20 Jahre Kunsthof Zürich - Zürcher Hochschule der Künste

20 Jahre Kunsthof Zürich - Zürcher Hochschule der Künste 20 Jahre Kunsthof Zürich - Zürcher Hochschule der Künste

12.07.2015 Aufrufe

34Zett 2–13/ Kunst & Medien20 JahreKunsthof Zürich:beredte Lückeim StadtgefügeSeit der Gründung 1993 hat der Kunsthof Zürichein breites Spektrum künstlerischer Artikulationenermöglicht. Die Kombination verschiedensterAusstellender und Kuratierender und diefortlaufende Bespielung des Kunsthofs machenihn zu einem aussergewöhnlichen Ausstellungs-,Veranstaltungs- und Diskursort.Andrea Portmann*Blickt man im Kunsthof Zürich an der Limmatstrasse 44 ander in den Himmel ragenden bräunlichen Brandmauer hoch,kann man links und rechts zwei helle, rechteckige Verfärbungenentdecken. Sie sind Spuren einer vergangenen Ausstellungund wecken Erinnerungen. Plötzlich erscheinen inleuchtendem Rot die Worte «TO THE LAKE / ON THE LAKE/ FROM THE LAKE / AT THE LAKE / BORDERING THELAKE». Die einzelnen Zeilen regen das Vorstellungsvermögenan, das klar definierte Geviert des Kunsthofs öffnet sichhin zum See. 1995 wird diese Schriftarbeit von LawrenceWeiner von Studierenden der damaligen WeiterbildungsklasseBildende Kunst (WBK) realisiert und bleibt während rundfünf Jahren bestehen.Im Kunsthof gibt es einige solche Spuren, die auf vergangeneAusstellungen, Veranstaltungen und Projekte hinweisen, odermateriale Beschaffenheiten – wie zum Beispiel der Dolendeckeloder der Kiesboden –, die, Reizworten ähnlich, bestimmteAusstellungen lebendig vor Augen führen. Der Ortverwandelt sich so in eine Zeitkapsel, die viele einander überlappendeGeschichten, Bilder, Klänge birgt.Studierende üben Praxis des KuratierensAls Labor für künstlerische Experimente im Aussenraumwird der Kunsthof Zürich 1993 von der damaligen WeiterbildungsklasseBildende Kunst unter der Leitung von ChristophSchenker ins Leben gerufen. Die Idee ist, den Ort zur Realisierungkünstlerischer Arbeiten Studierenden, Dozierendensowie national und international bekannten Künstlerinnenund Künstlern zur Verfügung zu stellen. Dabei beteiligensich die Studierenden an der Konzeption, Organisation undRealisation der jeweiligen künstlerischen Projekte und könnensich so auch in der Praxis des Kuratierens üben. Studierendenermöglicht die Baulücke bis heute ein künstlerischesExplorieren im öffentlichen Raum unter besonders günstigen,laborähnlichen Bedingungen.1994 realisiert die damalige WBK-StudentinDominique Lämmli im Kunsthof eine fragile,sich im Wechselspiel mit den Wetterverhältnissenverändernde Installation: Um die 300mit Helium gefüllte Ballone sind entlang einesregelmässigen Quadratrasters am Boden desKunsthofs fixiert, der höchste Punkt der Balloneentspricht genau der zweieinhalb Meter hohenhinteren Längsmauer. Das Erscheinungsbildder Installation verändert sich fortwährend,und die Ballone beginnen zu sinken, bis sie einesTages verschrumpelt auf dem Boden zu liegenkomme n .Am 21. März 2008, am Karfreitag zu Vollmond,setzt der damalige ZHdK-Student MirkoBaselgia die als «Phase Jota» bezeichnete vierteEtappe seiner Arbeit «Phönix* (Version Alpha)»um. In dieser Arbeit verwandelt Baselgia Zeichnungen,Bilder und Objekte aus zehnjährigerkünstlerischer Arbeit durch mehrere Transformationenin einen Diamanten. In Anlehnungan die Alchemie teilte er den gesamten Verwandlungsprozessin sieben Phasen ein, die anverschiedenen Standorten in der Schweiz ihreRealisierung finden. Im Kunsthof verbrennt erdie ausgewählten Arbeiten, füllt die Asche ineinen dafür gefertigten Behälter für den Weitertransportnach Chur, wo sich ein Laboratoriumzur Diamantenherstellung befindet.145

