Das Wort - Das slavische Verb

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51 52 102 1. Grundlagen Neben diesen im Grad der semantischen Diffusität sehr verschiedenen Formationen gibt es auch Strukturen, die einander stärker ähneln. Produktiv sind Konstruktionen sowohl mit einer sehr spezifischen Bedeutung als auch solche mit unbestimmter struktureller Bedeutung. Dies kann auch vom Funktionsbereich abhängen. So ist die Wissenschaftssprache, die mit exakten Termini operiert, durch die Präferenz für Strukturen mit maximaler Informativität geprägt, während in der Umgangssprache Strukturen mit eher unbestimmter Bedeutung dominieren. Dadurch sind einige Wortbildungstrukturen stilistisch beschränkt. Ein weiterer Faktor, der bei der Produktivität von Formationstypen eine Rolle spielt, ist der Grad der Regelmäßigkeit ihrer Bildung. Als ‚regulär’ sehen wir solche Formationen an, die nur eine Bedeutung haben und von allen Mitgliedern einer Klasse in gleicher Weise gebildet werden. Eine Voraussetzung ist das Vorhandensein eines entsprechenden Musters. e) Zur Regelmäßigkeit In der polnischen Wortbildung gibt es kein einziges Modell, das total regelmäßig funktioniert. Ein Teil der Modelle verfügt über eine relative Regelmäßigkeit, die meisten sind jedoch unregelmäßig. Dies hängt mit den Beschränkungen der Verbindbarkeit der Wortbildungselemente zusammen. Eine Beschränkung liegt in der ‚Wortbildungsbasis’ des Formativs. Wortbildungsregeln sind nämlich bei weitem nicht so allgemein gültig wie Flexionsregeln, sie operieren nicht nur auf der Basis der Wortart des Ausgangslexems, sondern auch auf anderen wie morphologischen, lexikalischen und semantischen Merkmalen. f) Spezialisierung der Wortbildungsformative Die Wortbildungsformative sind in unterschiedlichem Grad spezialisiert. Einige bilden jeweils nur eine Wortbildungskategorie wie -anin, das Bewohner von Städten, Ländern und Regionen bezeichnet (warszawianin, Amerykanin, Wielkopolanin). Andere können verschiedene Kategorien realisieren; z.B. -ak, das zur Bildung von Nomina agentis (s´piewak ‚Sänger’, p!ywak ‚Schwimmer’), Nomina attributiva (ponurak ‚Griesgram’, ciemniak ‚Hohlkopf’), Stadtbewohnern (warszawiak) u.a. dient. Wenn man den Grad der Spezialisierung des Formativs kennt, d.h. wenn man weiß, ob es sich um ein mono- oder polyfunktionales Element handelt, kann man die entsprechenden Ausdrücke korrekt verwenden. Auch die Verbindbarkeit der Formative mit den Stämmen der Ausgangswörter hängt mit der genannten Spezialisierung zusammen. Einige Formative verbinden sich ausschließlich mit Basislexemen einer bestimmten Wortart, andere wie das Suffix -ak können an die Stämme von Verben, Adjektiven und Substantiven treten. Gewöhnlich hängt dies mit der Veränderbarkeit der Bedeutungen der einzelnen Formationen zusammen. Es gibt jedoch auch Formative mit einer einzigen spezialisierten Bedeutung, deren Verbindbarkeit nicht auf eine Wortart beschränkt ist. Beispielsweise tritt das Formativ -arka in der Bedeutung

1.2. Grundprinzipien der Wortbildung 103 ‚Maschine’ sowohl bei deverbalen (spawarka ‚Schweißgerät’, spre±z˙arka ‚Kompressor’) als auch bei desubstantivischen Formationen auf (kartoniarka ‚Kartonagenmaschine’). Beschränkungen in der formalen Verbindbarkeit einzelner Formative können bewirken, dass zur Bildung eines Typs mehrere Modelle gebraucht werden. So werden maskuline Deminutiva nach zwei Mustern gebildet: mit dem Formativ -ek oder -ik (-yk). Ihre Wahl hängt gewöhnlich vom Auslaut des Basisstamms ab: dom-ek ‚Häuschen’ vs. talerzyk ‚Kuchenteller’. Bei der Verschmelzung des Formativs mit dem Stamm kommt es bisweilen zum Ausfall von lautlichen Elementen des Stamms: barbarzynća ! barbarzyn´stwo ‚Barbarei’ mieszkaniec ! mieszkanka ‚Bewohnerin’ Ein Stamm kann bestimmten lautlichen Alternationen unterliegen: portret ! portrecik ‚kleines Portrait’, cz!owiek ! cz!owieczy ‚menschlich’ Die Unregelmäßigkeiten in den Wortbildungsmodellen sind nicht zuletzt durch die Tradition bedingt. Im Laufe der Geschichte kam es zu Veränderungen im Bestand der Modelle und auch in ihrer Produktivität. Einige sind gänzlich außer Gebrauch gekommen, andere werden häufiger oder seltener gebraucht und es tauchen neue Modelle auf. Solche Veränderungen betreffen gleichermaßen die Formative. Die Ausdruckseinheiten, die nach einem alten Modell gebildet worden sind, verbleiben in der Sprache und sind durch den Usus eindeutig akzeptiert. Die Stabilität dieser Einheiten hemmt die Möglichkeit, neue Modelle zu verwenden. Die feste Position, die die Lexeme wspo´lnota ‚Gemeinschaft’, upo´r ‚Starrsinn’, walka ‚Kampf’ u.ä. im Lexikon des Polnischen einnehmen, verhindert die Verbreitung des regelmäßigen Typs wspo´lnos´c´, upartos´c´, walczenie, die trotz der systemischen Korrekheit in der Norm nicht akzeptiert werden. Das parallele Auftreten von Ausdrücken, die nach unterschiedlichen Modellen gebildet sind, wirkt sich auf den Gebrauch beider aus. Meistens sind sie stilistisch differenziert, der eine gehört allen Stilen an (wywoz˙enie ‚Ausfuhr’, wpadnie±cie ‚Hereinfallen’) während der andere stilistisch beschränkt ist (wywo´zka ‚Abtransport’, wpadka ‚Reinfall’). Die stilistische oder emotionale Markiertheit kann auch durch den Stamm der Formation bedingt sein, was sich ebenfalls hemmend auf das reguläre Funktionieren des Modells auswirkt; denn nicht alle Vertreter der Kategorie sind mit dieser Markierung kompatibel. Es kommt vor, dass die Bildung eines stilistisch neutralen Ausdrucks nicht möglich ist. Solche Beispiele finden sich bei der Bildung von weiblichen Personenbezeichnungen aus den entsprechenden männlichen Lexemen. g) Lexikalisierung (leksykalizacja) Neben den unterschiedlichen Verschiebungen im Wortbildungssystem vollziehen sich auch Veränderungen in der motivierten Lexik. Parallele Einheiten, die ur- 53

