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Die Schlange und ihre Verehrung in Ägypten in pharaonischer und ...

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<strong>Die</strong> <strong>Schlange</strong> <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Verehrung</strong> <strong>in</strong> Ägypten<strong>in</strong> <strong>pharaonischer</strong> <strong>und</strong> moderner ZeitYASSER SABEK 11. E<strong>in</strong>leitung1.1. <strong>Die</strong> ägyptische Haltung zu <strong>Schlange</strong>nWährend der Arbeit an me<strong>in</strong>er Dissertation b<strong>in</strong> ich häufig auf die Namen vonGött<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> deren Determ<strong>in</strong>ierung durch <strong>Schlange</strong>n gestoßen. Dabei b<strong>in</strong> ichmit der Frage konfrontiert worden: Warum taten die alten Ägyptern dieses?Hatten sie ke<strong>in</strong>e Angst vor <strong>Schlange</strong>n? Aus der Sicht e<strong>in</strong>es heutigen Ägypterskam prompt die Antwort: Doch.<strong>Die</strong>s war der Ausgangspunkt dieser Arbeit, <strong>in</strong> der nachgegangen werden soll,warum die alten Ägyptern die <strong>Schlange</strong> verehrt haben. Denn als Ägypter mußich gestehen, daß ich e<strong>in</strong>e tiefsitzende Angst vor <strong>Schlange</strong>n habe. <strong>Die</strong>se Angstgeht auf die K<strong>in</strong>dheit <strong>und</strong> viele persönliche oder familiäre Erfahrungen mit<strong>Schlange</strong>n zurück. Man lernt überall <strong>in</strong> Ägypten, daß <strong>Schlange</strong>n gefährlich s<strong>in</strong>d<strong>und</strong> daß man sie entweder meidet oder – zum Leid der Tierschützer – tötet.<strong>Die</strong>se Reaktion gegen <strong>Schlange</strong>n war mir – auch im Vergleich zum diesbezüglichenVerhalten <strong>in</strong> Deutschland – etwas zu extrem. Denn hier kennt manja die <strong>Schlange</strong>namen <strong>und</strong> ob sie giftig s<strong>in</strong>d oder nicht. Doch das ist e<strong>in</strong>eSache, die sehr wenige Menschen <strong>in</strong> Ägypten können <strong>und</strong> kennen. Und nachme<strong>in</strong>er Beschäftigung mit diesem Geschöpf weiß ich, warum man <strong>in</strong> Ägyptensich nicht lange überlegt, wenn man e<strong>in</strong>e <strong>Schlange</strong> sieht: Denn giftig s<strong>in</strong>d siealle. Als Deltabewohner ist man immer die Gefahr ausgesetzt, mit <strong>Schlange</strong>nkonfrontiert zu werden. <strong>Die</strong>se Gefahr kann <strong>in</strong> den Sommermonaten tödlich se<strong>in</strong>.1Ich bedanke mich bei Mart<strong>in</strong> Fitzenreiter für die Hilfe bei der Erstellung der Druckfassung desManuskriptes.


Yasser Sabek <strong>Die</strong> <strong>Schlange</strong>n <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Verehrung</strong> 1392. <strong>Schlange</strong>n <strong>in</strong> der altägyptischen Religion2.1. <strong>Schlange</strong>nsymbolikWie Hans Egli ausdrückte: „An schillernde Vieldeutigkeit übertrifft die <strong>Schlange</strong>jedes andere Tier der ägyptischen Mythologie ... im Bild der <strong>Schlange</strong>verkörpert sich e<strong>in</strong> Symbolgehalt, dessen Tiefe <strong>und</strong> dessen Vieldeutigkeit ke<strong>in</strong>eGrenzen kennen.“ 9<strong>Die</strong> uns bekannten <strong>Schlange</strong>ndarstellungen aus dem alten Ägypten stammenvor allem aus dem religiösen Bereich. Sowohl die Pyramiden- bzw. Sargtexteoder auch Unterweltsbücher berichten uns <strong>in</strong> unterschiedlichen Auffassungenüber <strong>Schlange</strong>n. <strong>Die</strong> ersten Belege für <strong>Schlange</strong>n s<strong>in</strong>d jedoch bereits <strong>in</strong> dervordynastischen Zeit zu f<strong>in</strong>den, u.a auf Prunkpaletten, königlichen Siegeln <strong>und</strong>als Name e<strong>in</strong>es Königs „<strong>Schlange</strong> / wADjj“ <strong>in</strong> der 1. Dynastie. Auch habenMischwesen <strong>in</strong> der Frühzeit teilweise die <strong>Schlange</strong>ngestalt, so der aufPrunkpaletten mehrmals dargestellte <strong>Schlange</strong>nhalspanter. 10 Als e<strong>in</strong> mächtigesWesen, auf dessen Schutz man sich gern verlassen möchte, ist die <strong>Schlange</strong>zu e<strong>in</strong>em Symbol des königlichen <strong>und</strong> göttlichen Ornats geworden.Aus den altägyptischen Totentexten ergeben sich zwei Bilder von der <strong>Schlange</strong>:- E<strong>in</strong> negatives Bild, das nicht nur wegen des Gifts entstanden ist, sondern eheraus der gr<strong>und</strong>sätzlichen Abneigung des Menschen gegen alles Kriechendeerwächst. Durch die entsprechende magischen Sprüche sollen die gefährlichenTiere dauerhaft abgewehrt werden.- E<strong>in</strong> positives Bild, das se<strong>in</strong>en Ursprung <strong>in</strong> der Häutung der <strong>Schlange</strong> hat.<strong>Die</strong>se wird als e<strong>in</strong> Vorgang <strong>in</strong>terpretiert, der mit Erneuerung bzw. Wiedergeburtverb<strong>und</strong>en ist. So wird <strong>in</strong> den Jenseitsvorstellungen der Verstorbene <strong>in</strong><strong>Schlange</strong>ngestalt sich verjüngend dargestelllt 11 <strong>und</strong> der Sonnengott verjüngtsich <strong>in</strong> der 12. St<strong>und</strong>e im Leib e<strong>in</strong>er <strong>Schlange</strong>.Auch <strong>in</strong> den mythologischen Texten spielt die <strong>Schlange</strong> e<strong>in</strong>e Rolle. Vor derWeltschöpfung schwimmt der Urgott als <strong>Schlange</strong> im Urozean Nun, <strong>in</strong> den erauch wieder nach dem Weltende als <strong>Schlange</strong> zurückkehrt. 12 Aus diesem Bild9Egli, Hans, Das <strong>Schlange</strong>nsymbol, Olten-Freiburg 1982, zitiert nach Störck, L. s.v. „<strong>Schlange</strong>“, LÄ V,648.10Helck, W. s.v. „<strong>Schlange</strong>nhalspanther“, LÄ V, 652f.11Tb Kap. 87.12Tb Kap. 157; Hornung, Erik, Der E<strong>in</strong>e <strong>und</strong> die Vielen, Darmstadt 1971, 157.


