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Zur Steinkohle. JA! - RAG Deutsche Steinkohle

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Auf leisen Sohlen, doch mit ungeheurer Macht holt sich die Natur ihr Reich zurück, das ihr vom Fortschritt entrissen<br />

wurde. Ob im Duisburger „Landschaftspark Nord“, auf dem Gelände der „Zeche Zollverein“ in Essen oder den Halden<br />

und Schlackenbergen entlang der Emscher: Auf den Industriebrachen der Rhein-Ruhr-Region siedelt sich neue Artenvielfalt<br />

an; sogar gefährdete Pflanzen und Tiere finden hier eine neue Heimat. Währenddessen wird viele hundert Meter<br />

tiefer weiterhin die <strong>Steinkohle</strong> abgebaut, der die Region und das ganze Land einst ihren Reichtum verdankten – heute<br />

High Tech unter Tage mit verantwortungsbewusstem Schutz der Umwelt. Unten die weltweit modernste Technik des Bergbaus<br />

– oben die Rückkehr des Gartens Eden, auferstanden aus Ruinen.<br />

Oben war es ein kühler Herbsttag;<br />

zwar schien die Sonne, doch<br />

ohne Jacke war es zu kalt. Unten,<br />

fast einen Kilometer tiefer, scheint<br />

nie die Sonne, doch es ist warm<br />

und feucht. Und es wäre überhaupt<br />

nicht auszuhalten vor Hitze,<br />

wenn nicht ständig gekühlte Luft<br />

in die Strecken und Strebe geblasen<br />

würde, denn das umgebende<br />

Gestein ist hier schon mehr als<br />

50 Grad heiß. Der beständige<br />

Windzug ist angenehm.<br />

Wer es zum ersten Mal erlebt,<br />

wähnt sich zeitweise in einer<br />

unwirklichen, surrealen Welt. Es<br />

ist eine Fabrik, fast eine Stadt,<br />

tief unter der Oberfläche der Erde,<br />

erreichbar mit einem Aufzug,<br />

der so schnell in die Tiefe fällt,<br />

dass er für die knapp tausend<br />

Meter nur eine gute Minute<br />

braucht – mit dem Tempo dürfen<br />

Autos in der Stadt fahren, aber in<br />

der Waagerechten. Die Stadt unter<br />

Tage hat Straßen und Eisenbahnen,<br />

Schwebebahnen und Fuß-<br />

<strong>Deutsche</strong>r <strong>Steinkohle</strong>nbergbau:<br />

weltweit führende High Tech.<br />

gängerwege; sie hat auch genauso<br />

wie ihr Pendant über Tage ein ständiges<br />

Hintergrundgeräusch – es ist<br />

nie still. Hier, auf der Zeche<br />

„Prosper Haniel“ in Bottrop-Kirchhellen<br />

wie im ganzen östlichen<br />

und nördlichen Ruhrgebiet, wird<br />

noch die <strong>Steinkohle</strong> abgebaut, mit<br />

der einst der Aufstieg Deutschlands<br />

zum Industriestaat begann,<br />

die den Wiederaufbau nach zwei<br />

verlorenen Kriegen antrieb und die<br />

noch immer die wesentliche eigene<br />

Energiereserve des Landes ist.<br />

Volker Berenthien, Diplomingenieur<br />

und Bergmann zeit seines<br />

Berufslebens, führt uns dorthin,<br />

wo die Kohle abgebaut wird.<br />

Einzigartige Flora und Fauna<br />

Auch hier scheint die Sonne, doch<br />

die Stille ist umfassend, wird nur<br />

von Vogelgezwitscher unterbrochen.<br />

Seit 16 Jahren stehen hier alle<br />

Räder still. Über Generationen<br />

hatte hier Thyssen Stahl gekocht.<br />

Dann war das Hüttenwerk unren-<br />

tabel und wurde geschlossen. Die<br />

Stadt Duisburg kaufte das Riesengelände<br />

für die berühmte symbolische<br />

Mark – und überließ es sich<br />

selbst. Es war ein Experiment – von<br />

der Not diktiert. Denn Abriss und<br />

Entsorgung des alten Hüttenwerks<br />

hätten mindestens 70 Millionen<br />

Mark gekostet, und der Sanierungsaufwand<br />

für die Altlasten schien<br />

unüberschaubar. „Man hat“, so Dr.<br />

Rainer Klingholz vom Hamburger<br />

Magazin GEO, „weitere Flächen<br />

mehr oder weniger sich selbst<br />

