Sommer 2011 - Tagwerk
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Kuh und Klima – eine Rehabilitierung<br />
Nicht die Kuh, sondern die Agrarindustrie schadet dem Klima<br />
Manchmal scheint alles so einfach.<br />
Die Wissenschaft hat festgestellt,<br />
dass Wiederkäuer – also<br />
Rinder, Schafe, Ziegen – bei ihrer<br />
ausgiebigen Verdauung rülpsen<br />
und furzen und dabei Methan<br />
ausstoßen. Methan ist 25x so<br />
schädlich für die Atmosphäre<br />
wie CO2.<br />
Also weg mit den vielen Kühen? Weg mit<br />
Milch und Käse, mit Rinderbraten und<br />
Gulasch? Für Fleischesser wird Gutes von<br />
Schwein, Huhn und Pute empfohlen, sie<br />
stoßen weniger Methan aus. Ist das wirklich<br />
die Lösung?<br />
Nein, sagt die Tierärztin und Mitautorin<br />
des Weltagrarberichts Dr. Anita Idel. Sie hat<br />
in ihrem Buch „Die Kuh ist kein Klimakiller“<br />
die wunderbaren Leistungen der Rinder für<br />
die menschliche Ernährung, die Pflege der<br />
Kulturlandschaft – und für das Klima –<br />
herausgestellt.<br />
Denn Rinder können sich von Gras ernähren,<br />
gerne auch mit Klee und Kräutern gemischt.<br />
Schafe und Ziegen fressen auch<br />
Sträucher. Schweine und Geflügel dagegen<br />
brauchen hochwertiges Eiweiß wie Getreide.<br />
Das macht sie zu direkten Nahrungskonkurrenten<br />
für die Menschen. Füttert man an<br />
Rinder jedoch auch Getreide (und Soja und<br />
Mais), um sie zu Höchstleistungen zu bringen,<br />
werden natürlich auch sie zu Nahrungskonkurrenten<br />
für die Menschen. Zumal<br />
man an Rinder mindestens 7 kg Getreide verfüttern<br />
müsste, um 1 kg Fleisch zu erzeugen.<br />
Sie gelten deshalb – gegenüber Schweinen<br />
und Geflügel – als „schlechte“ Futterverwerter.<br />
Aber – wie gesagt – Rinder fressen Gras<br />
und Heu und sie bräuchten nichts anderes,<br />
4| Thema<br />
THEMA<br />
um zu wachsen, Milch zu geben und irgendwann<br />
auch Fleisch. Hochleistungsfutter wie<br />
Getreide, Soja und Mais verwerten sie tatsächlich<br />
schlecht. Ihr Verdauungssystem mit<br />
den 4 Mägen – eigentlich eine ganze Verdauungs’fabrik’<br />
– ist dafür nicht nötig. Das<br />
Hochleistungsfutter wandert aber trotzdem<br />
durch, mit entsprechend schlechterer Ausbeute.<br />
Deshalb arbeitet die Wissenschaft irrrwitzigerweise<br />
schon daran, die Aktivität des<br />
Pansens – des größten und leistungsfähigsten<br />
Vormagens – mit Medikamenten zu<br />
unterdrücken!<br />
Die besondere Fähigkeit der Rinder beschränkt<br />
sich aber nicht darauf, sich von Gras<br />
ernähren zu können. Mit ihren Ausscheidungen<br />
düngen sie die Weiden, ihre Tritte<br />
bringen Samen, organische Substanz und<br />
Dung in den Boden und fördern so die<br />
Bildung von Humus. Vorausgesetzt, die Tiere<br />
haben genügend Platz und die Weide genügend<br />
Zeit, um sich nach der Beweidung zu regenerieren.<br />
D.h. das Gras muss nicht nur<br />
nach oben wieder wachsen, sondern gleichermaßen<br />
Wurzelmasse ausbilden können.<br />
Anita Idel: „Die Wurzeln von heute sind der<br />
Humus von morgen.“ Gras und Rinder bilden<br />
also ein ökologisch höchst wertvolles System.<br />
„Ohne Graser kein Gras“ (A. Idel)<br />
40% der Landfläche der Erde und sogar 70%<br />
der landwirtschaftlichen Flächen bestehen<br />
aus Dauer-Grünland. Es gilt als nicht ackerfähig,<br />
wenn die Böden zu trocken, zu nass<br />
oder zu steil sind. Werden diese Flächen nicht<br />
beweidet, wachsen Büsche und Bäume. Das<br />
Gras braucht also Graser.<br />
Beweidete Flächen mit mehrjährigen<br />
Gräsern sind aber nicht nur Futterlieferanten<br />
für Wiederkäuer. Sie haben vielfältige öko-