Das Wort - Das slavische Verb

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114 1. Grundlagen von Wortarten vorausgesagt werden können. Auch hier gilt: Eine sprachliche Einheit kann sowohl morphologische, als auch syntaktische Funktion haben. Betrachten wir einige Beispiele. Flexionsmorpheme sind immer Affixe mit morphologischer, und damit grammatischer, Funktion. Die Funktionskategorien können dementsprechend vorausgesagt werden: Für ein beliebiges Adjektiv gilt die Voraussage, dass mit ihm die Kategorien Kasus, Numerus und Genus realisiert werden. Aber auch bezüglich anderer Affixe als Endungen besteht Voraussagbarkeit: Bezüglich eines beliebigen Verbs kann vorausgesagt werden, dass es einem Aspekt angehört. Wird ein Substantiv gebraucht, so kann vorausgesagt werden, dass es eine Genusfunktion ausübt, dass es z.B. das Genus des kongruierenden Adjektivs determiniert. Mit der Definition sind zunächst einmal jene grammatischen Funktionen erfasst, die obligatorischen grammatischen Kategorien angehören: Flexionsmorpheme sind formal und funktional obligatorisch, d.h. mit einem Substantiv muss eine Endung aus einem bestimmten Paradigma mit den entsprechenden Funktionen realisiert werden. Mit dem Verb muss eine der Bedeutungen des Aspekts realisiert werden, er ist funktional obligatorisch. Ein Morphem für das Adverbialpartizip hingegen ist weder formal noch funktional obligatorisch, mit einem Verb muss weder die Funktion noch die Form des Adverbialpartizips realisiert werden. Für ein beliebiges Verb kann jedoch vorausgesagt werden, dass es die Derivationsbasis für ein Adverbialpartizip sein kann, und diese Voraussage ist für Substantive oder Adjektive nicht zulässig. Ausnahmen im Einzelfall stören nicht die auf einer Regel basierende Voraussagbarkeit. Ausnahmen gibt es bereits bei den Kategorien, die das Kriterium der Obligatheit erfüllen und über deren grammatischen Status kein Zweifel besteht. ‚Regelgegründet’ bedeutet, dass bei der Anwendung der Regel Spielraum für Ausnahmen gelassen werden muss. Die Definition soll in dieser Form gelten, d.h. als Prinzip, das Ausnahmen zulässt, wobei zwei Arten der Ausnahmen unterschieden werden können: (a) Die Ausnahme ist semantisch begründet. Substantive bestimmter lexikogrammtischer Kategorien wie die Stoffnamen (z˙elazo ‚Eisen’, woda ‚Wasser’, wino ‚Wein’) erlauben keine Pluralbildung oder stative Verben wie znaczyc´ ‚bedeuten’, kosztowac´ ‚kosten’ keine Ableitung von Aspektpartnern. (b) Die Ausnahme beruht auf einer sprachhistorisch begründeten Norm, vgl. Pluralwörter wie fusy ‚Fusseln’, drzwi ‚Tür’, nosze ‚Trage’. Die Definition dessen, was morphologische Funktionskategorien sind, geht im Umfang (in der Extension) deutlich über die Menge der Funktionen hinaus, die traditionell zu den ‚grammatischen Kategorien’ gezählt werden. Anders gesagt: Die Bedeutungen, die zu den traditionellen grammatischen Kategorien gehören, z.B. die Tempora, sind nur eine Untermenge der grammatischen Funktionen, wie sie hier definiert wurden. Mit dem vorliegenden Begriff der grammatischen Funktion wird nicht nur die Grammatizität von flexivischen und bestimmten derivationalen ‚grammatischen Kategorien’ erfasst, sondern auch die der ad-

1.4. Kategorien 115 jektivischen Partizipien oder Adverbialpartizipien und der lexiko-grammatischen Kategorien wie ‚Stoffname’ oder ‚Transitivität’. Das Gegenstück zum grammatischen Status von Affixfunktionen ist der lexikalische. Als lexikalisch bezeichnen wir Funktionskategorien von Wortformen, die nicht aufgrund einer allgemeinen Regel für beliebige Wörter einer Wortart vorausgesagt werden können. Zu den lexikalischen Funktionen gehören neben den Funktionen der Wurzeln von Inhaltswörtern die von Stämmen und von Wortbildungsaffixen. Das Suffix {-alnia} wird nur mit einigen semantisch geeigneten Verben kombiniert, wie smaz˙alnia ‚Grillstube’, sypialnia ‚Schlafzimmer’, nicht aber mit allen Verben, denn Wörter wie *pisalnia ‚Schreibzimmer’ gibt es nicht. Man kann also nicht anhand einer allgemeinen Regel voraussagen, dass es zu einem beliebigen Verb ein Derivat gibt mit der Bedeutung ‚Räumlichkeit, in der der vom motivierenden Wort genannte Vorgang stattfindet’. Deshalb ist die Funktion dieses Affixes als lexikalische zu klassifizieren. Man kann demgegenüber anhand einer allgemeinen Regel voraussagen, dass es im Polnischen zu einem beliebigen pf. Verb auch die Kombination mit der Funktion des ipf. Aspekts gibt, oder dass es zu einem transitiven Aktiv-Verb auch die Passiv-Funktion gibt. Die Funktionskategorien sind eben morphologisch und damit grammatisch, auch wenn mit den Affixen Wörter gebildet werden. Da hier die gegenseitige Ausschließung des lexikalischen und grammatischen Status nur bezüglich der Funktionen angesetzt wird, ist die oben besprochene Tatsache berücksichtigt, dass Formen von Morphemen und Morphemkomplexen zugleich lexikalische und grammatische Funktionen zugeordnet sein können. Dies ist hinsichtlich eines lexikalischen Stammes wie dem von me˛z˙czyzna ‚Mann’, der auch die grammatische Funktion ‚maskulinpersonal’ trägt, längstens bekannt und wurde oben im Zusammenhang mit der lexikalischen und zugleich grammatischen Aspekt-Präfigierung, vgl. budowac´ > zbudowac´ ‚bauen’ und po- in podzielic´ ‚teilen’ erläutert. Dem muss auch die Klassifizierung von Form-Funktions-Einheiten, von Morphemen und Stämmen in lexikalische und grammatische Rechnung tragen. Folgende Bezeichnungen für Morpheme sollen hinsichtlich ihres Status gelten: Lexikalisch: Morpheme, die eine oder mehrere lexikalische Funktionen haben, s.o. {-alnia}; Grammatisch: Morpheme, die eine oder mehrere grammatische Funktionen haben, z.B. Flexionsmorpheme. Es gibt damit Affixe, die wie erörtert je nach Funktion und Umgebung sowohl grammatischen als auch lexikalischen Status haben können, sei es in verschiedenen Wörtern (najechac´ und na-pisac´), sei es in ein und demselben Wort wie das erwähnte po- in podzielic´ oder sie˛ wie in otwierac´ sie˛ (sie können hinsichtlich des Status ‚ambivalent’ genannt wer-

