72. Jg. – Nr. 140 Sommer 2008 - carocktikum.de
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Filmrezension ›Die Welle‹<br />
Nach <strong>de</strong>m gleichnamigen Erfolgsroman von Morton Rhue<br />
›Die Welle‹ stellt die zweite Verfilmung <strong>de</strong>s<br />
Romans ›�e Wave‹ von Morton Rhue dar. Es<br />
ist immer mit einem gewissen Risiko verbun<strong>de</strong>n,<br />
wenn man eine bekannte Geschichte erneut<br />
verfilmt. Während sich die Story eigentlich<br />
in <strong>de</strong>n USA abspielt, hat Regisseur Dennis<br />
Gansel nun das Geschehen in das heutige<br />
Deutschland gelegt, womit <strong>de</strong>r Film näher an<br />
unserem heutigen Alltag ist.<br />
Rainer Wenger, gespielt von Jürgen Vogel, ist<br />
Lehrer eines Berliner Gymnasiums und besticht<br />
von Anfang an durch seine lässige, sympathische<br />
Art. Er wird von <strong>de</strong>n Schülern geduzt und<br />
von seinen Kollegen schief angeschaut. In einer<br />
Projektwoche zum �ema ›Staatsformen‹ beansprucht<br />
er als ehemaliger Hausbesetzer und<br />
Linker selbstverständlich <strong>de</strong>n ›Anarchie-Kurs‹<br />
für sich. Allerdings wird ihm <strong>de</strong>r ungeliebte<br />
Kurs ›Autokratie‹ zugeteilt.<br />
Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Kurs am Montag eher schleppend<br />
anfängt, kommt in einer Diskussion sehr<br />
schnell zum Ausdruck, dass die Schüler ein -<br />
hellig <strong>de</strong>r Meinung sind, eine Diktatur wäre in<br />
<strong>de</strong>r heutigen aufgeklärten Gesellschaft nicht Filmplakat<br />
mehr möglich. Dadurch wächst in Wenger die<br />
I<strong>de</strong>e, ein Experiment zu wagen. Er baut bewusst Distanz zu seinen Schülern auf. So müssen sie<br />
ihn mit ›Herrn Wenger‹ ansprechen und auf stehen, wenn sie etwas sagen. Es wird einheitliche<br />
Kleidung in Form eines weißen Hem<strong>de</strong>s eingeführt. Die Schüler nehmen diese neuen Vorgaben<br />
über raschend positiv auf und schnell ist <strong>de</strong>r Name für die Bewegung gefun<strong>de</strong>n – ›Die Welle‹.<br />
Die Motivation und Leistungen seiner Schüler steigen, wodurch Wenger die Anerkennung<br />
seiner Kollegen erhält, aber gleichzeitig das eigentliche Ziel aus <strong>de</strong>n Augen verliert.<br />
Von <strong>de</strong>r neuen ›Unterrichtspolitik‹ ist <strong>de</strong>r Außenseiter Tim (Fre<strong>de</strong>rick Lau) am meisten beeindruckt<br />
und entwickelt sich schnell zu einem fanatischen Anhänger <strong>de</strong>r Welle. In<strong>de</strong>m Protagonist<br />
Fre<strong>de</strong>rick Lau <strong>de</strong>r Figur <strong>de</strong>s Tim <strong>de</strong>n Blick eines getriebenen Tieres verleiht, wird diese<br />
Rolle noch überzeugen<strong>de</strong>r. Aber auch Sinan (Elyas M'Barek) ›<strong>de</strong>r Türke‹ o<strong>de</strong>r Marco (Max Riemelt),<br />
<strong>de</strong>r Sportler aus <strong>de</strong>r unteren sozialen Schicht, sind sehr empfänglich für die Gemeinschaftsverspechungen.<br />
Den Gegenpol dazu stellen Karo (Jennifer Ulrich), die bis dahin Klassenprima<br />
war, und Mona (Amelie Kiefer) dar. Bei<strong>de</strong> stehen <strong>de</strong>r Welle von Anfang an skeptisch<br />
gegenüber. Als sie erkennen, was die Welle wirklich ist, leisten sie Wi<strong>de</strong>rstand mit allen Mitteln.<br />
Was als harmloser Versuch begann, entwickelt plötzlich eine enorme Eigendynamik, durch<br />
die An<strong>de</strong>rs<strong>de</strong>nken<strong>de</strong> erst abweisend, dann aggressiv behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n. Wenger bemerkt nicht,<br />
dass er die Kontrolle über das Experiment verliert und begreift auch erst sehr spät, was er<br />
eigentlich ins Rollen gebracht hat.<br />
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