140 IBAES IV Tierkulte im pharaonischen Ägypten<strong>und</strong> dem Phänomen der Häutung heraus ist die <strong>Schlange</strong> auch alsVerkörperung der Zeit zu verstehen 13 . Andererseits spielt die <strong>Schlange</strong> <strong>in</strong>verschiedenen Zusammenhängen die Rolle des Götterfe<strong>in</strong>des. Während derNachtfahrt der Sonnenbarke tritt ihr der schlangengestaltige Dämon Apophisentgegen, der jede Nacht besiegt <strong>und</strong> getötet werden muß. Aber auch hier kannman immer wieder die Zweiseitigkeit im Bild der <strong>Schlange</strong> beobachten.E<strong>in</strong>erseits wird der Sonnengott bei se<strong>in</strong>er Fahrt durch die Unterwelt von derApophis-<strong>Schlange</strong> angegriffen; andererseits werden er <strong>und</strong> andere Götterregelmäßig durch <strong>Schlange</strong>n beschützt. 14Auch spielen <strong>Schlange</strong>n <strong>in</strong> Märchen <strong>und</strong> Erzählungen e<strong>in</strong>e Rolle. Ambekanntesten ist die große <strong>Schlange</strong>, die <strong>in</strong> der Geschichte vomSchiffbrüchigen als Herrscher e<strong>in</strong>er Insel auftritt. 15Im Kuhbuch heißt es, daß die Ba-Seelen aller Götter <strong>in</strong> <strong>Schlange</strong>n wohnen. 16Von besonderer Bedeutung sche<strong>in</strong>t die Verb<strong>in</strong>dung von <strong>Schlange</strong> <strong>und</strong> Gottheitaber bei weiblichen Gottheiten zu se<strong>in</strong>. Seit dem Mittleren Reich werden dieNamen von Gött<strong>in</strong>nen mit <strong>Schlange</strong>n determ<strong>in</strong>iert. In dieser Verb<strong>in</strong>dung kanndurchaus e<strong>in</strong>e Anspielung auf die Unberechenbarkeit der Gött<strong>in</strong>nen gesehenwerden 17 <strong>und</strong> auch e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis auf e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung, die <strong>in</strong> der orientalischenVolksethymologie häufig zwischen Weiblichkeit <strong>und</strong> <strong>Schlange</strong> gezogen wird.<strong>Die</strong> arabischen Literatur z. B. Tausend <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Nacht, be<strong>in</strong>haltet solcheVorstellungen.Gottheiten, die als <strong>Schlange</strong>n ersche<strong>in</strong>en, s<strong>in</strong>d unter anderen: Kebehut, Mehen,Meretseger, Nehebkau, Renentet, Unut <strong>und</strong> Uto. Dazu kommen weitereGottheiten, die die <strong>Schlange</strong>ngestalt nur als e<strong>in</strong>e weniger typische Ersche<strong>in</strong>ungsformannehmen, wie z.B. Bastet, Hathor, Isis, Sachmet usw. Alle dieseGött<strong>in</strong>nen widerspiegeln alle Gesichter des weiblichen Wesens!13 So nach antiken Quellen bei Hopfner, Tierkult, 138.14Hornung, Erik, Das Amduat, Wiesbaden, 1963, 207ff.15Erman, Adolf, <strong>Die</strong> Literatur der Ägypter, Leipzig, 1923, 56-63.16Hornung, Erik, Der altägyptische Mythos von der Himmelskuh, OBO 46, Gött<strong>in</strong>gen, 1982, 27.17Derartige charakterliche Ambivalenzen werden auch <strong>in</strong> der Felidengestalt von Gött<strong>in</strong>en (Sachmet,Bastet) angedeutet, die gleichermaßen als Katze <strong>und</strong> als Löw<strong>in</strong>nen auftreten können, siehe Otto,Eberhard, s.v. „Bastet“, LÄ I, 629; Sternberg, Heike, s.v. „Sachmet“, LÄ V, 324.


Yasser Sabek <strong>Die</strong> <strong>Schlange</strong>n <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Verehrung</strong> 1412.2. <strong>Schlange</strong>nbeschwörungen <strong>in</strong> den Totentexten <strong>und</strong> durch magische ObjekteTexte zur Abwehr von <strong>Schlange</strong>n s<strong>in</strong>d uns <strong>in</strong> den Totentexten überliefert. Wieim Leben, so fürchtete man auch im Tod, daß gefährliche <strong>Schlange</strong>n demMenschen schaden könnten. Beispiele dafür s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den Sprüche derPyramidentexte (PT 226-244, 276-299, 375-401, 727-733) 18 , den Sargtexten(CT Spr. 160, 369, 372, 375, 378, 381 423, 434-436, 586, 686, 717, 885) <strong>und</strong>dem Totenbuch (Tb 7, 33-35, 37, 39, 40), erhalten. Bereits <strong>in</strong> denPyramidentexten s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e große Anzahl solcher <strong>Schlange</strong>nbeschwörungenaufgezeichnet, besonders im Bereich des Zuganges zur Sargkammer <strong>und</strong> beimSarg selbst. 19 In ähnlicher Funktion wurden sie <strong>in</strong> den Korpus der Sargtexte <strong>und</strong><strong>in</strong> das Totenbuch übernommen.Im Totenbuch ist Spruch 33 e<strong>in</strong>e Vignettebeigegeben, die e<strong>in</strong>en Mann mit e<strong>in</strong>emMesser vor vier <strong>Schlange</strong>n zeigt (Abb. 1). Inden Sprüchen selbst wird zuerst die<strong>Schlange</strong> bei <strong>ihre</strong>m Namen genannt <strong>und</strong> dieHilfe von Göttern angerufen. Durch e<strong>in</strong>eBeschwörung, die meist e<strong>in</strong>e mythologischeAnspielung enthält, wird die <strong>Schlange</strong>anschließend gebannt:Abb. 1: Vignette zu Tb 33,aus: Hornung, Erik, Das Totenbuchder Ägypter, Zürich / München,1979,101Spruch Tb 33 „Spruch, um jegliche <strong>Schlange</strong> zuvertreiben durch den NN (im Totenreich)“„O Rerek, bewege dich nicht!Siehe, Geb <strong>und</strong> Schu haben sich gegen dicherhoben,(denn) du hast e<strong>in</strong>e Maus gefressen, den Abscheudes Re,du hast an den Knochen e<strong>in</strong>er verwesten Katzegenagt.“ 20In den Texten werden neben <strong>Schlange</strong>n noch weitere giftige Tiere wie z.B.Skorpione beschworen. Man kann davon ausgehen, daß auch im täglichenLeben die Beschwörung von gefährlichen Tieren <strong>in</strong> ähnlicher Weise geschah.18Borghuouts, Joris F., Lexicographical Aspects of Magical Texts, <strong>in</strong>: Textcorpus <strong>und</strong> Wörterbuch, hrsg.von Stefan Grunert <strong>und</strong> Ingelore Hafemann, Leiden 1999, 170.19Os<strong>in</strong>g, J.: Zur Disposition der Pyramidentexte des Unas, MDAIK 42, 1986, 132-136; Allen, J. P.:Read<strong>in</strong>g a Pyramid, <strong>in</strong>: Hommages à Jean Leclant, Vol. 1, BdÉ 106/1, Kairo, 1994, 17, Anm. 21.20Hornung, Erik, Das Totenbuch der Ägypter, Zürich / München, 1979,101f.


142 IBAES IV Tierkulte im pharaonischen ÄgyptenE<strong>in</strong>e weitere Quelle zur <strong>Schlange</strong>nbeschwörung s<strong>in</strong>d magische Objekte, mitdenen e<strong>in</strong>erseits die gefährliche Wirkung von <strong>Schlange</strong>n gebannt werden sollte,andererseits die Macht der <strong>Schlange</strong> zur Abwehr anderer Gefahren e<strong>in</strong>gesetztwurde. Dazu gehören Amulette <strong>in</strong> Form von <strong>Schlange</strong>nköpfen oder ganzen<strong>Schlange</strong>n, die man den Toten beigegeben hat. 21 Auf anderen Objekten werdenneben den <strong>Schlange</strong>n auch noch weitere gefährliche Tiere (Skorpione,Krokodile, Nilpferd) <strong>und</strong> dämonische Mächte gezeigt. Vom Mittleren Reich bis <strong>in</strong>das Neue Reich belegt s<strong>in</strong>d die sogenannte „Zaubermesser“, die beiSchwangerschaft <strong>und</strong> Geburt, aber auch im Totenkult verwendet wurden. 22<strong>Die</strong>se „Messer“ wurden von den Patienten <strong>in</strong> den Händen gehalten; so solltendie abgebildeten Wesen abgewehrt bzw. zum Schutz aufgerufen werden.Ab dem späten Neuen Reich gab es alse<strong>in</strong>e besondere Gruppe von magischenObjekten die der Horusstelen (Abb. 2). 23 Aufdiesen Stelen ist der jugendliche Horusgezeigt, wie er auf Krokodilen steht <strong>und</strong><strong>Schlange</strong>n, Skorpione, Löwen <strong>und</strong> Gazellen<strong>in</strong> den Händen hält. Über die Stele wurdeWasser gegossen, das der Patient danntr<strong>in</strong>ken mußte, um zu genesen.Abb. 2: Horussteleaus: Ebers, Georg, Aegypten <strong>in</strong> Bild <strong>und</strong>Wort II, Stuttgart / Leipzig, 1880, 66Unter den altägyptischen Ärzten (zwn.w)gab es e<strong>in</strong>e besondere Gruppe vonMenschen, die als „Leiter des Skorpions“(bzw. der Skorpion-Gött<strong>in</strong> Selket; xrp.w srq.t)oder als Priester der Löwengött<strong>in</strong> Sachmetbezeichnet wurden (wab.w sxm.t). <strong>Die</strong>seLeute verstanden sich auf Magie <strong>und</strong> warenbesonders für die Heilung von Skorpion<strong>und</strong><strong>Schlange</strong>nbissen zuständig. 24 Mit ihnenwerde ich mich unten noch beschäftigen.21Bonnet, Reallexikon, 684; Reisner, George A., Amulets, Catalogue général, Nos. 5218-6000 et12001-12527, Kairo, 1907,pl. II (<strong>Schlange</strong>nkopfamulette), pl. XXV (<strong>Schlange</strong>namulette).22Helck, Wolfgang, s.v. „Zaubermesser“, LÄ VI, 1355.23Kakosy, Laszlo, s.v. „Horusstele“, LÄ III, 60-62, Sternberg-El Hotabi, Heike, Untersuchungen zurÜberlieferung der Horusstelen, ÄA 62, Wiesbaden,1999, zuletzt: Satz<strong>in</strong>ger, Helmut, „Horus auf denKrokodilen“: Stele oder Statue?, <strong>in</strong>: Festschrift Arne Eggebrecht, Hildesheim, 2002, 85-88.24de Meulenaere, Herman, s.v. „Arzt“, LÄ I, 459, Sauneron, Un traité. 198-206.


