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72. Jg. – Nr. 140 Sommer 2008 - carocktikum.de

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<strong>72.</strong> <strong>Jg</strong>. – <strong>Nr</strong>. <strong>140</strong> <strong>Sommer</strong> <strong>2008</strong>


Impressum<br />

Herausgegeben im Auftrag <strong>de</strong>s Schulvereins »Carolinum« e.V.<br />

in Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>r Altschülerschaft e.V. durch:<br />

Jost Reinhold<br />

Helga Reuter<br />

Dr. Eberhard Voß<br />

Henry Tesch<br />

Olaf Müller<br />

Alle Rechte vorbehalten.<br />

Die Bezugsgebühren für Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Schulvereins »Carolinum« e.V.<br />

und <strong>de</strong>r Altschülerschaft e.V. sind in <strong>de</strong>r Spen<strong>de</strong> enthalten.<br />

Redaktionskollegium:<br />

Hannelore Genten<br />

Armgard Bentzin<br />

Jana Minkner<br />

Dirk Kollhoff<br />

Eike Benzin<br />

Dr. Detlef Stietzel<br />

Andreas Löskow<br />

Gesamtherstellung:<br />

Göttinger Tageblatt GmbH & Co. KG – Druckhaus Göttingen<br />

Anfragen unter:<br />

Gymnasium Carolinum, Louisenstraße 30, 17235 Neustrelitz,<br />

Tel. 0 39 81 / 28 67 10, Fax 0 39 81 / 28 67 30, E-Mail: info@carolinum.<strong>de</strong>


Inhalt<br />

Vorwort ..................................................................................................... 6<br />

Aus <strong>de</strong>m Schulleben<br />

• Rhetorikwettbewerb <strong>2008</strong> ............................................................................ 7<br />

• Norwegische Schüler beim Ministerpräsi<strong>de</strong>nten ..................................................... 10<br />

• 10 Jahre KuMuLi ...................................................................................... 11<br />

• Henry Tesch in <strong>de</strong>n Vorstand <strong>de</strong>r Willy-Brandt-Stiftung gewählt .................................... 14<br />

• Explaining the Middle East – Gil Yaron zu Gast am Carolinum ..................................... 15<br />

• Kanustation ........................................................................................... 17<br />

• Letzter Schultag ....................................................................................... 18<br />

• Der Generalsekretär <strong>de</strong>r Kultusministerkonferenz in Neustrelitz .................................... 19<br />

• Schüleraustausch Dänemark .......................................................................... 21<br />

• Die Roboter kommen (III) ............................................................................ 22<br />

• Projekttag <strong>de</strong>r 10. Klassen ............................................................................ 34<br />

Aus <strong>de</strong>r Geschichte<br />

• Die Fritz-Reuter-Gesellschaft zu Gast am Gymnasium Carolinum .................................. 36<br />

• Neues von Dorchläuchting ............................................................................ 37<br />

• »Erinnern ist Wie<strong>de</strong>rfin<strong>de</strong>n« – Kindheitserinnerungen an Polen ................................... 44<br />

• »Sechstes Heft erschienen« – Hinweis auf das neue KWA-Heft ..................................... 47<br />

Literarisches<br />

• Daniel-San<strong>de</strong>rs-Sprachpreis <strong>2008</strong> ..................................................................... 48<br />

• Film-Rezension »Die Welle« .......................................................................... 52<br />

• Annalise-Wagner-Preis <strong>2008</strong> .......................................................................... 54<br />

Projekte und Studienfahrten<br />

• »Fünf lateinische Briefe von Carl Andreß an Heinrich Schliemann«<br />

– ein Schülerprojekt .................................................................................. 55<br />

• »Geschichte erlebbar machen« ....................................................................... 65<br />

Schulvereinsmitglie<strong>de</strong>r stellen sich vor: Bernd Wer<strong>de</strong>rmann .............................................. 69<br />

Absolventen <strong>de</strong>s Carolinum berichten: Klara Kopperschmidt ............................................. 71<br />

Nachrufe:<br />

• Christiane Funke ...................................................................................... 72<br />

• Bodo Hein ............................................................................................. 73<br />

Pressespiegel ................................................................................................ 74<br />

5


Liebe Leserinnen und Leser,<br />

Vorwort<br />

so viele Farben wie <strong>de</strong>r <strong>Sommer</strong> hat, so facettenreich ist unser diesjähriges <strong>Sommer</strong>heft. Neben<br />

interessanten Einblicken in die Arbeit <strong>de</strong>r Fritz-Reuter-Gesellschaft veröffentlichen wir zahlreiche<br />

Belege für die Kreativität unserer Schülerinnen und Schüler. So schlägt dieses Heft wie<strong>de</strong>rum<br />

eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft. Nicht vergessen wird dabei natürlich die<br />

Gegenwart.<br />

Wir hoffen, Ihnen mit dieser Ausgabe eine kurzweilige und anregen<strong>de</strong> Lektüre für die <strong>Sommer</strong>tage<br />

zu bieten. Vielleicht fin<strong>de</strong>n Sie die Zeit, um uns weitere Hinweise für die Gestaltung <strong>de</strong>r<br />

folgen<strong>de</strong>n Hefte zu geben.<br />

Die Redaktion<br />

6


Aus <strong>de</strong>m Schulleben<br />

Rhetorikwettbewerb <strong>2008</strong><br />

Zum siebenten Mal lud <strong>de</strong>r Rotary Club Neubran<strong>de</strong>nburg die Gymnasien <strong>de</strong>s Schulamtsbezirks<br />

Neubran<strong>de</strong>nburg zum Rhetorikwettstreit auf. Je<strong>de</strong> Schule konnte mit einem Vertreter <strong>de</strong>r Sekundarstufe<br />

II teilnehmen.<br />

Zur Auswahl stan<strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong> �emen:<br />

1. Welchen Einfluss soll man als gebil<strong>de</strong>ter Mensch auf <strong>de</strong>n Gebrauch <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />

Sprache nehmen?<br />

2. Welchen praktischen Wert hat in <strong>de</strong>r heutigen Gesellschaft das Goethewort:<br />

»E<strong>de</strong>l sei <strong>de</strong>r Mensch, hilfreich und gut«?<br />

3. Tragen Sie Ihre Meinung zu <strong>de</strong>m noch nicht abgeschlossenen Tarifstreit zwischen <strong>de</strong>r<br />

Deutschen Bahn und <strong>de</strong>r Lokführergewerkschaft GDL unter beson<strong>de</strong>rer Einbeziehung <strong>de</strong>s<br />

Streikrechts vor.<br />

Die Teilnehmer mussten zu einem �ema eine Re<strong>de</strong> erarbeiten und dann halten.<br />

Im Vorfeld wur<strong>de</strong> im Gymnasium Carolinum ein schulinterner Vorausscheid ausgeschrieben,<br />

<strong>de</strong>r am 26. Februar <strong>2008</strong> in <strong>de</strong>r Schule stattfand.<br />

Der Zwölftklässler Stefan Didt konnte diesen für sich entschei<strong>de</strong>n und vertrat das Carolinum<br />

beim Rhetorikwettbewerb <strong>de</strong>s Rotary Clubs in Neubran<strong>de</strong>nburg. Dort belegte er einen achtbaren<br />

dritten Platz.<br />

Im folgen<strong>de</strong>n drucken wir das Re<strong>de</strong>manuskript ab. Stefan sprach zum 1. �ema.<br />

Die Teilnehmer <strong>de</strong>s<br />

schulinternen Rhetorikwettstreits<br />

<strong>2008</strong><br />

v.l.: Stefan Didt,<br />

Benjamin Sane,<br />

Chris Stefani, Anne Piper<br />

7


Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

ich habe neulich <strong>de</strong>n Fernseher eingeschaltet und beim Umherschalten bin ich auf eine Werbung<br />

aufmerksam gewor<strong>de</strong>n. Sie ging ungefähr so: »Gibt es etwas, was alle Menschen verbin<strong>de</strong>t<br />

–das je<strong>de</strong>n einzelnen fasziniert und begeistert? Etwas, das alle gemeinsam, haben egal wie alt<br />

sie sind. Gibt es etwas, was wirklich je<strong>de</strong>n bewegt?«<br />

Gemeint sind hier die United Son<strong>de</strong>rmo<strong>de</strong>lle von Volkswagen. Ich glaube aber nicht, dass<br />

dieser Slogan für ein Auto geeignet ist. Ich habe jedoch über diese Worte nachgedacht und mir<br />

ist aufgefallen, dass es wirklich etwas gibt, was alle Menschen verbin<strong>de</strong>t und wirklich je<strong>de</strong>n<br />

betrifft: Die Sprache.<br />

Sprache ist allgegenwärtig.<br />

Täg lich begegnet sie uns<br />

überall und kein Tag vergeht,<br />

an <strong>de</strong>m wir nicht in irgen<strong>de</strong>iner<br />

Art und Weise mit ihr<br />

konfrontiert wer<strong>de</strong>n. Verbale<br />

Kommunikation ist die erfolgreichsteKommunikationsform<br />

<strong>de</strong>s Menschen und die<br />

Fähigkeit, die uns unseren<br />

Status als höchstentwickeltes<br />

Lebewesen auf <strong>de</strong>m Planeten<br />

gesichert hat. Vielleicht wür<strong>de</strong>n<br />

wir ohne Sprache immer<br />

noch auf <strong>de</strong>n Bäumen sitzen,<br />

eigentlich kein Wun<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>nn<br />

niemand könnte uns sagen,<br />

wie schön es auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> ist.<br />

Fakt ist, dass alles Wissen,<br />

all unsere Erkenntnisse, all<br />

unsere Erfindungen, unser<br />

Fortschritt und unsere Überlegenheit<br />

auf Sprache basiert.<br />

Stefan Didt<br />

Die Sprache ist also das,<br />

was <strong>de</strong>n Menschen ausmacht<br />

und von <strong>de</strong>n Tieren unterschei<strong>de</strong>t. Doch <strong>de</strong>r Mensch ist verschie<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>mzufolge<br />

gibt es rund 6500 verschie<strong>de</strong>ne Sprachen auf <strong>de</strong>r Welt. Je<strong>de</strong> von ihnen hat eine lange Tradition<br />

und ist meist die Grundlage einer ganzen Kultur o<strong>de</strong>r gibt Hinweise auf die Geschichte <strong>de</strong>r<br />

jeweiligen Nation. Es gibt Weltsprachen wie Englisch o<strong>de</strong>r Mandarin, die von vielen Millionen<br />

Menschen gesprochen wer<strong>de</strong>n, aber auch Sprachen, die nur von Naturvölkern benutzt wer<strong>de</strong>n<br />

und vom Aussterben bedroht sind. Man geht davon aus, dass in <strong>de</strong>n nächsten hun<strong>de</strong>rt Jahren<br />

tausen<strong>de</strong> Sprachen verschwin<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />

Sprache ist je<strong>de</strong>r Nation o<strong>de</strong>r je<strong>de</strong>m Volk eigen. Daher hat auch je<strong>de</strong>s Volk eine an<strong>de</strong>re<br />

Sprache, o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st eine eigene Art und Weise sie zu benutzen. Doch die Welt rückt<br />

zusammen. Das Phänomen Globalisierung hat die Weltbevölkerung fest im Griff. Grenzen<br />

wer<strong>de</strong>n geöffnet und Menschengruppen vermischen sich. Und wenn Menschengruppen sich<br />

ver mischen, dann vermischt sich auch die Sprache.<br />

8


Ich erwähnte vorhin die United Son<strong>de</strong>rmo<strong>de</strong>lle von Volkswagen. Die Werbung ist in diesem<br />

Genre ein Trendsetter. Slogans wie »come in and find out« sind normal. Aber wenn wir mal genauer<br />

hinkucken, gibt es das nicht nur in <strong>de</strong>r Werbung, son<strong>de</strong>rn überall befin<strong>de</strong>n sich Wörter<br />

aus einer an<strong>de</strong>ren Sprache in unserem Wortschatz: »Babysitten ist ein cooles Hobby für clevere<br />

Kids.« Heutzutage ein ganz normaler Satz.<br />

Sprachschützern wür<strong>de</strong> es jedoch kalt <strong>de</strong>n Rücken herunterlaufen. Sie gehen davon aus, dass<br />

sogenannte Anglizismen o<strong>de</strong>r umgangssprachlich »Denglisch« die <strong>de</strong>utsche Sprache und das<br />

Kulturerbe bedrohen. Argumentiert wird, dass hauptsächlich Jugendliche Anglizismen verwen<strong>de</strong>n<br />

um hip und in, also angesagt und lässig zu wirken, was <strong>de</strong>n realen Nutzen in Frage stellt.<br />

Sprachpolizisten wie <strong>de</strong>r Verein Deutsche Sprache (VDS) sehen es als ihre Aufgabe, Denglisch<br />

aus <strong>de</strong>n Köpfen <strong>de</strong>r Menschheit zu verbannen. Gegrün<strong>de</strong>t am 12. November 1997, »verfolgt<br />

[er] das Ziel, die <strong>de</strong>utsche Sprache als eigenständige Kultursprache zu för<strong>de</strong>rn. Insbeson<strong>de</strong>re<br />

tritt er dafür ein, daß sich die <strong>de</strong>utsche Sprache gegen die Überhäufung mit Wörtern aus <strong>de</strong>m<br />

Englischen behauptet.« Und hat schon einige prominente Mitglie<strong>de</strong>r geworben, wie zum Beispiel<br />

Hape Kerkeling, Dieter Hallervor<strong>de</strong>n, o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Autor <strong>de</strong>s Buches »Der Dativ ist <strong>de</strong>m Genitiv<br />

sein Tod« Bastian Sick, <strong>de</strong>r allgemein als <strong>de</strong>r Sprachpapst bezeichnet wird.<br />

Wie ist nun <strong>de</strong>r Einfluss gebil<strong>de</strong>ter Leute auf die <strong>de</strong>utsche Sprache? Sollten wir in Zukunft<br />

Sätze wie »Kin<strong>de</strong>r betreuen ist eine lässige Freizeitbeschäftigung für schlaue Kin<strong>de</strong>r« verwen<strong>de</strong>n?<br />

Gehen wir das Problem mal von <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite an. »kitsch« benutzen sowohl Franzosen<br />

als auch Spanier. Auch die Wörter »waldsterben«, »poltergeist«, »weltanschauung« und »krach«<br />

fin<strong>de</strong>t man im Französischem Wörterbuch. Der »kin<strong>de</strong>rgarten« ist ein englisches Wort und<br />

»to abseil« ist <strong>de</strong>r englische Begriff für »sich abseilen«. Kanadische Hausfrauen treffen sich beim<br />

»Kaffeeklatsching« und in Russland verspeist man ein »Butterbrot«. Weit weg, in Papua Neu -<br />

guinea beleidigt man sich mit <strong>de</strong>m Wort »rinfi« und Neuseelän<strong>de</strong>r beweisen manchmal echtes<br />

»fingerspitzengefuel«. Deutsch ist weiter verbreitet, als man <strong>de</strong>nkt!<br />

Können nun »Denglische« Begriffe eine Sprache vertreiben, die sich über die ganze Welt<br />

verbreitet hat? Eine Sprache, die schon seit mehr als 1500 Jahre gesprochen wird? Eine Sprache,<br />

in <strong>de</strong>r sich die, wie es heißt, größten Dichter und Denker ausgedrückt haben? Können simple<br />

Anglizismen eine Sprache fortjagen, die zu <strong>de</strong>n neun Weltsprachen gehört? Eine Sprache,<br />

welche die Amtssprache 7 Europäischer Län<strong>de</strong>r und die Arbeitssprache in <strong>de</strong>r EU ist?<br />

Mit Sicherheit nicht davonjagen. Mit unserer Sprache wür<strong>de</strong> es sich eher so verhalten, wie<br />

mit einer Brausetablette. Die zersetzt sich erst langsam, dann schneller und schneller und am<br />

En<strong>de</strong> ist nichts mehr vorhan<strong>de</strong>n. Dann ist sie vermischt mit <strong>de</strong>r Flüssigkeit, in die wir sie geworfen<br />

haben und das einzige, was übrig bleibt ist ein zarter Geschmack.<br />

Aber nicht, wenn wir es verhin<strong>de</strong>rn. Nicht wenn wir die Deutsche Sprache genau dann richtig<br />

benutzen, wenn es angebracht ist. Nicht wenn wir darauf achten, dass die Deutsche Sprache<br />

korrekt gesprochen wird. Nicht wenn wir unseren Kin<strong>de</strong>rn und unseren Mitmenschen wenigstens<br />

ein kleines bisschen korrektes Deutsch beibringen.<br />

Nicht wenn wir die <strong>de</strong>utschen Worte, die wir durch die englischen ersetzen, im Gedächtnis<br />

behalten.<br />

Anglizismen sind wie Schokola<strong>de</strong>, in kleinen Mengen vollkommen in Ordnung. Aber wenn<br />

es zur Gewohnheit wird, kann – kann - es problematisch wer<strong>de</strong>n.<br />

Danke!<br />

9


Velkommen til Tyskland<br />

Zum wie<strong>de</strong>rholten Male konnten wir im März dieses Jahres 13 Schüler und die Lehrerinnen<br />

Solbjørg Hansen und Lilian Hansen von <strong>de</strong>r vi<strong>de</strong>regaen<strong>de</strong> skole Jessheim am Carolinum<br />

begrüßen.<br />

Für einige Gastgeber war es das langersehnte Wie<strong>de</strong>rsehen, da sie sich bereits im September<br />

2007 beim Schüleraustausch in Norwegen kennengelernt hatten.<br />

Neben Unterrichtsbesuchen bestimmten viele soziale Aktivitäten und Ausflüge, z. B. <strong>de</strong>r<br />

Besuch <strong>de</strong>s Müritzeums in Waren und <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>stages in Berlin, das Programm <strong>de</strong>r Woche.<br />

Der Höhepunkt war die Fahrt in die Lan<strong>de</strong>shauptstadt Schwerin am 4. März <strong>2008</strong>. An diesem<br />

Tag erfolgte in <strong>de</strong>r Staatskanzlei durch Ministerpräsi<strong>de</strong>nt Dr. Harald Ringstorff und Bildungsminister<br />

Henry Tesch <strong>de</strong>r offizielle Startschuss für das Norwegenquiz, das im Rahmen <strong>de</strong>r Ausstellung<br />

›Nicht nur Lachs und Würst chen‹, die in Rostock eröffnet wur<strong>de</strong>, für alle Schülerinnen<br />

und Schüler Deutschlands und Norwegens zur Teilnehme animieren sollte.<br />

Für die norwegischen und <strong>de</strong>utschen Schüler war es zugleich eine erste Möglichkeit, ihr eigenes<br />

Wissen zu Norwegen, Deutschland und Europa zu prüfen.<br />

Ein beson<strong>de</strong>res Dankeschön gilt <strong>de</strong>m Schulverein »Carolinum« für die finanzielle Unterstützung.<br />

Elke Bartsch<br />

Ministerpräsi<strong>de</strong>nt Dr. Harald Ringstorff, Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur Henry Tesch,<br />

Botschaftsrat Fro<strong>de</strong> Solberg (v.l.) sowie Schülerinnen und Schüler <strong>de</strong>r vi<strong>de</strong>regaen<strong>de</strong> skole Jessheim und <strong>de</strong>s<br />

Gymnasium Carolinum<br />

10


10 Jahre KuMuLi<br />

Wer hätte am Abend <strong>de</strong>r 1. Vernissage gedacht, dass es uns gelingen wür<strong>de</strong>, diese Veranstaltung<br />

über 10 Jahre lebendig zu erhalten? Im Flur <strong>de</strong>s 1. Stockwerkes unserer Schule bil<strong>de</strong>te ein Teppich<br />

die provisorische Bühne, an <strong>de</strong>r Wand hingen Kunstobjekte, die »Schauspieler« warteten auf<br />

ihren Einsatz und <strong>de</strong>r Chor mit wenigen Instrumentalisten bil<strong>de</strong>te <strong>de</strong>n Rahmen. Die Aufsteller<br />

mit <strong>de</strong>n unterschiedlichsten Bildgestaltungen aus <strong>de</strong>m Kunstunterricht <strong>de</strong>r Abschlussklassen<br />

stan<strong>de</strong>n dichtgedrängt auf <strong>de</strong>m Flur zum Lehrerzimmer. Viele Interessenten waren gekommen,<br />

um diese neuartige Veranstaltung in Augenschein zu nehmen. All die Mühen <strong>de</strong>r Vorbereitung<br />

vergessend, genossen alle Teilnehmen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n großen Spaß an diesem Ereignis: Schauen, Hören,<br />

Nach<strong>de</strong>nken, gemeinsam über künstlerische Arbeiten kommunizierend.<br />

Entstan<strong>de</strong>n war diese I<strong>de</strong>e vor allem<br />

aus <strong>de</strong>m Bedürfnis <strong>de</strong>r Kunstlehrerinnen<br />

– damals waren wir nur zu viert, Frau<br />

Funke, Frau Dieckmann, Frau Parpart,<br />

Frau Schnei<strong>de</strong>r – die vielen kreativen Arbeiten<br />

nicht in <strong>de</strong>n Schubla<strong>de</strong>n verschwin<strong>de</strong>n<br />

zu lassen, son<strong>de</strong>rn allen<br />

Schülern vor ihrem Abitur nochmals die<br />

Gelegenheit zu geben, zu zeigen, was sie<br />

auch auf diesem Gebiet zu leisten im<br />

Stan<strong>de</strong> sind. Die an<strong>de</strong>ren musischen<br />

Fächer mit einzubeziehen und einen unterhalt<br />

samen Abend für die Öffentlichkeit<br />

zu gestalten, ergab sich aus unseren Diskussionen.<br />

Mit streiter fan<strong>de</strong>n wir in Frau Krase, die die »Carolimimen« betreute und in Herrn<br />

Gust, <strong>de</strong>r das Schulensemble leitete. Auch Herrn Tesch – damals stellvertreten<strong>de</strong>r Schulleiter –<br />

konnten wir mit unserer I<strong>de</strong>e überzeugen und fan<strong>de</strong>n Hilfe und Unterstützung. Der Name unseres<br />

Events erfand sich fast von selbst – Kunst-Musik-Literatur – KuMuLi.<br />

Nach diesem ersten Versuch vor 10 Jahren hatten wir alle das Gefühl, dass es eine gelungene<br />

