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72. Jg. – Nr. 140 Sommer 2008 - carocktikum.de

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Mit <strong>de</strong>m in seinen Beweggrün<strong>de</strong>n nur zu vermuten<strong>de</strong>n Freitod Adolf Friedrichs VI. 1918 begann<br />

das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>slan<strong>de</strong>s Mecklenburg-Strelitz. Großerzog Friedrich Franz IV. in<br />

Schwerin sah sich aufgrund <strong>de</strong>r Hausverträge als Erbe und eine Vereinigung bei<strong>de</strong>r Mecklenburg<br />

stand bevor. Dagegen erhob sich Wi<strong>de</strong>rstand im Lan<strong>de</strong>. Friedrich Franz wollte während<br />

<strong>de</strong>s Krieges Unruhen vermei<strong>de</strong>n. Daher schob er eine endgültige Anglie<strong>de</strong>rung hinaus und trat<br />

in Strelitz nur als Lan<strong>de</strong>sverweser auf. Als solcher verzichtete er auch für Mecklenburg-Strelitz<br />

für sich und sein Haus auf <strong>de</strong>n �ron.<br />

Nunmehr setzte man im Land alles daran, durch vollen<strong>de</strong>te Tatsachen eine Vereinigung mit<br />

Schwerin zu verhin<strong>de</strong>rn. Noch im Dezember 1918 wur<strong>de</strong> eine verfassunggeben<strong>de</strong> Versammlung<br />

gewählt. Bereits am 29. Januar 1919 verabschie<strong>de</strong>te sie ein Lan<strong>de</strong>sgrundgesetz. Dieses war die<br />

erste Verfassung, die sich ein <strong>de</strong>utsches Land nach 1918 gab. Die Weimarer Nationalversammlung<br />

trat erst im Februar zusammen. Diese konnte daher die Strelitzer Verfassung nicht mehr<br />

beeinflussen o<strong>de</strong>r außer Kraft setzen. Vielmehr schützte die Weimarer Verfassung <strong>de</strong>n Bestand<br />

<strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s. Das Bemühen um eine Reichsreform war an dieser Stelle bereits gescheitert, ehe<br />

man in dieser Frage gesetzgebend tätig wer<strong>de</strong>n konnte.<br />

Die politische Lage im Lan<strong>de</strong> war instabil. Man verbrauchte in <strong>de</strong>n Jahren von 1918 bis 1933<br />

nicht weniger als sechzehn Lan<strong>de</strong>sregierungen. 1919 umfaßte das Ministerium neben <strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong>shauptmann<br />

sechs Lan<strong>de</strong>sräte. Nach diesem parlamentarischen Überschwang begnügte man<br />

sich seit 1920 nur noch mit zwei Ministern. Seit 1928 gab es nur noch einen Staatsminister, <strong>de</strong>m<br />

Parlamentarische Staatsräte an die Seite gestellt waren. Der Freistaat Mecklenburg-Strelitz war<br />

als Land <strong>de</strong>s Deutschen Reiches schlicht überfor<strong>de</strong>rt von <strong>de</strong>n Aufgaben, die an ihn gestellt wur<strong>de</strong>n.<br />

Das Land Ratzeburg strebte von Strelitz fort. Schließlich erwog man 1930 in Neustrelitz<br />

selbst, sich Preußen anzuschließen. Ohne Reichshilfe bei <strong>de</strong>r Übernahme <strong>de</strong>r Schul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s<br />

zeigte Preußen aber kein Interesse. Auch <strong>de</strong>r Schweriner Finanzminister lehnte eine Zusammenarbeit<br />

mit Strelitz ab.<br />

Die Nationalsozialisten for<strong>de</strong>rten – wie an<strong>de</strong>re Parteien auch – eine Neuglie<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Reiches.<br />

Als sie an die Macht kamen, war die Vereinigung bei<strong>de</strong>r Mecklenburg für sie offenbar eine<br />

Prestigeangelegenheit. Sie wollten so schnell wie möglich auf diesem Gebiet einen Erfolg vorweisen.<br />

Bereits am 27. März 1933 fan<strong>de</strong>n Gespräche über die Neuglie<strong>de</strong>rung Mecklenburgs<br />

statt. In Strelitz gab es trotz <strong>de</strong>r katastrophalen Lage <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rstand gegen diesen Plan,<br />

selbst unter Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r NSDAP. Dieser wur<strong>de</strong> durch <strong>de</strong>n Reichsstatthalter und Gauleiter<br />

Friedrich Hil<strong>de</strong>brandt unterdrückt. Am 13. Oktober 1933 traten die bei<strong>de</strong>n Landtage im Rostocker<br />

Rathaus zu getrennten Sitzungen zusammen und beschlossen die Vereinigung zum 1.<br />

Januar 1934. Aus <strong>de</strong>m Land Ratzeburg wur<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m Kreis Grevesmühlen <strong>de</strong>r Kreis Schönberg.<br />

Die Kreise Stargard und Strelitz wur<strong>de</strong>n zum Kreis Strelitz vereinigt. Mecklenburg-Strelitz<br />

war, wie bereits Bismarck 1870 ironisch drohte, wenn nicht zu einem preußischen, so doch zu<br />

einem Landkreis gewor<strong>de</strong>n.<br />

Ein selbständiges Land Mecklenburg-Strelitz hatte sich nach mehr als zweihun<strong>de</strong>rt Jahren<br />

überlebt. Hätten nicht die Nationalsozialisten ihm sein En<strong>de</strong> bereitet, so wäre es 1945 die Sowjetische<br />

Militäradministration gewesen. Die Zeit ist über Mecklenburg-Strelitz hinweggegangen,<br />

nicht aber über seine Geschichte und Kultur und über die Dichtung, die hier entstand und<br />

die hier ihren Stoff fand.<br />

42<br />

Helge Bei <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>n

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