<br />
Auferstehungszeugen (1 Kor 15,7) und eine der Säulen der Gemeinde in Jerusalem (Gal 2,9).<br />
In der Apostelgeschichte 15 wird seine Autorität dadurch deutlich, dass er es ist, der in einem<br />
schweren Streit der Christen den Kompromiss vorgibt.<br />
Der Jakobusbrief heißt zwar auch nach Jakobus, kann aber keinem dieser drei Jakobusse<br />
zugeschrieben werden. Dieser Brief gehört zu den am seltensten gelesenen Briefen in der<br />
evangelischen Kirche, weil <strong>des</strong>sen These, dass der Glaube ohne Werke tot sei, der<br />
paulinischen Position zu widersprechen scheint, dass wir alle nicht aus Werken, sondern aus<br />
Gnade gerechtfertigt sind.<br />
Und welcher Jakobus ist nun der Namensgeber für unsere Kirche? Für mich sind sie es alle<br />
zusammen, denn gemeinsam bilden sie eine typische Gemeinde ab. Es gibt auch bei uns<br />
Menschen, die wie Jakobus, der Sohn <strong>des</strong> Alphäus, Jesus Christus ganz nahestehen, obwohl<br />
kaum jemand sie kennt. Es gibt zudem unter uns Christen, die wie Jakobus, der Sohn <strong>des</strong><br />
Zebedäus, <strong>als</strong> Glaubenszeugen für Jesus Christus eintreten, auch wenn das Nachteile<br />
bedeutet. Und andere Christen erleben wie der Jakobus, der Bruder Jesu, Zeiten, in denen sie<br />
zweifeln, und Zeiten, in denen sie die Verantwortung für die ganze Gemeinde übernehmen.<br />
Und wieder andere Christen hinterfragen wie der Jakobusbrief festgefahrene Ansichten und<br />
Glaubensvorstellungen. Und ich denke: Auf keinen dieser Jakobusse können wir in unserer<br />
Gemeinde verzichten.<br />
Pastor Christian Schefe<br />
Christian Schefe seit<br />
2010 Pastor für die<br />
Kirchengemeinden<br />
<strong>Wieren</strong> und Lehmke
<strong>Wieren</strong>er Ansichtskarten mit der St. Jakobuskirche
<strong>Wieren</strong>er Ansichtskarten mit der St. Jakobuskirche
Fotomotiv<br />
St. Jakobuskirche in <strong>Wieren</strong>
Fotomotiv<br />
St. Jakobuskirche in <strong>Wieren</strong>
Von Heinrich Besenthal habe ich erfahren:<br />
Der Pastor kam lange Zeit <strong>von</strong> Nettelkamp über den heutigen Nettelkamper Weg nach<br />
<strong>Wieren</strong>, wenn er dort Hausbesuche machte. Das ging so, bis der Kanal diesen Weg abschnitt,<br />
<strong>als</strong>o bis Anfang der Siebziger Jahre.<br />
Wenn er denn zu Fuß über den Berg kam und dann <strong>von</strong> den auf dem Feld Arbeitenden<br />
gesehen wurde, sprach es sich im Dorf schnell herum: "Der Pastor kommt." Man konnte sich<br />
nun auf das geistliche Geschehen einstellen. Wann kann man das heute noch, wo alles mit<br />
dem Auto so schnell <strong>von</strong>stattengeht?<br />
Also der Pastor kam ins Dorf. Vielleicht wollte er zu einem besonderen Geburtstag<br />
Segenswünsche bringen. Vielleicht stand ein Trauerbesuch an. Aber immer, wenn er kam, gab<br />
es noch einen anderen und für den Pastor froh machenden Besucher ging regelmäßig zu<br />
einem der Bauern und machte dort seine Kaffeepause. Man kann da<strong>von</strong> ausgehen, dass es<br />
liebe, kirchliche Menschen waren, bei denen er willkommen war. Hatten sie gemeinsame<br />
Interessen? Wir kennen solche nicht. Aber <strong>von</strong> einem konnte Heinrich Besenthal erzählen.<br />
Der Pastor bekam beim Abschied eine gute Wurst in seinen Rucksack. Das war ja dam<strong>als</strong><br />
durchaus üblich und sehr erwünscht für den Tisch in der Pastorenfamilie. Denn das Gehalt<br />
war nicht hoch und es sollte und musste aus dem Garten <strong>des</strong> Pastors und eben auch aus der<br />
Gemeinde etwas dazukommen.<br />
Und der Pastor sah <strong>von</strong> weit her, wenn er die <strong>Wieren</strong>er Berge passiert hatte, den Turm der<br />
Alten Kirche und dann, ab 1911, auch den Turm der Neuen Kirche, die 1976 den Namen St.<br />
Jakobuskirche erhielt. Burkhard Henke
In der Advents- und<br />
Weihnachtzeit wird die St.<br />
Jakobuskirche mit<br />
Unterstützung <strong>des</strong><br />
Arbeitskreises Handwerk,<br />
Handel und Gewerbe in<br />
<strong>Wieren</strong> festlich angestrahlt.<br />
Von Günther Kretzschmar<br />
geschnitzte Krippe.
