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Chronik I R S C H

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Am 6.11.32 musste der Reichstag schon wieder neu gewählt werden. In Irsch gingen von 722<br />

Wahlberechtigten 499 zur Wahl. Von den 12 zur Wahl stehenden Parteien erhielten die<br />

Nationalsozialisten 71, die Kommunisten 22 und das Zentrum 392 Stimmen.<br />

Die letzte Wahl zum Reichstag, bei welcher Parteien zugelassen waren, fand am 5.3.33 statt.<br />

Für die Art der Wahlkämpfe aus dieser Zeit steht folgendes in der Pfarrchronik:<br />

Zur Vorbereitung hielt die Zentrumpartei in Irsch im Gasthaus Thiel eine Wahlversammlung am<br />

22.2.33 für die hiesige Bevölkerung. Hauptredner war der geistliche Studienrat Schmitz von<br />

Saarburg. Die Versammlung war gut besucht, wurde jedoch von etwa 80 Nationalsozialisten<br />

von Wiltingen und Ockfen, die in den Saal eingedrungen, gestört. Bei der Mahnung zur Ruhe<br />

und Berufung auf den Reichspräsidenten von Hindenburg wurde der Redner ausgelacht. Die<br />

von der Polizeiverwaltung zur Aufrechterhaltung der Ordnung entsandten Wachtmeister er-<br />

klärten dem vor die Tür gerufenen Pfarrer, gegen die Ruhestörer nicht vorgehen zu können,<br />

auch nicht zu dürfen. Da der Redner nicht zu Wort kommen konnte, mußte die Versammlung<br />

nach kurzer Zeit geschlossen werden. Studienrat Schmitz, der kaum einen Satz hatte sprechen<br />

können, wurde später vor die Provinzial-Schulbehörde zu Koblenz citiert, wo er beschuldigt<br />

wurde, er habe auf der Wahlversammlung zu Irsch erklärt, lieber unter dem Bajonett der<br />

Franzosen als unter dem Haken-Kreuz leben zu wollen. Er wurde aus dem Schuldienst ent-<br />

lassen und dann vom Bischof zum Pfarrer von Landkern ernannt. Nachdem wir den Saal ge-<br />

räumt hatten, tagten die Nazi weiter, wobei ein Mann aus Ockfen, auf einem Tische stehend,<br />

die Worte rief: "Die Krippe von Berlin ist uns lieber als die Krippe von Bethlehem. Wir stehen<br />

über dem Staat". Der Führer der Nationalsozialisten hatte bereits am 30.1.33 die Macht im<br />

deutschen Reich übernommen, er war Reichskanzler geworden unter Beteiligung von Deutsch-<br />

nationalen und Stahlhelm an seinem Kabinett. Er löste den am 6.11.32 gewählten Reichstag auf<br />

und schrieb die Neuwahlen für den 5.3.33 aus. Daher glaubten auch die Nationalsozialisten im<br />

jetzigen Wahlkampf sich alles erlauben zu können. Ihr gewalttätiges Vorgehen, ihre Verlogenheit<br />

und ihre Gottlosigkeit, die sie bei unserer Wahlversammlung an den Tag legten, gaben uns<br />

einen Vorgeschmack vom "Dritten Reich".<br />

Das Ergebnis der Reichtagswahl am 5.3.33 in Irsch: Wahlberechtigt 721, gültige Stimmen<br />

594, Nationalsozialisten 182, Sozialdemokraten 1, Kommunisten 13, Zentrum 386<br />

Die Gesamtwahl im deutschen Reich brachte den Nationalsozialisten mit der Kampffront<br />

Schwarz-weiß-rot die parlamentarische Mehrheit. Im gleichen Jahr wurden alle anderen<br />

Parteien verboten. Von nun an gab es nur noch Abstimmungen über "ja" oder "nein". Es war<br />

auch in Irsch gefährlich, dabei von den Urnen fernzubleiben. Auspeitschung war angedroht.<br />

Leute, die in ihrem ganzen Leben noch nie gewählt hatten, wurden herangeschleppt. Haupt-<br />

lehrer Schanen versuchte im August 1934 "im Auftrag einer höheren Stelle" den Pfarrer aus-<br />

zufragen, ob er zur Wahl gehe und ob er auch mit "ja" stimme und bat um die Erlaubnis, am<br />

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