AUFTRAG_283_w.pdf - Gemeinschaft Katholischer Soldaten
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SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK<br />
Professor Gustav Däniker<br />
32. prägte1992 nach dem Golfkrieg<br />
von 1991 den Begriff des „miles<br />
protector“ und fasste die neuen Aufgaben<br />
des <strong>Soldaten</strong> der Zukunft mit<br />
den Worten „Schützen, Helfen, Retten“<br />
zusammen. 8 Der Soldat, dessen<br />
Kernaufgabe der Kampf ist, bleibt<br />
stets anpassungsfähig, und von einigen<br />
bedauerlichen Ausnahmen abgesehen,<br />
hat er sein Repertoire um<br />
diese gemischte Funktion erweitert,<br />
wenn auch zunächst eher intuitiv als<br />
aufgrund einer entsprechenden Ausbildung.<br />
Ein Soldat, sei es nun ein<br />
einfacher Gefreiter oder ein General,<br />
der Wertschätzung für die christliche<br />
Ethik oder sogar eine persönliche Bindung<br />
zum Christentum empfindet,<br />
kann eine derartige Erweiterung möglicherweise<br />
besser bewältigen. In dieser<br />
Hinsicht stimmen die historischen<br />
katholischen, orthodoxen und protestantischen<br />
Einschätzungen überein.<br />
– Papst Johannes Paul II. (anlässlich<br />
des Weltfriedenstages am 1.<br />
Januar 2000): „Wenn die Zivilbevölkerung<br />
Gefahr läuft, unter den<br />
Schlägen eines ungerechten Angreifers<br />
zu erliegen, und die Anstrengungen<br />
der Politik und die<br />
Mittel gewaltloser Verteidigung<br />
nichts fruchteten, ist es offensichtlich<br />
legitim und sogar geboten,<br />
sich mit konkreten Initiativen<br />
für die Entwaffnung des Aggressors<br />
einzusetzen.“ 9<br />
– St. Kyrill (Lehre der Russisch-<br />
Orthodoxen Kirche zu Krieg und<br />
Frieden, Erzpriester Vater Konstantin<br />
Tatarintsev): „Wir erdulden<br />
edelmütig gegen uns als Privatpersonen<br />
gerichtete Angriffe, aber<br />
in Gesellschaft verteidigen wir einander<br />
und geben unser Leben im<br />
Kampf für unsere Nachbarn.“ 10<br />
– Martin Luther: „Das Schwert soll<br />
kein Christ für sich und seine Sache<br />
führen oder anrufen; dagegen<br />
für einen andern kann und soll<br />
er‘s führen und anrufen, damit<br />
8 Cf. Gustav Däniker, Wende Golfkrieg.<br />
Vom Wesen und Gebrauch künftiger<br />
Streitkräfte, Frankfurt am Main 1992,<br />
170f<br />
9 Botschaft Seiner Heiligkeit Papst Johannes<br />
II. zur Feier des Weltfriedenstages,<br />
1. Januar 2000, Absatz 11<br />
10 Lehre der Russisch- Orthodoxen Kirche<br />
– Erzpriester Vater Konstantin Tatarintsev,<br />
Krieg und Frieden, Absatz VIII.2<br />
dem bösen Wesen gesteuert und<br />
die Rechtschaffenheit geschützt<br />
wird.“ 11<br />
33.<br />
Das Paradoxon, wirksam zu<br />
kämpfen und gleichzeitig die<br />
Menschenrechte und die Menschenwürde<br />
zu verteidigen, bleibt bestehen.<br />
Auf der 2002 abgehaltenen Konferenz<br />
des Institutes für Religion und Frieden<br />
des Österreichischen Militärordinariates<br />
wurde die Schlussfolgerung<br />
gezogen, dass das Dilemma durch<br />
einen zunehmenden Rückgriff auf<br />
hoch entwickelte aber nur in geringem<br />
Maße unterscheidende Cyberwaffen<br />
verschärft werde. 12 Es lässt sich jedoch<br />
verringern, wenn von gut ausgebildeten<br />
<strong>Soldaten</strong> rechtzeitig durchgeführte<br />
militärische Maßnahmen von<br />
einer instinktiven moralischen Reaktion<br />
begleitet werden.<br />
Die Koalitionsbildung zwi-<br />
34. schen internationalen Streitkräften,<br />
einheimischen Sicherheitskräften<br />
und zivilen Institutionen stellt<br />
eine ethische und ethnische Herausforderung<br />
dar, die parallel zu den Prozessen<br />
