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Das Wort - Das slavische Verb

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7. <strong>Verb</strong>en<br />

sagte’ oder przeczyta! list ‚er las den Brief’ ein Ereignis bezeichnet wird, heißt das für den<br />

Hörer oder Leser, dass das, was im nächsten pf. Prädikat genannt wird, eine neue Situation<br />

ist, die der vorher genannten folgt. Daher wird eine Abfolge von Prädikaten wie zamkna˛!<br />

drzwi i przeczyta! list ‚schloss die Tür und las den Brief’ als Handlungssequenz verstanden.<br />

Demgegenüber wird eine Abfolge von ipf. Prädikaten mit (progressiver) Verlaufsfunktion,<br />

vgl. kiedy ona juz˙ mo´wi!a o gos´ciu, on jeszcze zamyka! drzwi ‚während sie schon über den<br />

Gast sprach, machte er noch die Tür zu’ als zeitlicher Parallelismus verstanden.<br />

Gehen wir noch einmal zur lexikalischen Ebene zurück und betrachten atelische<br />

<strong>Verb</strong>en wie chodzic´ ‚herumlaufen’ oder mo´wic´ ‚sprechen (mit)’. Ihre atelische lexikalische<br />

Bedeutung impliziert einen Verlauf, also eine Situation, die aus mehreren Phasen besteht.<br />

Es ist ein atelischer Verlauf, einer, der nicht auf eine bestimmte sachliche ‚Grenze’ hinsteuert,<br />

wie wir das bei zamykac´ ‚zumachen’ gesehen haben. Durch Präfigierung mit po- erhält<br />

das ipf. mo´wic´ ‚sprechen’ den pf. Aspektpartner pomo´wic´ ‚(eine Zeit lang) sprechen (mit)’.<br />

(Wenn mo´wic´ die lexikalische Bedeutung ‚sagen’ hat, ist es telisch und hat einen anderen<br />

pf. Aspektpartner, powiedziec´.) Bei pf. Derivaten wie pomo´wic´ ist das Ereignis nicht lexikalisch,<br />

sondern grammatisch gesetzt. Die Ereignis-Gestalt ist nicht durch einen abgeschlossenenen<br />

Sachverhalt begründet, sondern als eine rein zeitliche zu verstehen. <strong>Das</strong><br />

ipf. <strong>Verb</strong> mo´wic´ hat, wie das ipf. zamykac´, eine Reihe potenzieller Funktionen, darunter die<br />

progressive, die erst in ihrem Satzkontext, auf der syntaktischen Ebene, spezifiziert werden.<br />

Auf der textuellen Ebene spielt dann die Frage, ob das <strong>Verb</strong> telisch oder atelisch ist, keine<br />

wesentliche Rolle mehr, hier steht der Unterschied zwischen den syntaktischen Funktionen<br />

des pf. und ipf. Aspekts im Vordergrund.<br />

Die Ebenen sind auch wichtig für die Korrelierung von Aspektpartnern und -paaren.<br />

Dies zeigt sich deutlich zunächst bei diffuser, telisch-atelischer lexikalischer Bedeutung.<br />

Da sie im Hinblick auf die Telizität nicht eindeutig ist, ist erst mit Kontext zu erkennen,<br />

ob die dargestellte Situation telisch oder atelisch ist oder diffus bleibt. Wie gesehen,<br />

wird mit dem Objekt list in przeczyta! list ‚hat den/einen Brief gelesen’ eine sachliche<br />

Grenze geliefert. Ist der Brief gelesen, kann er nicht weiter gelesen werden, so wenig, wie<br />

die Tür im Falle von zamkna˛!em weiter geschlossen werden kann. Die dargestellte Situation<br />

ist damit telisch. <strong>Das</strong> diffuse telisch-atelische <strong>Verb</strong> czytac´ wird mit solchem Kontext, also<br />

erst auf der syntaktischen Ebene, ein telisches Prädikat. Erscheint ein Objekt listy mit indefiniter<br />

Funktion (czyta! listy ‚las Briefe’), dann wird mit dem Kontext keine sachliche<br />

Grenze gesetzt und wir haben es mit einem atelischen Prädikat zu tun.<br />

Während diese Konturierung der diffusen Bedeutung des ipf. <strong>Verb</strong>s czytac´ ‚lesen’<br />

zu einem telischen oder atelischen Prädikat erst auf der syntaktischen Ebene geschieht,<br />

kann die Konturierung auch durch Präfigierung, damit auf der morphologischen Ebene,<br />

geschehen. Przeczytac´ ist der telische Aspektpartner, poczytac´ der atelische Aspektpartner<br />

zu czytac´. Przeczytac´ muss, da es telisch ist, einen entsprechenden, die ‚sachliche Grenze’<br />

bezeichnenden, telischen Kontext haben, z.B. list ‚den Brief’; poczytac´ muss einen atelischen<br />

Kontext haben (der auch in der Abwesenheit eines Objekts bestehen kann). Wir ha-

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