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72. Jg. – Nr. 140 Sommer 2008 - carocktikum.de

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So begann im Jahre 2005 eine Schülergruppe unter <strong>de</strong>r Leitung von Herrn Dr. Heinig sich mit <strong>de</strong>r<br />

ehemaligen U-Haftanstalt zu beschäftigen. Dieses Projekt wur<strong>de</strong> begleitet durch <strong>de</strong>n<br />

LandtagsabgeordnetenDr. Körner und <strong>de</strong>n Beauftragten <strong>de</strong>r Stasiunterlagen <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s Mecklenburg-<br />

Vorpommern Herrn Mothes.<br />

Im ersten Jahr unserer Arbeit beschäftigten wir uns mit philosophischen Grundlagen<br />

<strong>de</strong>rÜberwachung und <strong>de</strong>s Ge<strong>de</strong>nkens. Hierbei wur<strong>de</strong>n wissenschaftliche Arbeiten von Michel Focault,<br />

Friedrich Nietzsche und Joseph Beuys ausgewertet. Eine Erkenntnis hierbei war, dass in einer<br />

zukünftigen Ge<strong>de</strong>nkstätte die Besucher nicht mit Informationen überflutet wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn durch<br />

fragmentarische Gestaltung Denkanstöße geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n sollen. Weiterhinmöchten wir <strong>de</strong>n<br />

Gedanken <strong>de</strong>s Gedächtnisortes als soziale Plastik mit einbeziehen. Aufgrund unserer Forschungen<br />

stellen wir uns vor, dass in einer zukünftigen Ge<strong>de</strong>nkstätte aufgefor<strong>de</strong>rt wird, kritisch zu hinterfragen<br />

und teilzunehmen am steten kreativen Prozess unseres kollektiven Gedächtnisses und nicht<br />

vorgefertigte Meinungen bezüglich <strong>de</strong>s Erinnerns einfach zu übernehmen.<br />

Wir erkannten, dass sich das philosophische Konzept <strong>de</strong>s »Panoptismus« gera<strong>de</strong>zu klassisch auf<br />

die UHA Töpferstraße anwen<strong>de</strong>n lässt, weil man hier jene Machtstrukturen erforschen kann, mit <strong>de</strong>r<br />

sich die SED mehr als 40 Jahre an <strong>de</strong>r Macht hielt.<br />

Wir sichteten vielfältiges Aktenmaterial, führten Zeitzeugengespräche und nahmen<br />

Ortsbegehungen vor. Bei <strong>de</strong>r Inhaftierung achtete man beson<strong>de</strong>rs auf strengste Isolation, Demütigung,<br />

Kontrolle und Manipulation <strong>de</strong>r politischen Häftlinge. Sie wussten zunächst nicht, wo sie waren und<br />

wie lange sie in <strong>de</strong>r Haft bleiben mussten.<br />

Bemerkenswert ist, dass Täter und Opfer bis heute von dieser Vergangenheit stark geprägt sind.<br />

Das Unvermögen mit einan<strong>de</strong>r sprechen zu können zeigt, dass diese Vergangenheit noch nicht<br />

bewältigt wor<strong>de</strong>n ist. Das Problem besteht darin, dass in vielen Fällen <strong>de</strong>m Wunsch ehemaliger<br />

Inhaftierter sich mit <strong>de</strong>n damals Verantwortlichen auseinan<strong>de</strong>rzusetzen nicht entsprochen wird.<br />

Höhepunkte <strong>de</strong>r ersten Jahre waren das Vorstellen von Ergebnissen auf einer Veranstaltung <strong>de</strong>r<br />

Friedrich-Ebert-Stiftung sowie die Präsentation und Diskussion mit interessierten Bürgern und<br />

Zeitzeugen am „Tag <strong>de</strong>s offenen Denkmals“ in <strong>de</strong>r Töpferstraße. Zu Beginn <strong>de</strong>s Schuljahres<br />

2007/<strong>2008</strong> übernahm Herr Ulrich Beesk, Geschichtslehrer am Carolinum, die Leitung <strong>de</strong>s Projektes.<br />

Obwohl die Forschungsarbeiten nicht mehr Teil <strong>de</strong>s Unterrichts sein konnten und somit in <strong>de</strong>r Freizeit<br />

<strong>de</strong>r Schüler stattfin<strong>de</strong>n mussten, erklärten sich Tim Kahl, Maxim Menschenin und Danny Oestreich<br />

bereit, dieses Projekt zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Dieses Engagement und Interesse<br />

für Geschichte ist beson<strong>de</strong>rs zu loben, zumal sich alle Schüler in diesem Schuljahr auf ihr Abitur<br />

vorbereiten müssen.<br />

Wir stellten uns drei Aufgaben:<br />

1. Entwicklung einer Nutzungskonzeption für die ehemalige U-Haftanstalt<br />

2. Dokumentation <strong>de</strong>r Forschungsarbeit<br />

3. Weiterentwicklung <strong>de</strong>s Projekts, um durch <strong>de</strong>n vergessenen Ort viele Schüler zu motivieren, sich<br />

mit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Geschichte <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts zu beschäftigen.<br />

Bei <strong>de</strong>r Erarbeitung <strong>de</strong>r Nutzungskonzeption diskutierten wir viele Fragen kontrovers.<br />

1. Welche und wie viele Räume sollten genutzt wer<strong>de</strong>n?<br />

2. Inwieweit sollte man die Vorstellungen von einer »normalen« Ge<strong>de</strong>nkstätte sprengen?<br />

3. Welche Impulse für die Entwicklung <strong>de</strong>s Geschichtsbewusstseins kann diese Ge<strong>de</strong>nkstätte<br />

geben?<br />

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