Yasser Sabek <strong>Die</strong> <strong>Schlange</strong>n <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Verehrung</strong> 1432.3. <strong>Schlange</strong>nkulteNeben der Abwehr steht die <strong>Verehrung</strong> der <strong>Schlange</strong>, durch die <strong>ihre</strong>unheimliche <strong>und</strong> gefährliche Macht <strong>in</strong>s Gute gewendet werden soll. Herodot II.74 berichtet, daß zu se<strong>in</strong>er Zeit <strong>in</strong> der Gegend von Theben <strong>Schlange</strong>n verehrtwurden. 25 Belege für die <strong>Verehrung</strong> von <strong>Schlange</strong>n im thebanischen Raumkennen wir bereits aus dem Neuen Reich. Besonders für die beiden <strong>in</strong><strong>Schlange</strong>ngestalt dargestellten Gött<strong>in</strong>nen Renenutet <strong>und</strong> Meretseger s<strong>in</strong>d vieleStelen gestiftet worden, auf denen die Stifter vor der <strong>Schlange</strong>ngött<strong>in</strong> gezeigtwerden. Dabei können die Gött<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> verschiedener Gestalt abgebildetwerden: als <strong>Schlange</strong>(n), als Frau mit <strong>Schlange</strong>nkopf, gänzlich als Frau, alsLöwe mit <strong>Schlange</strong>nkopf (!) oder auch als Frau mit Löwenkopf, wie vielemächtige Gött<strong>in</strong>nen (Abb. 3). 26Renenutet ist e<strong>in</strong>e Gött<strong>in</strong>, die besonders mitNahrung (vor allem dem Korn bzw. demKornspeicher, als dessen Beschützer<strong>in</strong> siegilt) sowie mit der Mutterschaft verb<strong>und</strong>enwird. 27 <strong>Schlange</strong>n leben <strong>in</strong> Kornspeichern,fressen aber ke<strong>in</strong> Korn, sondern dieSchädl<strong>in</strong>ge, z.B. Mäuse. So s<strong>in</strong>d sie wirklichBeschützer der Nahrung! Renenutet istbereits im Alten Reich belegt <strong>und</strong> anmehreren Kultplätzen <strong>in</strong> Ägypten vertreten.Meretseger dagegen wurde vor allem <strong>in</strong> derRamessidenzeit von den Bewohnern vonDeir el-Med<strong>in</strong>eh verehrt. 28 Sie galt als Gött<strong>in</strong>des thebanischen Westgebirges, demLebens- <strong>und</strong> Arbeitsort der Leute von DeirAbb. 3: Stele für Meretseger, el-Med<strong>in</strong>eh, <strong>in</strong> dem viele <strong>Schlange</strong>n leben.aus: Bruyère, Mert Seger, fig. 60 <strong>Die</strong>se Menschen hatten e<strong>in</strong> großesInteresse, die <strong>Schlange</strong>n zu besänftigen.Auch im Tempelkult haben <strong>Schlange</strong>n e<strong>in</strong>e Rolle gespielt. Bereits im AltenReich werden sogenannte <strong>Schlange</strong>nste<strong>in</strong>e erwähnt, die am Tempele<strong>in</strong>gang25 Hopfner, Tierkult, 138f.26 Abbildungen bei: Bruyère, Bernard, Mert Seger à Deìr el Méd<strong>in</strong>eh, MIFAO 58, Kairo, 1930, passim.27Be<strong>in</strong>lich-Seeber, Christ<strong>in</strong>e, s.v. „Renenutet“, LÄ V, 233-236.28Valbelle, Dom<strong>in</strong>ique, s.v. „Meresger“, LÄ IV, 79f., Bruyère, Mert Seger.


144 IBAES IV Tierkulte im pharaonischen Ägyptenstanden. 29 Sie dienten wohl ebenso der Abwehr von gefährlichen <strong>Schlange</strong>n,wie der Beschwörung <strong>ihre</strong>r schützenden Macht. Schutzgeister <strong>in</strong> <strong>Schlange</strong>ngestalts<strong>in</strong>d <strong>in</strong>schriftlich für Gaue <strong>und</strong> Tempel belegt. 30 In den spätzeitlichenTempeln hielt man sogar Schutzschlangen, die <strong>in</strong> bestimmten Räumenuntergebracht waren. 31E<strong>in</strong>e ähnliche Form des Kultes war es, wenn im Wohnhaus selbst <strong>Schlange</strong>ngehalten wurden. Oder wenn man dort lebende <strong>Schlange</strong>n nicht getötet odervertieben hat, sondern sie verehrte. Zum<strong>in</strong>dest berichten mehrere antikeSchriftsteller, daß die Ägypter solche <strong>Schlange</strong>n als Agathodaimon(Schutzgeist) ansahen <strong>und</strong> angeblich mit den Geistern von Verstorbenen <strong>in</strong>Verb<strong>in</strong>dung sahen. 32<strong>Schlange</strong>n wurden auch mumifiziert <strong>und</strong> bestattet. 33 Für e<strong>in</strong>ige <strong>Schlange</strong>nfertigte man kostbare Särge aus Holz oder Bronze an. 34 In diesen Fällenwurden sie gelegentlich <strong>in</strong>schriftlich mit dem Schöpfergott Atum <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dunggebracht, wie auch der Aal, der mit der <strong>Schlange</strong> wechseln kann. 35Andererseits haben die alten Ägypter nicht nur durch die <strong>Verehrung</strong> von<strong>Schlange</strong>n versucht, deren Gefährlichkeit zu bannen. <strong>Schlange</strong>n wurden <strong>in</strong>bestimmten Ritualen (sogenannten Vernichtungsritualen 36 ) zusammen mitanderen Tieren (Antilope, Esel, Krokodil, Nilpferd, Schildkröte, Schwe<strong>in</strong>)getötet. Alle diese Tiere galten dabei als Verkörperungen von Götterfe<strong>in</strong>den.<strong>Die</strong> <strong>Schlange</strong>n stellten den Götterfe<strong>in</strong>d Apophis dar, der sich täglich der Sonneentgegenstellt. 37 Wie dieser wurden sie dann von den Priestern <strong>in</strong> Stückegehackt. 38 Im Ursprung waren solche Rituale mit landwirtschaftlichen Kulten29Wildung, <strong>Die</strong>trich, s.v. „<strong>Schlange</strong>nste<strong>in</strong>e“, LÄ V, 655f.30Egberts, Arno, In Quest of Mean<strong>in</strong>g, EU VIII, Leiden, 1995, 320f gibt e<strong>in</strong>e Liste von Belegen.31Hopfner, Tierkult, 140; Bonnet, Reallexikon, 682. Entsprechende Texte s<strong>in</strong>d im Tempel von Denderaerhalten: Dümichen, J., Altägyptische Tempel<strong>in</strong>schriften, Bd. II, Leipzig, 1867, Taf. 39.32Hopfner, Tierkult, 140f.33<strong>Schlange</strong>nbestattungen s<strong>in</strong>d durch F<strong>und</strong>e oder Texte belegt <strong>in</strong>: Kom-Ombo, Theben, Dendera, Abydos,Achmim, Manfalut, Illahun, Lisht, Saqqara, Sais, Buto, Metelis, siehe: Kessler, <strong>Die</strong>ter, <strong>Die</strong> heiligen Tiere<strong>und</strong> der König, Teil I: Beiträge zu Organisation, Kult <strong>und</strong> Theologie der spätzeitlichen Tierfriedhöfe, ÄAT16, Wiesbaden, 1989, 18-29.34Holzsärge: Gaillard / Daressy, La faune momifié, Catalogue général, 153f.; Bronzesärge: Roeder,Günther, Ägyptische Bronzefiguren, Mitteilungen aus der Ägyptischen Sammlung VI, Berl<strong>in</strong>, 1956, 385-388.35Roeder, op. cit., 39436Schoske, Silyia, s.v. „Vernichtungsrituale“, LÄ VI, 1009-1012.37Amduat, 7. St<strong>und</strong>e; Hornung, Erik, Das Amduat, Wiesbaden, 1963, 117-133.38Labrique, Françoise, Observation sur le temple d'Edfou, GM 58, 1982, 31-48 beschreibt die Dispositionvon Ritualszenen, die die Tötung von Tieren (<strong>Schlange</strong>, Schildkröte, Krokodil, Nilpferd) durch Götterdarstellen. Dabei nimmt die (Apophis-) <strong>Schlange</strong> die Rolle des Götterfe<strong>in</strong>des des Re auf Erden, die


