Ingenieure in Bayern - Bayerische Ingenieurekammer-Bau
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<strong>Ingenieure</strong> <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong> www.bayika.de www.planersuche.de<br />
Projektbericht: E<strong>in</strong> Erbe wird bewahrt<br />
Arbeiten wie Kollegen <strong>in</strong> der Ste<strong>in</strong>zeit<br />
Göbekli Tepe liegt nahe der Prov<strong>in</strong>zhauptstadt<br />
Sanliurfa <strong>in</strong> Anatolien und<br />
ist nach e<strong>in</strong>helliger Expertenme<strong>in</strong>ung<br />
e<strong>in</strong>e archäologische Weltsensation<br />
Als Ergebnis e<strong>in</strong>er Kampagne wurde<br />
im Frühjahr 2009 e<strong>in</strong> mehrere Tonnen<br />
schwerer Pfeiler mit nahezu ste<strong>in</strong>zeitlichen<br />
Methoden saniert und wieder<br />
aufgerichtet.<br />
Die Arbeitsleistung und die Materialkosten<br />
wurden, bed<strong>in</strong>gt durch die begrenzen<br />
f<strong>in</strong>anziellen Möglichkeiten des<br />
Deutschen Archäologischen Instituts<br />
(DAI), zum großen Teil von den Beteiligten<br />
selbst erbracht.<br />
Übersicht Anlage „C“, mit dem aufgerichteten,<br />
noch abgestrebten Pfeiler 37<br />
Foto: E. Knoll<br />
Die seit 1995 durchgeführten Grabungen<br />
am Göbekli Tepe führten zur<br />
Freilegung von vier kreisförmigen Pfeileranlagen<br />
mit e<strong>in</strong>em Durchmesser<br />
von nahezu 20 Metern. Die bis zu fünf<br />
Meter hohen T-förmigen Pfeiler aus<br />
der Zeit um ca. 9500 v.Chr. s<strong>in</strong>d größtenteils<br />
mit Reliefs verziert und stellen<br />
menschliche Arme und Hände sowie<br />
zahlreiche Wildtiere dar. Die reich gestalteten<br />
Formen wurden nur mit<br />
Ste<strong>in</strong>werkzeugen aus monolithischen<br />
Ste<strong>in</strong>blöcken ausgearbeitet, Metall war<br />
zu dieser Zeit noch unbekannt.<br />
Die Aufgabe der technischen Leitung<br />
bestand im Frühjahr 2009 nun dar<strong>in</strong>,<br />
die beiden zerborstenen Teile des im<br />
Herbst 2008 freigelegten Pfeilerschaftes<br />
Nr. 37 <strong>in</strong> Anlage C zusammenzufügen<br />
und aufzurichten. Der Schaft lag <strong>in</strong><br />
zwei Teile von jeweils ca. 1,80m x<br />
2,00m x 0,50m und e<strong>in</strong>em Gewicht von<br />
6<br />
rund 12 Tonnen zerbrochen auf e<strong>in</strong>em<br />
Erdhügel. Der Fuß des Pfeilers steckte<br />
nur 30 Zentimeter tief <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em flachen<br />
aus dem Fels gehauenen Köcher. Noch<br />
<strong>in</strong> Deutschland entwarf der Ingenieur<br />
e<strong>in</strong> Konzept zur Aufrichtung des Pfeilers<br />
mit e<strong>in</strong>em Stahlrohrgerüst und<br />
Kettenzug. Dieses Konzept wurde auf<br />
se<strong>in</strong>e Durchführbarkeit h<strong>in</strong> mit e<strong>in</strong>em<br />
fünf Tonnen schweren Block getestet.<br />
Die Realität vor Ort machte sämtliche<br />
Planungen zunichte. Zum Glück<br />
wurde e<strong>in</strong>e Kernbohrmasch<strong>in</strong>e im Reisegepäck<br />
mitgeführt. Es stellte sich<br />
schnell heraus, dass im östlichen Anatolien<br />
weder Stahlgerüstrohre noch ergänzende<br />
Werkzeuge erhältlich waren.<br />
Vor Ort standen nur Kanthölzer,<br />
LKW-Wagenheber mit ger<strong>in</strong>gem Hub,<br />
sowie e<strong>in</strong>ige Gew<strong>in</strong>destangen und e<strong>in</strong><br />
Kettenzug zur Verfügung. Dies waren<br />
entgegen aller Planungen die Voraussetzungen<br />
zur Arbeit an dem Pfeiler.<br />
