12.07.2015 Aufrufe

Guido Zamis - Alfred Klahr Gesellschaft

Guido Zamis - Alfred Klahr Gesellschaft

Guido Zamis - Alfred Klahr Gesellschaft

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

18 Beiträge<strong>Guido</strong> Zamiš, kommunistischer Journalist (1899–1985).war schließlich mit seiner Familie überDeutschland nach Wien gekommen. Vonda hatte er den sozialistischen AbgeordnetenO. Morgari nach Budapest begleitet,der dort, glaube ich, vor der Versammlungder Arbeiter- und Soldatenräteeine Rede gehalten hat. Die genauen Datendieser Reise ließen sich aus der ungarischenPresse ohne weiteres feststellen.Schweide gab dem Ferrari-Soncelli eineEmpfehlung für den Direktor des Avantiund angesehenen Sozialistenführer Serrati.Morgari hatte soviel Vertrauen zu demProvokateur, dass er ihn als „den uneigennützigstenMenschen dieser Welt“ bezeichnete,da er tatsächlich alle, mit denener in Verbindung kam, in der „uneigennützigsten“Weise unterstützte. So seihier eine der gefährlichsten Provokationenvorweggenommen, die er einleitete.Er ging bei Serrati ein und aus. Als dieFrau Serratis sich darüber beklagte, dassdie Familie keine Mittel hatte, um ihre altesMobiliar zu erneuern, gab er Serratisofort einen zinslosen Kredit von 20.000Lire, der in Raten abzuzahlen gewesenwäre. Doch darüber später.Tomann wollte, dass ich die Verbindungzwischen der KPDÖ und der ISPund daher mit Serrati herstellte. Dazusollte ich die Hilfe Soncelli-Ferraris ausnützen.Damit ich die italienische Grenzkontrollepassieren konnte, verschafftemir Soncelli die Uniform, die Ausweispa-piere und einen Marschbefehlals Leutnant des8. Alpini-Regiments. Soreiste ich mit ihm nachMailand und überbrachteSerrati einen Brief vonTomann. In der gleichenWeise führte ich mehrereReisen durch, wobei dieBriefe, die wir mitführten,natürlich alle zur Kenntnisdes italienischen Innenministeriumsgelangten. DieKopien befinden sich imitalienischen Staatsarchiv.Soncelli reiste dabei niemalsim gleichen Abteilwie ich; wahrscheinlichwies er sich bei den Zugkontrollenin seiner wahrenFunktion und mit seinemwahren Namen aus.Wäre er dagegen mitmir gefahren, bestand dieGefahr, dass durch eineUnvorsichtigkeit von meinerSeite die KontrollorganeVerdacht geschöpfthätten und er zur Ausweisleistungvor mir gezwungen wordenwäre. Soncelli bekam aber von Schweidenoch andere Aufträge, die sich auf ungarischeGenossen bezogen, die in ItalienAsyl suchten, woran ich nicht beteiligtwar. Sie wurden dann alle in Italien verhaftet.Davon erfuhr ich erst nach seinerEntlarvung. Schweide unterhielt sehr engeBeziehungen zum ungarischen Botschafterin Wien, General Czobel.Um größere Bewegungsfreiheit zu haben,gründete Soncelli eine Firma Ferrari-Hofermit Sitz in Bologna und Filialenin Florenz, Mailand und Turin. Hofer warein Tiroler, etwa zwischen 25 und 30 Jahrealt, sehr wortkarg, der sich immer imHintergrund hielt. Ich vermute, dass essich bei ihm auch um einen Polizistenhandelte, ob im Dienste der italienischenoder österreichischen Polizei bleibt dahingestellt.Als Vertreter dieser Firmawurde für Turin der Bruder AntonioGramscis, Gennaro, und für Florenz dersozialistische Jugendfunktionär VirgilioVerdaro angestellt. Gennaro Gramsci warder Administrator der kommunistischenWochenzeitschrift L’Ordine Nuovo.Im Zusammenhang mit der Organisierungder Flucht ungarischer Genossennach Italien versuchte Soncelli eine Provokation,die Béla Kun betreffen sollte.Er macht mir den Vorschlag, Béla Kun,der in Österreich interniert war, zu „befreien“und ihn nach Italien zu bringen.Soncelli hatte dazu schon konkrete Vorbereitungengetroffen und zu diesemZweck einen einsamen Gasthof in Südtirolausfindig gemacht. Damit ich seineEignung als Versteck für Béla Kun beurteilenkonnte, fuhren wir aus Innsbruckmit italienischen Militärfahrzeugen dahin.Diese Gaststätte lag an der Straßezwischen dem Brenner und Bozen, völligisoliert von jeder Ortschaft. Hier hättesich tatsächlich eine Person für einigeZeit ganz unauffällig aufhalten können.Es kam nicht zu dieser Entführung, dieohne Zweifel zur Verhaftung von BélaKun und vielleicht zu seiner Auslieferungan die Horthy-Behörden geführthätte. Dass aber dieser Plan auch weiterverfolgt wurde, zeigt eine Bemerkung ineinem Brief Tomanns an Helene Diesingvom 8. März 1920, in dem es heißt: „<strong>Zamis</strong>ist hier angekommen. Desgleichenkann ich Ihnen mitteilen, dass Raabe herausist und die Bewilligung hat, sich solangein Wien aufzuhalten, als er sichnicht politisch betätigt. (...) Béla Kunund eine Anzahl anderer werden nachItalien gehen, unsere Partei wirkt dafür,um den Genossen die Freiheit zu verschaffen.“(siehe: Renato Monteleone, IlPartito comunista austriaco. Rapporti ecorrispondenza con gli italiani nel primodopoguerra. Genova 1972, S. 49.)Ende Oktober 1919 wurde ich bei meinerAnkunft in Mailand verhaftet, als icheinen Koffer voll Broschüren in ukrainischerSprache mit mir führte, die für dieaus Ostgalizien stammenden, ukrainischsprechendenösterreichischen Kriegsgefangenenin Italien bestimmt waren. Eshandelte sich um „Staat und Revolution“von Lenin, übersetzt von einem in Wienlebenden ukrainischen Genossen. Bevormich die Carabinieri in das Untersuchungsgefängnisbrachten, wurde ich inder Carabinierikaserne „Parini“ von einemhöheren Carabinierioffizier verhört,der, um mich einzuschüchtern, drohte,mich als feindlichen Staatsbürger in italienischerUniform erschießen lassen zukönnen. Was auf mich wenig Eindruckmachte, denn die Zeiten solcher Erschießungenohne Prozess waren schonvorbei. Beim Prozess vor einem Zivilgericht,bei dem mir von der SozialistischenPartei der Advokat Nino Levi als Verteidigergestellt wurde, wurde ich wegen desmissbräuchlichen Tragens der Uniformund der Dienstwaffe zu drei Monaten und23 Tagen Haft verurteilt. Anfang März1920 wurde ich aus Italien ausgewiesenund an der Brennergrenze nach Österreichabgeschoben. Nach der Entlarvung Soncelli-Ferrarisvermutete Schweide, dass3/09

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!