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26. Lösung Fall 11 - Lehrstuhl für Öffentliches Recht II Prof. Dr ...

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PÜ Grundrechte SoSe 2009<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. Möstl1<strong>Fall</strong> <strong>11</strong> – Kurzlösung:Frage 1:A ist in einem Grundrecht verletzt, wenn durch die Verhängung der Geldbuße in denSchutzbereich eines ihrer Grundrechte eingegriffen wird und dieser Eingriff nicht gerechtfertigtist.I. Bestimmung des einschlägigen Grundrechts1. Art. 14 GG (-), keine Belastung des Eigentums sondern lediglich des Vermögens2. Art. 12 GG (-), berufsregelnde Tendenz fehlt3. Art. 2 Abs.1 GGa. sachlicher Schutzbereichkeine spezielleren Grundrechte einschlägigh.M.: Handlungsfreiheit in einem umfassenden SinneVerpflichtung zur Begleichung der Geldbuße (+)b. personeller SchutzbereichJedermann; A (+)<strong>II</strong>. EingriffDurch die Pflicht zur Bußgeldzahlung wird gezielt, unmittelbar, normativ und imperativdie allgemeine Handlungsfreiheit der A verkürzt, es liegt also ein klassischer Grundrechtseingriffvor.<strong>II</strong>I. verfassungsmäßige <strong>Recht</strong>fertigung1. EinschränkbarkeitArt. 2 I: Schrankentrias-„verfassungsmäßige Ordnung“ = einfacher GesetzesvorbehaltDieser könnte durch § 19 Abs. 1 AZO ausgefüllt werden, wenn das Gesetz mit derVerfassung in Einklang steht.2. Verfassungsmäßigkeit des Gesetzesa. formelle VerfassungsmäßigkeitZuständigkeit, Verfahren, Form (+)Mangels entgegenstehender Hinweise im Sachverhalt ergeben sich keine Bedenken.b. materielle Verfassungsmäßigkeitaa. Vereinbarkeit mit Art. 3 I GG


PÜ Grundrechte SoSe 2009<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. Möstl2Der Gleichheitssatz gebietet, Gleiches gleich und Ungleiches seiner jeweiligen Eigenartnach ungleich zu behandeln.Bestimmung der durch § 19 AZO hervorgerufenen Vergleichsgruppen:- Ungleichbehandlung zwischen Arbeiterinnen und Arbeitern (= Unterscheidungnach Geschlecht)- Ungleichbehandlung zwischen Arbeiterinnen und weiblichen Angestellten ( =Unterscheidung nach Beschäftigungsverhältnis)bb. Verfassungsrechtliche <strong>Recht</strong>fertigung hinsichtlich der Unterscheidung nach Geschlecht(1) PrüfungsmaßstabArt. 3 Abs. 3 GG enthält explizit das Verbot der Diskriminierung nach dem GeschlechtArt. 3 Abs. 2 GG enthält diesbezüglich keine weitergehenden oder spezielleren Anforderungendie Ungleichbehandlung ist hier an Art. 3 Abs. 3 GG zu messen(2) <strong>Recht</strong>fertigungsmöglichkeitZulässigkeit der Differenzierung der Regelungen:- aufgrund zwingender Erfordernisse biologischer Unterschiedeoder- durch das besondere Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG(a) <strong>Recht</strong>fertigung aufgrund biologischer Unterschiede- ursprünglich Annahme: Frauen leiden wegen ihrer Konstitution stärker unterNachtarbeit als männliche Arbeitnehmer.- aber: Belastung liegt ausschließlich in ihrer zusätzlichen Belastung mit Hausarbeitund Kinderbetreuung; nicht geschlechtsspezifisch, sondern sozial bedingt-zwingendes Erfordernis aufgrund biologischer Unterschiede (-)(b) <strong>Recht</strong>fertigung durch Gleichberechtigungsgebot, Art. 3 Abs. 2 GGZiel des Art. 3 Abs.2 GG: Verwirklichung der Gleichberechtigung von Mann undFrauHier: Regelung der AZO ist mit erheblichen Nachteilen für die Frau verbunden:• Benachteiligung bei der Stellensuche• Arbeiterinnen können nicht über ihre Arbeitszeit frei disponieren-<strong>Recht</strong>fertigung durch das besondere Gleichberechtigungsgebot (-)cc. Zwischenergebnis


PÜ Grundrechte SoSe 2009<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. Möstl3Soweit § 29 AZO zwischen weiblichen und männlichen Arbeitnehmern differenziert,verstößt die Vorschrift gegen Art. 3 Abs. 3 GG.dd. Verfassungsrechtliche <strong>Recht</strong>fertigung hinsichtlich der Unterscheidung nach BeschäftigungsverhältnisPrüfungsmaßstab: Art. 3 Abs. 1 GG.- e.A.: Willkürverbot (Wesentliches Gleiches darf nicht willkürlich ungleichund wesentlich Ungleiches darf nicht willkürlich gleich behandelt werden)- „Neue Formel“ des BVerfG: „Vorliegen von Gründen solcher Art undsolchem Gewicht, dass die Ungleichbehandlung ausnahmsweise gerechtfertigtwerden kann“.bei besonderer Intensität der Ungleichbehandlung, bei starker Ähnlichkeitder Differenzierungsmerkmale zu denen des Art. 3 Abs. 3 GG oderbei sonstigen Kriterien, auf denen der Einzelne keinen Einfluss zu nehmenvermag.Hier: kann dahinstehen, da die Ungleichbehandlung schon willkürlich ist: kein Belegfür die stärkere Belastung von Arbeiterinnen gegenüber weiblichen Angestellten§ 29 AZO verstößt somit auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG.c. Zwischenergebnis§ 29 AZO verstößt somit sowohl gegen Art. 3 Abs. 3 GG als auch gegen Art. 3 Abs. 1GG. Die Vorschrift bildet somit keine verfassungsgemäße gesetzliche Schranke, aufdie die Bußgeldverhängung gestützt werden kann.IV. ErgebnisMangels verfassungsgemäßer Schranke ist der Eingriff in die Allgemeine Handlungsfreiheitder A aus Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt und damitverfassungswidrig.A ist durch den Bußgeldbescheid in ihrem Grundrecht aus Art. 2 I GG verletzt.

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