Sache gewor<strong>de</strong>n war und die Schüler konnten stolz auf ihre Leistungen sein.<br />

Nun waren wir je<strong>de</strong>s Jahr wie<strong>de</strong>r gefor<strong>de</strong>rt, die Anfangsi<strong>de</strong>e, <strong>de</strong>n Anfangserfolg aufrecht zu<br />

erhalten und weiterzuentwickeln. Schon zu Beginn je<strong>de</strong>s Schuljahres wur<strong>de</strong> KuMuLi als Ereignis<br />

geplant, Schüler entwarfen selbständig Plakate, Lehrer sammelten die besten Bildgestaltungen,<br />

Stücke wur<strong>de</strong>n geprobt, Musik geübt und sprachbegabte Schüler bereiteten sich darauf<br />

vor, durchs Programm zu führen – nicht zu vergessen Christian Klager, Christian Krüger,<br />

Marten Schrö<strong>de</strong>r … Wir Kunstlehrer waren bestrebt,<br />

dass die Stellwän<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>n Schülerarbeiten auch über<br />

einen längeren Zeitraum zu sehen sind und so fand<br />

KuMuLi bereits im 2. Jahr in <strong>de</strong>r Aula statt.<br />

Natürlich war es nicht immer einfach und so wur<strong>de</strong><br />

manches mühevoll auf <strong>de</strong>n Weg gebracht, was heute<br />

selbstverständlich erscheint, z. B. dass die Aula als Veranstaltungsort<br />

auch wirklich länger als einen Tag zur<br />

Verfügung steht, die Versorgung (anfänglich wur<strong>de</strong> alles<br />

selbst eingekauft und zubereitet), die Organisation und<br />

nicht zuletzt die Finanzierung.<br />

11


Dass unsere Veranstaltung nun zum 10. Mal stattgefun<strong>de</strong>n<br />

hat, ist neben <strong>de</strong>m gemeinsamen Engagement <strong>de</strong>r Schüler, <strong>de</strong>r<br />

Lehrer und <strong>de</strong>r Schulleitung nicht zuletzt auch immer ein Verdienst<br />

beson<strong>de</strong>rs engagierter Schüler, sodass je<strong>de</strong>s Jahr neue Akzente<br />

zu fin<strong>de</strong>n waren. So wur<strong>de</strong>n z.B. ganz spontan selbst geschriebene<br />

Gedichte vorgetragen o<strong>de</strong>r die Aulafenster mit bedruckten<br />

Papierbahnen verhängt. Die dafür notwendigen Maße<br />

mussten natürlich exakt ermittelt und die entsprechen<strong>de</strong>n Meter<br />

berechnet wer<strong>de</strong>n, was eine Meisterleistung von Denny Böttcher<br />

darstellte. Im Jahr 2002 gab es die erste Auktion – durchgeführt<br />

von Katrin Lau und Christiane Schlenker – mit <strong>de</strong>m bisher noch<br />

nicht wie<strong>de</strong>r erreichten Höchstgebot für das Bild <strong>de</strong>r amerikanischen<br />

Austauschschülerin. Im Gedächtnis ist uns auch noch, als<br />

das Wort Ku-<br />

MuLi in Form<br />

von »Eat Art« präsentiert wur<strong>de</strong> (also Kuchen,<br />

geraspelte Möhren etc.) und Elisabeth Hofmann<br />

ganz traurig war, dass es so schnell aufgegessen<br />

wur<strong>de</strong>. Es gab also neben <strong>de</strong>m Alt -<br />

bewährten auch immer etwas Neues – von <strong>de</strong>r<br />

Performance bis hin zu Aktionskunst und Vi<strong>de</strong>okunst<br />

– was je<strong>de</strong>s Jahr die Spannung steigen<br />

ließ.<br />

Nach 10 Jahren kann man wohl davon sprechen,<br />

dass es uns gelungen ist, eine Tradition<br />

an unserer Schule zu entwickeln, die hoffentlich<br />

noch lange Bestand hat, <strong>de</strong>nn Kunst muss<br />

an einem humanistischen Gymnasium immer<br />

eine wichtige Rolle spielen.<br />

Wir wollen es aber an dieser Stelle nicht versäumen, doch mal möglichst viele zu nennen, die<br />

immer wie<strong>de</strong>r für ein weiteres Highlight im Schulalltag sorgen und gesorgt haben:<br />

12<br />

• die Schulleitung (vor allem HerrTesch und Herr Müller)<br />

• die Fachschaft Kunst(Frau Dieckmann, Frau Funke, Herr Varsbotter, Herr Dr. Ludwinski,<br />

Frau Schrö<strong>de</strong>r, Frau Parpart, Frau Schnei<strong>de</strong>r)<br />

• Herr Gust, Frau Bartsch, <strong>de</strong>r Chor und das Ensemble<br />

• Frau Krase und die »Carolimimen«<br />

• die Hausmeister (Herr Raschke, Herr Singer, Herr Wirth) das Sekretariat (Frau Gau,<br />

Frau Pieroth, Frau Uhl)<br />

• Frau Kort und die Cateringfirma »Hormigas«<br />

• <strong>de</strong>r Schulverein<br />

und alle Abschlussjahrgänge !!!!!!!<br />

Katrin Schnei<strong>de</strong>r


Henry Tesch<br />

in <strong>de</strong>n Vorstand <strong>de</strong>r Norwegisch-Deutschen<br />

Willy-Brandt-Stiftung gewählt<br />

Henry Tesch, Minister für Bildung, Wissenschaft und<br />

Kultur in Mecklenburg-Vorpommern und stellvertreten<strong>de</strong>r<br />

Vo sitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Schulvereins »Caro li num e.V.«,<br />

ist im April in Berlin in <strong>de</strong>n Vorstand <strong>de</strong>r Norwegisch-<br />

Deutschen Willy-Brandt-Stiftung (www. willy-brandt-stiftung.<strong>de</strong>)<br />

gewählt wor<strong>de</strong>n. Dem Vorstand gehören mit<br />

Harald Norvik, er ist ehemaliger Konzernchef von Stat -<br />

oil, und Franz �önnes, er ist Parlamentarischer Staatssekre<br />

tär, als Vorsitzen<strong>de</strong> außer<strong>de</strong>m Gerd Walter (Geschäftsführer<br />

<strong>de</strong>r Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft),<br />

Ine Marie Eriksen Sørei<strong>de</strong> (Parlamentsabgeordnete)<br />

und Einar Steensnæs (Parlamentsabgeordnete)<br />

an.<br />

Die Stiftung bzw. <strong>de</strong>r Verein wer<strong>de</strong>n gemeinsam von<br />

einem Vorstand aus jeweils drei nor wegischen und<br />

<strong>de</strong>utschen Mitglie<strong>de</strong>rn geleitet. Der Vorstand gibt die<br />

Richtlinien für die gemeinsame Arbeit vor und ist für<br />

<strong>de</strong>n laufen<strong>de</strong>n Betrieb <strong>de</strong>r Stiftung verantwortlich. Er<br />

beschließt Kriterien für die Vergabe von Stipendien und<br />

Instrumentarien zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Ziele <strong>de</strong>r Stiftung.<br />

Die Stiftung insgesamt hat es sich zur Aufgabe gemacht, zur Vertiefung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsch-norwegischen<br />

Beziehungen und zu einem besseren gegenseitigen Verständnis bei<strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r beizu -<br />

tragen. Sie will Kenntnisse über das gesellschaftliche Leben, die Kultur und die Sprache <strong>de</strong>s<br />

jeweils an<strong>de</strong>ren Lan<strong>de</strong>s vermitteln und för<strong>de</strong>rt hierzu <strong>de</strong>n Dialog zwischen Gruppen, Bildungsinstitutionen,<br />

Nachwuchskräften und gesellschaftlichen Multiplikatoren in <strong>de</strong>r Hoffnung auf<br />

einen dauerhaften Kontakt und Erfahrungsaustausch.<br />

Für diese Ziele setzt sich Henry Tesch bereits seit vielen Jahren intensiv ein. Erst im Oktober<br />

2007 wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Minister in Berlin für dieses Engagement vom norwegischen König Harald V.<br />

<strong>de</strong>r Königlich Norwegische Verdienstor<strong>de</strong>n verliehen.<br />

Auf Initiative von Henry Tesch wur<strong>de</strong> in Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>r Norwegischen Botschaft<br />

im Frühjahr <strong>2008</strong> in Rostock die Austellung »Nicht nur Lachs und Würstchen« zu 100 Jahren<br />

Unabhängigkeit Norwegens unter <strong>de</strong>r Schirmherrschaft von Ministerpräsi<strong>de</strong>nt Dr. Harald<br />

Rings torff und <strong>de</strong>m Norwegischen Botschafter in Deutschlandmit großem Erfolg präsentiert.<br />

Das Carolinum unterhält seit 2002 enge Kontakte nach Norwegen. So fin<strong>de</strong>n in regelmäßigem<br />

Rhythmus Schülerbegegnungen statt. Schüler <strong>de</strong>s Gymnasium carolinum nehmen jährlich<br />

am European Spacecamp in Norwegen und am Mathematikwettstreit KappAbel teil. Ein beson<strong>de</strong>rer<br />

Höhepunkt wur<strong>de</strong> für bei<strong>de</strong> Seiten das Jahr 2005, <strong>de</strong>r 100. Jahrestag <strong>de</strong>r staatlichen Un -<br />

abhängigkeit Norwegens. Zahlreiche Veranstaltungen zeigten die enge Verbun<strong>de</strong>nheit bei<strong>de</strong>r<br />

Seiten. Dem Carolinum wur<strong>de</strong> für dieses beson<strong>de</strong>re Engagement <strong>de</strong>r Willy-Brandt-Preis <strong>de</strong>s<br />

Jahres 2006 verliehen.<br />

Eike Benzin<br />

14


Explaining the Middle East<br />

Was wissen wir eigentlich über <strong>de</strong>n Nahost-Konflikt?<br />

Hmm … da kämpfen irgendwo<br />

Israelis und Palästinenser gegeneinan<strong>de</strong>r<br />

… Traurig, aber warum sollte uns das<br />

interessieren? Israel ist immerhin mehr als<br />

3000 »reale« Kilometer von uns entfernt,<br />

gefühlt meistens noch viel weiter. Allerdings<br />

sind das in unserer globalisierten<br />

Welt auch nur 4 Flugstun<strong>de</strong>n und die Auswirkungen<br />

<strong>de</strong>r Spannungen im Nahen<br />

Osten sieht man auch, wenn man zur<br />

heimischen Tankstelle fährt o<strong>de</strong>r von geplanten<br />

Terroranschlägen in Deutschland<br />

hört. Der Nahostkonflikt geht uns alle an.<br />

Um uns das zu erklären, und auch um<br />

uns die Hintergrün<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Geschehnisse in<br />

Israel <strong>de</strong>utlicher zu machen, fand am 09.<br />

April im Carolinum ein Vortrag <strong>de</strong>s Nachrichtenkorrespon<strong>de</strong>nten<br />

Gil Yaron statt,<br />

<strong>de</strong>r für mehrere <strong>de</strong>utschsprachige Zeitungen<br />

und Radiostationen aus <strong>de</strong>r Region berichtet.<br />

Anlass dafür war, dass Israel <strong>2008</strong><br />

seinen 60. Geburtstag feiert.<br />

Seit seiner Gründung am 14. Mai 1948 hat das Land einige Kriege geführt: <strong>de</strong>n Unabhängigkeitskrieg<br />

zum Beispiel, <strong>de</strong>n Sechs-Tage-Krieg und <strong>de</strong>n bisher letzten – <strong>de</strong>n Libanonkrieg. Aber<br />

warum? Vielfach wird vergessen, dass Israel tatsächlich einer ständigen Bedrohung ausgesetzt<br />

ist. Eigentlich alle Nachbarstaaten sind o<strong>de</strong>r waren ihm feindlich gesinnt. Zum einen hat das<br />

natürlich religiöse Grun<strong>de</strong>: Ju<strong>de</strong>ntum gegen Islam, eine Religion gegen die an<strong>de</strong>re. Nicht zu<br />

vernachlässigen ist aber auch <strong>de</strong>r kulturelle Aspekt: Die europäischen jüdischen Einwan<strong>de</strong>rer<br />

trafen auf ihrer Suche<br />

nach einem eigenen Staat<br />

auf alteingesessene arabische<br />

Bauern, die jahrhun<strong>de</strong>rtelang<br />

an ihren Traditionen<br />

festgehalten hatten<br />

und die Neuan -<br />

kömm linge misstrauisch<br />

beäugten. Dazu kommen<br />

die Interessen frem<strong>de</strong>r<br />

Mächte: Großbritannien<br />

beispielsweise meinte Israel<br />

im 2. Weltkrieg als<br />

Gegenleistung für Unterstützung<br />

gleich dreimal<br />

versprechen zu müssen:<br />

<strong>de</strong>n Arabern, sich selbst<br />

und eben <strong>de</strong>n Ju<strong>de</strong>n.<br />

15


Heute dagegen mischen sich vor allem Staaten wie Syrien, <strong>de</strong>r Iran o<strong>de</strong>r die USA in <strong>de</strong>n<br />

Konflikt ein. Dabei scheint doch so schon ein En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Spannungen kaum möglich zu sein: Die<br />

Palästinenser wollen (können) nicht verhan<strong>de</strong>ln, solange Israel Siedlungen auf palästinensischen<br />

Territorium baut, weil es da so schön billig ist o<strong>de</strong>r man meint, dass man auf diese Art und<br />

Weise sein Land verteidigen müsse. Und die Israelis wollen nicht verhan<strong>de</strong>ln, solange sie Opfer<br />

von terroristischen Anschlägen wer<strong>de</strong>n.<br />

Was man sich hier im sicheren Deutschland kaum bewusst machen kann, ist, was eine dauerhafte<br />

Bedrohung tatsächlich be<strong>de</strong>utet, welch ein Einschnitt in <strong>de</strong>n Alltag das ist. Gil Yaron hat<br />

versucht, uns das anhand von Bil<strong>de</strong>rn und Vi<strong>de</strong>osequenzen <strong>de</strong>utlicher zu machen. Wie fühlt<br />

man sich, wenn eine fröhliche Geburtstagsfeier im Freien, in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>s Gazastreifens, plötzlich<br />

von einem Alarm unterbrochen wird und man 15 Sekun<strong>de</strong>n Zeit hat, in Deckung zu gehen?<br />

Was, wenn das 50 Mal am Tag vorkommt? Wie soll dann ein »normales« Leben möglich sein?<br />

Wie soll man »normal« han<strong>de</strong>ln?<br />

Man sieht hier auch kaum, was für perfi<strong>de</strong> Metho<strong>de</strong>n die Terroristen <strong>de</strong>r Hisbollah o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Hamas anwen<strong>de</strong>n. Wenn sich ein Attentäter beispielsweise direkt vor einer Schule postiert und<br />

von dort seine Rakete abschießt, wie soll ein israelischer Flieger dann reagieren? Auf die Schule<br />

zielen? O<strong>de</strong>r israelische To<strong>de</strong>sopfer in Kauf nehmen?<br />

Gil Yaron hat versucht, uns diese Zwiespältigkeit <strong>de</strong>s Nahost-Konfliktes zu zeigen. In <strong>de</strong>r<br />

anschließen<strong>de</strong>n Fragerun<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>utlich, dass er selbst nicht an eine Lösung glaubt. Zumin<strong>de</strong>st<br />

nicht jetzt. Nichts <strong>de</strong>sto trotz ist Israel ein schönes Land, hoch entwickelt und mit vielen<br />

Qualitäten. Israel ist nicht nur Terror und Krieg. Und vor allem müssen wir uns eigene Meinung<br />

von <strong>de</strong>n Vorgängen bil<strong>de</strong>n. Um das zu tun, muss man aber informiert sein. Dabei hat uns Gil Yaron<br />

sicherlich geholfen. O<strong>de</strong>r wusstet ihr, dass <strong>de</strong>r Konflikt zahlenmäßig ziemlich »unbe<strong>de</strong>utend«<br />

ist? In 130 Jahren haben 85 000 Menschen ihr Leben verloren. Natürlich sind das immer<br />

noch 85 000 zu viel, aber eigentlich hätte man nach <strong>de</strong>r Berichterstattung <strong>de</strong>r Medien Millionen<br />

erwartet. Was auch nichts an seiner Wichtigkeit än<strong>de</strong>rt. Vor allem kann <strong>de</strong>r Nahostkonflikt sehr<br />

interessant sein, wenn jemand anschaulich und informativ darüber zu berichten weiß.<br />

16<br />

Henrike Reincke


Jost Reinhold ergreift Initiative für Kanustation<br />

am Sportplatz<br />

Jost Reinhold, Vorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s<br />

Schulvereins »Carolinum« e.V.<br />

Vor fast einem Jahr wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r neue Sportplatz durch die Schülerinnen<br />

und Schüler in Besitz genommen.<br />

Der Glambecker See bietet durch die unmittelbare Nähe<br />

zum Sportplatz eine gute Möglichkeit für alle Kanuinteressierten<br />

und die erfolgreichen Drachensportler in <strong>de</strong>n Sportstun<strong>de</strong>n<br />

und natürlich auch im Rahmen <strong>de</strong>s Ganztagsschulprogramms.<br />

Damit ist eine gute Ergänzung zu <strong>de</strong>n vorhan<strong>de</strong>nen Gegebenheiten<br />

am Zierker See möglich.<br />

Eine Grundvoraussetzung ist die Unterbringung <strong>de</strong>r Kanus<br />

und <strong>de</strong>r Drachenboote. Eine zweite ist ein entsprechen<strong>de</strong>r Zugang<br />

zum See, also ein ausreichend großer Steg.<br />

Dafür hat <strong>de</strong>r Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Schulvereins, Jost Reinhold,<br />

jetzt die Initiative ergriffen, um das sportliche Gelän<strong>de</strong> so komplett<br />

zu machen. Ziel ist es, zu Beginn <strong>de</strong>s neuen Schuljahres<br />

dieses Vorhaben seiner Bestimmung zu übergeben.<br />

v.l.n.r.: Jana Renner und Thomas Greier, Landschaftsarchitekten; Henry Tesch, Minister für Bildung, Wissenschaft<br />

und Kultur sowie stellvertreten<strong>de</strong>r Vorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Schulvereins; Olaf Müller, amtieren<strong>de</strong>r<br />

Schulleiter; Hei<strong>de</strong>marie Awe, Schulleitung, während eines Vor-Ort-Termins<br />

17


18<br />

Impressionen<br />

vom letzten<br />

Schultag <strong>de</strong>r<br />

Gymnasiasten


Generalsekretär <strong>de</strong>r Kultusministerkonferenz,<br />

Prof. Dr. Erich Thies, in Neustrelitz zu Gast<br />

Prof. Erich �ies, <strong>de</strong>r<br />

Generalsekretär <strong>de</strong>r Kon -<br />

ferenz <strong>de</strong>r Kultusminister,<br />

und Kultusminister<br />

Henry Tesch, <strong>de</strong>r zurzeit<br />

1. Vizepräsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>r<br />

KMK ist und im nächsten<br />

Jahr <strong>de</strong>n Vorsitz<br />

übernehmen wird, trafen<br />

sich in Neustrelitz am<br />

Carolinum, <strong>de</strong>r schu -<br />

lischen Wirkungsstätte<br />

Henry Teschs, zu einem<br />

Arbeitsgespräch mit unterschiedlichenSchwerpunkten.<br />

So ging es<br />

unter an<strong>de</strong>rem um die<br />

Gestaltung <strong>de</strong>r vorschulischen<br />

Bildung. Bei<strong>de</strong><br />

nahmen daher die Gelegenheit wahr, sich in <strong>de</strong>r evangelischen integrativen Kin<strong>de</strong>rtagesstätte<br />

»Marienkäfer«, wo auch behin<strong>de</strong>rte Kin<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Gruppen integriert sind, ein Bild über die<br />

Bedingungen vor Ort zu machen. Mitgebracht hatten sie eine Forscherkiste von Siemens im<br />

Wert von 500 Euro.<br />

Die Forscherkisten ermöglichen Kin<strong>de</strong>rn, die Zusammenhänge und Phänomene aus Natur<br />

und Wissenschaft selbst unter die Lupe zu nehmen. Sie bieten eine komplette Ausrüstung für 45<br />

Versuche. Damit kommen die Kin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Geheimnissen von Wasser, Luft, Farben, Licht und<br />

Strom auf die Spur. Mit <strong>de</strong>r Kiste erhalten die Kin<strong>de</strong>rgärten außer<strong>de</strong>m einen Gutschein über ein<br />

eintägiges Seminar, in <strong>de</strong>m die Erzieherinnen und Erzieher für <strong>de</strong>n Umgang mit <strong>de</strong>r Forscher -<br />

kiste fit gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />

Henry Tesch äußerte: »Mit dieser altersgerecht ausgestatteten Forscherkiste wird die natür -<br />

liche Neugier <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r auf spielerische Weise angesprochen und damit das Interesse für<br />

naturwissenschaftliche Zusammenhänge geweckt. Wir können gar nicht früh genug damit beginnen,<br />

für <strong>de</strong>n wissenschaftlichen Nachwuchs von morgen zu sorgen. Deshalb ist diese Aktion<br />

von Siemens eine beispielhafte Ergänzung <strong>de</strong>r vorschulischen Bildungsarbeit.«<br />

Am Nachmittag besuchten �ies und Tesch gemeinsam das Deutsche Zentrum für Luft- und<br />

Raumfahrt (DLR) in Neustrelitz. Dort befin<strong>de</strong>n sich als entsprechen<strong>de</strong> Abteilungen Instituts -<br />

teile <strong>de</strong>s Deutschen Fernerkundungsdatenzentrums (DFD, Nationales Bo<strong>de</strong>nsegment), <strong>de</strong>s<br />

Instituts für Kommunikation und Navigation (IKN) und <strong>de</strong>s Instituts für Methodik <strong>de</strong>r Fern -<br />

erkundung (IMF), sämtlich mit Sitz <strong>de</strong>r Mutter-Institute im DLR Oberpfaffenhofen bei<br />

München.<br />

Bei <strong>de</strong>n Gesprächen ging es unter an<strong>de</strong>rem um die Internationalisierung <strong>de</strong>r Hochschulen<br />

sowie um die Leistungsfähigkeit <strong>de</strong>r hochschulischen und außeruniversitären Forschungs -<br />

institute.<br />

19


Professor Thies, Henry Tesch und <strong>de</strong>r Leiter <strong>de</strong>s DLR, Holger Maass, <strong>de</strong>r auch Alt-Caroliner ist.<br />