Yasser Sabek <strong>Die</strong> <strong>Schlange</strong>n <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Verehrung</strong> 145verb<strong>und</strong>en, wie die Analyse der Zeremonie des Zerhackens der Würmer <strong>und</strong><strong>Schlange</strong>n im Zusammenhang mit dem Ritual des „Treibens der Kälber“ (zumKorndreschen) zeigt. 392.4. Klassifikation von <strong>Schlange</strong>nE<strong>in</strong> bisher e<strong>in</strong>zigartiges Zeugnis des Umgangs mit <strong>Schlange</strong>n ist der<strong>Schlange</strong>npapyrus pBrooklyn 47.218.48 + 85. Der Text wurde von SergeSauneron herausgegeben <strong>und</strong> von Christian Leitz bearbeitet. 40 In diesem Textwerden die verschiedensten Namen von <strong>Schlange</strong>n zusammengestellt. Jedem<strong>Schlange</strong>nnamen s<strong>in</strong>d Bemerkungen h<strong>in</strong>zugefügt, die über die Farbe <strong>und</strong>weitere Merkmale der <strong>Schlange</strong> Auskunft geben. Dann werden die Giftigkeit der<strong>Schlange</strong> <strong>und</strong> mögliche Behandlungen genannt. Außerdem werden die meisten<strong>Schlange</strong>n e<strong>in</strong>er Gottheit zugeordnet. Hier e<strong>in</strong> Beispiel <strong>in</strong> der Übersetzung vonSauneron:„§ 22 Quant à la vipère asiatique, elle ressemble à un petit de serpent-henepblanc; elle est petite [...]; sa couleur est comme celle du serpent-rer. Fièvrependant sept jours; il vivra. C’est une manifestation de Geb.“ 41Der Papyrus ist e<strong>in</strong> wertvolles Dokument, das zeigt, daß die Ägypter bereitssehr differenzierte Vorstellungen über <strong>Schlange</strong>n besaßen. Sie konnten vieleverschiedene Arten unterscheiden, auch wenn die e<strong>in</strong>deutige Zuordnung der<strong>Schlange</strong>nnamen zu den heute üblichen Arten Gegenstand der Diskussion ist.Sie differenzierten die <strong>Schlange</strong>n auch nach der Art <strong>ihre</strong>r Gefährlichkeit.Außerdem konnte jede <strong>Schlange</strong> e<strong>in</strong>er Gottheit zugeordnet werden, was wohlals e<strong>in</strong> Versuch anzusehen ist, sie <strong>in</strong> die magische E<strong>in</strong>heit der Welt e<strong>in</strong>zufügen.In diesem Zusammenhang ist wichtig zu wissen, daß der <strong>Schlange</strong>npapyruse<strong>in</strong>e Art Handbuch für xrp srq.t-Ärtzte war. 42Schildkröte die Rolle des Götterfe<strong>in</strong>des im Wasser e<strong>in</strong>; Nilpferd <strong>und</strong> Krokodil spielen vergleichbareFe<strong>in</strong>drollen gegenüber dem Horus-König.39Egberts, In Quest of Mean<strong>in</strong>g, 340-344. Egberts bezieht die Zeremonie vor allem auf „Gewürm“allgeme<strong>in</strong> <strong>und</strong> sieht die Rolle der <strong>Schlange</strong>n weniger wichtig als vorangegangene Interpretatoren.40Sauneron, Un traité; Leitz, <strong>Schlange</strong>nnamen.41Sauneron, op. cit., 4.42Sauneron, op. cit., 198f.


146 IBAES IV Tierkulte im pharaonischen Ägypten3. <strong>Schlange</strong>n im islamischen Ägypten3.1. Tiere im IslamIm Quran kommt der Name der <strong>Schlange</strong> nur e<strong>in</strong> Mal vor. Und zwar <strong>in</strong> derGeschicht von Mosis <strong>und</strong> Pharao, wo der Stock von Mosis zur <strong>Schlange</strong> wurde(Sure 7. 104). Wenn die <strong>Schlange</strong> sonst auch ke<strong>in</strong>e große Rolle im Quranspielt, so ist sie – wie die Tiere allgeme<strong>in</strong> - durchaus von Wichtigkeit für dasLeben <strong>in</strong> der islamischen Geme<strong>in</strong>schaft.Deshalb zuerst e<strong>in</strong> paar Worte zu den Tieren im Islam allgeme<strong>in</strong>. 43 Im Quransteht, daß Allah die Tiere zusammen mit allem anderen geschaffen hat (Sure42. 29). Der Mensch darf die Tiere für Kleidung, Transport <strong>und</strong> zur Nahrungnutzen (Sure 16. 5-8). In der islamschen Rechtsüberlieferung wird die Nutzungder Tiere präzisiert, wobei sich die Ansichten der vier Rechtsschulen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igenFragen leicht unterscheiden. Generell s<strong>in</strong>d Tiere <strong>in</strong> drei Gruppen unterteilt:- erlaubte Tiere (z.B. Fische, Kamel, Schaf, Ziege, Huhn, Eidechse),- verbotene Tiere (z.B. Fleischfresser mit Reißzähnen: Löwe, Wolf; Vögelmit Klauen; Tiere, die sich von Unre<strong>in</strong>em ernähren; Reptilien, Schwe<strong>in</strong>,weitere Tiere aufgr<strong>und</strong> bestimmter Aussagen des Propheten)- <strong>und</strong> verpönte Tiere (z.B. Muscheln).E<strong>in</strong>e besondere Rolle spielen noch die Opfertiere, die besonders zum Id-Festgeschlachtet werden sollen (Kamel, Schaf, R<strong>in</strong>d, Ziege).<strong>Die</strong> klassische arabische Literatur kennt viele Tierbücher. In ihnen werden dieTiere nach bestimmten Merkmalen klassifiziert, wobei an das Wissen der Antikeangeknüpft wird, aber auch arabische Volksweisheiten, Sprichwörtern usw.e<strong>in</strong>bezogen s<strong>in</strong>d. 44 <strong>Die</strong> Autoren dieser Tierbücher hatten neben demzoologischen auch e<strong>in</strong> religiöses Interesse an der Tierklassifikation: auf dieseWeise wollten sie die Vollkommenheit der Schöpfung der Welt beschreiben.Tierliebe gilt <strong>in</strong> der arabischen Literatur als Tugend, so wird z.B. die Tierliebedes Kalifen Umar ausdrücklich hervorgehoben. Seit dem Mittelalter gibt esBerichte über die E<strong>in</strong>richtung religiöser Stiftungen auch für Tiere <strong>und</strong> Tierasyle(H<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Katzen). 45 In Ägypten s<strong>in</strong>d solche Tierstiftungen z.B. für Katzen43Siehe: Eisenste<strong>in</strong>, Herbert, Mensch <strong>und</strong> Tier im Islam, <strong>in</strong>: Münch, Paul (Hg.), Tiere <strong>und</strong> Menschen,Paderborn etc., 1998, 121-145; mit weiterführender Literatur.44Eisenste<strong>in</strong>, Mensch <strong>und</strong> Tier, 130-14445He<strong>in</strong>e, Peter, s.v. „Tier / Tiere“, Islam-Lexikon III, Herder, Freiburg / Basel / Wien, 1991, 714.


