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72. Jg. – Nr. 140 Sommer 2008 - carocktikum.de

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Carl Andreß grüßt Heinrich Schliemann<br />

Ein gewisser Wöllert 12 , ein Schnei<strong>de</strong>r aus<br />

Ankershagen, ist an mich herangetreten, <strong>de</strong>r,<br />

als er gehört hatte, dass ich mit dir über Briefe<br />

kommuniziere, mich eifrig gefragt hat, ob ich<br />

dich benachrichtigt hätte, dass er zwei bis drei<br />

Museumsgelän<strong>de</strong> in Ankershagen mit ehemaligem<br />

Pfarrhaus (seit 1980 Ge<strong>de</strong>nkstätte), wie<strong>de</strong>r aufgebautem<br />

Stallgebäu<strong>de</strong> (seit 2001 u. a. großer Vortragsraum)<br />

und ›Troianischem Pferd‹ (seit 1996),<br />

Foto: Roman März (Berlin)<br />

12 Gemeint ist nicht <strong>de</strong>r aus Schliemanns Selbstbiographie<br />

(1881) bekannte Schnei<strong>de</strong>r und Totengräber Daniel<br />

Bernhard Christian Wöllert (1779-1855), genannt<br />

Peter Hüppert. Hier han<strong>de</strong>lt es sich um Friedrich<br />

Wöllert (nicht: Wöhlert), ebenfalls Schnei<strong>de</strong>r wie sein<br />

Vater. Die Not dieses Mannes lässt sich aus einem<br />

Brief <strong>de</strong>sselben an Schliemann vom 6. April 1862 aus<br />

Ankershagen begreifen: »O jetzt in diesem Jahre ist<br />

die Noth noch um so größer, <strong>de</strong>nn seit Weihnachten<br />

habe ich keine Kartoffeln mehr im Hause und das kleine<br />

Schwein welches ich mir einschlachten wollte ist<br />

mir auch gestorben, ich weiß nicht mehr wovon ich<br />

leben soll, und für uns Eltern ist es immer am<br />

schlimmsten <strong>de</strong>nn wenn jetzt am Tage meine Kin<strong>de</strong>r<br />

kommen und bitten Vater und Mutter gebt uns Brot<br />

und Ach: wir haben ja nichts …« (s. Meyer, BW I, S.<br />

113). Schliemann hatte eine Tochter Wöllerts bei sich<br />

in St. Petersburg als Hausangestellte beschäftigt.<br />

Münzen empfangen<br />

hätte, die von dir zu<br />

ihm geschickt wor<strong>de</strong>n<br />

waren und dass<br />

ein gewisser Rust 13 ,<br />

ein Kaufmann aus<br />

Neustrelitz, sie ihm<br />

ohne je<strong>de</strong>n Verlust<br />

in die hiesige Wäh -<br />

rung ein gelöst hat,<br />

während an<strong>de</strong>re dagegen<br />

ihm etwas abgezogen<br />

hätten. Ich<br />

Wilhelm Rust (1820-1910),<br />

<strong>de</strong>r Jugendfreund Schliemanns<br />

aus <strong>de</strong>r Neustrelitzer<br />

Schulzeit<br />

hatte ihm die ganze Sache erklärt. Die Brü<strong>de</strong>r<br />

Schrö<strong>de</strong>r 14 nämlich, Bankiers aus Hamburg,<br />

haben einen Wechsel geschickt, <strong>de</strong>n sie im<br />

Oktober 1861 einlösen sollten und schließlich<br />

im Monat April <strong>de</strong>s folgen<strong>de</strong>n Jahres an Rust<br />

ausgezahlt haben. Die ganze Summe betrug 30<br />

Taler, aus <strong>de</strong>r ich 20 Taler und Wöllert 10 er-<br />

13 Wilhelm Rust (1820-1910) war Schulkamerad von<br />

Heinrich Schliemann in Neustrelitz und Sohn <strong>de</strong>s<br />

Großherzoglichen Kammerlakaien. Er brachte es in<br />

Neustrelitz zu höchstem Ansehen. Er war dort seit<br />

1843 selbständiger Kaufmann, besaß im Haus an <strong>de</strong>r<br />

Ecke Markt/Zierker Straße (heute noch vorhan<strong>de</strong>n)<br />

eine »Manufactur- und Mo<strong>de</strong>waaren-Handlung«, in<br />

<strong>de</strong>r er neueste Mo<strong>de</strong> aus Paris, Leinwand, Tapeten,<br />

echten Souchong-Tee und Nähmaschinen von Wheeler,<br />

Wilson und Singer verkaufte. Er grün<strong>de</strong>te später<br />

eine Bank und vertrat auch die Gothaer Lebens- und<br />

Feuerversicherung. Rust galt als reichster Mann <strong>de</strong>r<br />

Stadt. Schliemann sagte einmal sinngemäß, wenn ich<br />

nicht Schliemann wäre, wür<strong>de</strong> ich gern Rust sein.<br />

Rust war seit 1870 Kommerzienrat, später sogar Geheimer<br />

Kommerzienrat. Bei<strong>de</strong> Männer stan<strong>de</strong>n in regem<br />

Briefwechsel. Die Briefe von Schliemann wur<strong>de</strong>n<br />

bereits von Stoll (Abenteuer meines Lebens, s. oben)<br />

veröffentlicht. Nun, durch die Briefkopien im Museum,<br />

liegen auch die Gegenbriefe zur Veröffentlichung<br />

bereit. Diese wird in nächster Zeit durch Rainer Hilse<br />

vorgenommen wer<strong>de</strong>n.<br />

14 Die Firma Schrö<strong>de</strong>r in Hamburg wur<strong>de</strong> von Johann<br />

Heinrich Schrö<strong>de</strong>r (1784-1883) etabliert. Er war auch<br />

<strong>de</strong>r Grün<strong>de</strong>r eines Bankhauses in London. Über<br />

„Schrö<strong>de</strong>r Hamburg“ wickelte Schliemann anfangs<br />

seine Geldgeschäfte in Deutschland ab. Später bevorzugte<br />

er Robert Warschauer & Co. in Berlin.<br />

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