Das DLR als weltweit agieren<strong>de</strong> <strong>de</strong>utsche Großforschungseinrichtung <strong>de</strong>r Spitzenforschung<br />

mit rund 5.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (an sieben Standorten in 36 Instituten und<br />

Einrichtungen) zählt zu <strong>de</strong>n wichtigsten Forschungs- und Technologie-Partnern <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s<br />

Mecklenburg-Vorpommern (www.dlr.<strong>de</strong>). Allein das DLR Neustrelitz als Nationales Bo<strong>de</strong>nsegment<br />

<strong>de</strong>s DFD empfängt gegenwärtig zehn internationale Satelliten-Missionen, darunter seit<br />

Juni 2007 die neueste <strong>de</strong>utsche Entwicklung TerraSAR-X. Mit dieser Entscheidung <strong>de</strong>s DLR hat<br />

Mecklenburg-Vorpommern in Sachen Satellitenkommunikation seine wissenschaftliche Exzellenz<br />

und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit im nationalen und internationalen Vergleich<br />

weiter ausgebaut.<br />

»Mit <strong>de</strong>r wissenschaftlichen Einrichtung <strong>de</strong>s DLR in Neustrelitz können wir wie<strong>de</strong>r einmal<br />

mehr zeigen, dass Mecklenburg-Vorpommern auch als Wissenschafts- und Forschungsland eine<br />

exzellente und attraktive Arbeits- und Lebensregion mit Zukunftsperspektiven in Europa ist. In<br />

<strong>de</strong>n Satellitenempfangsräumen konnten wir live <strong>de</strong>n Überflug von Satelliten und die Aufzeichnung<br />

<strong>de</strong>r gesen<strong>de</strong>ten Daten sowie <strong>de</strong>ren weitere Verarbeitung verfolgen. Dieses hat auch <strong>de</strong>n<br />

Experten <strong>de</strong>r KMK, Prof. �ies von <strong>de</strong>r Leistungsfähigkeit <strong>de</strong>r DLR-Einrichtung überzeugt.«, so<br />

Minister Tesch.<br />

Weiter machte Tesch <strong>de</strong>utlich, dass das DLR zu einem zentralen Knotenpunkt in Deutschland<br />

und Europa ausgebaut wer<strong>de</strong>n sollte. Das schließt <strong>de</strong>n Empfang von Datenrelaissatelliten<br />

im Ka-Band und mit optischen Bo<strong>de</strong>nstationen ein.<br />

Ein weiterer Punkt ist <strong>de</strong>r Ausbau eines Echtzeitdatenzentrums für GMEF und GALILEO in<br />

Neustrelitz.<br />

20<br />

Eike Benzin


Unser Schüleraustausch nach Dänemark<br />

Ich <strong>de</strong>nke, Klassenfahrten gehören für die meisten zu einer <strong>de</strong>r schönsten Erinnerungen an die Schule. Mit diesem<br />

Artikel möchte ich über unsere Projektfahrt nach Dänemark berichten.<br />

Am Montag, <strong>de</strong>m 7.April <strong>2008</strong> um 7.30Uhr begann unsere Reise in <strong>de</strong>n hohen Nor<strong>de</strong>n von Dänemark zu unserer<br />

Partnerschule nach Stovring. Nach einer fast 10-stündigen Busfahrt hatten wir unser Ziel erreicht. Dort wur<strong>de</strong>n wir bereits<br />

von <strong>de</strong>r Klasse 1e und <strong>de</strong>ren Eltern erwartet. Nach<strong>de</strong>m je<strong>de</strong>r seinen Austauschschüler gefun<strong>de</strong>n hatte, ging es<br />

nach Hause.<br />

Am Dienstag, <strong>de</strong>m 8.April <strong>2008</strong><br />

Die Schule<br />

trafen wir uns um 8.30Uhr in <strong>de</strong>r<br />

Schule. Dass die Schule dort eine<br />

Stun<strong>de</strong> später beginnt als bei uns ist<br />

nicht <strong>de</strong>r einzige Unterschied. Es ist<br />

ein kleines Gymnasium mit ca. 440<br />

Schülern. Wenn man die Schule<br />

betritt, fallen einem sofort die vielen<br />

Sofas und Sessel auf, wo es sich die<br />

Schüler in <strong>de</strong>n Pausen gemütlich<br />

machen. Die Unterrichtsstun<strong>de</strong>n umfassen<br />

nicht wie bei uns 45 Minuten,<br />

son<strong>de</strong>rn ca. 100 Minuten mit einer<br />

kleinen Pause dazwischen. Mich hat<br />

beson<strong>de</strong>rs erstaunt, dass die Schüler<br />

ihre Lehrer mit Vornamen ansprechen.<br />

Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Schulleiter uns<br />

begrüßt hatte, wur<strong>de</strong>n wir in Gruppen<br />

aus dänischen und <strong>de</strong>utschen Schülern aufgeteilt, um ein Projekt zum Thema »The Welfare States Germany and<br />

Denmark« zu gestalten. Außer<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong>n wir durch das Schulgebäu<strong>de</strong> geführt. Am späten Nachmittag fuhren wir<br />

mit <strong>de</strong>r Klasse nach Aalborg, <strong>de</strong>r viertgrößten Stadt Dänemarks. Zuerst besuchten wir die Kunstgalerie für Mo<strong>de</strong>rne<br />

Kunst. Anschließend hatten wir bis 21Uhr Freizeit.<br />

Am Mittwoch, <strong>de</strong>m 9. April arbeiteten wir zunächst an unserem Projekt weiter. Je<strong>de</strong> Gruppe fertigte einen Artikel<br />

zu ihrem Thema an. Dabei stan<strong>de</strong>n uns die Bibliothek und die vielen Computer <strong>de</strong>r Schule zur Verfügung. Danach hatten<br />

wir die Möglichkeit, verschie<strong>de</strong>ne Unterrichtsstun<strong>de</strong>n zu besuchen. Ich habe Musik und Mathematik gewählt. Die<br />

Lehrer waren sehr nett und versuchten sogar für uns auf Englisch zur unterrichten. Ich hatte das Gefühl, dass <strong>de</strong>r<br />

Unterricht entspannt und locker gestaltet wird. Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Tages wur<strong>de</strong> ein Vortrag über die Skagen-Maler gehalten.<br />

Skagen ist die nördlichste Stadt Dänemarks.<br />

Am Donnerstag, <strong>de</strong>m 10. April fuhren wir <strong>de</strong>n gesamten Tag nach Skagen. Die Fahrt dauerte fast 2 Stun<strong>de</strong>n. Dort<br />

haben wir uns in <strong>de</strong>m Kunstmuseum <strong>de</strong>r Stadt die Bil<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Skagen-Maler angesehen. Anschließend sind wir nach<br />

Grenen, <strong>de</strong>r Nordspitze Dänemarks gefahren, wo Nord- und Ostsee zusammenfließen. Es ist wirklich faszinierend, wie<br />

die Wellen <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Meere aufeinan<strong>de</strong>r stoßen. Außer<strong>de</strong>m haben wir Robben gesehen, während wir am Strand liefen.<br />

Am Freitag, <strong>de</strong>m 11. April konnten wir wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Unterricht besuchen. Ich habe mir Dänisch und Biologie aus -<br />

gesucht und auch hier müssen die Schüler sich mit Gedichtinterpretationen herumschlagen. Dann hieß es bald<br />

Abschied von unseren Austauschschülern und <strong>de</strong>r Schule zu nehmen, <strong>de</strong>nn eine lange Heimreise stand uns bevor.<br />

Es war eine schöne Woche in Dänemark, aus <strong>de</strong>r ich viele Eindrücke mit nach Hause genommen habe und ich freue<br />

mich schon auf <strong>de</strong>n Besuch <strong>de</strong>r dänischen Schüler hier bei uns.<br />

Carolin Borauke<br />

21


Die Roboter kommen (III)<br />

Caroliner erfüllen die Mission Power-Puzzle <strong>de</strong>r FIRST Lego-League<br />

Seit nunmehr vier Jahren organisiert <strong>de</strong>r Fachbereich Informatik am Carolinum für Schüler das<br />

Abenteuer Legoroboter »to create a world where science and technology are celebrated, where<br />

young people dream of becoming science and technology heroes…«<br />

(Dean Kamen, amerikanischer Erfin<strong>de</strong>r, Grün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Wettbewerbs FIRST Lego-League).<br />

Über die Entwicklung <strong>de</strong>s Spezialkurses, das Anliegen <strong>de</strong>r FIRST Lego-League und die Erlebnisse<br />

<strong>de</strong>r Mannschaften ›Carosubmarines‹ und ›Nanotecs‹ ist in <strong>de</strong>n Heften 136 und 138<br />

dieser Zeitschrift berichtet wor<strong>de</strong>n.<br />

Inzwischen können wir <strong>de</strong>r Erfolgsgeschichte <strong>de</strong>s Legokurses ein weiteres Kapitel hinzu -<br />

fügen.<br />

Die CaroAces<br />

Nichts bleibt, wie es ist – unter diesem Motto begann die Mannschaft <strong>de</strong>s Jahres 2007 im Februar<br />

mit <strong>de</strong>r Arbeit. Für <strong>de</strong>n Wettbewerb waren erstmals Lego-NXT-Baukästen zugelassen, und<br />

damit Roboter mit neuen Sensoren (Ultraschall, Mikrofon, Rotationssensoren) und schnelleren<br />

Prozessoren.<br />

Die neuen Roboter basieren auf<br />

<strong>de</strong>m System von Lego-Technik.<br />

Der Lichtsensor unseres Krans<br />

kann die Farben <strong>de</strong>r Kugeln<br />

unterschei<strong>de</strong>n.<br />

Beim Lösen einfacher Aufgaben, an <strong>de</strong>nen die Schüler <strong>de</strong>r Klasse 9 das Konstruieren und<br />

Programmieren trainieren, lernten die Schüler schnell die größere Präzision gegenüber <strong>de</strong>n alten<br />

RCX-Maschinen schätzen, mussten aber auch feststellen, dass die neuen Roboter erheblich<br />

größer und sperriger gerieten und mit ihren starken Motoren auch schon mal die Kulissen auf<br />

<strong>de</strong>r Übungsfläche kurz und klein fahren konnten.<br />

Der Umstieg auf das neue Legosystem war eine wesentliche, jedoch nicht die einzige Verän<strong>de</strong>rung<br />

gegenüber <strong>de</strong>n vergangenen Jahren. Zu <strong>de</strong>n Schlussfolgerungen aus <strong>de</strong>n letzten Wettbewerben<br />

gehörte, unsere Teambezeichnung nicht mehr jährlich zu wechseln. Es galt langfristig<br />

einen Namen aufzubauen, <strong>de</strong>r für die gute Legoarbeit am Carolinum bürgt. Die Schüler entschie<strong>de</strong>n<br />

sich für <strong>de</strong>n Namen CaroAces. Gleichzeitig mel<strong>de</strong>ten sie sich für <strong>de</strong>n Regionalwett -<br />

bewerb an, diesmal aber – eine weitere Neuigkeit – nicht mehr in Trittau, son<strong>de</strong>rn in Berlin,<br />

eine Entscheidung, die sie nicht bereuen sollten.<br />

22<br />

Roboterjunge Alpharex muss das<br />

Laufen noch lernen.<br />

Robotervater Dominic hilft ihm bei<br />

seinen ersten Schritten ins Leben.<br />

Trainer Kai-Uwe macht seine<br />

ersten Erfahrungen als ›Legolehrer‹.


Die Mission ›Power Puzzle‹<br />

Wie in je<strong>de</strong>m Jahr wur<strong>de</strong> bereits viele Monate vor <strong>de</strong>n Wettkämpfen das �ema <strong>de</strong>r Lego -<br />

mission bekannt gegeben:<br />

» ›Power Puzzle‹ Alternative Energien – Eine globale Herausfor<strong>de</strong>rung<br />

Täglich nutzen wir vielfältige Energien: Wir beheizen unsere Häuser, betanken Autos, la<strong>de</strong>n unsere<br />

Handys und Laptops auf und können sogar Musik auf unsere MP3Player runterla<strong>de</strong>n. Wie<br />

beeinflusst unsere Energienutzung die Umwelt, die Wirtschaft und das Leben rund um <strong>de</strong>n Erdball?<br />

Welche Energiequellen sollten wir nutzen und warum? Fin<strong>de</strong>t heraus, wie die Energie ge -<br />

winnung und <strong>de</strong>r Energieverbrauch die Er<strong>de</strong> und unser Leben heute, morgen und das <strong>de</strong>r nächsten<br />

Generationen beeinflusst. Können FIRST LEGO League Teams die ultimative Lösung für das<br />

weltweite ›Power Puzzle’‹ fin<strong>de</strong>n?«<br />

In <strong>de</strong>n letzten Jahren hatten unsere Teams mit originellen, spektakulären Roboterkonstruktionen<br />

in <strong>de</strong>r Forschungspräsentation von sich re<strong>de</strong>n gemacht, hatten in <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>sfinals<br />

damit vor<strong>de</strong>re Plätze belegt und <strong>de</strong>n Lego-Creativity-Award gewonnen. Die Zeit bis zum <strong>Sommer</strong><br />

wollten die Schüler <strong>de</strong>shalb nutzen, um wie<strong>de</strong>r eine einzigartige, Aufsehen erregen<strong>de</strong><br />

Lösung für die Präsentation vorzubereiten. Dazu bezogen sie ein Projekt ein, das das Carolinum<br />

gera<strong>de</strong> erfolgreich abgeschlossen hatte.<br />

DEMMIN – Durable Environmental Multidisciplinary Monitoring Information<br />

Network<br />

Das Demmin-Projekt wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Jahren 2006/2007 unter Leitung <strong>de</strong>s Deutschen Zentrums<br />

für Luft- und Raumfahrt (DLR), Außenstelle Neustrelitz, durchgeführt. Ziel war es, mittels Fernerkundung<br />

per Satellit flächen<strong>de</strong>ckend Informationen über <strong>de</strong>n Zustand landwirtschaft licher<br />

Standorte zu erfassen. Das DLR strebte an, durch diese Daten frühzeitig Erträge zu prognostizieren,<br />

Ernteausfälle durch Dürre o<strong>de</strong>r<br />

Schädlinge vorherzusagen und daraus<br />

folgend pflanzenbauliche Maßnahmen,<br />

wie Düngung, Bewässerung und <strong>de</strong>n<br />

Pflanzenschutz zu empfehlen.<br />

Schüler <strong>de</strong>s Carolinums hatten an<br />

sechs Stand orten eines Versuchsfel<strong>de</strong>s<br />

über die gesamte Vegetationsperio<strong>de</strong> u.<br />

a. Wuchshöhe, Be<strong>de</strong>ckungsgrad, Chlorophyllgehalt,<br />

Blattfläche und Trockenmasse<br />

von Weizenpflanzen gemessen.<br />

Das DLR fertigte zeitgleich Luftbil<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>s Weizenschlages in verschie<strong>de</strong>nen<br />

Spektren an und stellte Zusammenhänge<br />

mit <strong>de</strong>n Messreihen am Bo<strong>de</strong>n her.<br />

Schüler und Mitarbeiter im Deutschen Zentrum<br />

für Luft- und Raumfahrt. Hier wur<strong>de</strong>n<br />

die Daten <strong>de</strong>s Demminprojektes ausgewertet.<br />

23


Während die Arbeitsgruppe <strong>de</strong>s<br />

Carolinums am Bo<strong>de</strong>n Daten<br />

erfasst und dokumentiert,<br />

wer<strong>de</strong>n durch das DLR zeitgleich<br />

Luftbil<strong>de</strong>r angefertigt.<br />

Darauf aufbauend wollten die CaroAces ein ›Lego-Rapsfeld‹ (nachwachsen<strong>de</strong>r Energieträger)<br />

aus <strong>de</strong>m ›Weltraum‹ analysieren und die Messwerte zu einem Roboter auf die Er<strong>de</strong> funken<br />

lassen. Der Roboter wür<strong>de</strong> dann punktgenau nachsäen, bewässern und Schädlinge bekämpfen.<br />

Alternative Energien umweltschonend nutzbar machen – Raumfahrt, Robotertechnik und<br />

Land wirtschaft am High-Tech-Standort Mecklenburg-Vorpommern, so stellten sich die Schüler<br />

ihre Forschungspräsentation vor.<br />

Florian hatte für <strong>de</strong>n Auftritt <strong>de</strong>r Jungs viele Stun<strong>de</strong>n konstruiert und programmiert. Ein<br />

digitaler Fotoapparat stellte <strong>de</strong>n Satelliten dar, <strong>de</strong>r auf einem Mo<strong>de</strong>llfeld <strong>de</strong>n Raps ›multispektral‹<br />

analysierte. Eine eigens geschriebene Software rasterte das Bild und errechnete aus <strong>de</strong>n<br />

Messwerten ein Programm mit Arbeitsanweisungen, das <strong>de</strong>r Roboter abarbeiten konnte.<br />

Reihe für Reihe fuhr <strong>de</strong>r Roboter das Feld ab und legte an <strong>de</strong>n erfor<strong>de</strong>rlichen Stellen blaue<br />

(Wasser), grüne (Dünger) o<strong>de</strong>r weiße (Pflanzenschutz) Legosteine ab. Es war beeindruckend,<br />

24<br />

Bestimmung <strong>de</strong>s Chlorophyllgehaltes<br />

eines Getrei<strong>de</strong>blattes mit<br />

<strong>de</strong>m N-Tester Yara SPAD-502<br />

Wie hoch steht <strong>de</strong>r Weizen?<br />

Mit statistischen Verfahren muss<br />

ein Mittelwert gebil<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.<br />

Links das ›Luftbild‹ <strong>de</strong>s Fotoapparates, rechts das errechnete Raster, aus <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Computer die Arbeitsanweisungen<br />

für <strong>de</strong>n Roboter ableitet.


wie <strong>de</strong>r Roboter nach und nach die vorher optisch ausgemessenen Flächen mit Legosteinen<br />

be<strong>de</strong>ckte.<br />

Der Roboter kann<br />

in drei Farben je 20<br />

Legosteine zum<br />

Bearbeiten <strong>de</strong>s Fel<strong>de</strong>s<br />

aufnehmen und über<br />

Transportketten und<br />

Klappmechanismen<br />

in <strong>de</strong>n richtigen<br />

Sektor auf <strong>de</strong>m<br />

›Rapsfeld‹ ablegen.<br />

Zurück auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n! (Forschungspräsentation, 2. Versuch)<br />

»Wählt ein Gebäu<strong>de</strong> (Schule/Rathaus) in eurer Umgebung aus, wertet <strong>de</strong>ssen Energieverbrauch<br />

aus. Schaut euch an, welche Energiearten in <strong>de</strong>m Gebäu<strong>de</strong> verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n und wie viel<br />

verbraucht wird. Schlagt Lösungen vor, <strong>de</strong>n Verbrauch zu senken und <strong>de</strong>n Einsatz alternativer<br />

Energien voranzutreiben.«<br />

Betroffen lasen die Schüler wie<strong>de</strong>r und wie<strong>de</strong>r die Aufgabenstellung, die mit <strong>de</strong>r Roboter -<br />

mission acht Wochen vor <strong>de</strong>m Wettkampf veröffentlicht wur<strong>de</strong>. Kein Robotereinsatz, keine<br />

revolutionären I<strong>de</strong>en, keine Visionen – sollte wirklich nichts von <strong>de</strong>m, was in <strong>de</strong>n letzten Jahren<br />

so wichtig war, in diesem Jahr in <strong>de</strong>r Forschungspräsentation gefor<strong>de</strong>rt sein? Nicht nur, dass die<br />

CaroAces mit ihren Überlegungen von vorn anfangen mussten; es be<strong>de</strong>utete auch, dass <strong>de</strong>n<br />

an<strong>de</strong>ren Teams das DLR-Projekt und eine einzigartige Robotershow entgehen wür<strong>de</strong>, auf die<br />

sich unsere Schüler schon so gefreut hatten.<br />

Schweren Herzens machten sich die Jungs wie<strong>de</strong>r an die Arbeit, erstellten brav eine Energiebilanz<br />

<strong>de</strong>s Carolinums und schlugen in ihrer Spielszene vor, das Dach <strong>de</strong>s Hauses mit einer Isolierung<br />

aus Altpapier zu versehen.<br />

Um wenigstens Teile ihrer Robotershow zu retten, ließen sie <strong>de</strong>n Satelliten nicht mehr das<br />

Feld, son<strong>de</strong>rn eine Dachfläche scannen und ihren Roboter <strong>de</strong>n Dachstuhl isolieren. Trotz<strong>de</strong>m,<br />

die neue Präsentation blieb nur ein schwacher Abglanz unserer kühnen I<strong>de</strong>e mit <strong>de</strong>m echten<br />

Raumfahrtprojekt.<br />

25


Wir befin<strong>de</strong>n uns nun auf <strong>de</strong>m Dach eines Hauses.<br />

Auf <strong>de</strong>m Dach haben sich (zufällig angeordnete)<br />

Wärmebrücken gebil<strong>de</strong>t, die wir durch mehrere farbige<br />

Papierblätter symbolisieren.<br />

Die magische Zahl 400<br />

Der Umstieg auf das neue Robotersystem bot <strong>de</strong>n Carolinern die Chance, in einer Disziplin<br />

stärker zu punkten, die bisher immer die meisten Schwierigkeiten bereitete: <strong>de</strong>m Roboter-<br />

Game.<br />

Im Roboterwettkampf lassen sich auf <strong>de</strong>m Parcours theoretisch 400 Punkte erreichen. Dazu<br />

muss man jedoch einen Roboter an <strong>de</strong>n Start bringen, <strong>de</strong>r innerhalb von 150 Sekun<strong>de</strong>n alle Aufgaben<br />

auf Anhieb fehlerfrei löst und dabei in einer Konkurrenzaufgabe auch noch schneller ist,<br />

als <strong>de</strong>r Roboter <strong>de</strong>s Teams vom Nachbartisch.<br />

Die Caroliner Mannschaften konnten sich bisher in ihren Rennen von Jahr zu Jahr steigern:<br />

2004 No Limits 151 Punkte im Regionalfinale<br />

2005 Ocean Odyssee 229 Punkte im Regionalfinale, 221 Punkte im Bun<strong>de</strong>sfinale<br />

2006 Nano Quest 283 Punkte im Regionalfinale, 343 Punkte im Bun<strong>de</strong>sfinale<br />

Die Maximalzahl 400 Punkte war für uns immer eine abstrakte Grenze, die wir praktisch für<br />

nicht erreichbar hielten.<br />

Im Jahre 2006 erlebte unser Team auf <strong>de</strong>m Bun<strong>de</strong>sfinale in Mag<strong>de</strong>burg erstmalig, wie zwei<br />

Mannschaften – die späteren Siegerteams – anscheinend spielend leicht auf jene magischen 400<br />

Punkte kamen, und das auch noch mehrmals nacheinan<strong>de</strong>r.<br />

Wenn es also doch möglich ist – warum dann nicht für uns? Um die volle Punktzahl im<br />

Robotgame und damit um <strong>de</strong>n Titel eines Champions zu fighten, sollte die wahre Herausfor<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>s Jahres für die CaroAces wer<strong>de</strong>n.<br />

Anfangs sah es jedoch nicht so aus, als wenn mit <strong>de</strong>n neuen Robotern ein Durchbruch zu<br />

schaffen wäre. Roboter sind eben doch nur so gut, wie die Menschen, die sie erschaffen, und unsere<br />

Schüler machten beim Training dieselben Anfängerfehler, wie die Teams <strong>de</strong>r vergangenen<br />

Jahre: instabile, schlecht durchdachte Konstruktionen, wenig rationelle Programme, unzu -<br />

reichen<strong>de</strong> Fehleranalysen. Kein Wun<strong>de</strong>r, dass die Bestleitung in <strong>de</strong>n Übungsmissionen auch nur<br />

160 Punkte betrug.<br />

26<br />

Das Dach <strong>de</strong>s Gymnasiums wird isoliert: mit einem<br />

Material, hergestellt aus alten Zeitungen.<br />

So je<strong>de</strong>nfalls lassen wir es in <strong>de</strong>r Forschungspräsen -<br />

tation ›wahr‹ wer<strong>de</strong>n.