Yasser Sabek <strong>Die</strong> <strong>Schlange</strong>n <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Verehrung</strong> 147noch im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert erwähnt. 46 In dieser Tierliebe zeigt sich die Liebe derMuslime zur Schöfpung.Allerd<strong>in</strong>gs gehören <strong>Schlange</strong>n nicht zu den Tieren, denen man Zuneigungschenkte. <strong>Schlange</strong>n spielen aber <strong>in</strong> Märchen <strong>und</strong> Sagen e<strong>in</strong>e große Rolle, z.B.als Schatzwächter. 473.2. <strong>Schlange</strong>nverehrung im modernen ÄgyptenWenn die <strong>Schlange</strong> im Quran auch ke<strong>in</strong>e große Rolle spielt, so gehört sie dochzu den Tieren, mit denen man <strong>in</strong> Ägypten ständig konfrontiert wird. Es istdeshalb nicht verw<strong>und</strong>erlich, daß die Angst vor <strong>Schlange</strong>n auch zu e<strong>in</strong>emUmgang führt, der als Ver- oder Ehrung der <strong>Schlange</strong> bezeichnet werden kann.Zwei Beispiele dafür s<strong>in</strong>d die sogenannte <strong>Schlange</strong> des Scheich Haridi <strong>und</strong> dieEhrung von <strong>Schlange</strong>n im Haus.3.2.1. <strong>Die</strong> <strong>Schlange</strong> des Scheich Haridi 48<strong>Die</strong> <strong>Verehrung</strong> dieser <strong>Schlange</strong> bzw. <strong>ihre</strong>s Heiligtums ist bis <strong>in</strong> die moderne Zeitzu registrieren. Es bef<strong>in</strong>det sich am Gebel Scheich Haridi, <strong>in</strong> der Nähe vonTahta (bei Achmim). 49 <strong>Die</strong>ser Ort sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e Attraktion gewesen zu se<strong>in</strong>, dennes existieren darüber Berichte vom Jahr 1709 bis 1909. Angeblich soll es sichbei dem namengebenden Scheich Haridi um e<strong>in</strong>en türkischen Heiligengehandelt haben, der hier lebte <strong>und</strong> starb <strong>und</strong> entweder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e <strong>Schlange</strong>verwandelt wurde bzw. dessen Seele <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Schlange</strong> weiterlebte.Richard Pockocke, der Ägypten zwischen 1737-1739 bereiste <strong>und</strong> <strong>in</strong> der Nähevon Achmim war, um die <strong>Schlange</strong> zu besichtigen, erzählt:„... we came ..., where the religious Sheik of the famous serpent called Heredy,was ... I carried the letter of the Pr<strong>in</strong>ce of Ak(h)mim to the Sheik of the village ....He went with us to the grotto of the serpent that has been so much talk'd of, <strong>und</strong>erthe name of sheik Heredy ... . We went ascend<strong>in</strong>g between the rocky mounta<strong>in</strong> forabout half a mile, and came to part where the valley opens wider. On the right is a46Ebers, Georg, Aegypten <strong>in</strong> Bild <strong>und</strong> Wort, Erster Band, Stuttgart / Leipzig, 1897, 103.47Moderne Beispiele dafür gibt Keimer, Histoire de Serpent, 106f. Z.B. auch <strong>in</strong> der Geschichte vonS<strong>in</strong>debâd im <strong>Schlange</strong>ntal aus Diamanten, Tausend <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Nacht / Nacht 531.48Hopfner, Tierkult, 142; Keimer, Histoire de serpents, 92-104, mit e<strong>in</strong>er Zusammenstellung von Berichten.49Der Gebel bef<strong>in</strong>det sich im Gebiet des alten 10. oberägyptische Gaues, dessen äg. Bezeichnung wADj.t,„<strong>Schlange</strong>ngau“ lautet; Helck, W., <strong>Die</strong> altägyptischen Gaue, Beihefte zum Tüb<strong>in</strong>ger Atlas des VorderenOrients, Reihe B., Nr. 5, Wiesbaden, 1974, 95-99.


148 IBAES IV Tierkulte im pharaonischen Ägyptenmosque built with a dome over it, aga<strong>in</strong>st the side of the Rock, like a Sheik's burialplace; <strong>in</strong> it there is a large cleft <strong>in</strong> the rock, out of which they say the serpentcomes; there is a tomb <strong>in</strong> the mosque ..., that they say is the tomb of Heredy, ...,and that they suppose his soul may be <strong>in</strong> this serpent; for I observed they went andkissed the tomb with much devotion, and said their prayers at it. ... The Sheik toldme there were two of these serpents, but the common notion is that there is onlyone. He said it has been here ever s<strong>in</strong>ce the time of Mahomet; the shape of it islike other serpentes; the great ones appear of different sizes, from a foot to two footlong; the colour is a mixture of yellow, red and black; they may be handled and dono harm. He comes out dur<strong>in</strong>g the four summer months, and it is said that theysacrifice to it; but the Sheik denied it, and affirmed they only brought sheep, lambsand money to buy oil for the lamps; but I saw much blood and entrails of beastslately kill'd before the door. The stories they tell are so ridiculous that they oughtnot be repeated ...“ 50E<strong>in</strong> anderer Besucher, Archibald Henry Sayce, betrachtet das Ganze nüchternmit den Worten:„Sa<strong>in</strong>t or demon, however, Shêkh Herîdî is really the l<strong>in</strong>eal descendand of aserpent which has been worshipped <strong>in</strong> its neighbourhood s<strong>in</strong>ce the prehistoric daysof Egypt ... The serpent of Shêkh Herîdî, with his miraculous powers of heal<strong>in</strong>g,must thus has been already famous <strong>in</strong> the days when the nomes of Upper Egyptfirst received their names. The old neolithic population of the desert must havealready venerated the snake that dwelt <strong>in</strong> the cleft of the rock which now rises thesacred 'tomb' of Shêkh Herîdî.“ 513.2.2. HausschlangenWie schon <strong>in</strong> <strong>pharaonischer</strong> Zeit werden <strong>Schlange</strong>n auch im Haus gehalten.<strong>Die</strong>se Haus-<strong>Schlange</strong>n schützen die ihnen Anvertrauten <strong>und</strong> sorgen für dasGedeihen des Hauses. <strong>Die</strong>se Hausschlangen wurden als pAj@Y = Hurrâs d.h.Beschützer bezeichnet. 52Beatrice Arnst erzählte mir von e<strong>in</strong>em Haus <strong>in</strong> der Nähe von Saqqarah, das siebesucht hat <strong>und</strong> <strong>in</strong> dem ihr der Wohnort der Hausschlange gezeigt wurde. <strong>Die</strong><strong>Schlange</strong> lebt mit <strong>ihre</strong>m Jungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Art Abzugsschacht. <strong>Die</strong> Hausbewohnerstellen Lebensmittel (u.a. Milch) <strong>und</strong> Wasser an diesen Schacht zum Abkühlen.Es wurde ihr erzählt, daß e<strong>in</strong>es Tages am Morgen der Wasserbehälter um-50Keimer, op. cit., 94-95.51Keimer, op. cit., 104.52Kuhlman, Klaus P., Materialien zur Archäologie <strong>und</strong> Geschichte des Raumes von Achmim, Ma<strong>in</strong>z 1983,11-12. Auch <strong>in</strong> Tausend <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Nacht / Nacht 17, Geschichte von der fliegenden <strong>Schlange</strong>, die denbeschützt, der ihr Gutes getan hat.