352 3Im Wandel der Zeit hat sich natürlich nicht zuletzt auch durchdie Hochschulreformen vieles verändert, die Verknüpfungzwischen den Aktivitäten im Kunsthof und der Lehre in derVertiefung Bildende Kunst des Bachelors Medien & Kunstbesteht weiterhin. Seit 2009 gestaltet jeweils eine Gastkuratorinoder ein Gastkurator das Programm. Dabei werden imKunsthof immer wieder aktuelle ästhetische Themen verhandelt,der Raum ist seit seinen Anfängen auch als Diskursortwirksam.Dimitrina Sevova, ehemalige ZHdK-Studentin,ist in diesem Jahr Gastkuratorin und zeichnetverantwortlich für die Aktivitäten im und umden Kunsthof. Unter dem Titel «Opportunitiesfor Outdoor Play? Playgrounds – New Spacesof Liberty (The Question of Form)» werden dieökologischen, sozialen und politischen Mikrostrukturenvon Spielplätzen in der Nähe desKunsthofs in einem transdisziplinären undprozesshaft angelegten Projekt erforscht. DerAspekt des Spielens im Aussenraum («OutdoorPlay») ist auch für die Aktivitäten im Kunsthofleitend und ermöglicht es, den Kunsthof alsoffenen und zugänglichen Raum zu reaktivierenund zu reorganisieren. Er ist Labor für ästhetischeExperimente, Ort für kritische Diskussionenund Reflexionen, Open-Air-Kino usw.Kunst bringt Verborgenes zum VorscheinDer Aspekt der Ortsspezifität spielt besonders in der erstenDekade der Ausstellungsgeschichte immer wieder einewichtige Rolle. Entsprechend sind zahlreiche Arbeiten inAuseinandersetzung mit und in Bezugnahme auf materiale,architektonische, topografische, baugeschichtliche oder institutionelleBeschaffenheiten des Ortes entstanden. So kamenimmer wieder neue Aspekte des Kunsthofs zum Vorschein.Roman Ondák spannt im Jahr 2000 eine Schnurvom ersten Obergeschoss des Dittinghausesdurch eine in die Fensterscheibe geschnitteneÖffnung über den Kunsthof hin zur Brandmauerdes gegenüberliegenden Bürohauses. Hier verweistein kleines Podest auf die Bodenhöhe desersten Geschosses. Durch die Installation «RoomExtension» entsteht der Eindruck, die Baulückesei ein räumliches Vakuum, das durch das Auseinanderziehenvon zwei Baukörpern zustandekommt.Neben der Realisierung speziell auf den Ort bezogener odermit dem Ort verknüpfter Zusammenhänge wird der Kunsthofauch als Produktions- und Diskursort oder als Ausgangspunktfür weiterführende Projekte genutzt.1996 realisiert Peter Regli eine Ausstellungim Klingenpark, nicht im Kunsthof: Er wechseltalle Sitzbänke des Parks mit Bänken auszwölf Tourismusregionen der Schweiz aus.Urs Hartmann und Markus Wetzel bauenim Jahr 2000 in zwei Pavillons im Kunsthofeine funktionstüchtige Bad- und Kücheneinheit,die bis heute in einer Wohnung inZürich genutzt wird. Gleichzeitig drehen sieden Eso-Fiction-Film «wildbrook», in demdie Wohneinheiten die Rolle von ominösenGefühlsumwandlungskapseln spielen.Das transformative Potenzial des Kunsthofs Zürich spiegeltsich im breiten Spektrum der realisierten Arbeiten, in der Vielstimmigkeitganz unterschiedlicher ästhetischer Positionen.Der Kunsthof bietet Raum für Performances, Installationen,Skulpturen, Audio- und Videoarbeiten, Aktionen, Veranstaltungen,Manifestationen, Lecture Performances, Projektseminare,Workshops, Screenings usw.6 7