Erst in <strong>de</strong>n Herbstferien, <strong>de</strong>r intensivsten Arbeitsphase in <strong>de</strong>r Vorbereitung auf die Lego-<br />

League, fan<strong>de</strong>n die Schüler ihre Lösung. Sie entwickelten einen sehr schnell manövrieren<strong>de</strong>n<br />

Roboter (erstmals mit Rä<strong>de</strong>rantrieb und nicht mit Ketten), <strong>de</strong>r sich im Rennen, also während<br />

die Zeit lief, blitzschnell umbauen ließ. Die einzelnen Module – die meisten waren Schiebe -<br />

schil<strong>de</strong> in verschie<strong>de</strong>nen Größen – passten alle auf einen einzigen Stecker und ließen sich so<br />

während <strong>de</strong>r ›Boxenstopps‹ ganz leicht austauschen. Das Steuerprogramm wur<strong>de</strong> ebenfalls<br />

modular programmiert. Damit konnten die Teilaufgaben solange in immer wie<strong>de</strong>r neuer<br />

Reihenfolge ausgeführt wer<strong>de</strong>n, bis die Jungs die schnellste Variante herausgefun<strong>de</strong>n hatten.<br />

Was in <strong>de</strong>r Formel 1 die Boxengasse, ist in <strong>de</strong>r Lego-League die Base: Je<strong>de</strong>r Handgriff muss sitzen - auch <strong>de</strong>r<br />

Umbau in Rekordzeit wird trainiert.<br />

Montag: 290 Punkte, Dienstag: 340, Mittwoch: 370, Donnerstag: 385, Freitag: 395 Punkte. Je<br />

näher die Jungen <strong>de</strong>m Ziel zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Herbstferien kamen, <strong>de</strong>sto schwieriger wur<strong>de</strong> es, aber<br />

umso ehrgeiziger wur<strong>de</strong>n sie auch. Wir waren uns ziemlich sicher, dass wir mit dieser Leistung<br />

schon vorn im Wettbewerb mitspielen könnten. Es wür<strong>de</strong> aber härter wer<strong>de</strong>n, als in <strong>de</strong>n vergangenen<br />

Jahren; immerhin hatten 2007 insgesamt mehr als 450 Mannschaften für die Legoleague<br />

gemel<strong>de</strong>t.<br />

27


Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin…<br />

Am 17. November 2007 war es für die CaroAces soweit. Unter Leitung ihres Trainers Valentin<br />

Lunkenheimer fuhr die Mannschaft zum Regionalwettbewerb <strong>de</strong>r First Lego League in die<br />

Bun<strong>de</strong>shauptstadt.<br />

Neben <strong>de</strong>n Carolinern hatten ursprünglich zehn weitere Berliner Mannschaften für dieses<br />

Regionalfinale gemel<strong>de</strong>t; mehrere traten jedoch auf Grund <strong>de</strong>r schweren Aufgaben nicht mehr<br />

zum Wettkampf an.<br />

Pünktlich um 10.30 Uhr wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Wettbewerb durch die Juroren <strong>de</strong>r gastgeben<strong>de</strong>n Firma<br />

Motorola eröffnet. Für die CaroAces als einziger Mannschaft aus Mecklenburg-Vorpommern<br />

galt es zunächst, im fairen Wettstreit mit <strong>de</strong>n Schülern aus <strong>de</strong>r Hauptstadt um Punkte in <strong>de</strong>n<br />

Kategorien Roboter<strong>de</strong>sign, Teamarbeit und Forschungspräsentation zu kämpfen.<br />

Die CaroAces verteidigen vor <strong>de</strong>n Prüfern <strong>de</strong>n Konstruktionsansatz für ihren Roboter.<br />

Entsprechend ihrer geän<strong>de</strong>rten Forschungspräsentation schlüpften die Caroliner in die Rolle<br />

von Professoren, welche in einer fiktiven Fernsehsendung verschie<strong>de</strong>ne Lösungen zur Verbesserung<br />

<strong>de</strong>r Energiebilanz <strong>de</strong>s Carolinumgebäu<strong>de</strong>s vorstellten. Anschließend hatten sie sich in<br />

einem Kolloquium <strong>de</strong>n Fragen <strong>de</strong>r Juroren zu stellen und diskutierten mit <strong>de</strong>n Prüfern Verfahren<br />

zur Wärmedämmung an Bauten.<br />

Höhepunkt <strong>de</strong>s Turniers war jedoch <strong>de</strong>r eigentliche, mit Spannung erwartete Roboterwettkampf.<br />

Den Mannschaften in <strong>de</strong>n Hamburger Regionalfinals konnten die Neustrelitzer seinerzeit<br />

das Wasser reichen, was die Berliner können, mussten die CaroAces erst noch heraus -<br />

fin<strong>de</strong>n. Die Angst war unbegrün<strong>de</strong>t. Souverän meisterten die Caroliner die geplante Mission in<br />

<strong>de</strong>r Vorrun<strong>de</strong> und zogen mit 370 von 400 möglichen Punkten sicher ins Halbfinale ein.<br />

Nun aber holten die an<strong>de</strong>ren Mannschaften auf und verkürzten <strong>de</strong>n Abstand zu <strong>de</strong>n Caro -<br />

Aces. Markus und Maximilian, die <strong>de</strong>n Neustrelitzer Roboter am Wettkampftisch ausrichten<br />

und für je<strong>de</strong> neue Aufgabe umbauen mussten, verän<strong>de</strong>rten in einer Wettkampfpause noch einmal<br />

die Konstruktion, um noch exakter auf <strong>de</strong>m Feld zu agieren.<br />

28


Damit steigerten sie die Leistungsfähigkeit<br />

<strong>de</strong>s kleinen Roboters weiter und zogen sicher<br />

in das Finale <strong>de</strong>s Roboterwettkampfes ein.<br />

Die Endrun<strong>de</strong> verlangte von <strong>de</strong>n Wettkämpfern<br />

alles ab. Die Finalgegner, die<br />

MCO-Robots, hatten eine ähnliche Strategie<br />

für ihre Mission entwickelt und somit ebenfalls<br />

alle Chancen, <strong>de</strong>n Sieg zu erringen.<br />

Erschwerend für bei<strong>de</strong> Mannschaften war,<br />

dass die Aufgaben zweimal gelöst wer<strong>de</strong>n<br />

mussten, und je<strong>de</strong>s kleine Missgeschick das<br />

Aus be<strong>de</strong>uten wür<strong>de</strong>. Doch die Strategie <strong>de</strong>r<br />

Caroliner ging auf. Mit einer zehntel Sekun<strong>de</strong><br />

Vorsprung löste ihr Roboter <strong>de</strong>n Solar -<br />

satelliten aus, wodurch fünf Punkte an die<br />

CaroAces gingen, die die Berliner nicht mehr<br />

erreichen konnten. Mit 385 und 395 Punkten<br />

gewannen die Neustrelitzer bei<strong>de</strong> Final läufe<br />

und damit <strong>de</strong>n gesamten Roboterwettkampf.<br />

Der Staudamm wird zum Fluss transportiert.<br />

Entschei<strong>de</strong>nd für die Punktzahl ist die erreichte Zielposition<br />

<strong>de</strong>s Staudammes.<br />

Während <strong>de</strong>s gesamten Tages beobachteten<br />

mehrere Juroren die Schüler beim Wettstreit<br />

gegeneinan<strong>de</strong>r, ihr Auftreten, ihren Zusammenhalt als Mannschaft, ihren Siegeswillen<br />

und auch ihre Hilfsbereitschaft an<strong>de</strong>ren Mannschaften gegenüber. Mit unbändigem Spaß am<br />

Wettkampf, mit Schlachtrufen und Laolawellen sorgten die Neustrelitzer für Stimmung im Firmengebäu<strong>de</strong><br />

von Motorola.<br />

Die Siegerehrung brachte für die Caroliner <strong>de</strong>n verdienten Lohn für die Arbeit <strong>de</strong>r letzten<br />

Monate. Die Schüler gewannen <strong>de</strong>n Regionalwettbewerb in <strong>de</strong>n Sparten ›Roboterwettkampf‹<br />

und ›Roboter<strong>de</strong>sign‹ und wur<strong>de</strong>n Lego-Champion im Regionalfinale Berlin.<br />

Mit ihrer souveränen Leistung waren die CaroAces für die nächste Wettkampfrun<strong>de</strong> qualifiziert,<br />

wo es galt, die Län<strong>de</strong>r Berlin und Mecklenburg-Vorpommern international zu vertreten.<br />

Die CaroAces und ihre<br />

neuen Freun<strong>de</strong>, die<br />

MCO-Robots aus Berlin.<br />

Dass unser Legoteam<br />

sich mit an<strong>de</strong>ren Mannschaften<br />

anfreun<strong>de</strong>t,<br />

Gedanken, I<strong>de</strong>en und<br />

Tipps austauscht, ist wohl<br />

das schönste, was auf<br />

diesem Wettbewerb<br />

passieren konnte.<br />

29


Alles erreicht und nichts gewonnen<br />

Wir nahmen eine dreizehnstündige Busfahrt (855 km) quer durch Deutschland auf uns, um am<br />

großen Zentraleuropäischen Finale in <strong>de</strong>r kleinen Schwarzwaldgemein<strong>de</strong> Triberg teilzunehmen.<br />

418 Schülermannschaften aus Deutschland, Österreich, Ungarn, <strong>de</strong>r Schweiz, Tschechien<br />

und Polen waren in 31 regionalen Vorausschei<strong>de</strong>n gegeneinan<strong>de</strong>r angetreten. Nur 38 Mannschaften<br />

glückte <strong>de</strong>r Sprung in die Finalrun<strong>de</strong>, unter ihnen auch das Legoteam <strong>de</strong>s Carolinums.<br />

Allein die Zulassung zu diesem hochkarätig besetzten Wettkampf be<strong>de</strong>utete also eine Auszeichnung<br />

für uns.<br />

Lego international. Schüler aller teilnehmen<strong>de</strong>n Nationen<br />

grüßen in ihrer Lan<strong>de</strong>ssprache die Teams.<br />

Die zentraleuropäische Meisterschaft<br />

wur<strong>de</strong>, wie schon die Regionalfinals,<br />

in mehreren Kategorien ausgetragen.<br />

Je<strong>de</strong> Mannschaft startete in <strong>de</strong>n<br />

Sparten Roboter-Design, Forschungspräsentation,<br />

Teamwork und Roboter-<br />

Challenge.<br />

38 Mannschaften, das war nicht nur<br />

Teilnehmerrekord, es be<strong>de</strong>utete auch<br />

einen völlig neuen Ablauf <strong>de</strong>s Wettkampfes:<br />

alle Mannschaften wur<strong>de</strong>n in<br />

je<strong>de</strong>r Kategorie auf jeweils vier Jurys<br />

aufgeteilt, so dass je<strong>de</strong>s Kampfgericht<br />

sich ein Bild von neun o<strong>de</strong>r zehn<br />

Mannschaften machen konnte.<br />

Die Bewertung erfolgte allerdings<br />

nicht nur für je<strong>de</strong> Kategorie auf an<strong>de</strong>re<br />

Weise, selbst innerhalb einer Kategorie<br />

sind die vier Jurys lei<strong>de</strong>r nicht einheitlich<br />

an die Bewertung herangegangen,<br />

so dass es neben einer sehr guten Leistung auch einer gehörigen Portion Glücks bedurfte, um in<br />

<strong>de</strong>r Gesamtwertung weit<br />

vorn zu lan<strong>de</strong>n. Hier wird<br />

die Zentrale Wett bewerbs -<br />

leitung nach neuen Wegen<br />

für die zukünftige Wettbewerbsorganisation<br />

suchen<br />

müssen.<br />

30<br />

Singend und tanzend bereiten<br />

sich die CaroAces auf die<br />

nächste Wettkampfrun<strong>de</strong> vor.<br />

Es ist anstrengend, aber es<br />

macht auch viel Spaß beim<br />

heutigen Finale.


Die CaroAces konnten, trotz dieses Handicaps, wie<strong>de</strong>r herausragen<strong>de</strong> Ergebnisse erzielen.<br />

Mit 86 Prozent aller erreichbaren Punkte in <strong>de</strong>r Sparte Roboter<strong>de</strong>sign und 84 Prozent in <strong>de</strong>r<br />

Sparte Teamwork kamen die Caroliner jeweils unter die besten zehn Mannschaften in <strong>de</strong>r Einzelwertung.<br />

Auch die Präsentation <strong>de</strong>r Forschungsergebnisse, die in einem nur fünfminütigen<br />

Vortrag dargelegt wer<strong>de</strong>n mussten, gelang <strong>de</strong>n Carolinern gut (74 Prozent) und be<strong>de</strong>utete einen<br />

Mittelfeldplatz in dieser Kategorie.<br />

Das Hauptaugenmerk hatten die CaroAces in diesem Jahr ja auf das eigentliche Roboterrennen<br />

gelegt.<br />

Die Aufgabe »Montiere die Solarzelle auf <strong>de</strong>m Dach <strong>de</strong>s Wohnhauses« ist gelöst – das Solarmodul bleibt auf<br />

<strong>de</strong>m Dach liegen.<br />

Der Roboter je<strong>de</strong>r Mannschaft durfte zunächst dreimal an <strong>de</strong>n Start gebracht wer<strong>de</strong>n, und<br />

das beste Ergebnis ging in die Wertung. Die Caroliner konnten in dieser Vorrun<strong>de</strong> 390 von 400<br />

möglichen Punkten erkämpfen; das war schon das höchste Ergebnis, was ihnen bis dahin jemals<br />

auf Bun<strong>de</strong>sebene gelang. Doch selbst diese sehr gute Wertung be<strong>de</strong>utete ›nur‹ Platz 8 und<br />

großes Bangen um <strong>de</strong>n Einzug ins Viertelfinale, <strong>de</strong>nn eine weitere Mannschaft hatte die gleiche<br />

Punktzahl erreicht. Das zeigt, auf welch hohem Niveau dieser internationale Schülerwettkampf<br />

ausgetragen wur<strong>de</strong>.<br />

Eine Beratung <strong>de</strong>r Jury und viel Daumendrücken bei <strong>de</strong>n Neustrelitzer Gymnasiasten war<br />

notwendig – doch dann stand es fest: die CaroAces hatten sich für das Viertelfinale qualifiziert.<br />

In <strong>de</strong>r Run<strong>de</strong> <strong>de</strong>r besten acht Mannschaften gelang ihnen sogar ihr Meisterstück: <strong>de</strong>r Roboter<br />

löste innerhalb <strong>de</strong>r vorgegebenen Zeit alle Aufgaben fehlerfrei, die Mannschaft erreichte in<br />

einem hochspannen<strong>de</strong>n Rennen die Traumwertung von 400 Punkten, ein Ergebnis, das auf <strong>de</strong>m<br />

31


gesamten Zentraleuropäischen Finale nur sechs Mannschaften überhaupt glückte. Natürlich<br />

waren die Neustrelitzer damit für die nächste Run<strong>de</strong> qualifiziert, und erst hier im Halbfinale,<br />

beim Aufeinan<strong>de</strong>rtreffen <strong>de</strong>r besten vier Mannschaften aus <strong>de</strong>n sechs teilnehmen<strong>de</strong>n Nationen,<br />

wur<strong>de</strong>n die Caroliner knapp bezwungen.<br />

Es war sicher regelkonform, trotz<strong>de</strong>m konnten sich die Schüler nur schwer damit abfin<strong>de</strong>n,<br />

mit dieser großartigen Wettkampfleistung in Triberg letztlich ›leer‹ auszugehen.<br />

Zum guten Schluss<br />

Das Zentraleuropäische Finale <strong>de</strong>r First-Legoleague bil<strong>de</strong>te <strong>de</strong>n Höhepunkt und <strong>de</strong>n Abschluss<br />

<strong>de</strong>s Legojahres, war jedoch längst nicht die einzige Bewährungsprobe <strong>de</strong>r CaroAces.<br />

Öffentlichkeitsarbeit ist ein wichtiger Bestandteil einer<br />

erfolgreichen ›Firmentätigkeit‹.<br />

Dafür nutzen wir erstmals das Schulfest.<br />

für uns nicht nur ein höchst willkommenes Sprechtraining<br />

unter ›Einsatzbedingungen‹. Der Beitrag wur<strong>de</strong><br />

für eine Radiosendung zum �ema »Der große Schulvergleich«<br />

aufgezeichnet. Die Bildungsangebote einer<br />

Schweriner Privatschule wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>nen unseres Gymnasiums<br />

gegenübergestellt. Klar, dass wir mit unserem<br />

Legokurs <strong>de</strong>m Carolinum alle Ehre machten.<br />

Insgesamt schließen wir also ein erfolgreiches Legojahr<br />

ab. Wir können bilanzieren, dass uns <strong>de</strong>r Umstieg<br />

auf das NXT-System gelungen ist. Die Erfolge im Zentraleuropäischen<br />

Finale und die Erinnerung an ein<br />

»Team wie aus einem Guss« (Jury Berlin), das nur<br />

durch die Gemeinsamkeit aller seiner Mitglie<strong>de</strong>r zu einem<br />

solchen Erfolg in <strong>de</strong>r Lage war, wer<strong>de</strong>n wir immer<br />

mit <strong>de</strong>m Legojahrgang 2007 verbin<strong>de</strong>n.<br />

Trainer Markus schrieb auf unserer Internetseite,<br />

was alle empfan<strong>de</strong>n:<br />

32<br />

Im Herbst trat unser Legoteam erstmals<br />

auf <strong>de</strong>m Schulfest <strong>de</strong>s Carolinums auf.<br />

Hauptattraktionen waren ein selbst gebautes<br />

Roboterhockey und die Showroboter<br />

Alpharex und Spike.<br />

Beim Tag <strong>de</strong>r offenen Tür – nach zwei<br />

Jahren Pause wie<strong>de</strong>r durchgeführt – konnten<br />

wir viele Gäste an unserem Stand<br />

begrüßen und trugen so zur Werbung für<br />

unser Gymnasium bei.<br />

Kurzweilige Abwechslung brachte im<br />

November <strong>de</strong>r Besuch eines Rundfunkreporters<br />

vom NDR. Solche Interviews sind<br />

Lego lebt vom Mitmachen. Trainer Lucas<br />

betreut seinen jungen Gast beim Hin<strong>de</strong>rnis -<br />

parcours.