Yasser Sabek <strong>Die</strong> <strong>Schlange</strong>n <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Verehrung</strong> 149gekippt war. <strong>Die</strong>s haben die Hausbewohner so <strong>in</strong>terpretiert: <strong>Die</strong> <strong>Schlange</strong> hatteihr Junges vermisst <strong>und</strong> als sie dachte, es sei tot, rächte sie sich an denHausbewohnern, <strong>in</strong>dem sie das Wasser vergiftete. Später fand sie ihr Jungeswieder <strong>und</strong> um e<strong>in</strong>e Vergiftung der Hausbewohnern zu verh<strong>in</strong>dern, kippte siedas Wasser um! E<strong>in</strong>e ähnliche Geschichte ist auch bei Keimer erwähnt. 53 Eshandelt sich wohl um e<strong>in</strong>e Art „urbane Legende“, die <strong>in</strong> verschiedenenVarianten immer wieder erzählt wird. 543.3. <strong>Die</strong> sufitischen Lehre der Rifâ‘iten <strong>und</strong> der Umgang mit <strong>Schlange</strong>n.Trotz der <strong>Schlange</strong> des Scheich Haridi ist im Islam e<strong>in</strong>e <strong>Verehrung</strong> andereaußer Gott verboten, wenn auch der Grat zwischen Ehrung <strong>und</strong> <strong>Verehrung</strong> <strong>in</strong>Ägypten sehr schmal ist. Es gibt aber e<strong>in</strong>e sufitische Geme<strong>in</strong>schaft, derenMitglieder e<strong>in</strong>e besondere Fähigkeit im Umgang mit <strong>Schlange</strong>n besitzen. Es istdie Tariqa der Rifâ‘iyya.3..3.1. SufismusDas Wort „Sufismus“ kommt von dem arabischen Wort sufi, was die Bedeutung„Wolle“ hat <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Anspielung auf das Wollgewand ist 55 , das von den frühstenSufis getragen wurde. 56Titus Burkhardt faßt die wesentlichen Züge des Sufitums wie folgt zusammen:„In <strong>ihre</strong>m zwiefachen Anblick als Weisheit <strong>und</strong> Gottesliebe gibt sie (die islamischeMystik) sich sowohl <strong>in</strong> lehrhaft-gedanklicher Form als auch <strong>in</strong> der Dichtung <strong>und</strong> denbildenden Künsten k<strong>und</strong>, <strong>und</strong> da sich ihr Wesen am unmittelbarsten <strong>in</strong> S<strong>in</strong>nbildern<strong>und</strong> Gleichnissen äußert, vermag sie nicht nur die Gläubigen, sondern auch dene<strong>in</strong>fachen Mann aus dem Volke ... anzusprechen; ja, oft f<strong>in</strong>det sie bei denUngelehrten leichter Aufnahme als bei den Gelehrten. ... Ihr Ausgangspunkt ist derTauhîd (die Lehre von der göttlichen E<strong>in</strong>heit) ... Das Organ, mit welchem derMensch die Gegenwart Gottes wahrnehmen kann, ist nach der Lehre der Sufi nichtdas Gehirn, sondern das Herz (ar-Rûh). Das Bewußtse<strong>in</strong> des gewöhnlichenMenschen ist von se<strong>in</strong>er Wesensmitte, die im Ewigen wurzelt, abgewandt; es ist <strong>in</strong>53Keimer, Histoire de serpents, 90, Anm. 1.54E<strong>in</strong>e Variante der Geschichte wird bereits bei Pl<strong>in</strong>ius X, 96 erzählt <strong>und</strong> ist bei Hopfner, Tierkult, 141wiedergegeben. <strong>Die</strong>se Version handelt von e<strong>in</strong>er Hausschlange, die von der Familie gefüttert wird. E<strong>in</strong>esTages beißt e<strong>in</strong> Junges der <strong>Schlange</strong> den Sohn des Hausherren. <strong>Die</strong> <strong>Schlange</strong> erkennt die Schuld, tötetihr Junges <strong>und</strong> verläßt das Haus. Wenn auch <strong>in</strong> anderer Verknüpfung tauchen die Motive – Hausschlange,Junges, e<strong>in</strong> Unheil, Konsequenz der <strong>Schlange</strong> – hier bereits auf.55Das Wollgewand soll hier als Zeichen des zuhd bzw. der Aufgabe der materiellen Lust am Lebendienen. Denn damals war Wolle der schmerzhafteste Stoff am Körper gewesen.56Vgl. Stoddart, William, Das Sufitum, Freiburg, 1979, 16.


150 IBAES IV Tierkulte im pharaonischen Ägyptene<strong>in</strong>er Art von Traum oder e<strong>in</strong>em Zustand des Vergessens (ghaflah) befangen.Darum muß der Mensch daran er<strong>in</strong>nert werden (an das, was er vergessen hat),<strong>und</strong> das ist der S<strong>in</strong>n des sogenannten dhiqr, den die Sufi auf vielerlei Weise üben<strong>und</strong> dessen Namen sowohl „Er<strong>in</strong>nerung“ als auch „Andacht“, „Erwähnung“ <strong>und</strong>„Anrufung“ bedeutet ...“. 57Was die Geistigkeit der islamischen Mystik anbetrifft, kann das Sufitum sowohlden „Weg der Erkenntnis“ (maarifa) als auch den „Weg der Liebe“ (mahabba)verstanden werden. Der islamische Gelehrte <strong>und</strong> Meister der Gnosis(Gottesliebe / Gotteserkenntnis) Muhyi'd D<strong>in</strong> ibn 'Arabî, der am Ende des12. <strong>und</strong> Anfang des 13. Jahrh<strong>und</strong>erts <strong>in</strong> Andalusien lebte, sagte:„Me<strong>in</strong> Herz ist offen für jede Form: Es ist e<strong>in</strong>e Weide für Gazellen, e<strong>in</strong> Kloster fürchristliche Mönche, e<strong>in</strong> Götzentempel, die Kaabe des Pilgers, die Tafeln der Torah<strong>und</strong> das Buch der Koran. Ich übe die Religion der Liebe (Gottes); <strong>in</strong> welcheRichtung immer <strong>ihre</strong> Karawane zieht, die Religion der Liebe wird me<strong>in</strong>e Religion<strong>und</strong> me<strong>in</strong>e Glaube se<strong>in</strong>.“ 58<strong>Die</strong>ser ist der Weg des Sufitum, um Gottesliebe <strong>und</strong> Nähe zu erfahren.Es gibt <strong>in</strong> der islamischen Welt e<strong>in</strong>e Anzahl verschiedener Sufi-Geme<strong>in</strong>schaften,die sich jeweils nach <strong>ihre</strong>m Begründer benennen. <strong>Die</strong>se Geme<strong>in</strong>schaftenwerden im Arabischen als tariqa (Plural turuq) bezeichnet, was oftfälschlich als „Orden“ oder „Sekte“ übersetzt wird. Das Wort bedeutet „Weg“<strong>und</strong> bezeichnet e<strong>in</strong>e Lehre, durch die deren Anhänger den Weg zu Gott f<strong>in</strong>denbzw. sich der göttlichen E<strong>in</strong>heit er<strong>in</strong>nern können. Auf den Begründer gehen dieRegeln zurück, nach denen sich die Gläubigen <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samer oder <strong>in</strong><strong>in</strong>dividueller Meditation <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Zustand versetzen, der sie Gott nahe br<strong>in</strong>gt. Dasich die Anhänger sufitischer Geme<strong>in</strong>schaften <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e tiefe Versenkungversetzen, s<strong>in</strong>d sie <strong>in</strong> der Lage D<strong>in</strong>ge zu tun, die die Kräfte normaler Menschenübersteigen. Bekannt s<strong>in</strong>d z.B. die lang dauernden Tänze der Derwische.3.3.2. Rifa‘aitische <strong>Schlange</strong>nbeschwörer <strong>in</strong> Ägypten <strong>und</strong> deren SprücheUnter den vielen Sufi-Wegen <strong>in</strong> Ägypten existiert e<strong>in</strong>er, dessen Anhänger mit<strong>Schlange</strong>n umgehen können: der der Rifâ‘iyya. <strong>Die</strong>se Schule ist nach demNamen e<strong>in</strong>es großen Sufi-Gelehrten <strong>und</strong> mystischen Zauberers Ahmad ar-Rifâ'î, der <strong>in</strong> der 12. Jahrh<strong>und</strong>er <strong>in</strong> Irak (Basra) gelebt hat, benannt 59 . Mit der57Burkhardt, Titus, Fes, Stadt des Islams, Olten/Schweiz <strong>und</strong> Freiburg, 1960, 113-114.58Stoddart, Das Sufitum, 54.59Encyclopedie de l’Islam; 543f; siehe auch: www.rifai.org.


Yasser Sabek <strong>Die</strong> <strong>Schlange</strong>n <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Verehrung</strong> 151Gründung des Ayubidenreiches <strong>in</strong> Ägypten <strong>und</strong> Syrien 1236 kam diese Schuleauch nach Ägypten. Dort ist sie seitdem sehr verbreitet.In Ägypten haben die Rifâ’aiten unter <strong>ihre</strong>n Anhängern viele Leute, diebesondere Eigenschaften besitzen (Abb. 4). An Festtagen, z.B. dem Maulid an-Nabi, kann man Rifâ’aiten sehen, die sich von e<strong>in</strong>em Scheich auf e<strong>in</strong>em Eselüberreiten lassen (dawsa). In religiöser Extase bohren sich manche Stäbedurch die Wangen, ohne das Blut fließt. E<strong>in</strong>e besondere Fähigkeit der Rifâ’aitenist es auch, daß ihnen <strong>Schlange</strong>n nichts anhaben <strong>und</strong> sie sogar lebende<strong>Schlange</strong>n <strong>und</strong> Skorpione essen können. Edward Lane beschrieb bereits im 19.Jahrh<strong>und</strong>ert die Rifâ’aiten so:„The Rifá'eeyeh: This order was fo<strong>und</strong>ed by the Ahmad Rifá'ah El-Kebeer ... TheRifá'eeyeh daraweeshes are celebrated for the performance of many wonderfulfeats ... There are many darweeshes of this order who handle with impunity livevenomous serpents, and scorpions, and partly devour them...“. 60Abb. 4.: Sufis bei religiösen Festen:Überritt; Durchbohren der Wangen;Essen von Skorpionen (aus: Ebers,Georg, Aegypten <strong>in</strong> Bild <strong>und</strong> Wort,Bd. I, 362; Bd. II, 131, 128)60Lane, Edward, Manners and Customs of the Modern Egyptians, Southhampton, 1981, 244.