34Zett 2–13/ Kunst & Medien<strong>20</strong> <strong>Jahre</strong><strong>Kunsthof</strong> Zürich:beredte Lückeim StadtgefügeSeit <strong>der</strong> Gründung 1993 hat <strong>der</strong> <strong>Kunsthof</strong> Zürichein breites Spektrum künstlerischer Artikulationenermöglicht. Die Kombination verschiedensterAusstellen<strong>der</strong> und Kuratieren<strong>der</strong> und diefortlaufende Bespielung des <strong>Kunsthof</strong>s machenihn zu einem aussergewöhnlichen Ausstellungs-,Veranstaltungs- und Diskursort.Andrea Portmann*Blickt man im <strong>Kunsthof</strong> Zürich an <strong>der</strong> Limmatstrasse 44 an<strong>der</strong> in den Himmel ragenden bräunlichen Brandmauer hoch,kann man links und rechts zwei helle, rechteckige Verfärbungenentdecken. Sie sind Spuren einer vergangenen Ausstellungund wecken Erinnerungen. Plötzlich erscheinen inleuchtendem Rot die Worte «TO THE LAKE / ON THE LAKE/ FROM THE LAKE / AT THE LAKE / BORDERING THELAKE». Die einzelnen Zeilen regen das Vorstellungsvermögenan, das klar definierte Geviert des <strong>Kunsthof</strong>s öffnet sichhin zum See. 1995 wird diese Schriftarbeit von LawrenceWeiner von Studierenden <strong>der</strong> damaligen WeiterbildungsklasseBildende Kunst (WBK) realisiert und bleibt während rundfünf <strong>Jahre</strong>n bestehen.Im <strong>Kunsthof</strong> gibt es einige solche Spuren, die auf vergangeneAusstellungen, Veranstaltungen und Projekte hinweisen, o<strong>der</strong>materiale Beschaffenheiten – wie zum Beispiel <strong>der</strong> Dolendeckelo<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kiesboden –, die, Reizworten ähnlich, bestimmteAusstellungen lebendig vor Augen führen. Der Ortverwandelt sich so in eine Zeitkapsel, die viele einan<strong>der</strong> überlappendeGeschichten, Bil<strong>der</strong>, Klänge birgt.Studierende üben Praxis des KuratierensAls Labor für künstlerische Experimente im Aussenraumwird <strong>der</strong> <strong>Kunsthof</strong> Zürich 1993 von <strong>der</strong> damaligen WeiterbildungsklasseBildende Kunst unter <strong>der</strong> Leitung von ChristophSchenker ins Leben gerufen. Die Idee ist, den Ort zur Realisierungkünstlerischer Arbeiten Studierenden, Dozierendensowie national und international bekannten Künstlerinnenund Künstlern zur Verfügung zu stellen. Dabei beteiligensich die Studierenden an <strong>der</strong> Konzeption, Organisation undRealisation <strong>der</strong> jeweiligen künstlerischen Projekte und könnensich so auch in <strong>der</strong> Praxis des Kuratierens üben. Studierendenermöglicht die Baulücke bis heute ein künstlerischesExplorieren im öffentlichen Raum unter beson<strong>der</strong>s günstigen,laborähnlichen Bedingungen.1994 realisiert die damalige WBK-StudentinDominique Lämmli im <strong>Kunsthof</strong> eine fragile,sich im Wechselspiel mit den Wetterverhältnissenverän<strong>der</strong>nde Installation: Um die 300mit Helium gefüllte Ballone sind entlang einesregelmässigen Quadratrasters am Boden des<strong>Kunsthof</strong>s fixiert, <strong>der</strong> höchste Punkt <strong>der</strong> Balloneentspricht genau <strong>der</strong> zweieinhalb Meter hohenhinteren Längsmauer. Das Erscheinungsbild<strong>der</strong> Installation verän<strong>der</strong>t sich fortwährend,und die Ballone beginnen zu sinken, bis sie einesTages verschrumpelt auf dem Boden zu liegenkomme n .Am 21. März <strong>20</strong>08, am Karfreitag zu Vollmond,setzt <strong>der</strong> damalige ZHdK-Student MirkoBaselgia die als «Phase Jota» bezeichnete vierteEtappe seiner Arbeit «Phönix* (Version Alpha)»um. In dieser Arbeit verwandelt Baselgia Zeichnungen,Bil<strong>der</strong> und Objekte aus zehnjährigerkünstlerischer Arbeit durch mehrere Transformationenin einen Diamanten. In Anlehnungan die Alchemie teilte er den gesamten Verwandlungsprozessin sieben Phasen ein, die anverschiedenen Standorten in <strong>der</strong> Schweiz ihreRealisierung finden. Im <strong>Kunsthof</strong> verbrennt erdie ausgewählten Arbeiten, füllt die Asche ineinen dafür gefertigten Behälter für den Weitertransportnach Chur, wo sich ein Laboratoriumzur Diamantenherstellung befindet.145

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!