»Das Legojahr en<strong>de</strong>te zum Glück erst wie<strong>de</strong>r im<br />

Dezember. Das heißt, wir haben uns zum wie<strong>de</strong>rholten<br />

Male für die zweite Run<strong>de</strong> <strong>de</strong>r First Lego-League qualifiziert<br />

– für das Zentraleuropäische Finale in Triberg.<br />

Obwohl die Aufgaben in dieser Legosaison noch komplexer<br />

und komplizierter waren als in <strong>de</strong>n vergangenen,<br />

hatten wir wie<strong>de</strong>r große Erfolge zu verbuchen. Sogar <strong>de</strong>r<br />

Part ›Robotgame‹ lief dieses Mal optimal. Deswegen<br />

konnten wir in Berlin Robotchampion wer<strong>de</strong>n und im<br />

Zentral europäischen Finale sogar mit <strong>de</strong>r absoluten,<br />

vorher noch nie erreichten Höchstpunktzahl von 400<br />

über das ebenso noch nie dagewesene Viertel- bis ins<br />

Halbfinale einziehen. Auch 2007 hat uns gezeigt, dass<br />

das Wichtigste überhaupt ein funktionieren<strong>de</strong>s Team<br />

ist. Der Zusammenhalt und die Stimmung waren genial<br />

und machten die Finals zu einem unvergesslichen Erlebnis.<br />

Wie haben einmal mehr bewiesen, dass wir in <strong>de</strong>r<br />

Lage sind, aus einer bunten Truppe binnen sechs Monaten<br />

ein eingeschworenes und nicht unter zu kriegen<strong>de</strong>s<br />

Team zu machen. Wir wer<strong>de</strong>n dieses Team immer in<br />

guter Erinnerung behalten. ›Gute Freun<strong>de</strong> sind nie zu<br />

trennen!‹ heißt es, und das trifft auf uns genau zu! Wir<br />

sind die CaroAces, wir sind EIN TEAM!! In diesem Sinne<br />

noch mal Danke für die Klasse Zusammenarbeit und<br />

für eine geile Zeit!<br />

Valentin als NDR-Rennreporter:<br />

Unser Cheftrainer schil<strong>de</strong>rt in packen<strong>de</strong>n<br />

Worten die wil<strong>de</strong> Fahrt <strong>de</strong>s Roboters.<br />

Danke an Velle, Kai, Stumpi, Päkchen, Tobsi, Jojo, Henning, Max und Lucas. Unser Dank gilt<br />

auch <strong>de</strong>m Schulverein ›Carolinum‹ e.V. CaroAces forever!«<br />

Andreas Löskow www.carolinum.<strong>de</strong>/lego<br />

Die CaroAces 2007: Lucas Thiem, Maximilian Gehrlich, David Nowitzke, Kai-Uwe Hey<strong>de</strong>n, Johannes Bussian,<br />

Valentin Lunkenheimer, Tobias Schult, Andreas Pakusa, Markus Turowski<br />

www.carolinum.<strong>de</strong>/lego<br />

33


Projekttag <strong>de</strong>r 10. Klassen<br />

Der Projekttag unter <strong>de</strong>m Motto »Studium – Beruf – Leben« am 27.06.<strong>2008</strong> bot ein weites<br />

Spektrum an Aktivitäten rund um das spätere (Berufs-) Leben.<br />

Langjährige Kooperationspartner wie die Hochschule Neubran<strong>de</strong>nburg, die AOK, die<br />

Verbundnetz AG Leipzig und das Generalkonsulat <strong>de</strong>r USA in Hamburg unterstützten <strong>de</strong>n<br />

Projekttag. Die Schüler konnten aus einem vielfältigen Angebot wählen.<br />

34<br />

Ein Seminar <strong>de</strong>r AOK zur 1. Hilfe:<br />

Stabile Seitenlage<br />

Frau Yoshi Ludwig (vorn rechts)<br />

vom Generalkonsulat <strong>de</strong>r USA in<br />

Hamburg referierte zum Thema<br />

»Studieren und Arbeiten in <strong>de</strong>n<br />

USA«<br />

Dr. Dr. An<strong>de</strong>rs Henningsen, Absolvent <strong>de</strong>s Carolinums 1997<br />

stellte die Bun<strong>de</strong>swehr als Arbeitgeber vor


Im Seminar »Wieviel Bewegung<br />

braucht <strong>de</strong>r Mensch?« wur<strong>de</strong><br />

zunächst <strong>de</strong>r persönliche Körperfettwert<br />

ermittelt, um ein effektives<br />

Trainingsprogramm zu erstellen<br />

Die Fahrschulen Kohn und<br />

Zornikau aus Neustrelitz<br />

verlegten <strong>de</strong>n Fahrschulunterricht<br />

auf das Immergut-<br />

Gelän<strong>de</strong>. Die Hin- und<br />

Rückfahrt mit <strong>de</strong>r Bimmelbahn<br />

war ein sehr willkommenes<br />

Extra.<br />

Im »Le petit«von Gesine Holst wur<strong>de</strong>n<br />

die neuesten Frisurtrends zu<br />

verschie<strong>de</strong>nen Anlässen ausprobiert<br />

Heiko Benzin<br />

35


Aus <strong>de</strong>r Geschichte<br />

Die Fritz Reuter Gesellschaft<br />

zu Gast am GymnasiumCarolinum<br />

Bereits seit Januar diesen Jahres war <strong>de</strong>r 19. April in meinem Kalen<strong>de</strong>r angekreuzt. Eine Weiterbildung<br />

vor Ort und dann in <strong>de</strong>r eigenen Schule, diesen Heimvorteil wollte ich nutzen.<br />

Die Fritz Reuter Gesellschaft ist neben ihrer wissenschaftlichen Arbeit auch dafür bekannt,<br />

dass sie interessierten Lehrern Unterstützung gibt, die platt<strong>de</strong>utsche Sprache im Unterricht<br />

o<strong>de</strong>r in Projektgruppen anzuwen<strong>de</strong>n. Schon mehrmals kam ich aus Neubran<strong>de</strong>nburg mit praktikablen<br />

I<strong>de</strong>en zurück, die ich dann im Rahmen <strong>de</strong>s Neigungsunterrichts Platt<strong>de</strong>utsch für die<br />

Klassen 7-10 umsetzen konnte.<br />

Der Anfang ist also gemacht und ich hoffe auf <strong>de</strong>n Erhalt <strong>de</strong>r Stun<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn ich schließe<br />

mich <strong>de</strong>n Gedichtzeilen von Ursula Kurz an, die sagt: »Plattdütsch, dat is mihr as Sprak, Plattdütsch<br />

is Tauhns«.<br />

Doch zurück zum 19. April <strong>2008</strong>. Die Aula <strong>de</strong>s Carolinums bot <strong>de</strong>n Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Fritz<br />

Reuter Gesellschaft, die aus ganz Deutschland angereist waren, sowie <strong>de</strong>n Freun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r platt<strong>de</strong>utschen<br />

Sprache an diesem Tag »Hüsung«, wie es Olaf Müller, <strong>de</strong>r amtieren<strong>de</strong> Schulleiter,<br />

ausdrückte.<br />

Wat geef dat nu tau seihn un tau hüren?<br />

Der Schirmherr <strong>de</strong>r Veranstaltung, unser Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur,<br />

Henry Tesch, stimmte die Anwesen<strong>de</strong>n bereits in seiner Begrüßungsre<strong>de</strong> auf Platt<strong>de</strong>utsch ein,<br />

in <strong>de</strong>m er aus Fritz Reuters »Urgeschicht von Meckelnborg« zitierte. Auch Ingrid Sievers, erste<br />

Beigeordnete <strong>de</strong>s Landkreises Mecklenburg-Strelitz, ließ es sich nicht nehmen ihre Willkommensgrüße<br />

in Platt zu formulieren. Dann ging es mit verschie<strong>de</strong>nen halbstündigen Beiträgen<br />

weiter. Im Mittelpunkt stand das �ema: »Neustrelitz – Resi<strong>de</strong>nz zur Zeit Fritz Reuters«.<br />

Der Zuhörer erhielt einen Überblick über die Geschichte <strong>de</strong>s Herzogtums Mecklenburg-Strelitz<br />

sowie die Amerika-Auswan<strong>de</strong>rung aus Mecklenburg während <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts. Neuere<br />

Untersuchungen befassten sich mit <strong>de</strong>r Darstellung jüdischer Figuren in Fritz Reuters Werken.<br />

Über Daniel San<strong>de</strong>rs war zu erfahren, dass er auch nie<strong>de</strong>r<strong>de</strong>utsche Mundarttexte sammelte und<br />

über Karl Kraepelin, dass er <strong>de</strong>r beste und gefragteste Reuter-Interpret seiner Zeit war. Höhepunkte<br />

<strong>de</strong>r Tagesveranstaltung waren für mich die Lesung von Werner Völschow aus Fritz Reuters<br />

»Dorchläuchting« und das herzerfrischen<strong>de</strong> Programm »Up Platt« <strong>de</strong>r Grundschüler aus<br />

Altstrelitz.<br />

So informativ und kurzweilig wünscht man sich Fortbildung.<br />

Dieser Tag hat mich auch darin bestärkt einen langen Atem zu haben, wenn es darum geht<br />

noch mehr Jugendliche für die platt<strong>de</strong>utsche Sprache, mit <strong>de</strong>r sich soviel ausdrücken lässt, zu<br />

interessieren. Vielleicht heißt es dann einmal »Platt is cool«.<br />

36<br />

Ingrid Grundtmann


Die Geschichte eines vergangenen Lan<strong>de</strong>s:<br />

Mecklenburg-Strelitz<br />

Wenn Freun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Werke Fritz Reuters <strong>de</strong>n Namen Mecklenburg-Strelitz hören, merken sie auf.<br />

In diesem Großherzogtum verbrachte <strong>de</strong>r Dichter sieben Jahre und durchlebte seine wichtigste<br />

Schaffensperio<strong>de</strong>. Ich nenne an Veröffentlichungen aus dieser Zeit »Kein Hüsung«, »Ut <strong>de</strong> Franzosentid«,<br />

»Ut mine Festungstid« sowie die ersten bei<strong>de</strong>n Teile von »Ut mine Stromtid«. Doch<br />

Mecklenburg-Strelitz spielte auch im Werk Reuters eine Rolle. Während seiner letzten Lebensperio<strong>de</strong><br />

in Eisenach ließ er »Dörchläuchting« erscheinen. Bei <strong>de</strong>r Titelfigur han<strong>de</strong>lt es sich um<br />

Herzog Friedrich Wilhem IV. von Mecklenburg-Strelitz.<br />

Doch was war Mecklenburg-Strelitz? Seit wann gab es überhaupt ein Herzogtum dieses Namens?<br />

Heute ist Mecklenburg-Strelitz als Landkreis ein unterer Verwaltungsbezirk <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>slan<strong>de</strong>s<br />

Mecklenburg-Vorpommern. Es hat annähernd die Größe <strong>de</strong>s ehemaligen Lan<strong>de</strong>s Stargard.<br />

Hiervon getrennt ist seit 1934 das Gebiet <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s Ratzeburg. Es ist kaum noch im Bewusstsein,<br />

dass dies einmal Teil von Mecklenburg-Strelitz gewesen ist.<br />

Mecklenburg ist in seiner tausendjährigen Geschichte die meiste Zeit in verschie<strong>de</strong>ne Herrschaftsbereiche<br />

aufgeteilt gewesen. Als mit Gustav Adolf die Güstrower Linie ausstarb, konnte<br />

Herzog Friedrich Wilhelm ganz Mecklenburg vereinen. Doch er hatte nicht mit seiner Verwandtschaft<br />

gerechnet. Gustaf Adolf hatte seinen Schwiegersohn Adolf Friedrich II., einen Onkel<br />

Friedrich Wilhelms, zu seinem Erben bestimmt. Auch auswärtige Mächte suchten, ihre Interessen<br />

zu wahren, und mischten sich ein.<br />

Es folgte ein langwieriger Erbschaftsstreit. Eine kaiserliche Kommission brachte schließlich<br />

1701 in Hamburg einen Vergleich zustan<strong>de</strong>. Friedrich Wilhelm wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Anfall <strong>de</strong>s Fürstentums<br />

Güstrow grundsätzlich bestätigt, Adolf Friedrich aber das Fürstentum Ratzeburg – man<br />

beachte die Reihenfolge! – sowie die Herrschaft Stargard zuerkannt. Adolf Friedrich erhielt über<br />

<strong>de</strong>n Stargar<strong>de</strong>r Distrikt die volle Lan<strong>de</strong>shoheit, allerdings hatte er die mecklenburgische Kirchen-<br />

und die Polizeiordnung unverän<strong>de</strong>rt zu beachten. Ebenfalls gemeinsam blieben die Ritterund<br />

Landschaft in ihrer Union von 1621 mit <strong>de</strong>m Landkasten, also <strong>de</strong>r Steuererhebung, das<br />

Konsistorium und das Hof- und Landgericht.<br />

Mit <strong>de</strong>m Hamburger Vertrag war die Linie Mecklenburg-Strelitz <strong>de</strong>s Hauses Mecklenburg<br />

entstan<strong>de</strong>n. Sie hatte Bestand bis 1918. Doch ein Land dieses Namens gab es noch nicht. 1701<br />

wur<strong>de</strong> kein Herzogtum Mecklenburg-Strelitz begrün<strong>de</strong>t, son<strong>de</strong>rn nur eine neue Linie <strong>de</strong>s Hauses<br />

Mecklenburg, die sich nach <strong>de</strong>r Resi<strong>de</strong>nz nannte, wie man das in Schwerin tat und bisher in<br />

Güstrow getan hatte. Adolf Friedrich II. residierte im Schloß von Strelitz. Als dieses 1712 abgebrannt<br />

war, ließ Adolf Friedrich III. das Jagdschloß im nahegelegenen Glienke am Zierker See<br />

zum Schloss ausbauen und verlegte seine Resi<strong>de</strong>nz in dieses Neustrelitz. Seit<strong>de</strong>m erfolgte die<br />

planmäßige Anlage <strong>de</strong>r gleichnamigen Stadt.<br />

Adolf Friedrich II. war als neuer Fürst von Ratzeburg zum Reichsfürsten gewor<strong>de</strong>n. Als solcher<br />

besaß er Sitz und Stimme auf <strong>de</strong>m Reichstag und auf <strong>de</strong>m Tag <strong>de</strong>s Nie<strong>de</strong>rsächsischen<br />

Reichskreises. Im Fürstentum Ratzeburg gab es keine Stän<strong>de</strong>, auf die er Rücksicht nehmen mußte.<br />

Die Herrschaft Stargard blieb jedoch in <strong>de</strong>r ständischen Verfassung Teil <strong>de</strong>s Fürstentums Güstrow.<br />

Die Schweriner Herzöge versuchten die Strelitzer zunächst als abgeteilte Prinzen zu behan<strong>de</strong>ln.<br />

Im Verfassungsrecht <strong>de</strong>s Reiches gab es das Fürstentum Ratzeburg, aber kein Herzogtum<br />

Mecklenburg-Strelitz. Erst als das Reich sich schon in Auflösung befand, erhielt <strong>de</strong>r Strelitzer<br />

37


Herzog Karl 1803 im Reichs<strong>de</strong>putationshauptschluss, als 53 neue Stimmen für <strong>de</strong>n Reichstag<br />

verteilt wur<strong>de</strong>n, eine Stimme für die Herrschaft Stargard; wohlgemerkt nicht für Mecklenburg-<br />

Strelitz.<br />

Als das Reich 1806 sein En<strong>de</strong> fand, war <strong>de</strong>r Strelitzer Herzog Karl theoretisch zum Souverän<br />

gewor<strong>de</strong>n. Sein Beitritt zum napoleonischen Rheinbund legte diese Stellung sogar ausdrücklich<br />

fest. Die von Napoleon unterzeichnete Akte, mit <strong>de</strong>r Herzog Karl 1808 in <strong>de</strong>n Rheinbund aufgenommen<br />

wur<strong>de</strong>, spricht nicht nur von le Duc <strong>de</strong> Mecklembourg-Strélitz, son<strong>de</strong>rn erstmals auch<br />

von <strong>de</strong>m Duché <strong>de</strong> Mecklembourg-Strélitz. Erst seit diesem Zeitpunkt fasste man das Fürstentum<br />

Ratzeburg und das Land Stargard staatsrechtlich als Herzogtum Mecklenburg-Strelitz zusammen.<br />

Auf <strong>de</strong>m Wiener Kongreß wur<strong>de</strong> das Reich nicht wie<strong>de</strong>r hergestellt, son<strong>de</strong>rn die <strong>de</strong>utschen<br />

Fürsten behielten ihre Souveränität, vereinigten sich aber zum Deutschen Bund. Bei<strong>de</strong>n<br />

mecklenburgischen Herzögen erkannte man <strong>de</strong>n Rang von Großherzögen von Mecklenburg zu.<br />

Es gab nun die Großherzogtümer Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz.<br />

Soweit die staatsrechtliche Seite. Doch welche außenpolitischen Möglichkeiten besaßen die<br />

Strelitzer Herzöge als Stän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Reiches und als Souveräne? Ihre Lan<strong>de</strong> hatten einem Umfang<br />

von 3.000 qkm und 1815 eine Bevölkerung von 70.000 Einwohnern. Bezogen auf <strong>de</strong>n Deutschen<br />

Bund, <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Ei<strong>de</strong>r bis zum Adriatischen Meer und von <strong>de</strong>r Maas bis zur oberen Weichsel<br />

reichte, be<strong>de</strong>utete dies: Mecklenburg-Strelitz hatte eine Fläche von 0,5 v. H. <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s und<br />

eine Einwohnerzahl von 0,2 v. H. Hier zeigt sich die Bevölkerungsarmut <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s. Mecklenburg-Strelitz<br />

hatte überhaupt die geringste Bevölkerungsdichte in Deutschland. Große Politik<br />

war selbst für ganz Mecklenburg nicht mehr zu machen, zumal wenn man die großen Mächte in<br />

<strong>de</strong>r Nachbarschaft berücksichtigt: Schwe<strong>de</strong>n, Bran<strong>de</strong>nburg-Preußen, Hannover, das mit Großbritannien<br />

in Personalunion verbun<strong>de</strong>n war. Schließlich ist auch Dänemark zu nennen, zu <strong>de</strong>m<br />

zwar eine Landgrenze nur mit seinen <strong>de</strong>utschen Besitzungen bestand, das aber von Warnemün<strong>de</strong><br />

aus in Sichtweite lag und liegt.<br />

Die Strelitzer Herzöge versuchten von Anfang an, neutral zu bleiben. Aber schon <strong>de</strong>r Güstrower<br />

Erbfolgefall hatte nicht nur <strong>de</strong>n Kaiser, son<strong>de</strong>rn auch die großen Mächte beschäftigt. Beson<strong>de</strong>rs<br />

Schwe<strong>de</strong>n war an <strong>de</strong>m weiteren getrennten Bestehen <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>steile Schwerin und<br />

Güstrow interessiert, um eine Stärkung <strong>de</strong>s Schweriner Herzogs zu verhin<strong>de</strong>rn. Zur Zeit <strong>de</strong>s<br />

Hamburger Vergleichs hatte <strong>de</strong>r dritte Nordische Krieg schon begonnen. Hier wie im späteren<br />

Siebenjährigen Krieg konnte <strong>de</strong>r Strelitzer Herzog seine Neutralität behaupten. Das hieß aber<br />

nicht, dass das Land Stargard von <strong>de</strong>r Not <strong>de</strong>r Kriege wirklich verschont blieb. Gewaltsame<br />

Werbungen, Truppendurchmärsche und For<strong>de</strong>rungen von Geld und Naturalien lasteten schwer<br />

auf <strong>de</strong>r Bevölkerung. Stargard lag verhältnismäßig abgelegen vom Operationsgebiet <strong>de</strong>r Kriegsparteien,<br />

im Gegensatz zum Fürstentum Ratzeburg, das von <strong>de</strong>r Strelitzer Geschichtsschreibung<br />

vielfach übersehen wird. – Zu Beginn <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts wur<strong>de</strong> Mecklenburg-Strelitz aber in<br />

<strong>de</strong>n Russlandfeldzug Napoleons hineingezogen.<br />

Konnten die Strelitzer Herzöge sich aus <strong>de</strong>m Streit <strong>de</strong>r Großen für ein Jahrhun<strong>de</strong>rt weitgehend<br />

heraushalten, wenn sie auch – wie es heute verharmlosend heißt – Kollateralschä<strong>de</strong>n zu<br />

erdul<strong>de</strong>n hatten, so gab es Reibereien mit <strong>de</strong>m Schweriner Vettern. Der Schweriner Herzog<br />

Christian Ludwig strebte, um die Stän<strong>de</strong> zu schwächen, eine völlige Trennung von Strelitz an.<br />

Doch <strong>de</strong>r Vereinbarung stand Karl Ludwig Friedrich in Mirow, ein Bru<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s regieren<strong>de</strong>n Strelitzer<br />

Herzogs entgegen. Auch Großbritannien-Hannover stützte <strong>de</strong>n Mirower Herzog, weil es<br />

eine Aus<strong>de</strong>hnung <strong>de</strong>s preußischen Einflusses nach Nor<strong>de</strong>n verhin<strong>de</strong>rn wollte. Nach Karl Ludwig<br />

Friedrichs Tod beanspruchte Christian Ludwig die Vormundschaft über Adolf Friedrich IV.,<br />

ebenso die Herzogin-Witwe Elisabeth Albertine. Verhandlungen hierüber wur<strong>de</strong>n von Strelitzer<br />

Seite in die Länge gezogen, weil man ein Eingreifen <strong>de</strong>s Kaisers erhoffte. Dies wie<strong>de</strong>rum befürchtete<br />

Christian Ludwig, und er ließ das Schloß in Neustrelitz besetzen. Kurz darauf wur<strong>de</strong><br />

Adolf Friedrich IV. vom Kaiser für volljährig erklärt und er konnte die Regierung übernehmen.<br />

38


Mit <strong>de</strong>m Beitritt Adolf Friedrichs IV. zum Lan<strong>de</strong>sgrundgesetzlichen Erbvergleich von 1755 wur<strong>de</strong>n<br />

auch die Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen zwischen <strong>de</strong>n Höfen in Schwerin und Neustrelitz beigelegt.<br />

Bevor wir in unserem Überblick über die Geschichte von Mecklenburg-Strelitz fortfahren,<br />

seien einige Bemerkungen über »Dörchläuchting« Adolf Friedrich IV. eingeschoben. Fritz Reuter<br />

hat mit seinem Roman erreicht, dass er als einziger <strong>de</strong>r Strelitzer Herren im Bewusstsein <strong>de</strong>r<br />

Bevölkerung geblieben ist. Reuter war aber nicht Historiker, son<strong>de</strong>rn Schriftsteller. Darauf wies<br />

er ausdrücklich in <strong>de</strong>r »Vorred’« zu »Dörchläuchting« hin. Er ließ also seiner Phantasie freien<br />

Lauf sowie seiner Abneigung gegen die Welt <strong>de</strong>r Höfe <strong>de</strong>s Ancien Régime. Die Schrulligkeit <strong>de</strong>s<br />

Herzogs wur<strong>de</strong> so gesteigert, dass er zur Karikatur wur<strong>de</strong>. Dagegen stellte Reuter <strong>de</strong>n Konrektor<br />

Äpinus, <strong>de</strong>m als Bürgerlichen seine Sympathie gehörte. Die humorvolle Darstellung <strong>de</strong>s Geschehens<br />

verschleiert die Ansicht <strong>de</strong>s alten Demokraten Reuter. Der preußische Historiker Heinrich<br />

von Treitschke nahm <strong>de</strong>n Romantitel auf und sprach von <strong>de</strong>n mecklenburgischen Herzögen allgemein<br />

ironisch als »gutmütigen Dörchläuchtings«. Reuters Schil<strong>de</strong>rungen mecklenburgischer<br />

Verhältnisse prägte wegen ihrer Beliebtheit und weiten Verbreitung entschei<strong>de</strong>nd das Bild, das<br />

man sich in Deutschland von Mecklenburg machte, nicht nur das von Adolf Friedrich IV.<br />

Auf noch etwas sei hier hingewiesen: Reuter veröffentlichte »Dörchläuchting« 1866, als er<br />

seit drei Jahren in Eisenach lebte. Mit <strong>de</strong>m Roman brach er die Brücken nach Mecklenburg-<br />