152 IBAES IV Tierkulte im pharaonischen Ägypten<strong>Die</strong>se Eigenschaft von Sufis, die der Rifâ’iyya-Tariqa angehören, wird <strong>in</strong>Berichten immer wieder erwähnt <strong>und</strong> gilt als Besonderheit dieser Tariqa. 61 Mankönnte sagen, daß <strong>in</strong> diesen Sufis der altbekannte Beruf der <strong>Schlange</strong>n- bzw.Skorpion-Fänger aus <strong>pharaonischer</strong> Zeit (xrp-srq.t) weiterlebt. Man nennt sieheute Hawi ( ÓËBY),was so viel wie „Zauberer“ bedeutet. Warum dieseSpezialisten heute der Tariqa des Ahmad ar-Rifâ'y angehören, ist unklar. Eswird wahrsche<strong>in</strong>lich die große Verb<strong>und</strong>enheit der Tariqa mit der Natur <strong>und</strong> dergesamten Schöpfung Gottes se<strong>in</strong>, die die <strong>Schlange</strong>nfänger veranlaßte, sich ihranzuschließen. Auch gehört die Rifâ’iyya zu den älteren turuq, die von mittelalterlichenMystikern aus dem Iraq gegründet wurden <strong>und</strong> <strong>in</strong> denen vieleElemente des alten Volksglaubens aufgegangen s<strong>in</strong>d. <strong>Die</strong> moderneren turuq,die solche volkstümlichen Elemente eher ablehnen, wurden meist im 19.Jahrh<strong>und</strong>ert von Scheichs aus dem Hidjaz begründet. 62 In jedem Fall geben dieHuwâa an, daß sie aus sehr alten Familien stammen, <strong>in</strong> denen die Kunst der<strong>Schlange</strong>nbeschwörung vererbt wurde. 63<strong>Die</strong>se Sufis der Rifâ’iyya werden <strong>in</strong> der Literatur oft als <strong>Schlange</strong>nbeschwörerbezeichnet. 64 Auch wenn die Europäer von diesen Ereignissen meist äußerstabschätzig berichten, wird doch deutlich, daß die Aufgabe der <strong>Schlange</strong>nbeschwörervor allem <strong>in</strong> der Re<strong>in</strong>igung der Häuser von <strong>Schlange</strong>n <strong>und</strong> kaum <strong>in</strong>der Vorführung von Kunststücken liegt. Auch berichten die Quellen übere<strong>in</strong>stimmenddavon, daß die <strong>Schlange</strong>nbeschwörer heilige Männer <strong>und</strong>Angehörige der islamischen Bruderschaft der Rifâ’aiten s<strong>in</strong>d. Das Vorführenvon besonderen Kunststücken mit <strong>Schlange</strong>n (u.a. das Essen lebendigerSkorpione <strong>und</strong> <strong>Schlange</strong>n) gehört vor allem <strong>in</strong> den Kontext religiöser Feiern, wiez.B. e<strong>in</strong>e Beschreibung des Maulid an-Nabi zeigt, die Keimer veröffentlichte. 65Was <strong>in</strong> europäischen Berichten allgeme<strong>in</strong> als Jahrmarktsbelustigung 66 gilt, istvor allem Demonstration der Fähigkeit, über <strong>Schlange</strong>n zu gebieten bzw. mitihnen zu kommunizieren. So wird die Macht der Mystiker über die gefährlichenGeschöpfe gezeigt, die ihnen von Gott verliehen wurde. <strong>Die</strong> entsprechenden61Siehe die bei Keimer, Histoire de serpent, 41-85 gesammelten Berichte, <strong>in</strong> denen, sofern der Autoraufmerksam genug war, immer e<strong>in</strong>e Referenz zur Tariqa der Rifa’aiten bzw. ihr spirituelles Oberhaupt,Scheich Ahmad ar-Rifâ’i, vorkommt.62Vergleiche etwa die Qadiriyya im Sudan, die ebenfalls viele alte Bräuche aufgenommen hat, imGegensatz zu den Reform-turuqs wie Khatmiyya oder auch die Mahdiyya; Trim<strong>in</strong>gham, J. S., Islam <strong>in</strong> theSudan, London, 1949.63Keimer, Histoire de serpents, 80.64Keimer, op. cit., 1-26, mit e<strong>in</strong>er Zusammenstellung von Berichten über <strong>Schlange</strong>nbeschwörer: 41 – 85.65Keimer, op. cit., 66.66Zur Geme<strong>in</strong>samkeit von <strong>Schlange</strong>nbeschwörern <strong>und</strong> Dompteuren anderer Tiere (<strong>in</strong>sbesondere Affen) imöffentlichen Leben siehe Keimer, op. cit., 22, Anm 4.


Yasser Sabek <strong>Die</strong> <strong>Schlange</strong>n <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Verehrung</strong> 153Beschwörungen f<strong>in</strong>den <strong>in</strong> Ägypten immer im Namen des Scheich Ahmad ar-Rifâ‘i statt. Es werden aber auch Salomon (der die Sprache der Tiere sprach;Sure 27.16), die Propheten, <strong>und</strong> lokale Scheichs angerufen. 67 Als Beispiel derText e<strong>in</strong>er <strong>Schlange</strong>nbeschwörung, die Keimer nach Michel Ghali publizierte: 68Au nom du plus grand serment et du trés grand serment.Au nom de mon cheikh et mon maître Ahmed-el-Refahi.Au nom des quatres posseseurs de l’univers, les bénis.Au nom de cheikh Tayah Yass<strong>in</strong>e, l’aide de la region.Au nom du livre et des porteurs du livre, du prophète exaucé, des adjurations etdes signes, de celui qui occupe le lieu du grand, qui est la source de sa grandeur,qui connaît mon état, qui t’a condamné de ramper dans la poussière.A son nom l’aeu se dessèche et le feu s’éte<strong>in</strong>t.Au nom de mon seigneur Salomon:Es-tu nuisible? ici tu me viendras. Es-tu traître? ici tu me viendras.Si tu désobéis, tu t’en repentiras.Au nom du plus grand serment et du trés grand serment ...“An den Fähigkeiten der Huwâa wird nach wie vor gezweifelt. Manche glauben,daß dies e<strong>in</strong> Betrug sei, <strong>und</strong> andere halten es für W<strong>und</strong>er. Aber e<strong>in</strong>s ist sicher:aus me<strong>in</strong>er persönlichen Erfahrung weiß ich, daß sie e<strong>in</strong>en sehr guten Spürs<strong>in</strong>nhaben.Beim Fangen e<strong>in</strong>er <strong>Schlange</strong> rezitieren sie auch heute bestimmte Sprüche, diedem eben zitierten ähnlich s<strong>in</strong>d. Es werden aber zwei Sprüche unterschieden.a) Spruch, um e<strong>in</strong> Haus gegen den Zutritt von <strong>Schlange</strong>n zu sperren,(dabei wird e<strong>in</strong> Mittel zum <strong>Schlange</strong>nvertreibung im Wasser gelöst <strong>und</strong>der Spruch sieben Mal wiederholt),b) Spruch, um e<strong>in</strong>e <strong>Schlange</strong> e<strong>in</strong>zufangen.Dank me<strong>in</strong>er Mutter bekam ich e<strong>in</strong>e Version der beiden Sprüche. Denn dieseSprüche werden nur oral weitergegeben (Abb. 5).67Weitere Anrufungsfloskeln: Keimer, op. cit. 15, Anm. 1.68Keimer, op. cit., 14f


