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72. Jg. – Nr. 140 Sommer 2008 - carocktikum.de

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Ich erwähnte vorhin die United Son<strong>de</strong>rmo<strong>de</strong>lle von Volkswagen. Die Werbung ist in diesem<br />

Genre ein Trendsetter. Slogans wie »come in and find out« sind normal. Aber wenn wir mal genauer<br />

hinkucken, gibt es das nicht nur in <strong>de</strong>r Werbung, son<strong>de</strong>rn überall befin<strong>de</strong>n sich Wörter<br />

aus einer an<strong>de</strong>ren Sprache in unserem Wortschatz: »Babysitten ist ein cooles Hobby für clevere<br />

Kids.« Heutzutage ein ganz normaler Satz.<br />

Sprachschützern wür<strong>de</strong> es jedoch kalt <strong>de</strong>n Rücken herunterlaufen. Sie gehen davon aus, dass<br />

sogenannte Anglizismen o<strong>de</strong>r umgangssprachlich »Denglisch« die <strong>de</strong>utsche Sprache und das<br />

Kulturerbe bedrohen. Argumentiert wird, dass hauptsächlich Jugendliche Anglizismen verwen<strong>de</strong>n<br />

um hip und in, also angesagt und lässig zu wirken, was <strong>de</strong>n realen Nutzen in Frage stellt.<br />

Sprachpolizisten wie <strong>de</strong>r Verein Deutsche Sprache (VDS) sehen es als ihre Aufgabe, Denglisch<br />

aus <strong>de</strong>n Köpfen <strong>de</strong>r Menschheit zu verbannen. Gegrün<strong>de</strong>t am 12. November 1997, »verfolgt<br />

[er] das Ziel, die <strong>de</strong>utsche Sprache als eigenständige Kultursprache zu för<strong>de</strong>rn. Insbeson<strong>de</strong>re<br />

tritt er dafür ein, daß sich die <strong>de</strong>utsche Sprache gegen die Überhäufung mit Wörtern aus <strong>de</strong>m<br />

Englischen behauptet.« Und hat schon einige prominente Mitglie<strong>de</strong>r geworben, wie zum Beispiel<br />

Hape Kerkeling, Dieter Hallervor<strong>de</strong>n, o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Autor <strong>de</strong>s Buches »Der Dativ ist <strong>de</strong>m Genitiv<br />

sein Tod« Bastian Sick, <strong>de</strong>r allgemein als <strong>de</strong>r Sprachpapst bezeichnet wird.<br />

Wie ist nun <strong>de</strong>r Einfluss gebil<strong>de</strong>ter Leute auf die <strong>de</strong>utsche Sprache? Sollten wir in Zukunft<br />

Sätze wie »Kin<strong>de</strong>r betreuen ist eine lässige Freizeitbeschäftigung für schlaue Kin<strong>de</strong>r« verwen<strong>de</strong>n?<br />

Gehen wir das Problem mal von <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite an. »kitsch« benutzen sowohl Franzosen<br />

als auch Spanier. Auch die Wörter »waldsterben«, »poltergeist«, »weltanschauung« und »krach«<br />

fin<strong>de</strong>t man im Französischem Wörterbuch. Der »kin<strong>de</strong>rgarten« ist ein englisches Wort und<br />

»to abseil« ist <strong>de</strong>r englische Begriff für »sich abseilen«. Kanadische Hausfrauen treffen sich beim<br />

»Kaffeeklatsching« und in Russland verspeist man ein »Butterbrot«. Weit weg, in Papua Neu -<br />

guinea beleidigt man sich mit <strong>de</strong>m Wort »rinfi« und Neuseelän<strong>de</strong>r beweisen manchmal echtes<br />

»fingerspitzengefuel«. Deutsch ist weiter verbreitet, als man <strong>de</strong>nkt!<br />

Können nun »Denglische« Begriffe eine Sprache vertreiben, die sich über die ganze Welt<br />

verbreitet hat? Eine Sprache, die schon seit mehr als 1500 Jahre gesprochen wird? Eine Sprache,<br />

in <strong>de</strong>r sich die, wie es heißt, größten Dichter und Denker ausgedrückt haben? Können simple<br />

Anglizismen eine Sprache fortjagen, die zu <strong>de</strong>n neun Weltsprachen gehört? Eine Sprache,<br />

welche die Amtssprache 7 Europäischer Län<strong>de</strong>r und die Arbeitssprache in <strong>de</strong>r EU ist?<br />

Mit Sicherheit nicht davonjagen. Mit unserer Sprache wür<strong>de</strong> es sich eher so verhalten, wie<br />

mit einer Brausetablette. Die zersetzt sich erst langsam, dann schneller und schneller und am<br />

En<strong>de</strong> ist nichts mehr vorhan<strong>de</strong>n. Dann ist sie vermischt mit <strong>de</strong>r Flüssigkeit, in die wir sie geworfen<br />

haben und das einzige, was übrig bleibt ist ein zarter Geschmack.<br />

Aber nicht, wenn wir es verhin<strong>de</strong>rn. Nicht wenn wir die Deutsche Sprache genau dann richtig<br />

benutzen, wenn es angebracht ist. Nicht wenn wir darauf achten, dass die Deutsche Sprache<br />

korrekt gesprochen wird. Nicht wenn wir unseren Kin<strong>de</strong>rn und unseren Mitmenschen wenigstens<br />

ein kleines bisschen korrektes Deutsch beibringen.<br />

Nicht wenn wir die <strong>de</strong>utschen Worte, die wir durch die englischen ersetzen, im Gedächtnis<br />

behalten.<br />

Anglizismen sind wie Schokola<strong>de</strong>, in kleinen Mengen vollkommen in Ordnung. Aber wenn<br />

es zur Gewohnheit wird, kann – kann - es problematisch wer<strong>de</strong>n.<br />

Danke!<br />

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