Strelitz ab. Nach <strong>de</strong>m Erscheinen <strong>de</strong>s Buches wäre ein dauerhafter Aufenthalt in <strong>de</strong>m Großherzogtum<br />

unmöglich wor<strong>de</strong>n. Bei <strong>de</strong>r allgemeinen Empfindlichkeit Allerhöchster Herrschaften,<br />

was die Darstellung ihrer Angehörigen betraf, wäre er gesellschaftlich isoliert gewesen.<br />

Doch zurück zum Fortgang <strong>de</strong>r Geschichte: Die mecklenburgischen Herzöge erfuhren seit<br />

Adolf Friedrich IV. eine <strong>de</strong>utliche Aufwertung durch Eheschließungen. Der Herzog selbst blieb<br />

ledig. Doch von seinen Schwestern heiratete Sophie Charlotte König Georg III. von Großbritannien<br />

und Kurfürsten von Hannover. Genau gesagt: Man suchte für <strong>de</strong>n König eine passen<strong>de</strong> Gemahlin,<br />

um die Erbfolge zu sichern. Ein Oberst bekam <strong>de</strong>n Auftrag, sich bei <strong>de</strong>n kleineren <strong>de</strong>utschen<br />

Höfen nach einer passen<strong>de</strong>n Braut umzusehen. Im Mo<strong>de</strong>bad Pyrmont stieß er auf die<br />

Mirower Prinzessin. Für Sophie Charlottes Bru<strong>de</strong>r Karl, <strong>de</strong>n später ersten Großherzog von<br />

Mecklenburg in Strelitz, be<strong>de</strong>utete die Heirat seiner Schwester eine erhebliche Hebung seiner<br />

sozialen Stellung. Vom hannoverschen Hauptmann stieg er zum Generalmajor auf. Auch finanziell<br />

sorgte <strong>de</strong>r englische König für stan<strong>de</strong>sgemäße Ausstattung seiner Schwäger, hielt jedoch<br />

ein Auge auf ihre Ausgaben.<br />

Ihre ältere Schwester Christiane, »Dörchläuchtings« »Christel-Swester«, geriet jedoch in <strong>de</strong>n<br />

Vormundschaftsstreit. Christian Ludwig suchte für seinen Sohn Ludwig eine Gemahlin. Es ging<br />

es um <strong>de</strong>n Fortbestand <strong>de</strong>r Dynastie. Sein Blick fiel auf die Mirower Christiane. Er sah in <strong>de</strong>r<br />

Ehe eine Möglichkeit, die Beziehungen mit <strong>de</strong>n Mirowern zu verbessern. Es kam zu Verhandlungen,<br />

die parallel zu <strong>de</strong>nen über die Vormundschaft liefen. Die Herzogin-Witwe zeigte sich<br />

nach außen nicht abgeneigt, spielte aber auf Zeit. Als sie diese Haltung aber auch nach <strong>de</strong>r Einigung<br />

nicht aufgab, heiratete Ludwig eine Prinzessin von Sachsen-Coburg-Saalfeld. Christiane<br />

fand schließlich ihre gesellschaftliche Stellung als Kanonesse <strong>de</strong>r Reichsabtei Herford. Sie lebte<br />

aber in Neustrelitz.<br />

Zwei <strong>de</strong>r Töchter Karls heirateten wie<strong>de</strong>r königlich. Luise wur<strong>de</strong> die Gemahlin <strong>de</strong>n preußischen<br />

Kronprinzen und späteren Königs Friedrich Wilhelm III. Von elf preußischen Königinnen<br />

ist Luise die einzige, die populär wur<strong>de</strong> und es in einem gewissen Gra<strong>de</strong> geblieben ist. Ihre<br />

Schwester Frie<strong>de</strong>rike heiratete zunächst auch einen preußischen Prinzen und wur<strong>de</strong> dann, nach<br />

einem bewegten Liebesleben, Gemahlin <strong>de</strong>s ersten von Großbritannien unabhängigen Königs<br />

von Hannover. Erwähnt sei auch Karl, <strong>de</strong>r Halbbru<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Schwestern. In <strong>de</strong>n Freiheitskriegen<br />

machte er sich als Führer einer Briga<strong>de</strong> in Blüchers Schlesischer Armee verdient. Karl<br />

wur<strong>de</strong> Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s preußischen Staatsrates. Er beinflußte die Gesetzgebung stark in konserva-<br />

39


tivem Sinne. Der Herzog schrieb auch Fest- und Lustspiele und fand damit Eingang wenigstens<br />

in die mecklenburgische Literaturgeschichte.<br />

Auch die nächste Generation setzte die ehelichen Verbindungen mit königlichen und kaiser -<br />

lichen Familien fort, mit Großbritannien, Dänemark und Russland.<br />

Deutschland fand erst spät zur Form <strong>de</strong>s Nationalstaates. Bis zu seiner Gründung konnte es<br />

nicht als ganzes, son<strong>de</strong>rn nur in seinen Teilen im Konzert <strong>de</strong>r europäischen Mächte mitspielen.<br />

Daher haftet <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Kleinstaaten <strong>de</strong>r Ruch <strong>de</strong>s Rückständigen, Lächerlichen an. Sie blieben<br />

bestehen, weil ihre Nachbarn an ihnen nicht interessiert waren o<strong>de</strong>r sich nicht über sie einigen<br />

konnten. Diese Staaten hatten aber im <strong>de</strong>utschen Umfeld ihre Existenzberechtigung, solange<br />

sie ihre Aufgaben erfüllen konnten: die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten, Rechtssicherheit<br />

zu gewähren und höhere Bildungseinrichtungen zu unterhalten. Die Behebung sozialer<br />

Notlagen sah man im allgemeinen noch nicht als Aufgaben <strong>de</strong>s Staates an. Auch eine planmäßige<br />

Wirtschaftspolitik erwartete man nicht von <strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>sherren. Wenn sie sich darum bemühten,<br />

die Erwerbstätigkeit ihrer Untertanen zu för<strong>de</strong>rn, dachten sie in erster Linie an eine Steigerung<br />

ihrer eigenen Einkommen.<br />

Wenn Adolf Friedrich II. in Mirow Münzen schlagen ließ, bezweckte er dreierlei: einmal seinen<br />

Herrschaftsanspruch und sein Münzrecht zu <strong>de</strong>monstrieren, die Wirtschaft mit Zahlungsmitteln<br />

zu versorgen und schließlich durch die Herstellung von Schei<strong>de</strong>münzen sich Einnahmen<br />

zu verschaffen. Letztlich hatte er aber keinen Erfolg und mußte die Münze einstellen. Seine<br />

Nachfolger betrieben ebenfalls diese Münzpolitik. Sie ließen sogar 5-Taler-Stücke und einen<br />

Dukaten, reine Han<strong>de</strong>ls- und Prestigemünzen, schlagen. Die letzten Münzen <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s waren<br />

1872 nur noch 5-, 2- und 1-Pfennig-Stücke.<br />

Das Schlagen von Münzen war immer mit Risiken verbun<strong>de</strong>n. Daher verfielen viele Lan<strong>de</strong>sherren<br />

darauf, nach <strong>de</strong>m Stein <strong>de</strong>r Weisen suchen zu lassen. Unedle Metalle in Gold verwan<strong>de</strong>ln<br />

zu können, hätte für immer volle Kassen be<strong>de</strong>utet – hätte allerdings auch das Zahlungssystem<br />

ruiniert. Auch Adolf Friedrich II. bemühte sich, vorsichtig, auf diesem Wege seiner Schul<strong>de</strong>n<br />

Herr zu wer<strong>de</strong>n. Da die Alchimie sich in seiner Zeit langsam zur Chemie entwickelte, hatte er<br />

schließlich doch einen Gewinn. Den Holzreichtum <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s Stargard hatte er bislang nur<br />

durch Verkauf <strong>de</strong>r Stämme genutzt sowie um Teer und Holzkohle herzustellen. Die Beschäftigung<br />

mit <strong>de</strong>r Literatur führte ihn dazu, Holz zu Pottasche verarbeiten zu lassen. Diese war ohne<br />

größere Kenntnisse auch von Bauern herzustellen. Pottasche fand vielfache Verwendung und<br />

war daher stark nachgefragt. Sie diente zur Herstellung von Seifen. Damit hatte sie auch Be<strong>de</strong>utung<br />

für die Textilmanufaktur. Sie war als Düngemittel in <strong>de</strong>r Landwirtschaft einsetzbar. Da <strong>de</strong>r<br />

Rin<strong>de</strong>rbestand in <strong>de</strong>r frühen Neuzeit zurückgegangen war, war Mist knapp gewor<strong>de</strong>n. Weiterhin<br />

war Pottasche ein Grundstoff für die Herstellung von Schwarzpulver und von Glas. Schließlich<br />

wur<strong>de</strong> durch die Rodung von Waldstücken neues Ackerland gewonnen.<br />

So geschah es auch im Land Stargard: Neben Pottasche wur<strong>de</strong> grünes Glas und Schwarz pulver<br />

hergestellt. Abgeholzte Flächen führten zu Schafzucht. Um die Wolle zu Tuchen verarbeiten zu<br />

können, ließ <strong>de</strong>r Herzog eine Walkmühle und eine Färberei errichten. Er för<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>n Obst -<br />

anbau und legte Tabakskulturen an. Die Manufakturen wur<strong>de</strong>n jedoch vielfach unter Adolf<br />

Friedrich III. wie<strong>de</strong>r aufgegeben.<br />

Während Adolf Friedrich II. die Bevölkerungszahl durch die Ansetzung von Bauern zu heben<br />

suchte, kam es unter seinem Sohn dazu, diese an manchen Orten zu legen o<strong>de</strong>r umzusetzen.<br />

Adolf Friedrischs III. Ziel war es, die Gemengelage auf <strong>de</strong>m Land zu beseitigen. Im Gegensatz<br />

zum Fürstentum Ratzeburg waren die Bauern im Land Stargard leibeigen. Adolf Friedrich IV.<br />

kaufte weiter Güter für das Domanium an, um seinen Besitz abzurun<strong>de</strong>n. Weiterhin versuchte<br />

er, <strong>de</strong>m zu stark genutzten Wald wie<strong>de</strong>r aufzuhelfen.<br />

40


Der Herzog bemühte sich um die Hebung <strong>de</strong>r Volksbildung. Lateinschulen gab es schon in<br />

Friedland und Neubran<strong>de</strong>nburg. – Fritz Reuter hat bekanntlich die Gelehrtenschule in Friedland<br />

besucht. – Das Gymnasium Carolinum in Neustrelitz wur<strong>de</strong> erst 1811 gegrün<strong>de</strong>t. Er<br />

verbesserte die Lage <strong>de</strong>r Lehrer im Domanium; auf die ritterschaftlichen Schulen hatte er<br />

keinen Einfluss. Auch seine Nachfolger sahen in <strong>de</strong>r Verbesserung <strong>de</strong>s Schulwesens eine Auf -<br />

gabe. Großherzog Georg richtete 1816 in Mirow ein Landschullehrerseminar ein. Herzog Karl,<br />

<strong>de</strong>r erste Strelitzer Großherzog, führte die Regelung <strong>de</strong>r Agrarverhältnisse seines Bru<strong>de</strong>rs fort.<br />

Er erließ <strong>de</strong>n Bauern die Dienste und verkaufte ihnen das Inventar <strong>de</strong>r Höfe. Die Gemengelage<br />

wur<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>r Verkoppelung beseitigt. Die Leibeigenschaft wur<strong>de</strong> aber in ganz Mecklenburg<br />

erst 1820 aufgehoben. Der Herzog mo<strong>de</strong>rnisierte die Verwaltung und das öffentliche Sicherheitwesen.<br />

Die Rangerhöhung Herzog Karls ver<strong>de</strong>ckte, dass Strelitz im Deutschen Bund zu <strong>de</strong>n Staaten<br />

gehörte, die zu klein waren, um all <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen, die man an sie stellte, gerecht zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Bun<strong>de</strong>sakte for<strong>de</strong>rte für Staaten, die keine 300.000 Einwohner hatten, sich mit an<strong>de</strong>ren<br />

zu verständigen, um zusammen ein Gericht <strong>de</strong>r dritten Instanz zu errichten. Strelitz grün<strong>de</strong>te<br />

daher zusammen mit Schwerin gemeinsam ein Oberappellationsgericht in Parchim, das später<br />

nach Rostock verlegt wur<strong>de</strong>. Ab 300.000 Einwohnern war 1815 offensichtlich ein Staat erst in<br />

<strong>de</strong>r Lage, eine Universität zu unterhalten. Strelitz gehörte damit zu <strong>de</strong>n Kleinstaaten, die ihre<br />

Aka<strong>de</strong>miker an auswärtigen Universitäten auf Kosten an<strong>de</strong>rer Län<strong>de</strong>r ausbil<strong>de</strong>n ließen.<br />

Hatten die Herzöge bislang ein gutes Verhältnis zu Preußen gesucht, weil dies ihnen Sicherheit<br />

bot, so än<strong>de</strong>rte sich das unter <strong>de</strong>n Großherzögen Georg und Friedrich Wilhelm. Im Deutschen<br />

Bund brauchten sie keine gewaltsamen Übergriffe mehr zu befürchten. Sie lehnten alle<br />

iberal-<strong>de</strong>mokratischen Strömungen entschie<strong>de</strong>n ab. Je mehr Preußen sich Verän<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s<br />

politischen Lebens zuneigte, <strong>de</strong>sto mehr zog man sich in Strelitz von ihm zurück.<br />

Die Verfassungsdiskussion in <strong>de</strong>n Jahren 1848/49 wur<strong>de</strong> durch die Union <strong>de</strong>r Stän<strong>de</strong> erschwert.<br />

Eine gemeinsame Verfassung für bei<strong>de</strong> Großherzogtümer bei Aufhebung <strong>de</strong>r Stän<strong>de</strong><br />

hätte Strelitz mediatisiert. Großherzog Georg, <strong>de</strong>m die Vorgänge ohnehin nicht passten, stellte<br />

sich <strong>de</strong>r Entwicklung entgegen. Als Großherzog Friedrich Franz II. für Schwerin das neue<br />

Staatsgrundgesetz in Kraft setzte und die Stän<strong>de</strong> aufhob, erhob Georg Einspruch. Es kam zu einem<br />

Schiedsgerichtsverfahren, das Georg Recht gab. Die Stän<strong>de</strong> wur<strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>r in ihre Rechte<br />

eingesetzt. Der Lan<strong>de</strong>sgrundgesetzliche Erbvergleich wur<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>r Verfassungsrecht. Georg hat<br />

mit seinem Vorgehen Mecklenburg für mehr als ein halbes Jahrhun<strong>de</strong>rt in Deutschland <strong>de</strong>r<br />

Lächerlichkeit preisgegeben.<br />

Georg pflegte zu Preußen keine engen Beziehungen mehr. Auch von <strong>de</strong>n Schwerinern hielt er<br />

sich fern, zumal diese sich Preußen näherten. Georgs Sohn Friedrich Wilhelm setzte diese Politik<br />

fort. Er war außeror<strong>de</strong>ntlich sparsam. Durch geschickte Börsenspekulationen gelang es ihm,<br />

nicht nur die Lan<strong>de</strong>sschul<strong>de</strong>n zu tilgen, son<strong>de</strong>rn ein erhebliches Vermögen aufzubauen. Nutzte<br />

er hier die Möglichkeiten einer neuen Zeit, so lehnte er bei allen an<strong>de</strong>ren Dingen Verän<strong>de</strong>rungen<br />

ab. Seine Ablehnung Preußens wuchs seit 1866. Hannoversche Beamte und Offiziere, die<br />

nicht unter Preußen dienen wollten, fan<strong>de</strong>n in Neustrelitz eine Zuflucht. Bismarck sah darin einen<br />

unfreundlichen Akt. In Berlin wur<strong>de</strong> daher 1870 die Besetzung <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s ernsthaft erwogen,<br />

als Friedrich Wilhelm zögerte, sich am Krieg gegen Frankreich zu beteiligen. Nur wi<strong>de</strong>rwillig<br />

sah sich <strong>de</strong>r Großherzog im Deutschen Reich.<br />

Vieles, was in <strong>de</strong>n letzten Jahrzehnten an Mo<strong>de</strong>rnisierung in Mecklenburg-Strelitz unterblieben<br />

war, wur<strong>de</strong> durch das Deutsche Reich nachgeholt. Den <strong>de</strong>utschen Fürsten blieb dabei nur<br />

ein Anschein <strong>de</strong>r Souveränität, die sie aufgrund <strong>de</strong>r Verfassung besaßen. Adolf Friedrich V. und<br />

VI., Sohn und Enkel Friedrich Wilhelms, sahen sich aber als Glie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s neuen Deutschen<br />

Reichs und waren preußische Offiziere.<br />

41


Mit <strong>de</strong>m in seinen Beweggrün<strong>de</strong>n nur zu vermuten<strong>de</strong>n Freitod Adolf Friedrichs VI. 1918 begann<br />

das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>slan<strong>de</strong>s Mecklenburg-Strelitz. Großerzog Friedrich Franz IV. in<br />

Schwerin sah sich aufgrund <strong>de</strong>r Hausverträge als Erbe und eine Vereinigung bei<strong>de</strong>r Mecklenburg<br />

stand bevor. Dagegen erhob sich Wi<strong>de</strong>rstand im Lan<strong>de</strong>. Friedrich Franz wollte während<br />

<strong>de</strong>s Krieges Unruhen vermei<strong>de</strong>n. Daher schob er eine endgültige Anglie<strong>de</strong>rung hinaus und trat<br />

in Strelitz nur als Lan<strong>de</strong>sverweser auf. Als solcher verzichtete er auch für Mecklenburg-Strelitz<br />

für sich und sein Haus auf <strong>de</strong>n �ron.<br />

Nunmehr setzte man im Land alles daran, durch vollen<strong>de</strong>te Tatsachen eine Vereinigung mit<br />

Schwerin zu verhin<strong>de</strong>rn. Noch im Dezember 1918 wur<strong>de</strong> eine verfassunggeben<strong>de</strong> Versammlung<br />

gewählt. Bereits am 29. Januar 1919 verabschie<strong>de</strong>te sie ein Lan<strong>de</strong>sgrundgesetz. Dieses war die<br />

erste Verfassung, die sich ein <strong>de</strong>utsches Land nach 1918 gab. Die Weimarer Nationalversammlung<br />

trat erst im Februar zusammen. Diese konnte daher die Strelitzer Verfassung nicht mehr<br />

beeinflussen o<strong>de</strong>r außer Kraft setzen. Vielmehr schützte die Weimarer Verfassung <strong>de</strong>n Bestand<br />

<strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s. Das Bemühen um eine Reichsreform war an dieser Stelle bereits gescheitert, ehe<br />

man in dieser Frage gesetzgebend tätig wer<strong>de</strong>n konnte.<br />

Die politische Lage im Lan<strong>de</strong> war instabil. Man verbrauchte in <strong>de</strong>n Jahren von 1918 bis 1933<br />

nicht weniger als sechzehn Lan<strong>de</strong>sregierungen. 1919 umfaßte das Ministerium neben <strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong>shauptmann<br />

sechs Lan<strong>de</strong>sräte. Nach diesem parlamentarischen Überschwang begnügte man<br />

sich seit 1920 nur noch mit zwei Ministern. Seit 1928 gab es nur noch einen Staatsminister, <strong>de</strong>m<br />

Parlamentarische Staatsräte an die Seite gestellt waren. Der Freistaat Mecklenburg-Strelitz war<br />

als Land <strong>de</strong>s Deutschen Reiches schlicht überfor<strong>de</strong>rt von <strong>de</strong>n Aufgaben, die an ihn gestellt wur<strong>de</strong>n.<br />

Das Land Ratzeburg strebte von Strelitz fort. Schließlich erwog man 1930 in Neustrelitz<br />

selbst, sich Preußen anzuschließen. Ohne Reichshilfe bei <strong>de</strong>r Übernahme <strong>de</strong>r Schul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s<br />

zeigte Preußen aber kein Interesse. Auch <strong>de</strong>r Schweriner Finanzminister lehnte eine Zusammenarbeit<br />

mit Strelitz ab.<br />

Die Nationalsozialisten for<strong>de</strong>rten – wie an<strong>de</strong>re Parteien auch – eine Neuglie<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Reiches.<br />

Als sie an die Macht kamen, war die Vereinigung bei<strong>de</strong>r Mecklenburg für sie offenbar eine<br />

Prestigeangelegenheit. Sie wollten so schnell wie möglich auf diesem Gebiet einen Erfolg vorweisen.<br />

Bereits am 27. März 1933 fan<strong>de</strong>n Gespräche über die Neuglie<strong>de</strong>rung Mecklenburgs<br />

statt. In Strelitz gab es trotz <strong>de</strong>r katastrophalen Lage <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rstand gegen diesen Plan,<br />

selbst unter Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r NSDAP. Dieser wur<strong>de</strong> durch <strong>de</strong>n Reichsstatthalter und Gauleiter<br />

Friedrich Hil<strong>de</strong>brandt unterdrückt. Am 13. Oktober 1933 traten die bei<strong>de</strong>n Landtage im Rostocker<br />

Rathaus zu getrennten Sitzungen zusammen und beschlossen die Vereinigung zum 1.<br />

Januar 1934. Aus <strong>de</strong>m Land Ratzeburg wur<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m Kreis Grevesmühlen <strong>de</strong>r Kreis Schönberg.<br />

Die Kreise Stargard und Strelitz wur<strong>de</strong>n zum Kreis Strelitz vereinigt. Mecklenburg-Strelitz<br />

war, wie bereits Bismarck 1870 ironisch drohte, wenn nicht zu einem preußischen, so doch zu<br />

einem Landkreis gewor<strong>de</strong>n.<br />

Ein selbständiges Land Mecklenburg-Strelitz hatte sich nach mehr als zweihun<strong>de</strong>rt Jahren<br />

überlebt. Hätten nicht die Nationalsozialisten ihm sein En<strong>de</strong> bereitet, so wäre es 1945 die Sowjetische<br />

Militäradministration gewesen. Die Zeit ist über Mecklenburg-Strelitz hinweggegangen,<br />

nicht aber über seine Geschichte und Kultur und über die Dichtung, die hier entstand und<br />

die hier ihren Stoff fand.<br />

42<br />

Helge Bei <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>n


Biographie<br />

Helge Bei <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>n, geboren 1934 in<br />

