16Zett 2–13/ DesignWir wünschenuns eine Dynamisierung<strong>der</strong>DesignforschungEin Gespräch mit Tanja Herdt, Marc Rölli undGerhard Buurman vom Institut für Designforschungüber den Begriff «Social Design», denEinbezug von Studierenden in die Forschungspraxisund neue Wege <strong>der</strong> Designforschung.Florian Dombois*Florian Dombois: Könnt Ihr in einem Satz beschreiben, wasIhr am Institut für Designforschung vorhabt?Institutsleiter Gerhard Buurman macht den Anfang und probiertsich in <strong>der</strong> 1-Satz-Strategie. Schnell wird jedoch klar,dass sich die komplexe Aufgabe des Instituts nicht in einenSatz fassen lässt. «Es geht in unserer Arbeit am Institut imWesentlichen darum, mit den Mitteln des Designs daran zuerinnern, dass wir in einer Welt leben.» Marc Rölli ergänzt:«Designobjekte bevölkern nicht nur unsere Welt, sie verän<strong>der</strong>nauch die Gesellschaft, in <strong>der</strong> wir leben: Genau diesen Zusammenhangwollen wir erforschen.» Tanja Herdt fügt hinzu:«Es geht uns darum, den kritischen Blick des Designs auf dieWelt und damit auf Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt zuschärfen. Nach unserem Verständnis besteht die zentrale Aufgabe<strong>der</strong> Designdisziplin darin, die ‹Welt <strong>der</strong> Dinge› und die‹Welt des Sozialen› zusammenzudenken. Diese spezielle Forschungshaltunghaben wir am Institut für Designforschungunter dem Begriff ‹Social Design› zusammengefasst.» Beim«Social Design» geht es um einen zentralen Begriff des Instituts,<strong>der</strong> den Blick auf die gesellschaftliche Relevanz desDesigns richtet. In den einzelnen Forschungsschwerpunktendes Instituts soll die soziale Wirksamkeit des Designs auchhinsichtlich wirtschaftlicher Prozesse, Fragen <strong>der</strong> gebautenUmwelt und <strong>der</strong> Gesellschaftstheorie zum Gegenstand <strong>der</strong>Forschung gemacht werden.Wie sieht ein typischer Arbeitstag am Institut aus?Für Tanja Herdt und Marc Rölli nimmt neben dem Anschuberster Projekte vor allem das Gespräch mit den Kolleginnenund Kollegen viel Raum in ihrem Arbeitsalltag ein, denn beidebefinden sich noch in <strong>der</strong> Einarbeitungsphase, da sie ihreArbeit am Institut erst begonnen haben. Gerhard Buurmanbezweifelt, dass es überhaupt einen typischen ArbeitstagForschen<strong>der</strong> geben kann, da gerade <strong>der</strong> Wechsel zwischenverschiedenen Routinen und Themen ein produktives wissenschaftlichesArbeiten ermöglicht. «Es gibt jedoch bestimmteRoutinen in <strong>der</strong> Arbeit von Designerinnen und Designern,die von <strong>der</strong> Designforschung einerseits motiviert, an<strong>der</strong>erseitshinterfragt und problematisiert werden müssen, wiebeispielsweise das Abstützen von Gestaltungsentscheidungenauf wissenschaftliche Fakten. Darin sehen wir eine unsererAufgaben. Zudem prägt natürlich die enge Zusammenarbeitdes Instituts mit den einzelnen Designdisziplinen unserenForschungsalltag.» Für Tanja Herdt ist es dabei wichtig, dassdie Arbeitspraktiken des Designs nicht abgekoppelt von <strong>der</strong>Forschung über Design gesehen werden: «Sie stehen in unmittelbaremZusammenhang. Gute Designforschung mussdort ansetzen, wo die Entwicklungsarbeit stattfindet, dasheisst, sie muss in den einzelnen Designdisziplinen und ihrenLaboratorien verankert sein. Das betrifft sowohl die Gestaltungsarbeit,die dort geleistet wird, als auch die Lehre.» Dabeisollen Lehre und Forschung so aufeinan<strong>der</strong> abgestimmtwerden, dass beide voneinan<strong>der</strong> profitieren, fügt Marc Röllian. «Die Arbeitspraxis <strong>der</strong> Studierenden muss auch von denLehrformen profitieren, die wir am Institut etablieren wollen.Ebenso wichtig ist es, die Forschungsformate so zu gestalten,dass die Studierenden in die Forschungspraxis miteinbezogenwerden können. Ideal wäre, wenn durch die Inhalte, Themenund Forschungsformate die Arbeit von Studierenden unterstütztund geför<strong>der</strong>t würde.»Unter den Interviewpartnern herrscht Einigkeit darüber, dassdie kommerziellen Interessen <strong>der</strong> Auftraggebenden und diegestalterisch-künstlerischen Arbeitsweisen <strong>der</strong> Designerinnenund Designer einen Bezug des Designs auf übergeordneteFragestellungen nicht immer zulassen. Gerade zu denkomplexen gesellschaftlichen Herausfor<strong>der</strong>ungen unsererZeit wie beispielsweise zu Fragen des Verbraucherschutzesund <strong>der</strong> Mitbestimmung (Partizipation) o<strong>der</strong> zu Ressourcen-und Umweltverbrauch (Nachhaltigkeit) muss das Designexistierende Begriffe und Strategien hinterfragen und in <strong>der</strong>eigenen Gestaltungspraxis immer wie<strong>der</strong> Stellung beziehen.Rölli: «Die Arbeit mit übergeordneten Themen wie dem ‹SocialDesign› ist daher <strong>der</strong> Versuch, die individuelle Handlungskompetenz<strong>der</strong> Designenden auf komplexere Strukturenzurückzuführen.»