überlassen – die billigste Variante<br />

der Rekultivierung und gewiss nicht<br />

die schlechteste.“ Zum 3. „GEO-Tag<br />

der Artenvielfalt“ haben 80 Wissenschaftler,<br />

unterstützt von der „Projekt<br />

Ruhr GmbH“, Bilanz gezogen:<br />

Wie stark ist die Natur bei der<br />

Rückeroberung von Terrain, von<br />

dem sie rund 80 Jahre lang fast<br />

völlig vertrieben war? Das Ergebnis<br />

6<br />

hat alle Beteiligten überrascht:<br />

Nicht weniger als 1.800 Tier- und<br />

Pflanzenarten entdeckten die Zoologen<br />

und Botaniker auf dem 200<br />

Hektar großen Gelände. Hecht und<br />

Zander haben nebst 46 anderen<br />

Arten wieder Besitz von dem Baggersee<br />

im Gelände ergriffen, hundert<br />

Käferarten krabbeln durch die<br />

neue Wildnis, Orchideen blühen,<br />

eine Flohkrebs- und eine Schneckenart<br />

gibt es im ganzen Land überhaupt<br />

nur hier und mehrere Arten<br />

von der Roten Liste haben auf der<br />

alten Industriebrache eine neue<br />

Heimat gefunden. „<strong>Zur</strong> Zeit der<br />

letzten Schicht auf dem Hüttenwerk“,<br />

so Dr. Klingholz, „ist es um<br />

die Biodiversität, die Artenvielfalt<br />

auf dem Gelände sicher nicht sonderlich<br />

vielfältig bestellt gewesen.“<br />

High Tech unter Tage<br />

Die Aufzugtür öffnet sich auf Sohle 6,<br />

drunter<br />

7 Die Nachbarschaftszeitung<br />

und drüber<br />

und drüber<br />

958 Meter in der Tiefe. Schwer<br />

schlägt Metall auf Metall. In dem<br />

Tunnel, Strecke genannt, den wir<br />

betreten, könnten zwei U-Bahnen<br />

gleichzeitig verkehren. Tatsächlich<br />

aber steht dort nur eine kleine<br />

Schmalspurbahn mit einer Diesellok<br />

an der Spitze, ein Bähnlein<br />

eigentlich nur, ein Züglein; niedrig<br />

und schmal die Wagen – doch aus<br />

festen, dicken Stahlplatten, steinschlagsicher.<br />

Wer zu korpulent ist,<br />

hat in den Wagen keinen Platz –<br />

dabei müssen sogar zwei Insassen<br />

sich den Quersitz teilen; aber wer<br />

unter Tage arbeitet, wird nicht fett.<br />

Im Prinzip arbeitet diese <strong>Steinkohle</strong>nfabrik<br />

unter Tage eigentlich<br />

vollautomatisch – vorne, wo der<br />

Kohlehobel, eine Mischung aus<br />

High Tech und Schwermaschinenbau,<br />

meterhohe Schichten bester<br />

Kraftwerkskohle aufs Transportband<br />

fräst, arbeiten gerade noch<br />

fünf Bergleute, Aber der Berg, das<br />

Gestein, ist nicht vollautomatisch<br />

und hat seine Macken und Launen.<br />

Nur deswegen müssen diese fünf<br />

Bergleute noch vor Ort sein – um<br />

Pannen und Unvorhergesehenes<br />

zu beheben und um die Maschinen<br />

zu warten. Und das ist oft reine<br />

Knochenarbeit, deswegen passen<br />

zwei Bergleute nebeneinander auf<br />

einen Quersitz der kleinen Bahn.<br />

Zwei Kilometer fährt uns das Züglein<br />

in den Berg – es gibt auch<br />

Strecken unter Tage, die länger sind<br />

als Straßenbahnlinien in den Großstädten<br />

oben. Zu Fuß geht es den<br />

nächsten Kilometer weiter – die<br />

Bergleute haben es leichter, die<br />

sausen auf den Transportbändern,<br />

denn ihre Zeit ist bares Geld. Für<br />

den Transport von Frachten hängen<br />

Einschienenbahnen von der<br />

Tunneldecke; die können tonnenschwere<br />

Lasten schleppen.<br />

Vor etwa 150 Jahren begann sich<br />

das Ruhrgebiet zu einer Region zu<br />

wandeln, deren Bewohner den Begriff<br />

„Heimat“ schon bald kaum<br />

noch mit Landschaft verbinden<br />

sollten. Autobahnen, Hochöfen und<br />

Schlote, Fördertürme und Kraftwerke,<br />

ein weithin unter Stein,<br />

Asphalt und Schotter versiegelter<br />

Boden. Und dann war mit der Montankrise<br />