1.2. Grundprinzipien der <strong>Wort</strong>bildung 103<br />

‚Maschine’ sowohl bei deverbalen (spawarka ‚Schweißgerät’, spre±z˙arka ‚Kompressor’) als<br />

auch bei desubstantivischen Formationen auf (kartoniarka ‚Kartonagenmaschine’).<br />

Beschränkungen in der formalen <strong>Verb</strong>indbarkeit einzelner Formative können bewirken,<br />

dass zur Bildung eines Typs mehrere Modelle gebraucht werden. So werden maskuline<br />

Deminutiva nach zwei Mustern gebildet: mit dem Formativ -ek oder -ik (-yk). Ihre<br />

Wahl hängt gewöhnlich vom Auslaut des Basisstamms ab: dom-ek ‚Häuschen’ vs. talerzyk<br />

‚Kuchenteller’.<br />

Bei der Verschmelzung des Formativs mit dem Stamm kommt es bisweilen zum<br />

Ausfall von lautlichen Elementen des Stamms:<br />

barbarzynća ! barbarzyn´stwo ‚Barbarei’<br />

mieszkaniec ! mieszkanka ‚Bewohnerin’<br />

Ein Stamm kann bestimmten lautlichen Alternationen unterliegen:<br />

portret ! portrecik ‚kleines Portrait’, cz!owiek ! cz!owieczy ‚menschlich’<br />

Die Unregelmäßigkeiten in den <strong>Wort</strong>bildungsmodellen sind nicht zuletzt durch die Tradition<br />

bedingt. Im Laufe der Geschichte kam es zu Veränderungen im Bestand der Modelle<br />

und auch in ihrer Produktivität. Einige sind gänzlich außer Gebrauch gekommen, andere<br />

werden häufiger oder seltener gebraucht und es tauchen neue Modelle auf. Solche Veränderungen<br />

betreffen gleichermaßen die Formative. Die Ausdruckseinheiten, die nach einem<br />

alten Modell gebildet worden sind, verbleiben in der Sprache und sind durch den Usus<br />

eindeutig akzeptiert. Die Stabilität dieser Einheiten hemmt die Möglichkeit, neue Modelle<br />

zu verwenden. Die feste Position, die die Lexeme wspo´lnota ‚Gemeinschaft’, upo´r ‚Starrsinn’,<br />

walka ‚Kampf’ u.ä. im Lexikon des Polnischen einnehmen, verhindert die <strong>Verb</strong>reitung<br />

des regelmäßigen Typs wspo´lnos´c´, upartos´c´, walczenie, die trotz der systemischen<br />

Korrekheit in der Norm nicht akzeptiert werden.<br />

<strong>Das</strong> parallele Auftreten von Ausdrücken, die nach unterschiedlichen Modellen gebildet<br />

sind, wirkt sich auf den Gebrauch beider aus. Meistens sind sie stilistisch differenziert,<br />

der eine gehört allen Stilen an (wywoz˙enie ‚Ausfuhr’, wpadnie±cie ‚Hereinfallen’)<br />

während der andere stilistisch beschränkt ist (wywo´zka ‚Abtransport’, wpadka ‚Reinfall’).<br />

Die stilistische oder emotionale Markiertheit kann auch durch den Stamm der Formation<br />

bedingt sein, was sich ebenfalls hemmend auf das reguläre Funktionieren des Modells<br />

auswirkt; denn nicht alle Vertreter der Kategorie sind mit dieser Markierung kompatibel.<br />

Es kommt vor, dass die Bildung eines stilistisch neutralen Ausdrucks nicht möglich ist.<br />

Solche Beispiele finden sich bei der Bildung von weiblichen Personenbezeichnungen aus<br />

den entsprechenden männlichen Lexemen.<br />

g) Lexikalisierung<br />

(leksykalizacja) Neben den unterschiedlichen Verschiebungen im <strong>Wort</strong>bildungssystem<br />

vollziehen sich auch Veränderungen in der motivierten Lexik. Parallele Einheiten, die ur-<br />

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