Das Wort - Das slavische Verb

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329 318 7. Verben dass ein Präfix sowohl eine lexikalische lokale und lexikalische nicht lokale, als auch eine grammatische aspektuelle Funktion haben kann. Vgl. zu na-: – lokale Bedeutung: na-rzucic´ (cos´ na cos´) ‚etwas auf etwas werfen’ – nicht lokale Bedeutung (so genannte kumulative Aktionsart’): na-kupic´ (> nakupowac´ [prezento´w]) ‚eine Menge [Geschenke zusammen-]kaufen’ – grammatische Funktion na-pisac´ pf. ‚schreiben’ (so genannte resultative Aktionsart) Darüber, welche Derivate als Aspektpartner zu gelten haben, gehen die Meinungen auseinander. Entsprechend einer lange verbreiteten Ansicht wurden neben – genaugenommen zwischen – dem grammatischen Aspekt und der lexikalischen Derivation so genannte Aktionsarten angenommen (rodzaj czynnos´ci). Sie wurden meist als Gruppen von Derivaten mit bestimmten, nicht lokalen Bedeutungen bestimmt, teilweise auch als Derivate ohne eigenen Aspektpartner. Daneben gibt es weitere ganz andere Definitionen des Terminus ‚Aktionsart’. Zwei Traditionslinien sind besonders weit voneinander entfernt: Als funktionale Kategorie wurden die Aktionsarten von der indogermanistischen Lehre vom Verb begründet. Entsprechend den notwendigen Differenzierungen der Ebenen entspricht diesem Begriff das, was hier als Lexikalische Aktionale Funktion und als aspektuelle Satzfunktionen bezeichnet wird. In der angelsächsischen Literatur wird der Terminus ‚Aktionsart’ vor allem in diesem Sinne verstanden. Als formal-funktionale Kategorie wurde sie in der strukturalistischen Slavistik, ausgehend von einer Arbeit zu den polnischen ‚Aktionsarten’ (Agrell 1908) verbreitet. In diesem Sinne wird der Begriff der Aktionsart vor allem dann gebraucht, wenn man eine scharfe Grenze ziehen will zwischen einem als Flexion verstandenen Aspekt und lexikalischen Derivaten. Aspektpartner sind bei dieser Konzeption nur die durch Suffigierung mit {-wa-, -a-} abgeleiteten ‚Verbformen’. Diese Konzeption ist in der Polonistik nicht heimisch geworden. Es gibt dann beträchtliche Probleme mit den Verben, die auf irgendeine Weise zwischen diesen Polen angesiedelt sind. Dies betrifft vor allem präfigierte Derivate wie napisac´ (pf. zu pisac´ ´ ‚schreiben’) oder zaproponowac´ (pf. zu proponowac´ ‚anbieten’). Sie sind keine lexikalischen Derivate wie narzucic´ ‚werfen auf’ oder zajechac´ ‚ankommen’), aber auch keine relativ regelmäßigen Ableitungen wie die durch Suffigierung mit {-wa-, -a}. Die hier bevorzugte, funktional orientierte Darstellung führt dazu, dass einige Typen von Aktionsart-Verben bei den lexikalischen Derivaten beschrieben werden (‚lexikalische Aktionsarten’, vgl. nakupic´ ‚(ein)kaufen’). Andere Typen von Aktionsart-Verben, vor allem die ‚resultativen’, werden hier zu den normalen oder auch zu den mehr oder weniger peripheren grammatischen Aspektpartnern gezählt (‚grammatische Aktionsarten’, vgl. napisac´´ ‚schreiben’). Um Entsprechungen mit früheren Beschreibungen erkennen zu lassen, wird jeweils der oder einer der üblichen Aktionsarttermini angeführt.

7.1. Wortbildung der Verben 319 Die Existenz dieser Zwischen-Typen deverbaler Derivate ist ein Reflex der Tatsache, dass die grammatische Aspekt-Derivation das Ergebnis eines längerdauernden, auch jetzt noch vor sich gehenden Grammatikalisierungprozesses ist. Im Verlaufe dieses Prozesses verlieren Präfixe mit ursprünglich lokaler Bedeutung bei bestimmten Verben diese konkrete Semantik und werden zu Derivaten mit verschiedenen Graden der Grammatikalisiertheit. Das Präfix po-, das als Aktionsart-Präfix gilt, wird inzwischen für die Bildung von Aspektpartnern auch zu (atelischen, s.u.) Verben wie mo´´wic´ ‚sich (mit jemandem) unterhalten’ genutzt (> pomo´wic´). Auch die Verben mit ingressiver und egressiver Funktion wurden als Aktionsart-Verben angesehen, obwohl ihre spezifische Funktion (‚Anfang’, ‚Ende’) in entsprechenden Kontexten reine Aspektfunktion sein kann. Die Grenze zwischen lexikalischer und grammatischer Derivation wird im Abschnitt über den Aspekt durch eine operationalisierende Definition des Aspektpartners gesetzt. Eingehendere Informationen zum Aspekt sind im entsprechenden Kapitel zu finden, auf das hier nicht jeweils verwiesen wird. 7.1.2 Wichtige lexikalische Präfixe und deren Funktionen Die Wortbildung der Verben beruht vor allem auf der Präfigierung und trifft insofern auf eine Reihe von Schwierigkeiten, weil die Präfixe stark polysem und allgemeine Bedeutungen oft schwer zu fassen sind. Außerdem gibt es für die einzelnen Verben eine beträchtliche Zahl von Präfixen mit verschiedener Bedeutung (die unten meist nicht aufgeführt werden können). Schließlich kompliziert sich das Bild dadurch, dass, wie erwähnt, mithilfe der meisten Präfixe auch Aspektpartner abgeleitet werden können. Diese grammatische Aspektfunktion, die ein Präfix neben seiner lexikalischen Funktion haben kann, wird hier nicht aufgeführt. Auch mit der lexikalischen Präfigierung entsteht ein pf. Verb; dieses ist hier angegeben. Sein ipf. Aspektpartner wird durch Suffigierung davon abgeleitet. Durch die Präfigierung wird meistens die Bedeutung des motivierenden Verbs nur modifiziert. Teilweise ergeben sich aber auch nicht oder schwer rekonstruierbare Bedeutungen. Die Funktionen der Präfixe können daher nicht vollständig aufgeführt werden. do- • die betreffende Handlung erreicht eine räumliche oder zeitliche Grenze: dobiec ‚beim Laufen das Ziel erreichen’, dojechac´ ‚beim Fahren oder Reiten ans Ziel kommen’, doz˙yc´ ‚etwas (noch) erleben’ • die betreffende Handlung wird bis zu Ende geführt, z.B. doczytac´ ‚zu Ende lesen’, dogotowac´ ´ ‚zu Ende, gar kochen’, dopic´ ‚leer trinken’ • die betreffende Handlung wird zusätzlich, komplementär ausgeführt, z.B. dokupic´ ‚hinzukaufen’, dolac´ ‚(zu)gießen’, dosypac´ ´ ‚hinzu-, vollschütten’ • etwas auf etwas anwenden, an etwas anpassen: dopasowac´ ‚anpassen, passend zusammenstellen’, dostroic´ ‚(ab)stimmen’, doro´wnac´ ‚(jdm.) gleichkommen’ 330