154 IBAES IV Tierkulte im pharaonischen Ägypten1. Spruch zum Beschwören des Wassers(zum Vertreiben <strong>und</strong> Verh<strong>in</strong>dern des E<strong>in</strong>tretens der <strong>Schlange</strong> <strong>in</strong>s Haus. Siebenmal rezitiert über dem Wasser <strong>und</strong> das Wasser wird um das Haus verteilt.)„Ich beschwöre dich (d.h. die <strong>Schlange</strong>) mit dem Ozean, dem Regen, demRegenmacher(?), <strong>und</strong> mit der Heiligkeit des Weggefährten, mit dem Geheimnisdes Sîedî Ahmad ar-Rifâ‘î <strong>und</strong> mit dem Geheimnis von:„qul hua Allahu Ahahd Allahu a-ssamad lem jalid ua lem joulad ua lem jakun lahukufwan ahad“ / „Sag: Er ist Allah, e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>ziger, Allah, der souveräne (Herrscher)(?).Er hat weder K<strong>in</strong>der gezeugt, noch ist er (selber) gezeugt worden. Und ke<strong>in</strong>er kannsich mit ihm messen.“ (Quran, 30 1-4).2. Teil des ka'kanejah (?) 69(wird rezitiert zum Fangen der <strong>Schlange</strong>.)Im Namen Allahs, des Allmächtigen. Im Namen Allahs, des Barmherzigen. ImNamen Allahs, der die Erde geschaffen / geebnet <strong>und</strong> den Himmel emporgehobenhat. Vor jedem abschweifenden Gewaltmenschen, möge de<strong>in</strong> Gott dichbeschützen <strong>und</strong> wie er dich beschützen kann. <strong>Die</strong>ser Schutz ua kam jakfiek uahejakifatun kifkafuha ka-kamien kân m<strong>in</strong> kalak ta-kkaru kirran ka-karr al-karr fiekalaki tahkû muschakakkah kalat laka al-kallk. Kâfâk mâ bie (= genügt dich, wasbei mir ist) hassbie kâfâne. Ja kau-kaban kân juhkâ kau-kab alfalak, schagienieschagienie. Kommt ihr Rifâjah. Ich suche dich, wie e<strong>in</strong> Mann se<strong>in</strong>e Geliebte sucht.Mache me<strong>in</strong> Wasser (wörtl. M<strong>und</strong>wasser) e<strong>in</strong>e Heilung <strong>und</strong> me<strong>in</strong>e Zunge fließend /eloquent / angenehm. Lasse die Bewohner<strong>in</strong> dieses Platzes an Hajah–(weiblichen) <strong>Schlange</strong>n, Thua'bân- (männlichen) <strong>Schlange</strong>n oder Skorpionenruhen / zufrieden. Sufejah, kufejah, naqschabendjah 70 . Lasse sie sichtbar se<strong>in</strong>, wiee<strong>in</strong> Leuchter. Ich beschwöre dich o <strong>Schlange</strong>, die an diesem Ort ist. Wenn du hierbist, dann komme, wenn du kommst, ke<strong>in</strong>en Schaden anrichtest. Allah bestraftden, der h<strong>in</strong>terhältig ist bzw. se<strong>in</strong> Versprechen nicht hält. Ich verspreche, wie derProphet aller Menschen „Muhammad“, der <strong>in</strong> Med<strong>in</strong>ah ist. Er sagte, wer mir nichtfolgt, der stirbt zerstückelt. Im Namen Allahs, der unsterblich ist.69 <strong>Die</strong> Bedeutung ist unbekannt, wahrsche<strong>in</strong>lich für die mehrfache Wiederholung des Buchstaben (k) Kaf.70 Alles Sufi-Wege / turuq.


Yasser Sabek <strong>Die</strong> <strong>Schlange</strong>n <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Verehrung</strong> 155Abb. 5: Text von zwei rifâ’itischen<strong>Schlange</strong>nbeschwörungenDer erste Spruch ist leicht zu verstehen. Aber bei dem zweiten muß ichgestehen, daß ich nichts verstehe. Trotz der Tatsache, daß er <strong>in</strong> Arabischgeschrieben wurde. Man muß vielleicht davon ausgehen, daß auch derBeschwörer den Text nicht versteht <strong>und</strong> hier <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Geräusch-Sprache spricht,die die <strong>Schlange</strong>n verstehen sollen. 71 Man muß daher bei den von Keimergegebenen Übersetzungen auch vorsichtig se<strong>in</strong>, ob man da nicht e<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n <strong>in</strong>den Beschwörungstext gebracht hat, der gar nicht da war. Vielleicht ist dieserSache auch nachzugehen, um zu sehen, ob solche Sprüche <strong>ihre</strong> Wurzeln <strong>in</strong>älteren Texten bzw. Sprachen haben, e<strong>in</strong>e Aufgabe, für die ich jetzt leider ke<strong>in</strong>eZeit habe.71Auch auf den jüngeren Horusstelen bef<strong>in</strong>den sich Inschriften <strong>in</strong> Pseudohieroglyphischer Schrift, dieke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n ergeben; Sternberg- El Hotabi, Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte derHorusstelen, 136f.


156 IBAES IV Tierkulte im pharaonischen Ägypten4. Zusammenfassung: Das Verhältnis zu <strong>Schlange</strong>n im alten <strong>und</strong>modernen ÄgyptenAbschließend kann man sagen, daß es viele Geme<strong>in</strong>samkeiten zwischen derBehandlung von <strong>Schlange</strong>n im pharaonischen wie im heutigen Ägypten gibt.<strong>Schlange</strong>n waren immer Teil der Lebenswelt der Menschen <strong>in</strong> Ägypten <strong>und</strong>man hat bestimmte Kenntnisse von ihnen, besonders über <strong>ihre</strong> Gefährlichkeit.<strong>Schlange</strong>n gehören zu den gemiedenen Tieren <strong>und</strong> stehen auch <strong>in</strong> derMärchen- <strong>und</strong> Symbolwelt eher für das Böse. Interessant ist, daß man die<strong>Schlange</strong>n <strong>und</strong> die Weiblichkeit vergleicht.Um sich der Gefährlichkeit der <strong>Schlange</strong>n zu erwehren, gibt es zwei Wege:Entweder man bekämpft die <strong>Schlange</strong>n, <strong>in</strong>dem man sie tötet, mitBeschwörungen vertreibt <strong>und</strong> <strong>in</strong> religiösen Zusammenhängen die Macht überdie <strong>Schlange</strong>n (<strong>und</strong> Skorpione <strong>und</strong> andere Tiere) demonstriert, <strong>in</strong>dem man siezerstückelt, ißt, usw. Oder man versucht die <strong>Schlange</strong>n zu besänftigen, <strong>in</strong>demman sie im Haus akzeptiert <strong>und</strong> als Schutzgeist ansieht. An bestimmten Plätzenkönnen <strong>Schlange</strong>n auch als Götter oder Heilige verehrt werden.Etwas Besonderes s<strong>in</strong>d die Menschen, die mit <strong>Schlange</strong>n (<strong>und</strong> den ebensogiftigen Skorpionen) umgehen können <strong>und</strong> sogar Macht über sie haben. Siewerden um Hilfe gerufen, wenn <strong>Schlange</strong>n aus dem Haus vertrieben werdensollen <strong>und</strong> können auch bei <strong>Schlange</strong>nbissen helfen. <strong>Die</strong> modernenägyptischen <strong>Schlange</strong>nbeschwörer werden oft mit denen alten Ägypten <strong>in</strong>Zusammenhang gebracht. Ludwig Keimer hat bereits e<strong>in</strong> frühdynastischesFelsbild als Beschwörung e<strong>in</strong>er <strong>Schlange</strong> zu <strong>in</strong>terpretieren versucht 72 <strong>und</strong> noche<strong>in</strong>ige weitere Darstellungen möglicher <strong>Schlange</strong>nbeschwörungen aus<strong>pharaonischer</strong> Zeit publiziert (Abb. 6).72Graffito bei Assuan, das von Schwe<strong>in</strong>furth als Anbetung e<strong>in</strong>er Barke betrachtet wird, Schwe<strong>in</strong>furth, G.,Über alte Tierbilder <strong>und</strong> Fels<strong>in</strong>schriften bei Assuan, <strong>in</strong>: Zeitschrift für Ethnologie, 1912, 639 Fig. 5. Keimerdagegen hält diese Darstellung für e<strong>in</strong>e <strong>Schlange</strong>nbeschwörung: Keimer, Histoires de Serpentes, 2-3.


Yasser Sabek <strong>Die</strong> <strong>Schlange</strong>n <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Verehrung</strong> 157Abb. 6: <strong>Schlange</strong>nbeschwörer im alten <strong>und</strong> modernen Ägypten:oben l<strong>in</strong>ks: prähistorisches Felsbild bei Assuanoben rechts: Skarabäen der 2. Zwischenzeit(aus: Keimer, Histoire de serpent, Fig. 1, 18, 19)unten: <strong>Schlange</strong>nbeschwörer des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts im Tempel von Med<strong>in</strong>et Habu(aus Ebers, Georg, Aegypten <strong>in</strong> Bild <strong>und</strong> Wort II, Stuttgart / Leipzig, 1880, 321)Schon <strong>in</strong> <strong>pharaonischer</strong> Zeit haben die <strong>Schlange</strong>nbeschwörer die <strong>Schlange</strong>n imNamen der großen Götter (Geb, Schu, Re, Horus das K<strong>in</strong>d) angerufen. Sietrugen auch den Titel des „Leiters der Selket“ oder des „Priesters der Sachmet“.In islamischer Zeit tun sie das im Namen des Ahmad ar-Rifâ’i, anderer Heiliger<strong>und</strong> auch der Propheten <strong>und</strong> Allahs. <strong>Die</strong> modernen <strong>Schlange</strong>nbeschwörerfühlen sich der Tariqa der Rifâ’iiyya zugehörig. Es s<strong>in</strong>d also immer religiöseMenschen, die mit den <strong>Schlange</strong>n umzugehen verstehen.


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