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1. Grundlagen<br />

von <strong>Wort</strong>arten vorausgesagt werden können. Auch hier gilt: Eine sprachliche Einheit kann<br />

sowohl morphologische, als auch syntaktische Funktion haben.<br />

Betrachten wir einige Beispiele. Flexionsmorpheme sind immer Affixe mit morphologischer,<br />

und damit grammatischer, Funktion. Die Funktionskategorien können dementsprechend<br />

vorausgesagt werden: Für ein beliebiges Adjektiv gilt die Voraussage, dass<br />

mit ihm die Kategorien Kasus, Numerus und Genus realisiert werden. Aber auch bezüglich<br />

anderer Affixe als Endungen besteht Voraussagbarkeit: Bezüglich eines beliebigen <strong>Verb</strong>s<br />

kann vorausgesagt werden, dass es einem Aspekt angehört. Wird ein Substantiv gebraucht,<br />

so kann vorausgesagt werden, dass es eine Genusfunktion ausübt, dass es z.B. das Genus<br />

des kongruierenden Adjektivs determiniert.<br />

Mit der Definition sind zunächst einmal jene grammatischen Funktionen erfasst,<br />

die obligatorischen grammatischen Kategorien angehören: Flexionsmorpheme sind formal<br />

und funktional obligatorisch, d.h. mit einem Substantiv muss eine Endung aus einem bestimmten<br />

Paradigma mit den entsprechenden Funktionen realisiert werden. Mit dem <strong>Verb</strong><br />

muss eine der Bedeutungen des Aspekts realisiert werden, er ist funktional obligatorisch.<br />

Ein Morphem für das Adverbialpartizip hingegen ist weder formal noch funktional obligatorisch,<br />

mit einem <strong>Verb</strong> muss weder die Funktion noch die Form des Adverbialpartizips<br />

realisiert werden. Für ein beliebiges <strong>Verb</strong> kann jedoch vorausgesagt werden, dass es die<br />

Derivationsbasis für ein Adverbialpartizip sein kann, und diese Voraussage ist für Substantive<br />

oder Adjektive nicht zulässig.<br />

Ausnahmen im Einzelfall stören nicht die auf einer Regel basierende Voraussagbarkeit.<br />

Ausnahmen gibt es bereits bei den Kategorien, die das Kriterium der Obligatheit<br />

erfüllen und über deren grammatischen Status kein Zweifel besteht. ‚Regelgegründet’ bedeutet,<br />

dass bei der Anwendung der Regel Spielraum für Ausnahmen gelassen werden<br />

muss. Die Definition soll in dieser Form gelten, d.h. als Prinzip, das Ausnahmen zulässt,<br />

wobei zwei Arten der Ausnahmen unterschieden werden können:<br />

(a) Die Ausnahme ist semantisch begründet. Substantive bestimmter lexikogrammtischer<br />

Kategorien wie die Stoffnamen (z˙elazo ‚Eisen’, woda ‚Wasser’,<br />

wino ‚Wein’) erlauben keine Pluralbildung oder stative <strong>Verb</strong>en wie znaczyc´<br />

‚bedeuten’, kosztowac´ ‚kosten’ keine Ableitung von Aspektpartnern.<br />

(b) Die Ausnahme beruht auf einer sprachhistorisch begründeten Norm, vgl. Pluralwörter<br />

wie fusy ‚Fusseln’, drzwi ‚Tür’, nosze ‚Trage’.<br />

Die Definition dessen, was morphologische Funktionskategorien sind, geht im Umfang (in<br />

der Extension) deutlich über die Menge der Funktionen hinaus, die traditionell zu den<br />

‚grammatischen Kategorien’ gezählt werden. Anders gesagt: Die Bedeutungen, die zu den<br />

traditionellen grammatischen Kategorien gehören, z.B. die Tempora, sind nur eine Untermenge<br />

der grammatischen Funktionen, wie sie hier definiert wurden. Mit dem vorliegenden<br />

Begriff der grammatischen Funktion wird nicht nur die Grammatizität von flexivischen und<br />

bestimmten derivationalen ‚grammatischen Kategorien’ erfasst, sondern auch die der ad-

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