Im ,,<strong>Wieren</strong>er Gemeindebrief'“ (Ausgabe Dez. 1999/Jan.2000) gefunden:<br />
Eine kleine lustige Geschichte um und mit Adolf Krüger<br />
Kantor und Lehrer in <strong>Wieren</strong> <strong>von</strong> 1886 bis 1926<br />
Einmal monatlich kam Adolf Krüger in seiner Eigenschaft <strong>als</strong> Rechungsführer der <strong>Wieren</strong>er<br />
Kirchengemeinde, in unser Elternhaus, um meinem Vater <strong>als</strong> Küster zu entlohnen. So war es<br />
auch an einem kalten Wintertag Anfang Januar 1939. Die angeregte Unterhaltung mit meiner<br />
Mutter zog sich dann, bei Kaffee und Kuchen, bis in den späten Nachmittag hin. An diesem<br />
Nachmittag gesellte sich unsere Bekannte, Frau Else Camehl, zu dieser Runde Sie überlegte<br />
sicherlich schon, wie sie dem würdigen alten Kantor Krüger ein Lob aussprechen könnte.<br />
Jahrzehnte hatte<br />
A. Krüger die Orgel in der <strong>Wieren</strong>er Kirche gespielt. Sein Nachfolger im Schuldienst, Karl<br />
Buchholz, übte jetzt auch dieses Amt aus. Doch A. Krüger vertrat seinen Nachfolger K. Buchholz,<br />
wenn dieser mal verhindert war. Dies war am Silvesterabend 1938 der Fall.<br />
Obengenannte Frau Camehl war an diesem Abend zum Gottesdienst gewesen. Sie war in dem<br />
festen Glauben, K Buchholz hätte die Orgel gespielt. Tatsächlich hatte ihn aber Kantor Krüger<br />
vertreten, was unsere gute Frau Camehl nicht wusste. Das Verhängnis nahm seinen Lauf.<br />
Denn hier setzte sie zum Lob auf Kantor Krüger an. Zu ihm gewandt, sagte sie: Herr Krüger, Ihr<br />
Orgelspiel war doch schöner und lauter <strong>als</strong> das <strong>von</strong> Herrn Buchholz; nein ich war Silvester zur<br />
Kirche - man konnte ja kaum etwas hören. ,,Unser guter Kantor war nun in eine heikle Situation<br />
geraten, denn er hatte, wie gesagt, selbst die Orgel gespielt.<br />
Sein salomonisches Urteil: ,,Liebe Frau Camehl, dass die Orgel am Silvesterabend so leise<br />
gespielt wird, müssen Sie verstehen: Das Jahr geht still zu Ende."<br />
(aufgeschrieben <strong>von</strong> Erhard Behn, <strong>Wieren</strong>)<br />
Erhard Behn<br />
Pastor Jürgen Wendt<br />
(1964)<br />
Adolf Krüger war in<br />
<strong>Wieren</strong> nicht nur Kantor,<br />
sondern er war auch noch<br />
Lehrer, erster Chronist und<br />
Rendant der Spar- und<br />
Darlehnskasse<br />
Pastor Herbert Bohnke<br />
(1969)<br />
Pastor Werner Baden<br />
(1984)
Die Kirchen in <strong>Wieren</strong>, Motive für viele Künstler<br />
Federzeichnung Walter Jagodzinski, 1984 Zeichnung Fritz Hildebrand, 1940
Buntstiftzeichnung<br />
Hermann Behn,<br />
1914<br />
Gemalt<br />
<strong>von</strong> Fritz<br />
Gerling ,<br />
Oktober<br />
1945
Beim Besuch <strong>des</strong> Gottesdienstes sind<br />
neben der Liturgie, der Predigt, den<br />
Gesängen und dem Beten auch Blicke<br />
in die Höhe zu Decke, auf die Kanzel<br />
oder das Kruzifix an der Nordwand<br />
durchaus lohnenswert.
Erntedankfest<br />
Jugendgottesdienst
Die Messingtaufschale aus dem<br />
Jahr 1586 wurde aus der alten<br />
Kirche mitgebracht.<br />
Der „Klingelbeutel“ <strong>von</strong> 1878 ist<br />
noch heute in Gebrauch<br />
Das Kruzifix in der Sakristei
Die<br />
Marienfigur<br />
aus der alten<br />
Kirche.
Die Uhr gibt es bereits seit 1910 und das Uhrwerk, hier präsentiert<br />
<strong>von</strong> Gunter Stanislaus, wird immer noch per Hand aufgezogen.
Für Texte, Fotos, Zeitungsausschnitte usw. danken wir u.a. Walter Schulz, Marion Ramünke,<br />
Ulrich Fiedler, Fritz Köhler(†), Erhard Behn(†), Wilfrid Naber, Hans-Dieter Hoffmann, Harry<br />
Hamisch, Joachim Hinrichs, Walter Jagodzinski(†), Ulrike Müller, Gasthaus „Alt <strong>Wieren</strong>“, Leni<br />
Lindloff, Pastor Burkhard Henke, Pastor Christian Schefe und Walter Schröder.<br />
Der Druck der Broschüre erfolgte durch das Druck und Kopierzentrum Dagmar Kahl, Uelzen<br />
und unterstützt durch die Anzeige der Volksbank Uelzen-Salzwedel eG.<br />
Verantwortlich für den Inhalt: Dieter Schoop, <strong>Wieren</strong> (Oktober 2011)
2011:<br />
100 Jahre St. Jakobuskirche in <strong>Wieren</strong><br />
Der Kirchenvorstand 2011:<br />
Gunter Stanislaus (Vorsitzender)<br />
Grit Besenthal<br />
Helmut Klaucke<br />
Brigitte Oetzmann<br />
Armin Niebuhr<br />
Astrid Wojcik