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Am 8. Mai 1945 war die Kapitulation. Unzählige deutsche Soldaten gerieten in Gefangen-<br />
schaft und überfüllten die Lager. Unterbringung und Versorgung waren unzureichend. Es<br />
bestanden kaum Benachrichtigungsmöglichkeiten. Die Ungewißheit lastete auf den Menschen<br />
in der Fremde und in der Heimat. Der Gefangene ist in Gedanken bei Frau und Kindern:<br />
Muttertag Pfingsten 20.5.1945 La Flèche<br />
Heute ziehen meine Gedanken<br />
zu dir Mutter, liebe Frau.<br />
In weiter Ferne kriegsgefangen<br />
kann nicht dein holdes Antlitz schaun.<br />
Dies ist dein Ehrentag, du Liebste,<br />
im Familienkreis ein Fest.<br />
Wenn die Kinder dich begrüßten,<br />
Freude strahlt aus Mund und Herz.<br />
Ob du auch heute wie vor Jahren<br />
beschenkt wirst von den Kindern dein?<br />
Doch, ach dein Mutterherz wird sagen,<br />
wo mag wohl unser Vater sein?<br />
Sei ohne Sorg, du und die Kleinen,<br />
ich lebe, - denke, bin bei euch,<br />
nur bet zu Gott und lass das Weinen,<br />
bald kommt der Tag des Wiedersehns.<br />
Die folgenden Zeilen könnte man zur besten Dichtkunst zählen. Bewundernswert ist die<br />
Fähigkeit, sich in erbärmlichster Lebenslage solch feinfühlige Verse auszudenken und mit<br />
schäbigem Schreibzeug auf unzureichendes Papier zu bringen.<br />
Zum Muttertag<br />
Meine liebe, gute Mutter<br />
mit dem schlichten grauen Haar.<br />
Sicher sitzt du jetzt beim Fenster,<br />
wo dein Lieblingsplatz stets war.<br />
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