plötzlich alles zu Ende.<br />

„Die Rasanz, mit der die Natur ihre<br />

zweite Chance ergriffen hat“, resümiert<br />

das Magazin GEO, „verblüffte<br />

selbst Experten.“ Nicht dass<br />

die neu entstehende Landschaft<br />

der ehedem hier vorhandenen nur<br />

im Entferntesten ähneln würde.<br />

Doch der totale Bruch mit dem Vorgestern<br />

scheint auf wundersame<br />

Weise glimpflich auszugehen.<br />

Oft genug findet man im Landschaftspark<br />

Leben, wo nach menschlichem<br />

Ermessen der bloße Versuch<br />

des Gedeihens zum Scheitern verurteilt<br />

sein müsste. Insgesamt<br />

500 höhere Pflanzenarten im<br />

„Landschaftspark Nord“ ergab der<br />

3. „GEO-Tag der Artenvielfalt“ – das<br />

ist mehr als eine Zahl, vielmehr ein<br />

Symbol für die vitale Kraft der<br />

Natur.<br />

Beispielhafter Umweltschutz<br />

Bis zum Jahr 2005 muss die Zahl<br />

der Beschäftigten im deutschen<br />

<strong>Steinkohle</strong>nbergbau von mehr als<br />

50.000 auf 36.000 reduziert werden,<br />

die Förderung von knapp 40<br />

Millionen Tonnen auf nur noch 26<br />

Millionen Tonnen. Die Stimmung<br />

ist nicht gut in den jetzt noch zehn<br />

deutschen Bergwerken – zum<br />

Vergleich: In den 60er-Jahren gab<br />

es allein in Essen mehr Zechen.<br />

Grund sind die Subventionen, ohne<br />

die deutsche <strong>Steinkohle</strong> nicht zu<br />

fördern wäre; denn sie liegt tiefer<br />

als in Australien, Amerika oder<br />

China – und Tiefe kostet eben Geld.<br />

Zudem wird in deutschen Bergwerken<br />

ein beispielhafter Umweltschutz<br />

betrieben – auch den gibt es<br />

nicht zum Nulltarif. Pro Jahr gibt<br />

die DSK für den Umweltschutz etwa<br />

300 Millionen Mark aus. Die ökologische<br />

Verträglichkeit ist ein<br />

Schwerpunkt der Rahmenbetriebspläne,<br />

in denen die Abbauvorhaben<br />

für die kommenden Jahrzehnte<br />

festgelegt werden. Tatsächlich<br />

muten die fast 10 Milliarden Mark<br />

Subventionen, die im Jahre 1998 an<br />

die heimische <strong>Steinkohle</strong> gingen,<br />

viel an. Doch zwölf Prozent davon<br />

flossen in Sozialtöpfe und Vergan-<br />

Auf den Industriebrachen der Rhein-<br />

Ruhr-Region siedelt sich neue Artenvielfalt<br />

an.<br />

genheitsbewältigung. Und im<br />

Übrigen wurden in diesem Jahr<br />

insgesamt unfassliche 303,3 Milliarden<br />

Subventionen gezahlt – an<br />

Raps- und Rübenbauern und<br />

Wohnungsvermieter, an die<br />

Bahn, die deswegen doch nicht<br />

pünktlicher wurde, wie zur Steuerersparnis<br />

an Spitzenverdiener,<br />

die mit Schiffbau in Korea die<br />

europäischen Werften ruinieren.<br />

Und die Kohlesubventionen fließen<br />

in voller Höhe in die Region;<br />

allein fünf Milliarden Mark beträgt<br />

das Einkaufsvolumen der<br />

<strong>RAG</strong> in Nordrhein-Westfalen.<br />

Volker Berenthien: „Wenn der<br />

Bergbau dicht macht, reißt das<br />

riesige Lücken auch in die<br />

Städte.“<br />

Energiesicherheit<br />

Noch entscheidender jedoch erscheint,<br />

dass ein Bergwerk, wenn<br />

es erst einmal geschlossen ist, zu<br />

vernünftigen Kosten nie wieder<br />

in Betrieb genommen werden<br />

kann; ein neues Bergwerk aufzuschließen,<br />

dauert etwa sieben<br />

Jahre. „Und die Kohle ist der einzige<br />

heimische Energieträger,<br />

der in ausreichender Menge zur<br />

Verfügung steht und nicht vom<br />

Wohlwollen anderer abhängt“,<br />

sagt Volker Berenthien und fragt:<br />

„Können wir es uns wirklich leisten,<br />

darauf zu verzichten?“<br />

Autor: Wolf Perdelwitz,<br />

Rhein-Ruhr Magazin

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