LIMESENTWICKLUNGSPLAN BADEN-WÜRTTEMBERG ...
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9 Naturschutz und Landschafts-<br />
pflege am Limes<br />
von Reinhard Wolf<br />
9.1 Natur und Kultur gehören zusammen<br />
Spaziergänger und Wanderer sehen in Wacholderheiden,<br />
Wiesenlandschaften und Wald gemeinhin<br />
das Sinnbild für „Natur pur“. Mit Ausnahme von<br />
Felsen, Erdfällen und kleinflächigen Resten ursprünglicher<br />
Moore besteht Baden-Württemberg<br />
jedoch ausschließlich aus vom Menschen geformter<br />
Kulturlandschaft. Ursprüngliche Naturreste sind<br />
äußerst selten und auf kleinste Flächen beschränkt.<br />
In Wäldern, aber auch in der freien Landschaft, befinden<br />
sich je nach Intensität der Nutzung Naturreste,<br />
die zum Teil durchaus ursprünglich wirken.<br />
In der Regel sind allerdings bei genauem Hinsehen<br />
die Oberflächenformen oft genug irgendwann einmal<br />
verändert worden, und auch die Tier- und<br />
Pflanzenwelt zeigt in ihrer Zusammensetzung deutlich<br />
kulturüberformte Züge. Waldränder, Hohlwegböschungen,<br />
Ödländereien, Trockenmauern usw.<br />
kann man, wiewohl kulturbedingt, als „naturnahe<br />
Lebensräume“ bezeichnen.<br />
Natur zu schützen in unserem Land heißt also, vorwiegend<br />
naturnahe Kulturlandschaftsausschnitte zu<br />
schützen und zu pflegen. Naturschutz zu betreiben<br />
in einer Kulturlandschaft scheint auf den ersten<br />
Blick ein Widerspruch zu sein. An vielen Beispielen<br />
lässt sich allerdings zeigen, dass in unserer Kulturlandschaft<br />
Natur und Kultur untrennbar zusammengehören:<br />
• Im Neckartal zwischen Stuttgart und Heilbronn<br />
sind die Talflanken an den südexponierten<br />
Hängen seit rund 1000 Jahren als Weinberge<br />
angelegt. Muschelkalkfelsen erheben sich senkrecht<br />
aus den terrassierten Weinberghängen –<br />
das bekannteste Beispiel sind die „Hessigheimer<br />
Felsengärten“ (Naturschutzgebiet). An manchen<br />
Stellen verzahnen sich Weinbergmauern<br />
und Felsen in einer Art und Weise, dass man<br />
kaum unterscheiden kann, was Natur und was<br />
vom Menschen geschaffen ist.<br />
• Die bekannten Wacholderheiden der Schwäbischen<br />
Alb werden zwar von Laien meist als<br />
„Natur pur“ angesehen, sind jedoch nichts anderes<br />
als eine Folge jahrhundertelanger Beweidung<br />
kargster Böden mit Schafen oder Ziegen.<br />
Lange Zeit wurde „überweidet“, d. h. die<br />
Vegetation derart geschädigt, dass sie ihre Funk-<br />
NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE AM LIMES 55<br />
tionen nicht mehr erfüllen konnte; die Folge:<br />
stellenweise katastrophale Bodenerosion, die<br />
zum Totalverlust der Humusschicht führte. Das<br />
Pflanzenkleid der Heiden hat sich der Nutzung<br />
angepasst; nur widerstandsfähige Pflanzen, die<br />
Schaftritt und -verbiss aushalten, gedeihen hier.<br />
Aus den Albheiden ragen oft unvermittelt<br />
Jurafelsen empor – ebenfalls ein Beispiel der<br />
Verzahnung von Natur und Kultur.<br />
• Schließlich sei noch auf Reste früherer Waldweiden<br />
hingewiesen, die als lockerer Baumbestand<br />
überkommen sind, welcher durch jahrzehnte-,<br />
ja jahrhundertelange Beweidung mit Großvieh<br />
entstanden ist. Sämtlicher Jungwuchs wurde<br />
abgefressen, so dass nur einige wenige Bäume,<br />
vor dem Vieh meist geschützt durch Absperrungen,<br />
hochkommen konnten. Beispiele für überkommene<br />
Waldweiden sind die drei Naturschutzgebiete<br />
der Waldenburger Berge, „Entlesboden“,<br />
„Obere Weide“ und „Michelbacher<br />
Viehweide“, oder der „Eichenhain“ bei Stuttgart-Riedenberg.<br />
Auch das Naturschutzgebiet<br />
„Favoritepark“ in Ludwigsburg trägt den<br />
Charakter einer Waldweide, dort allerdings bedingt<br />
durch einen Wildpark.<br />
Vergleichbar den genannten Beispielen von Kulturlandschaftselementen<br />
mit vermeintlich ursprünglichem<br />
Charakter ist der römische Limes streckenweise<br />
ein Kulturlandschaftselement, dem der Laie<br />
auf den ersten Blick seine künstliche Herkunft nicht<br />
ansieht. Hohlwege, Weiherdämme, alte Ackerraine<br />
im Wald etc. sehen ganz ähnlich aus und werden<br />
ebenso wenig als Kulturzeugnisse wahrgenommen.<br />
So ist der Limes auf den Teilstrecken, wo noch<br />
mehr oder weniger gut erhaltene Abschnitte zu sehen<br />
sind, ein Kulturlandschaftselement vergleichbar<br />
den oben genannten Elementen: ein Überbleibsel<br />
einer historischen Nutzung.<br />
Wer sich um Schutz und pflegliche Behandlung der<br />
Überreste des Limes kümmern will, darf seinen<br />
Blick aber nicht auf die enge, knapp dreißig Meter<br />
breite Trasse von (ehemaligem) Wall und Graben<br />
samt Palisadenzaun bzw. Mauer beschränken, sondern<br />
muss auch die nähere und weitere Umgebung<br />
in die Überlegungen mit einbeziehen, was durch<br />
die Pufferzone gewährleistet ist. Nur so kann der<br />
geschichtliche und kulturlandschaftliche Zusammenhang<br />
erkannt und nachvollzogen werden. Diese<br />
erweiterte Betrachtungsweise ist auch der Grund<br />
dafür, die Naturschutzbelange in großflächigerem<br />
Rahmen zu sehen.<br />
Auch wenn die historische und landschaftliche Bedeutung<br />
des Limes in der Regel im Vordergrund