Eitorf/Sieg, 1944-1953 Besuch <strong>de</strong>r Großen<br />

Stadtschule in Rostock, Abitur. Bis 1960<br />

Studium <strong>de</strong>r Geschichte, Deutschen und<br />

Skandinavischen Philologie, Philosophie und<br />

<strong>de</strong>r Ur- und Frühgeschichte an <strong>de</strong>n Universitäten<br />

Rostock, Göttingen und Freiburg/Br.<br />

Promotion und erstes Staatsexamen in Göttingen.<br />

Bis 1996 im Schuldienst an Gymnasien<br />

in Cuxhaven und Bückeburg, zuletzt<br />

Oberstudienrat. 1977-2000 Herausgeber <strong>de</strong>r<br />

»Schriften zur mecklenburgischen Geschichte,<br />

Kultur und Lan<strong>de</strong>skun<strong>de</strong>«. 1984 Wie<strong>de</strong>rbelebung<br />

<strong>de</strong>s Vereins für mecklenburgische<br />

Geschichte und Altertumskun<strong>de</strong> und 1985<br />

<strong>de</strong>r »Mecklenburgischen Jahrbücher«. Gründungsmitglied<br />

und 1990-2002 Vorsitzen<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r Historischen Kommission für Mecklenburg.<br />

Mitglied <strong>de</strong>r Fritz Reuter Gesellschaft<br />

seit 1979.<br />

* Vortrag, gehalten auf <strong>de</strong>r Jahrestagung <strong>de</strong>r Fritz Reuter Gesellschaft am 17. April <strong>2008</strong> in <strong>de</strong>r Aula <strong>de</strong>s Gymnasiums<br />

Carolinum in Neustreliz. Eine ausführliche Fassung mit <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Nachweisen erscheint in <strong>de</strong>n Beiträgen<br />

<strong>de</strong>r Fritz Reuter Gesellschaft. Bd. 19. Rostock 2009.<br />

43


Erhard Kunkel<br />

Erinnern ist Wie<strong>de</strong>rfin<strong>de</strong>n<br />

Ich hatte immer Scheu, an meinen Geburtsort in Polen zurückzukehren. Als ich ihn dann nach<br />

über fünfzig Jahren aufsuchte, fand ich die Erinnerungen an meine früheste Kindheit wie<strong>de</strong>r,<br />

und ich entschloss mich, sie aufzuschreiben, um sie für mich zu vergegenwärtigen. Aber beim<br />

Schreiben stan<strong>de</strong>n mir meine heutigen Erkenntnisse um historische Zusammenhänge im Weg,<br />

die das unbelastete Erleben eines Kin<strong>de</strong>s verfälschen. Zu dieser Zeit kam mir ein Zufall zu Hilfe.<br />

Ich hörte ein Interwiev mit Siegfried Lenz, <strong>de</strong>r im Zusammenhang mit seinem Roman ›Heimatmuseum‹<br />

über diese Problematik sprach, er sagte sinngemäß:<br />

»Spreche ich über meine Erinnerungen, so gibt es zwei Erzähler – ich, <strong>de</strong>r die Geschichte erlebt<br />

hat, und ich, <strong>de</strong>r heute mehr um die ›Geschichte‹ <strong>de</strong>r Geschichte weiß. Ich darf die Erfahrung<br />

meiner Unerfahrung nicht stören, um ihr nicht ihre Wahrheit zu nehmen.«<br />

Diese Gedanken halfen mir, die Erlebnisse meiner frühen Kindheit aufzuschreiben, und<br />

ihnen ihre kindliche Naivität zu erhalten. Ich nannte sie: Vertreibung aus <strong>de</strong>m Paradies.<br />

Hineingeboren wur<strong>de</strong> ich in ein Paradies, in ein kleines Dorf im Posener Land, umgeben von<br />

Fel<strong>de</strong>rn und Wäl<strong>de</strong>rn, versteckt irgendwo zwischen <strong>de</strong>n Flüssen Netze und Warthe, es hieß<br />

Deutschro<strong>de</strong>. In diesem Dorf lagen <strong>de</strong>utsche und polnische Höfe eng beieinan<strong>de</strong>r, die Menschen<br />

waren sich freundlich und je<strong>de</strong>r Hof hatte ein Storchennest. Wenn ich über <strong>de</strong>n großen<br />

See sah, <strong>de</strong>r hinter <strong>de</strong>m Dorf lag, dachte ich, hier beginnt das Paradies.<br />

Mein Vater sagte: »Wenn es ein Paradies gibt, dann leben wir darin. Aber ein Paradies hat<br />

auch einen großen Nachteil, weil man irgendwann daraus vertrieben wer<strong>de</strong>n kann.«<br />

Vertrieben? Durch wen, dachte ich. Aber dann dachte ich auch wie<strong>de</strong>r, das Eigenartige an<br />

unserem Paradies ist, dass hier in zwei Sprachen gesprochen wird, in Deutsch und in Polnisch,<br />

das verstand ich nicht, aber es gefiel mir, auf <strong>de</strong>r Straße polnisch zu sprechen.<br />

Woran ich mich am weitesten zurückerinnern kann, ist an meine erste Reise in eine große<br />

Stadt.<br />

Eines Tages sagte mein Vater: »Morgen beginnt <strong>de</strong>r <strong>Sommer</strong>. Morgen fahren wir zum großen<br />

Fest <strong>de</strong>r Sonne nach Bromberg.«<br />

Am frühen Morgen ging es los.<br />

Das ›Sonnenfest‹ war ein großer Jahrmarkt. Ich sah wie Zigeuner auf Seilen tanzten, o<strong>de</strong>r auf<br />

<strong>de</strong>m Rücken <strong>de</strong>r galoppieren<strong>de</strong>n Pfer<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>m Kopf stan<strong>de</strong>n. Es gab Feuerschlucker und<br />

Messerfresser.<br />

Und ich sah in einem Mäusezirkus viele Mäuse, die auf einer riesengroßen Trommel tanzten.<br />

Alles war sehr lustig.<br />

Aber dann gab es auch noch eine traurige Geschichte von einem guten Kasper und einem<br />

bitterbösen Teufel. Der gute Kasper kämpfte gegen <strong>de</strong>n Teufel. Aber weil ein Engel <strong>de</strong>m Kasper<br />

half, ging die Geschichte doch noch gut aus, darüber war ich sehr froh und ich musste nicht<br />

weinen. Es war ja auch kein richtiger Teufel und auch kein richtiger Engel, alles waren Puppen,<br />

44


auch <strong>de</strong>r Kasper. Ich habe es <strong>de</strong>utlich gesehen, <strong>de</strong>nn alle Figuren wur<strong>de</strong>n an Schnüren gezogen,<br />

aber alles wirkte wie echt.<br />

Es war ein sehr schöner Junitag, aber dafür gab es gleich im September viel Aufregung, <strong>de</strong>nn<br />

eines Tages packte meine Mutter Decken und Kissen zusammen, etwas zu Essen und zu<br />

Trinken, und ich dachte, es geht wie<strong>de</strong>r auf eine große Reise, aber es ging nur in die Rübenfel<strong>de</strong>r<br />

hinter unserer Scheune, wo wir übernachteten. Mein Vater trug das Gepäck, meine Mutter<br />

hatte mein wenige Monate altes Schwesterchen in ein Kissenbün<strong>de</strong>l gepackt auf ihrem Arm. Ich<br />

aber stolperte Vater und Mutter singend voran, und begriff nicht, warum mein Vater mir energisch<br />

zurief: »Sei still, Bengel!« Ich reagierte sofort, <strong>de</strong>nn die Anre<strong>de</strong> ›Bengel‹ benutzten meine<br />

Eltern immer nur in einer sehr ernsten Situation. Ich verstand sofort, das gehört zu <strong>de</strong>m Abenteuer<br />

genauso wie die geheimnisvolle Dunkelheit, in die wir gingen. Also schwieg ich, aber ging<br />

immer noch mutig voran.<br />

»Warum schlafen wir nicht zu Hause?«<br />

»Es ist Krieg«, sagte mein Vater. »Seit sechs Tagen sind die Polen unsere Fein<strong>de</strong>.«<br />

»Auch Edmund und Janina?«<br />

Mein Vater antwortete mir nicht. Er sah mich nur an. Ich sagte: »Deshalb müssen wir uns vor<br />

ihnen in <strong>de</strong>n Rübenfel<strong>de</strong>rn verstecken. Vor Edmund und Janina und Onkel Karel und Tante<br />

Janka?«<br />

»Nein, nicht vor Tante Janka und nicht vor Onkel Karel.«<br />

»Und was ist mit <strong>de</strong>n polnischen Störchen?«<br />

Darauf antwortete mein Vater auch nicht. Nur meine Mutter sagte: »Störche sind eben Störche.<br />

Die haben damit nichts zu tun«.<br />

Na ja, dachte ich, wenn die Störche damit nichts zu tun haben, dann kann es so schlimm<br />

nicht sein.<br />

Nach vier abenteuerlichen Nächten in <strong>de</strong>n Rübenfel<strong>de</strong>rn kamen <strong>de</strong>utsche Soldaten ins Dorf<br />

und die verdarben mir alles, <strong>de</strong>nn jetzt musste ich wie<strong>de</strong>r in meinem Bett schlafen und brauchte<br />

mich nicht mehr vor meinen Fein<strong>de</strong>n verstecken.<br />

Die <strong>de</strong>utschen Soldaten bekamen Blumen geschenkt, aber ich wusste nicht wofür.<br />

Alles war durcheinan<strong>de</strong>r. Wo waren meine polnischen Freun<strong>de</strong>. Mussten die sich jetzt auch<br />

in <strong>de</strong>n Rübenfel<strong>de</strong>rn verstecken? Es wur<strong>de</strong> langweilig im Dorf. Ich konnte nicht einmal richtig<br />

spielen.<br />

Ich ging zum Babiniec, zu <strong>de</strong>m kleinen See, in <strong>de</strong>m wir im <strong>Sommer</strong> immer ba<strong>de</strong>ten und im<br />

Winter auf ihm schlid<strong>de</strong>rten o<strong>de</strong>r Piekschlitten fuhren.<br />

Dort sah ich an <strong>de</strong>r Wegkreuzung eine Menschenansammlung. Endlich war wie<strong>de</strong>r etwas los,<br />

und ich erlebte eine Geschichte, die ich schon in einem dicken Buch als Bild gesehen hatte. Ein<br />

Mann trug ein großes schweres Kreuz auf seinen Schultern. Meine Mutter erzählte mir oft<br />

Märchen aus diesem dicken Buch, die gefielen mir immer gut, aber das Märchen vom Christus<br />

mit <strong>de</strong>m Kreuz hatte ich nie so richtig verstan<strong>de</strong>n.<br />

45


Jetzt sah ich Josua aus <strong>de</strong>m Unterdorf am großen Holzkreuz stehen. Ein Soldat gab ihm eine<br />

Axt und befahl ihm, das Christuskreuz umzuhacken wie einen Baum, und es auf seinen Schultern<br />

die Straße entlangzuschleppen.<br />

Ich wollte ihm helfen, aber ein Soldat stieß mich zurück, die Soldaten lachten über mich und<br />

beschimpften Josua und stießen ihn, damit er schneller das Kreuz tragen sollte.<br />

Vor <strong>de</strong>m Gasthaus brach er zusammen und dort blieb das Kreuz liegen, viele Tage. Später<br />

warf man es im Gasthaus an die Seite <strong>de</strong>s großen Tanzsaales, dort lag es, solange ich mich er -<br />

innern kann. Wenn Feste waren, haben wir Kin<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m Stamm <strong>de</strong>s Kreuzes beson<strong>de</strong>rs gern<br />

gesessen. Josua aber haben wir seit diesem Tag nicht wie<strong>de</strong>r gesehen.<br />

»Christus gibt es wirklich, er ist Josua aus <strong>de</strong>m Unterdorf, aber er ist nicht am Kreuz gestorben,<br />

vielleicht wird er wie<strong>de</strong>r zurückgekommen. Ist Josua schon immer Christus gewesen?«,<br />

fragte ich meine Mutter. »Du bringst alles durcheinan<strong>de</strong>r«, sagte sie, »Josua ist nicht Christus, er<br />

ist ein Pole und er ist ein Jid«, und ich merkte, sie wollte darüber mit mir nicht sprechen. Aber<br />

mir kam es vor, als wür<strong>de</strong> unser kleines Dorf eine beson<strong>de</strong>re Rolle spielen in <strong>de</strong>r Welt, wie ich es<br />

schon in <strong>de</strong>m dicken Buch gesehen hatte. Das machte mich stolz.<br />

Am nächsten Tag waren die Soldaten wie<strong>de</strong>r weg, dann dauerte es nicht lange, da wur<strong>de</strong><br />

mein Vater auch Soldat. Als er fortging, hat meine Mutter sehr geweint. Mir gefiel seine schöne<br />

Uniform, jetzt sah er aus wie die Soldaten, die in unser Dorf gekommen waren und wie die, die<br />

Josua zwangen, das Kreuz zu tragen. Aber wo waren meine Freun<strong>de</strong> Janek und Stephan und die<br />

an<strong>de</strong>ren, mit <strong>de</strong>nen ich immer zum Angeln ging. Wir spielten nicht mehr ›Ziegenhüten‹ o<strong>de</strong>r<br />

›Himmel und Hölle‹ o<strong>de</strong>r ›Wer hat Angst vor <strong>de</strong>m schwarzen Mann?‹ War ich dieser ›schwarze<br />

Mann‹, hatten sie Angst vor mir und warum?<br />

Meine Erinnerungen beginnen im <strong>Sommer</strong> 1939 und en<strong>de</strong>n im Herbst 1945, als wir unsere<br />

polnische Heimat verlassen mussten und über eine zerstörte O<strong>de</strong>rbrücke nach Deutschland<br />

gingen.<br />

46


Sechstes Heft erschienen<br />

In <strong>de</strong>r Neuen Schriftenreihe <strong>de</strong>s Karbe-Wagner-Archivs, in <strong>de</strong>r seit 2003 jährlich ein Heft publiziert<br />

wird, sind auch in diesem Jahr – pünktlich zur Verleihung <strong>de</strong>s Annalise-Wagner-Preises –<br />

eine Reihe interessanter Aufsätze im nun schon sechsten Heft erschienen.<br />

Wenn auch <strong>de</strong>r Abdruck <strong>de</strong>s »Topographischen Versuchs <strong>de</strong>r Resi<strong>de</strong>nzstadt Neustrelitz« von<br />

Carl Albert Christoph Heinrich von Kamptz, <strong>de</strong>r erstmals 1792 veröffentlicht wur<strong>de</strong>, im 275.<br />

Gründungsjubiläum unserer Heimatstadt einen Schwerpunkt <strong>de</strong>s Heftes bil<strong>de</strong>t, so beleuchten<br />

neun weitere Aufsätze verschie<strong>de</strong>ne �emen, die mit <strong>de</strong>r Mecklenburg-Strelitzer Geschichte im<br />

Zusammenhang stehen.<br />

Zwei Autoren gehen auf die Gründungs- bzw. Baugeschichte <strong>de</strong>s Carolinenstifts ein.<br />

In einem Beitrag wird ein Irrtum berichtigt, <strong>de</strong>r sich seit Jahrzehnten in <strong>de</strong>r überlieferten<br />

Baugeschichte <strong>de</strong>r Rödliner Kirche festgesetzt hat.<br />

In Erinnerung an <strong>de</strong>n 9. November 1938 ist ein Aufsatz <strong>de</strong>r jüdischen Gemein<strong>de</strong> und ihrem<br />

Friedhof in Altstrelitz gewidmet.<br />

Weiterhin wer<strong>de</strong>n Adolf Glaßbrenners Korrespon<strong>de</strong>nzen aus Neustrelitz zwischen <strong>de</strong>n Jahren<br />

1840 und 1850 beleuchtet.<br />

Walter Karbes Verdienste bei <strong>de</strong>r Schaffung eines Strelitzer Naturschutzgesetzes wer<strong>de</strong>n in<br />

einem Aufsatz dargestellt, ein an<strong>de</strong>rer Beitrag schil<strong>de</strong>rt Walter Karbes Geburtsort Trechwitz aus<br />

heutiger Sicht.<br />

Ein Beitrag erinnert an die vor 15 Jahren verstorbene bekannte Kirchenfrau Jutta von Dewitz,<br />

und zum Abschluss wird an <strong>de</strong>n 2007 verstorbenen Forstmann Walter Hackert erinnert.<br />

Wie auch in <strong>de</strong>n vorigen Heften können die Re<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Laureaten <strong>de</strong>s Annalise-Wagner-<br />

Preises von 2007 nachgelesen wer<strong>de</strong>n, und zuletzt wer<strong>de</strong>n die Neuzugänge <strong>de</strong>s KWA vorgestellt,<br />

die durch Schenkungen an das Archiv kamen.<br />

Wir hoffen, dass dieses 6. Heft aus <strong>de</strong>m KWA mit einer bunten Mischung historischer Beiträge<br />

ebenso viele interessierte Leser fin<strong>de</strong>t wie seine Vorgänger.<br />

Es ist in <strong>de</strong>r Neustrelitzer Buchhandlung Wilke o<strong>de</strong>r direkt im KWA (Tel./Fax: 03981/<br />

20 04 89 o<strong>de</strong>r per e-mail: kwa@neustrelitz.<strong>de</strong>) für 10 Euro erhältlich.<br />

47


Literarisches<br />

Daniel-San<strong>de</strong>rs-Sprachpreis <strong>2008</strong><br />

Frau Dr. Schroe<strong>de</strong>r, Lehrerin für Deutsch und Französisch am Gymnasium Carolinum, ist Mitglied<br />

<strong>de</strong>r Jury und hatte in diesem Jahr die Ehre, die Laudatio für diesen Sprachpreis zu halten. In<br />

Auszügen wird diese hier abgedruckt.<br />

Liebe Bewerber um <strong>de</strong>n Daniel-San<strong>de</strong>rs-Sprachpreis, sehr verehrte Damen und Herren, Herr<br />

Bürgermeister, liebe Eltern,<br />

Normalerweise ist ein To<strong>de</strong>stag Anlass zur Trauer. Wenn wir uns aber heute hier zu Ehren<br />

<strong>de</strong>s 111. To<strong>de</strong>stages von Daniel San<strong>de</strong>rs versammelt haben, ist das im Gegenteil ein Anlass zur<br />

Freu<strong>de</strong>.<br />

Denn es war ja Daniel San<strong>de</strong>rs bekanntlich ein beson<strong>de</strong>res Anliegen, die sprachliche Ausdrucksfähigkeit<br />

junger Leute zu för<strong>de</strong>rn. Könnte er heute hier bei uns sein, wäre er sicherlich,<br />

gera<strong>de</strong> ob <strong>de</strong>r so häufig beklagten Sprachschlamperei <strong>de</strong>r Jugend <strong>de</strong>s 21. Jahrhun<strong>de</strong>rts – und<br />

nicht nur <strong>de</strong>r Jugend – erfreut über alle vorliegen<strong>de</strong>n Einsendungen.<br />

Das �ema, zu <strong>de</strong>m in diesem Jahr gearbeitet wer<strong>de</strong>n sollte, lautete »Begegnung mit <strong>de</strong>m<br />

Frem<strong>de</strong>n«. Der, die o<strong>de</strong>r auch das Frem<strong>de</strong> ist, um mit �eodor Fontane o<strong>de</strong>r Günter Grass zu<br />

sprechen, ein »weites Feld« das unzählige Assoziationen zulässt und ein großes Spektrum von<br />

Schreibanlässen bietet. Dementsprechend vielfältig sind die eingegangenen Arbeiten ausgefallen.<br />

Sie sind alle interessant, informativ und ihrem jeweiligen Anliegen entsprechend nach<strong>de</strong>nklich,<br />

witzig o<strong>de</strong>r auch wütend und vor allem, trotz kleinerer Mängel, die in allen Arbeiten enthalten<br />

sind, sprachlich durchaus überzeugend, was uns als Jury vor eine regelrechte Qual <strong>de</strong>r<br />

Wahl gestellt hat.<br />

Es sind insgesamt neun Texte eingereicht wor<strong>de</strong>n; drei aus <strong>de</strong>m Bereich <strong>de</strong>r Regionalschule/<br />

Ge samt schule und sechs aus <strong>de</strong>m Bereich Gymnasium Klasse 11-13. In <strong>de</strong>r Kategorie Gymnasium<br />

Klasse 8-10 hat in diesem Jahr kein Schüler teilgenommen.<br />

Insgesamt zeichnet sich hier im Vergleich mit <strong>de</strong>n Vorjahren eine positive Entwicklung ab;<br />

und zwar nicht nur in quantitativer, son<strong>de</strong>rn auch in qualitativer Hinsicht, wie die eingereichten<br />

Arbeiten, die nun kurz vorgestellt wer<strong>de</strong>n sollen, belegen.<br />

(…) Im Bereich <strong>de</strong>r gymnasialen Oberstufe ist uns die Entscheidung nicht leicht gefallen.<br />

Hier hat sich die Jury sogar neben <strong>de</strong>m üblichen ersten (und eigentlich einzigen) Preis für einen<br />

zusätzlichen Son<strong>de</strong>rpreis entschie<strong>de</strong>n. Aber <strong>de</strong>r Reihe nach:<br />

Der 1. Beitrag stammt von Julia Heineking aus <strong>de</strong>r 12. Klasse <strong>de</strong>s Gymnasiums Carolinum.<br />

Sie beschreibt ganz emotional ihren Rückblick auf ihr »unglaublich schönes« Austauschjahr in<br />

Brasilien, wo für sie das Frem<strong>de</strong> zum Vertrauten gewor<strong>de</strong>n ist.<br />

48


Ganz an<strong>de</strong>rs, aber ebenso »lebensnah«, erzählt Danny Oestreich, Abiturient am Gymnasium<br />

Carolinum, von seiner »ganz persönlichen Mondlandung«; einer Odyssee durch die Schulen <strong>de</strong>s<br />

Landkreises und von seiner Überzeugung, dass »die Hoffnung zuletzt stirbt und man alles<br />

schaffen kann, wenn man die Hoffnung nicht aufgibt«.<br />

Olaf Peters, ebenfalls Abiturient am Carolinum, hat eine »schriftlich festgehaltene Re<strong>de</strong> an<br />