der Friedensschaffung, Friedenserhaltung,<br />
Wiederherstellung<br />
und des Wiederaufbaus in Angriff<br />
genommen werden muss.<br />
Der sechste Schritt zur För-<br />
35. derung des Friedens besteht<br />
deshalb in einer zweckmäßigen Ausbildung<br />
und Einweisung der Einsatzkräfte<br />
hinsichtlich der in einem möglichen<br />
Einsatzgebiet herrschenden kulturellen<br />
Gegebenheiten. Eine derartige<br />
Einweisung ist ebenso wichtig im<br />
Hinblick auf die am Einsatz beteiligten<br />
Bündnispartner, die einheimische<br />
Bevölkerung und mögliche Gegner.<br />
Die Kirche hat wiederholt auf<br />
36. die Menschenwürde hingewiesen<br />
und ihre Allgemeingültigkeit<br />
für alle Kulturen als unverzichtbare<br />
Voraussetzung für Gerechtigkeit und<br />
11 Von weltlicher Obrigkeit und Wieweit<br />
man ihr Gehorsam schuldig sei –<br />
Brief an Kurfürst Johann, Herzog von<br />
Sachsen, Martin Luther, Wittenberg, 1.<br />
Januar 1523<br />
12 „Das Ethische Profi l des <strong>Soldaten</strong> vor<br />
der Herausforderung einer Kultur des<br />
Friedens“ Konferenz des Institutes für<br />
Religion und Frieden des Österreichischen<br />
Militärordinariates, 9. Oktober<br />
2002<br />
Frieden unterstrichen. Papst Benedikt<br />
XVI. (Nikosia, 05.Juni 2010) betont<br />
den besonderen Zusammenhang zwischen<br />
Menschenrechten, Menschenwürde,<br />
Gerechtigkeit und Frieden:<br />
„Andererseits schützen und fördern<br />
wir die Menschenwürde, indem wir<br />
das Recht der Person und der Völker<br />
achten. Wenn die politischen Ziele,<br />
die wir unterstützen, im Einklang mit<br />
dem Naturrecht umgesetzt werden, das<br />
unserem gemeinsamen Menschsein<br />
eigen ist, dann wird unser Handeln<br />
vernünftiger und führt zu einem Klima<br />
des Verstehens, der Gerechtigkeit<br />
und des Friedens.“ 13 Papst Johannes<br />
Paul II. äußerte sich wie folgt über <strong>Soldaten</strong><br />
und ihre Verantwortung für das<br />
höchste menschliche Gut: „Lernt vom<br />
Kreuze Christi und von seiner Hingabe,<br />
um den Menschen und Eurem Volk<br />
wahrhaft dienen zu können!“ 14<br />
In den meisten simulierten<br />
37. Szenarien gibt es eine „Musterlösung“,<br />
das „Hollywood- Happy-<br />
End“. In der Realität laufen viele<br />
Entscheidungen im Einsatz auf eine<br />
Wahl zwischen verschiedenen Übeln<br />
hinaus, bei der dem militärischen<br />
Führer, für den Zögern tödlich sein<br />
kann, bewusst ist, dass seine Beurteilung<br />
in langwierigen Rechtsverfahren<br />
und Medienanalysen einer hartnäckigen<br />
Prüfung unterzogen werden könnte.<br />
Unabhängig davon, wie stark seine<br />
Hingabe zum <strong>Soldaten</strong>beruf oder seine<br />
Glaubenstreue ist, wird ein Offizier,<br />
der vor dem Einsatz nicht entsprechend<br />
vorbereitet wurde und danach<br />
keine Unterstützung erfährt, dauerhafte<br />
psychische Narben zurückbehalten,<br />
wenn er mit einem derartigen<br />
Dilemma konfrontiert wird.<br />
Der siebente Schritt zur För-<br />
38. derung des Friedens konzentriert<br />
sich daher auf die Einsatzvorbereitung<br />
mit einer loyalen Unterstützung<br />
derjenigen, die zwischen operativen<br />
Alternativen entscheiden müssen,<br />
deren Folgen allesamt tragisch sein<br />
13 Apostolische Reise nach Zypern – Begegnung<br />
mit den zivilen Autoritäten und<br />
dem Diplomatischen Korps, Ansprache<br />
Seiner Heiligkeit Benedikt XVI., 5. Juni<br />
2010<br />
14 Grußbotschaft von Papst Johannes Paul<br />
II. an die Militärangehörigen anlässlich<br />
ihrer Messe zum Internationalen Jubiläum,<br />
8. April 1984<br />
12 <strong>AUFTRAG</strong> <strong>283</strong> • SEPTEMBER 2011