Praktisch über Nacht mussten die Beteiligten<br />
e<strong>in</strong> alternatives System für<br />
das Bewegen, Zusammenfügen und<br />
Aufrichten der jeweils fünf Tonnen<br />
schweren Ste<strong>in</strong>teile erarbeiten<br />
Folgendes Pr<strong>in</strong>zip, das ke<strong>in</strong>en zweiten<br />
Versuch zuließ, wurde entwickelt:<br />
Um die Bohrungen für die Dübelverb<strong>in</strong>dungen<br />
e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen zu können wurde<br />
das Ste<strong>in</strong>oberteil mit sechs Meter<br />
langen Kanthölzern und dem E<strong>in</strong>bau<br />
e<strong>in</strong>er Schwelle unter dem Ste<strong>in</strong> als<br />
Drehpunkt nach dem „Schubkarrenpr<strong>in</strong>zip“<br />
<strong>in</strong> die Waagerechte gekippt.<br />
Damit war es möglich, <strong>in</strong> beide Bruchflächen<br />
je zwei Kernbohrungen für<br />
Falldübel e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen und die Kalks<strong>in</strong>ter-<br />
und Schmutzschichten zu entfernen.<br />
Anschließend wurde die obere<br />
Hälfte mit Hilfe der Hebel wieder <strong>in</strong> die<br />
gleiche Schräglage wie das Unterteil<br />
gebracht. Die nervenaufreibende Ausrichtung<br />
beider Bruchstücke erfolgte<br />
mit Wagenhebern und zahlreichen<br />
handzersägten Balken. Beide Bruchstücke<br />
wurden vor dem Auftragen des<br />
Klebers <strong>in</strong> der Schräglage bis auf e<strong>in</strong>e<br />
8-10 cm breite Fuge übere<strong>in</strong>ander geschoben.<br />
Die Klebearbeiten und das<br />
Zusammenfügen beider Ste<strong>in</strong>teile mit<br />
Umlegen des oberen Pfeilerteils mit<br />
Hebelkraft. Foto: E. Knoll<br />
Hilfe des Kettenzuges musste unter<br />
größtem Zeitdruck geschehen, da die<br />
Verarbeitungszeit des Klebers nur 45<br />
M<strong>in</strong>uten betrug. Trotz zahlreicher Widrigkeiten<br />
(Wetter, technische Schwierigkeiten<br />
beim Anrühren des Klebers<br />
etc.) wurde mit e<strong>in</strong>fachen Werkzeugen<br />
und Balken sowie viel F<strong>in</strong>gerspitzengefühl<br />
und technisch-praktischem Knowhow<br />
e<strong>in</strong> großer Erfolg erzielt. Beide<br />
Bruchstücke wurden bis auf das Maß<br />
der Kleberstärke von 2-3 mm zusammengeführt.<br />
Zum Aufrichten <strong>in</strong> die ursprüngliche<br />
Lage wurde der zusammengefügte<br />
Ste<strong>in</strong> mit Kanthölzern geschient. Die<br />
letzte Arbeit, die Verkeilung des Pfeilers<br />
im Köcher mit Ste<strong>in</strong>en, erfolgte<br />
dann neun Tage nach Beg<strong>in</strong>n. Die Art<br />
und Weise der durchgeführten Maßnahmen<br />
kam, e<strong>in</strong>mal abgesehen von<br />
den Wagenhebern, den prähistorischen<br />
Gegebenheiten von vor 12.000<br />
Jahren sehr nahe. Das Projekt geht im<br />
April 2010 <strong>in</strong> die nächste Runde und alle<br />
Beteiligten s<strong>in</strong>d gespannt, welche<br />
Umstände sie diesmal erwarten.<br />
Dipl.-Ing. (FH) Eduard Knoll<br />
Grabungsleitung: Prof. Dr. Klaus<br />
Schmidt, Deutsches Archäologisches<br />
Institut Berl<strong>in</strong> (DAI)<br />
Technische Leitung, Organisation für<br />
das Aufrichten von Pfeiler 37: Eduard<br />
Knoll, Architekt und Beratender Ingenieur,<br />
Rothenburg o.d.T<br />
Ste<strong>in</strong>technik: SDC - Ste<strong>in</strong>sanierung<br />
Denkmalpflege Crailsheim GmbH &<br />
Co. KG; Andreas Götz, Wolfgang Brück<br />
www.bayika.de/de/aktuelles/<br />
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