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72. Jg. – Nr. 140 Sommer 2008 - carocktikum.de

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Brief vom 5. September 1863 (GL Sch A, B 58:1, 52180 f.)<br />

(übersetzt von Alexandra Stange und Miriam Winkel)<br />

Carolus Andress<br />

Henrico Schliemanno suo<br />

S. P. D.<br />

Utor oblata mihi per Lauium, nostri amantissimum,<br />

ad te scribendi occasione, ut pauca<br />

<strong>de</strong> rerum mearum statu tecum communicem.<br />

Accidit, ut bibliothecae publicae i<strong>de</strong>mque<br />

meus praefectus Gentzen, qui tui aeque ac<br />

Langmannus e scholae tempore saepius re -<br />

cordatur, morbo apoplectico corriperetur.<br />

Valetudinis restaurandae causa in balneum<br />

�uringicum nomine Koesen profectus, iam<br />

rediit viribus exhaustis nondum satis refectis.<br />

In<strong>de</strong> laboris plus humeris meis impositum, sed<br />

nondum mercedis plus mihi tributum est.<br />

Princeps noster, parsimoniae amantissimus,<br />

non prius rebus angustis subditorum suorum<br />

prospicere vult, quam omnia publica <strong>de</strong>bita<br />

erunt persoluta, quod i<strong>de</strong>m est ac nos ad<br />

Graecas calendas relegare. Nihilominus negotiis<br />

bibliothecae nostrae magno cum studio<br />

perfungor. Imperator Russiae nobis dono <strong>de</strong>dit<br />

codicem vetustissimum bibliorum in monte<br />

Sinai a Tischendorfio <strong>de</strong>tectum, ex quo nova<br />

lux theologiae affulsit. Preaterea persfecutor<br />

vetera historiae nostrae Mecklenburgicae manuscripta,<br />

in quibus nuper fundationis epistolam<br />

aedis sacrae Ankershagiensis inveni.<br />

Eques quidam nomine Eccardus, saeculo <strong>de</strong>cimotertio<br />

terrae Ankershagiensis possessor<br />

duo jugera agri assignavit ad verbum divinum<br />

promovendum . – Res politicae vitam nostram<br />

quietam nondum turbaverunt, et securi ex -<br />

spectamus, quid rerum novarum futurum<br />

tempus fit allaturum . – Tu, insigni fortunae<br />

favore adjutus, vitam tuam ad augendam<br />

scientiam impen<strong>de</strong>re poteris et iter aliquod<br />

longinquum suscipero, veluti in interiorem<br />

Africae partem, ad quam aditus nunc patet et<br />

ubi nostrates concurrunt . Bona tibi omina<br />

precans valere te jubeo mihique favere.<br />

Scripsi Neostrelitiae<br />

Nonis Septembrius<br />

1863<br />

Carl Andress<br />

grüßt Heinrich Schliemann<br />

Ich nutze die Gelegenheit, die mir von<br />

unserem heiß geliebten Herrn Laue ange boten<br />

wor<strong>de</strong>n ist, dir zu schreiben, um dir ein wenig<br />

über <strong>de</strong>n Zustand meiner Dinge mitzuteilen.<br />

Es kommt hinzu, dass Gentzen 16 , <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Vorstand <strong>de</strong>r Öffentlichen Bibliothek ist und<br />

ebenso mein Vorgesetzter, von einem Schlag -<br />

anfall betroffen ist, dieser erinnert sich häufig<br />

an dich sowie an Langmann 17 aus <strong>de</strong>r Schulzeit.<br />

Er ist in ein Bad namens Kösen in �üringen<br />

gefahren um seine Krankheit zu kurieren<br />

und wur<strong>de</strong> schon wie<strong>de</strong>r nach Hause geschickt,<br />

obwohl die erschöpften Kräfte noch nicht wie<strong>de</strong>r<br />

hergestellt wor<strong>de</strong>n sind. Daher fällt mir<br />

mehr Arbeit zu, aber mir wird nicht mehr Lohn<br />

zugeteilt. Unser Fürst 18 , <strong>de</strong>r die Sparsamkeit<br />

auf das Äußerste liebt, will sich nicht um die<br />

Nöte seiner Untertanen kümmern, nicht bevor<br />

alle öffentlichen Schul<strong>de</strong>n getilgt sind, was das<br />

gleiche für uns ist, als wenn man die Sache auf<br />

die Kalen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Griechen 19 verschieben<br />

wür<strong>de</strong>. Nichts<strong>de</strong>stoweniger führe ich die Amtsgeschäfte<br />

unserer Bibliothek mit großem Eifer<br />

durch.<br />

Der russische Zar hat uns als Geschenk uralte<br />

Handschriften 20 mitgebracht, die Tischen dorf 21<br />

16 Gentzen war ein Lehrer Schliemanns in Neustrelitz.<br />

17 Langmann war ebenfalls ein Lehrer Schliemanns in<br />

Neustrelitz.<br />

18 Großherzog Georg von Mecklenburg Strelitz (1779-<br />

1860).<br />

19 Die Kalen<strong>de</strong>n gab es nicht bei <strong>de</strong>n Griechen, nur bei<br />

<strong>de</strong>n Römern. Somit ist hier <strong>de</strong>r Sankt Nimmerleinstag<br />

gemeint.<br />

20 Über <strong>de</strong>n Besuch <strong>de</strong>s russischen Zaren Alexan<strong>de</strong>r II.<br />

in Neustrelitz konnte bisher nichts Näheres in Erfahrung<br />

gebracht wer<strong>de</strong>n.<br />

21 Konstantin von Tischendorf (1815-1874) war evangelischer<br />

Theologe und seit 1851 Ordinarius für Neues<br />

Testament in Leipzig. Auf seinen Reisen 1844 und<br />

1859 ent<strong>de</strong>ckte er Bibelhandschriften und edierte sie,<br />

vor allem <strong>de</strong>n Co<strong>de</strong>x Sinaiticus aus <strong>de</strong>m 4. Jahrhun<strong>de</strong>rt.<br />

Tischendorf erwarb sich auch große Verdienste<br />

in <strong>de</strong>r Septuaginta- und Apokryphenforschung.<br />

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