«Gegenstand <strong>der</strong> Designforschungist immer auch das praktischeExperiment, das je<strong>der</strong> Designer inseiner Entwurfspraxis, wie etwaim Test neuer Materialien o<strong>der</strong>durch die Verwendung neuerHerstel lungstechniken, nutzt.»Gerhard BurmanWelche Bedeutung hat die Praxis des Experimentierens fürEuch? Gibt es Momente, in denen Forschung ästhetisch wird?O<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s gefragt: Bedient sich die Designforschung ausschliesslich<strong>der</strong> Sprache als gestalterisches Mittel?Marc Rölli sieht eine wesentliche Eigenschaft <strong>der</strong> Sprachedarin, dass sie exzentrisch ist; sie ist immer ausser sich, beiden Dingen, in <strong>der</strong> Welt. Gerhard Buurman erläutert die Bedeutung<strong>der</strong> experimentellen Forschungsarbeit für die Designforschung,wie sie in den Laboratorien des Departementsstattfindet: «Es ist nicht die Sprache allein, die wir zum Gegenstandunserer Arbeit machen. Gegenstand <strong>der</strong> Designforschungist immer auch das praktische Experiment, das je<strong>der</strong>Designer in seiner Entwurfspraxis, wie etwa im Test neuerMaterialien o<strong>der</strong> durch die Verwendung neuer Herstellungstechniken,nutzt. Es wird am Institut für Designforschung in
17Marc Rölli (links), Tanja Herdt und Gerhard Buurman.jedem Fall zu produktiven Verwicklungen kommen – auch mit<strong>der</strong> Welt <strong>der</strong> professionellen Praktikerinnen und Praktiker.»Wie entstehen bei Euch produktive Verwicklungen? Könnt Ihrmir ein Beispiel nennen?Gerhard Buurman zieht hier als Beispiel seine eigene Forschungzum Thema Geldkulturen heran und erläutert seineVorstellungen zu ökonomischen Spielen und den konzeptionellenVerwicklungen zwischen Agierenden <strong>der</strong> Finanzindustrie,des Designs und freien gesellschaftlichen Gruppierungen.Ausgangspunkt ästhetischer Überlegungen sindbeispielsweise Risiken von Finanzprodukten, die durch dieGestaltung <strong>der</strong> Benutzerinterfaces für die Kundschaft «unsichtbar»werden. Hier könnte das Design umlernen und neueStrategien <strong>der</strong> Sichtbarmachung entwickeln.Auch im Bereich <strong>der</strong> Lehre soll, wie Tanja Herdt berichtet, eineübergeordnete Auseinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> Designforschungstattfinden. Das hierfür neu entwickelte Lehrformat trägtden Titel «Die Unsichtbare Universität» und soll im Herbststarten. «Darin erhalten die Studierenden in Vorträgen, Diskussionenund Workshops Einblicke in die Forschungspraxisvon Gestalterinnen und Wissenschaftlern, die im Rahmenbürgerschaftlicher Initiativen, als Agierende einer ‹CitizenScience› o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Designpraxis tätig sind. Wenn man sowill, dient ‹Die Unsichtbare Universität› den Studierendendazu, eine disziplinenübergreifende Standortbestimmungvorzunehmen und sich verschiedene Forschungshaltungenund Methoden anzueignen.»Marc Rölli erläutert die anlaufenden Studien zu Methodenfragenim Design, die das Institut im Rahmen einer internationalenTagung und Publikation mit dem Arbeitstitel «Eigenlogikdes Designs» im Frühjahr <strong>20</strong>14 an <strong>der</strong> ZHdK präsentierenwird: «Dieses Projekt zielt darauf ab, ausgewählte Designproduktionenmit professioneller, weltweit führen<strong>der</strong> Methodenforschungzu konfrontieren, um die sehr eigenwilligenArbeitsweisen im Design sichtbar zu machen.» Tanja Herdt:«Uns war es in <strong>der</strong> Planung <strong>der</strong> Veranstaltung wichtig, auch«Die ‹Unsichtbare Universität›dient den Studierenden dazu, sichverschiedene Forschungshaltungenund Methoden anzueignen.»Tanja Herdthier den Anschluss an das Designstudium nicht aus den Augenzu verlieren. Wir haben daher Workshops geplant, die denAustausch zwischen Wissenschaftlerinnen, Praktikern undStudierenden ermöglichen. Wir erhoffen uns davon eine Dynamisierung<strong>der</strong> Forschung im Design. Die Studierenden sindherzlich eingeladen, an den Veranstaltungen des Instituts fürDesignforschung aktiv mitzuwirken.»* Florian Dombois ist Künstler, Kunstforscher und Leiter des ForschungsschwerpunktsTransdisziplinarität im Dept. Kulturanalysen und Vermittlung(florian.dombois@zhdk.ch).Prof. Dr. Gerhard M. Buurman ist Leiter des Instituts für Designforschung(IDE) und leitet den Forschungsschwerpunkt (FSP) Infrastrukturen undService (gerhard.buurman@zhdk.ch), Dr. Tanja Herdt leitet den FSP Produktund Raum (tanja.herdt@zhdk.ch), Prof. Dr. Marc Rölli leitet den FSP Theorieund Methoden (marc.roelli@zhdk.ch), alle am Institut für Designforschung,Dept. Design.