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dass ein Präfix sowohl eine lexikalische lokale und lexikalische nicht lokale, als auch eine<br />

grammatische aspektuelle Funktion haben kann. Vgl. zu na-:<br />

– lokale Bedeutung: na-rzucic´ (cos´ na cos´) ‚etwas auf etwas werfen’<br />

– nicht lokale Bedeutung (so genannte kumulative Aktionsart’): na-kupic´ (> nakupowac´<br />

[prezento´w]) ‚eine Menge [Geschenke zusammen-]kaufen’<br />

– grammatische Funktion na-pisac´ pf. ‚schreiben’ (so genannte resultative Aktionsart)<br />

Darüber, welche Derivate als Aspektpartner zu gelten haben, gehen die Meinungen auseinander.<br />

Entsprechend einer lange verbreiteten Ansicht wurden neben – genaugenommen<br />

zwischen – dem grammatischen Aspekt und der lexikalischen Derivation so genannte Aktionsarten<br />

angenommen (rodzaj czynnos´ci). Sie wurden meist als Gruppen von Derivaten mit<br />

bestimmten, nicht lokalen Bedeutungen bestimmt, teilweise auch als Derivate ohne eigenen<br />

Aspektpartner. Daneben gibt es weitere ganz andere Definitionen des Terminus ‚Aktionsart’.<br />

Zwei Traditionslinien sind besonders weit voneinander entfernt:<br />

Als funktionale Kategorie wurden die Aktionsarten von der indogermanistischen<br />

Lehre vom <strong>Verb</strong> begründet. Entsprechend den notwendigen Differenzierungen der Ebenen<br />

entspricht diesem Begriff das, was hier als Lexikalische Aktionale Funktion und als aspektuelle<br />

Satzfunktionen bezeichnet wird. In der angelsächsischen Literatur wird der Terminus<br />

‚Aktionsart’ vor allem in diesem Sinne verstanden.<br />

Als formal-funktionale Kategorie wurde sie in der strukturalistischen Slavistik,<br />

ausgehend von einer Arbeit zu den polnischen ‚Aktionsarten’ (Agrell 1908) verbreitet. In<br />

diesem Sinne wird der Begriff der Aktionsart vor allem dann gebraucht, wenn man eine<br />

scharfe Grenze ziehen will zwischen einem als Flexion verstandenen Aspekt und lexikalischen<br />

Derivaten. Aspektpartner sind bei dieser Konzeption nur die durch Suffigierung mit<br />

{-wa-, -a-} abgeleiteten ‚<strong>Verb</strong>formen’.<br />

Diese Konzeption ist in der Polonistik nicht heimisch geworden. Es gibt dann beträchtliche<br />

Probleme mit den <strong>Verb</strong>en, die auf irgendeine Weise zwischen diesen Polen<br />

angesiedelt sind. Dies betrifft vor allem präfigierte Derivate wie napisac´ (pf. zu pisac´ ´<br />

‚schreiben’) oder zaproponowac´ (pf. zu proponowac´ ‚anbieten’). Sie sind keine lexikalischen<br />

Derivate wie narzucic´ ‚werfen auf’ oder zajechac´ ‚ankommen’), aber auch keine<br />

relativ regelmäßigen Ableitungen wie die durch Suffigierung mit {-wa-, -a}.<br />

Die hier bevorzugte, funktional orientierte Darstellung führt dazu, dass einige Typen<br />

von Aktionsart-<strong>Verb</strong>en bei den lexikalischen Derivaten beschrieben werden (‚lexikalische<br />

Aktionsarten’, vgl. nakupic´ ‚(ein)kaufen’). Andere Typen von Aktionsart-<strong>Verb</strong>en, vor<br />

allem die ‚resultativen’, werden hier zu den normalen oder auch zu den mehr oder weniger<br />

peripheren grammatischen Aspektpartnern gezählt (‚grammatische Aktionsarten’, vgl. napisac´´<br />

‚schreiben’). Um Entsprechungen mit früheren Beschreibungen erkennen zu lassen,<br />

wird jeweils der oder einer der üblichen Aktionsarttermini angeführt.

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