Schüler, die in Erwägung ziehen als Austauschschüler ins Ausland zu gehen« eingesandt. Olaf<br />

war selber als Austauschschüler in Südamerika, wo er ebenso wie Nicole und Julia die Erfahrung<br />

gemacht hat, wie das zunächst Frem<strong>de</strong> zum Vertrauten wird.<br />

Auch Henrike Reinckes Essay liegt eine Auslandserfahrung als Beweggrund, über das Frem<strong>de</strong><br />

an sich nachzu<strong>de</strong>nken, zu Grun<strong>de</strong>. Henrike, auch sie ist Abiturientin am Carolinum, hat bei <strong>de</strong>r<br />

Einreise nach Israel das Gefühl von Misstrauen und Fremd-Sein am eigenen Leib erlebt.<br />

Es fällt auf, dass die meisten Teilnehmer das »Frem<strong>de</strong>« tatsächlich auch in <strong>de</strong>r Frem<strong>de</strong> erlebt<br />

haben. Maxim Menschenins »Offener Brief eines besorgten Mitbürgers an alle Rechtsradikalen<br />

in Mecklenburg-Strelitz und darüber hinaus« hingegen setzt sich, wie <strong>de</strong>r Titel schon sagt, mit<br />

befremdlichen politischen Ten<strong>de</strong>nzen in nächster Nähe auseinan<strong>de</strong>r. Er tut dies in ausgesprochen<br />

sprachgewandter Weise und befleißigt sich dabei einer überaus elaborierten Grammatik.<br />

Maxim, <strong>de</strong>r die 12. Klasse <strong>de</strong>s Carolinums besucht, erhält einen Son<strong>de</strong>rpreis in Höhe von 300 €<br />

für seinen ebenso originellen wie mutigen Beitrag.<br />

Herzlichen Glückwunsch, Maxim!<br />

Meine Damen und Herren, liebe Preisträger,<br />

alle Jugendlichen, die am Daniel-San<strong>de</strong>rs-Sprachpreis teilgenommen haben, haben gezeigt,<br />

dass sie die verschie<strong>de</strong>nsten Nuancen ihrer Muttersprache beherrschen. Daniel San<strong>de</strong>rs hätte<br />

seine Freu<strong>de</strong> gehabt!<br />

Vielen Dank<br />

Maxim Menschenin<br />

(Klasse 12)<br />

gewann mit <strong>de</strong>m Beitrag<br />

auf <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Seiten<br />

<strong>de</strong>n Daniel-San<strong>de</strong>rs-<br />

Sprachpreis<br />

<strong>de</strong>r Stadt Neustrelitz<br />

49


50<br />

Offener Brief eines besorgten Mitbürgers an alle Rechtsradikalen<br />

in Mecklenburg-Strelitz und darüber hinaus<br />

Liebe Nazis,<br />

warum tut ihr euch eigentlich so schwer, <strong>de</strong>m Frem<strong>de</strong>m zu begegnen? Warum muss man euch<br />

als frem<strong>de</strong>nfeindlich einstufen? Es ist manchmal schwer an<strong>de</strong>ren Menschen mit ihren frem<strong>de</strong>n<br />

Lebens- und Denkweisen zu begegnen, so etwas verlangt nach ein wenig Toleranz, Offenheit,<br />

Verständnis und Freundlichkeit. Doch dieses Minimum an menschlichen Qualitäten kann man<br />

schon aufbringen und schon gar nicht sollte man diese Menschen verprügeln! Das zeugt nicht<br />

nur von schlechtem Benehmen, son<strong>de</strong>rn auch von Beschränktheit und Naivität. Ihr wollt doch<br />

die Nation stärken, or<strong>de</strong>ntliche Deutsche sein und eurem Land dienen. Doch tut man das, in<strong>de</strong>m<br />

man nun wirklich geschmacklose Thor-Steinar-Kollektionen tragend, in oftmals ungepflegtem<br />

Zustand auf alles Frem<strong>de</strong> gedankenlos eindrischt? Neben Geschmacksfragen solltet ihr auch<br />

einmal diese Frage über<strong>de</strong>nken, also euch in Selbstkritik üben und eure verqueren Ansichten<br />

prüfen. Das Ergebnis dieser Überlegung, also die Tatsache, dass euer Tun <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Sache<br />

kaum zuträglich ist, wird euch durchaus fremd erscheinen, was für euch sicher problematisch<br />

sein wird. Zunächst wer<strong>de</strong>t ihr diese an<strong>de</strong>re Einsicht ablehnen, doch einmal über euren schwerfälligen,<br />

braunen Schatten gesprungen, könnt ihr euch langsam an Werte wie Toleranz und<br />

Vernunft heranpirschen, die eigentlich schon seit <strong>de</strong>r Aufklärung, welche vor gut 220 Jahren um<br />

sich griff, obligat sein sollten.<br />

Ein Leben mit <strong>de</strong>m Frem<strong>de</strong>n ist auch für euch möglich! Der Weg dahin ist gar nicht so<br />

schwierig und wenn man erst einmal angekommen ist, so wer<strong>de</strong>t ihr feststellen, dass bisher<br />

Frem<strong>de</strong>s eigentlich gar nicht fremd ist, son<strong>de</strong>rn gewissermaßen schon immer Teil auch eures<br />

Lebens war. Mir ist es anfangs auch schwer gefallen, eure Fremdartigkeit zu verstehen, euer<br />

archaisches Gebrüll, das unglaubliche Fehlen je<strong>de</strong>n Stils, welches ihr allesamt teilt, eure überholten<br />

Überzeugungen und vor allem eure seltsam geringe Frauenquote. Ich konnte eure<br />

Menschenverachtung, eure Dumpfheit und eure Deutschtümelei nie nachvollziehen. Ihr wart mir<br />

in Gänze fremd und ich stand euch geringschätzig gegenüber, ja ich habe euch gera<strong>de</strong> dieser<br />

Fremdheit halber gehasst. Doch ich begann zu verstehen, dass eure ganzen abscheulichen Eigenschaften<br />

doch nur das Symptom von fehlen<strong>de</strong>r Herzensbildung, von provinzieller Langeweile, von<br />

Perspektivlosigkeit und einer tief sitzen<strong>de</strong>n Angst vor Verän<strong>de</strong>rungen sind. Ihr fürchtet das<br />

Frem<strong>de</strong>, das Unbekannte und das allzu Mo<strong>de</strong>rne. Ihr lei<strong>de</strong>t unter <strong>de</strong>m Entzug von Anerkennung,<br />

da ihr glaubt, dass euer Zug hin zum gesellschaftlichen Anschluss abgefahren ist. Wer am<br />

lautesten Unsagbares brüllt, wer am kräftigsten zuhaut und wer die radikalsten, hasserfülltesten<br />

Ansichten vertritt, verdient sich eure Anerkennung, die ihr untereinan<strong>de</strong>r getreu <strong>de</strong>m Motto ›zusammen<br />

schlagen macht Spaß‹ sucht. Unbelehrbar verteidigt ihr euren Glauben an die Ehre <strong>de</strong>r<br />

Wehrmacht, an die Unschuld Rudolf Hess’ und an <strong>de</strong>n Auftrag <strong>de</strong>r Deutschen als großgermanische<br />

Weltbeglücker zu fungieren. Ich verstand, dass euer Frem<strong>de</strong>nhass weniger Ursache,<br />

son<strong>de</strong>rn Wirkung einer Suche nach Halt ist, die schließlich unglücklicherweise im Bereich <strong>de</strong>s<br />

Ewig gestrigen geen<strong>de</strong>t hatte. Damit wusste ich auch, dass ich eurer Fremdheit nicht mit Hass<br />

begegnen darf.<br />

Nein, vielmehr müssen wir alle über unseren eigenen weltanschaulichen Mauern einreißen,<br />

damit wir, die wir einan<strong>de</strong>r verfrem<strong>de</strong>t sind, uns wie<strong>de</strong>r begegnen können. Ich habe <strong>de</strong>n ersten<br />

Schritt gewagt, ich habe meine Vorbehalte aufgegeben, ich habe begriffen, dass ihr <strong>de</strong>n<br />

Marktplatz meiner Stadt auf eigenartige Weise national befreien wollt, dass ihr in einer<br />

anti<strong>de</strong>mokratischen Aktionsfront zusammenfin<strong>de</strong>t und dass ihr <strong>de</strong>n Ort mit einem Hauch von<br />

3. Reich überzieht. Ich konnte das nachfühlen, da ich weiß, warum ihr das tut. Ihr han<strong>de</strong>lt<br />

nach Absichten, die <strong>de</strong>r Menschheit stets inne wohnen wer<strong>de</strong>n, ihr wollt Halt, Konstanten und


Werte, doch ihr überlegt nicht auf eurer Suche danach. Eure Frem<strong>de</strong>nfeindlichkeit aber kann ich<br />

daher nicht verstehen. So schreibt euch doch nicht ab, lernt die Wun<strong>de</strong>r eines entnazifizierten<br />

Lebens kennen. Lernt ein Leben kennen, in <strong>de</strong>m ihr <strong>de</strong>m Frem<strong>de</strong>n ohne Vorbehalte, ohne Furcht<br />

und ohne Angst begegnen könnt. Lernt ein Leben kennen, in <strong>de</strong>m ihr nieman<strong>de</strong>n mehr befrem<strong>de</strong>t.<br />

Für euch ist das dringend notwendig! Denn genauso wie ihr noch euren rechtsradikalen<br />

Muff auslebt, genau so gibt es noch sehr viele Menschen die euch skeptisch, kritisch und bisweilen<br />

sogar äußerst hasserfüllt gegenüberstehen. Noch gibt es sie, die Aktionsbündnisse gegen<br />

Rechts, die Gegen<strong>de</strong>mos zu euren <strong>de</strong>primieren<strong>de</strong>n Kundgebungen und die große Mehrheit in <strong>de</strong>r<br />

Bevölkerung, welche euch entschie<strong>de</strong>n ablehnt. Sie wer<strong>de</strong>n nicht eher verschwin<strong>de</strong>n, wie ihr<br />

euren Frem<strong>de</strong>nhass abgelegt habt, <strong>de</strong>nn sie wissen alle, dass ihr euch insgeheim doch nur nach<br />

Sinn, Gemeinschaft, Anerkennung, Freu<strong>de</strong> und besseren Tagen sehnt. Doch sie wissen auch, dass<br />

das, was ihr dafür tut, für euch eigentlich schlecht, brutal, menschenunwürdig und von Gestern<br />

ist. Das alles solltet ihr schon aus eurem Alltag, aus <strong>de</strong>r Reaktion eurer Umwelt und <strong>de</strong>r<br />

Geschichte mitbekommen haben.<br />

Es gibt doch so viele Dinge außerhalb eurer beschränkten, kleinen, braunen Welt, die viel<br />

lebenswerter sind, als das ständige Nachplappern stumpfsinniger Parolen, die ewig gleichen<br />

Versammlungen um die Fotos toter NS-Verbrecher und <strong>de</strong>r blauäugige Glaube im Sinne <strong>de</strong>r<br />

Nation zu han<strong>de</strong>ln. Eure politischen Exponenten in <strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>sparlamenten müsst ihr doch schon<br />

längst satt haben! Ungebil<strong>de</strong>t, krampfhaft nach <strong>de</strong>n falschen Worten suchend und sich ständig<br />

wie<strong>de</strong>r-holend bezeugen sie doch am ehesten, wie verloren eure Sache ist. Solltet ihr nicht vor<br />

lauter Einsicht die Hän<strong>de</strong> über <strong>de</strong>n Glatzen zusammenschlagen in <strong>de</strong>r Erkenntnis wie hohl eure<br />

Standpunkte sind, wenn die von euch beschworene ›Nationale Revolution‹ sich eigentlich nur<br />

auf Anfragen nach Spültabs für <strong>de</strong>n fraktionseigenen Geschirrspüler beschränkt?<br />

Ihr könnt es doch nicht auf ewig ertragen, Zielscheibe für allerhand Hohn und Gelächter zu<br />

sein! Wür<strong>de</strong>t ihr ab und zu mal in <strong>de</strong>n Spiegel schauen, wür<strong>de</strong>t ihr endlich mal anfangen euch<br />

selbst zu erkennen, so seht ihr, dass man ganz leicht eure Symbole durch Äpfel und eure Rhetorik<br />

durch ein unzusammenhängen<strong>de</strong>s, wüten<strong>de</strong>s Gekreische ersetzen kann. Genau das haben die<br />

Leute schon immer gemacht um euch gelungen zu persiflieren, von Charlie Chaplin bis zur<br />

Front Deutscher Äpfel.<br />

So sehr ihr auch eure Verbrechen für Deutschland begeht, sie bleiben <strong>de</strong>nnoch Verbrechen und<br />

machen sich nicht gut auf <strong>de</strong>m Führungszeugnis. Nieman<strong>de</strong>m ist geholfen, wenn ihr Auslän<strong>de</strong>r,<br />

Linke, Obdachlose und so weiter zusammenschlagt. Damit verbaut ihr euer Leben und das Leben<br />

eurer Opfer. Eure Heimat wird zum No-Go-Area erklärt und vereinsamt, da es verständlicherweise<br />

so nicht son<strong>de</strong>rlich reizvoll ist, euch zu begegnen.<br />

Millionen von Menschen in Deutschland können vorbehaltlos <strong>de</strong>m Frem<strong>de</strong>n begegnen. Ihr tut<br />

euch schwer damit und erklärt die Frem<strong>de</strong>nfeindlichkeit zu eurem Programm. Ihr zwingt eure<br />

Umwelt zu allergischen Reaktionen, da niemand in einer Gegend mit braunem Lokalkolorit leben<br />

möchte. Ihr seid in eurem nationalistischen Gehabe und mit euren zurückgebliebenen Politikern<br />

leben<strong>de</strong> Karikaturen eurer selbst. Ihr beraubt euch je<strong>de</strong>n Anreizes, mit euch leben zu können.<br />

Ich muss euch je<strong>de</strong>n Tag irgendwo begegnen und ich bleibe trotz<strong>de</strong>m gleichmütig, <strong>de</strong>nn ich<br />

weiß um eure wahren Beweggrün<strong>de</strong> und ich schätze, dass ihr von eurer finalen Einsicht nicht<br />

weit entfernt seid. Ihr müsst ganz einfach nur konzentriert <strong>de</strong>r nächsten Re<strong>de</strong> von Udo Pastörs<br />

im Plenum <strong>de</strong>s Landtags zuhören, dann wer<strong>de</strong>t ihr schon verstehen.<br />

In <strong>de</strong>r Besorgnis eines Mitbürgers,<br />

Maxim Menschenin.<br />

51


Filmrezension ›Die Welle‹<br />

Nach <strong>de</strong>m gleichnamigen Erfolgsroman von Morton Rhue<br />

›Die Welle‹ stellt die zweite Verfilmung <strong>de</strong>s<br />

Romans ›�e Wave‹ von Morton Rhue dar. Es<br />

ist immer mit einem gewissen Risiko verbun<strong>de</strong>n,<br />

wenn man eine bekannte Geschichte erneut<br />

verfilmt. Während sich die Story eigentlich<br />

in <strong>de</strong>n USA abspielt, hat Regisseur Dennis<br />

Gansel nun das Geschehen in das heutige<br />

Deutschland gelegt, womit <strong>de</strong>r Film näher an<br />

unserem heutigen Alltag ist.<br />

Rainer Wenger, gespielt von Jürgen Vogel, ist<br />

Lehrer eines Berliner Gymnasiums und besticht<br />

von Anfang an durch seine lässige, sympathische<br />

Art. Er wird von <strong>de</strong>n Schülern geduzt und<br />

von seinen Kollegen schief angeschaut. In einer<br />

Projektwoche zum �ema ›Staatsformen‹ beansprucht<br />

er als ehemaliger Hausbesetzer und<br />

Linker selbstverständlich <strong>de</strong>n ›Anarchie-Kurs‹<br />

für sich. Allerdings wird ihm <strong>de</strong>r ungeliebte<br />

Kurs ›Autokratie‹ zugeteilt.<br />

Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Kurs am Montag eher schleppend<br />

anfängt, kommt in einer Diskussion sehr<br />

schnell zum Ausdruck, dass die Schüler ein -<br />

hellig <strong>de</strong>r Meinung sind, eine Diktatur wäre in<br />

<strong>de</strong>r heutigen aufgeklärten Gesellschaft nicht Filmplakat<br />

mehr möglich. Dadurch wächst in Wenger die<br />

I<strong>de</strong>e, ein Experiment zu wagen. Er baut bewusst Distanz zu seinen Schülern auf. So müssen sie<br />

ihn mit ›Herrn Wenger‹ ansprechen und auf stehen, wenn sie etwas sagen. Es wird einheitliche<br />

Kleidung in Form eines weißen Hem<strong>de</strong>s eingeführt. Die Schüler nehmen diese neuen Vorgaben<br />

über raschend positiv auf und schnell ist <strong>de</strong>r Name für die Bewegung gefun<strong>de</strong>n – ›Die Welle‹.<br />

Die Motivation und Leistungen seiner Schüler steigen, wodurch Wenger die Anerkennung<br />

seiner Kollegen erhält, aber gleichzeitig das eigentliche Ziel aus <strong>de</strong>n Augen verliert.<br />

Von <strong>de</strong>r neuen ›Unterrichtspolitik‹ ist <strong>de</strong>r Außenseiter Tim (Fre<strong>de</strong>rick Lau) am meisten beeindruckt<br />

und entwickelt sich schnell zu einem fanatischen Anhänger <strong>de</strong>r Welle. In<strong>de</strong>m Protagonist<br />

Fre<strong>de</strong>rick Lau <strong>de</strong>r Figur <strong>de</strong>s Tim <strong>de</strong>n Blick eines getriebenen Tieres verleiht, wird diese<br />

Rolle noch überzeugen<strong>de</strong>r. Aber auch Sinan (Elyas M'Barek) ›<strong>de</strong>r Türke‹ o<strong>de</strong>r Marco (Max Riemelt),<br />

<strong>de</strong>r Sportler aus <strong>de</strong>r unteren sozialen Schicht, sind sehr empfänglich für die Gemeinschaftsverspechungen.<br />

Den Gegenpol dazu stellen Karo (Jennifer Ulrich), die bis dahin Klassenprima<br />

war, und Mona (Amelie Kiefer) dar. Bei<strong>de</strong> stehen <strong>de</strong>r Welle von Anfang an skeptisch<br />

gegenüber. Als sie erkennen, was die Welle wirklich ist, leisten sie Wi<strong>de</strong>rstand mit allen Mitteln.<br />

Was als harmloser Versuch begann, entwickelt plötzlich eine enorme Eigendynamik, durch<br />

die An<strong>de</strong>rs<strong>de</strong>nken<strong>de</strong> erst abweisend, dann aggressiv behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n. Wenger bemerkt nicht,<br />

dass er die Kontrolle über das Experiment verliert und begreift auch erst sehr spät, was er<br />

eigentlich ins Rollen gebracht hat.<br />

52


Die Welle ist ein in sich abgeschlossener<br />

Film. Er enthält zu<strong>de</strong>m noch einige<br />

Ereignisses und Muster, die auf historische<br />

Parallelen anspielen. So erinnert<br />

<strong>de</strong>r Ausgangszustand <strong>de</strong>r Klasse an die<br />

Weimarer Republik – Uneinigkeit, Egoismus<br />

und schwache Führung. Durch die<br />

Flugblatt aktion von Karo wird eine Parallele<br />

zu Sophie Scholl geschaffen. Die<br />

Schlussre<strong>de</strong> Wengers am Samstag wur<strong>de</strong><br />

in <strong>de</strong>n gleichen Perspektive aufgenommen,<br />

wie auch die Propagandare<strong>de</strong>n vieler<br />

NS-Größen. Die Kamera befin<strong>de</strong>t<br />

sich hinter <strong>de</strong>r ›Führerperson‹ Wenger<br />

und zeigt von schräg oben auf die uniformierten<br />

Schüler herunter. Dadurch Ausschnitt aus <strong>de</strong>m Film ›Die Welle‹<br />

wird noch einmal sein Spiel mit <strong>de</strong>r<br />

Macht ver<strong>de</strong>utlicht, bevor er das Experiment abbricht. Das ansonsten eindrucksvolle En<strong>de</strong> wird<br />

dadurch geschmälert, dass die Be<strong>de</strong>nken und Betroffenheit Wengers erst ziemlich spät ins<br />

Blickfeld rücken und von daher aufgesetzt wirken.<br />

Durch <strong>de</strong>n insgesamt sehr gelungenen Film wur<strong>de</strong> noch einmal <strong>de</strong>utlich gemacht, dass wir<br />

doch nicht so aufgeklärt sind, wie wir glauben und dass die Demokratie auch heute noch verteidigt<br />

wer<strong>de</strong>n muss.<br />

Schüler <strong>de</strong>r 10. Klasse<br />

<strong>de</strong>s Jahrgangs 2007/08<br />

am Gymnasium Carolinum<br />

53


Der Annalise-Wagner-Preis für Texte aus <strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r über die Region<br />

Mecklenburg-Strelitz bzw. das historische Stargar<strong>de</strong>r Land<br />

geht im Jahr <strong>2008</strong> an die Berliner Historikerin und Publizistin<br />

Dr. Annette Leo für ihre Publikation<br />

»Das ist so’n zweischneidiges Schwert hier unser KZ …«:<br />

Der Fürstenberger Alltag und das Frauenkonzentrationslager<br />

Ravensbrück<br />

(Metropol-Verlag 2007, ISBN 978-3-938690-61-1).<br />

Aus 59 Bewerbungen und Vorschlägen wählte die Neubran<strong>de</strong>nburger<br />

Annalise-Wagner-Stiftung einstimmig diesen dokumentarisch-publizistischen<br />

Text aus, <strong>de</strong>r Zeitzeugen-Erinnerungen<br />

von Bürgern aus <strong>de</strong>r ehemals mecklenburg-strelitzschen Stadt<br />

Fürstenberg (bis 1952 Mecklenburg, heute Bun<strong>de</strong>sland Bran<strong>de</strong>n -<br />

burg) an das unmittelbar benachbarte Frauenkonzentrations -<br />

lager Ravensbrück zu einem wi<strong>de</strong>rsprüchlichen Bild zusammenfügt.<br />

Die Jury <strong>de</strong>s Annalise-Wagner-Preises <strong>2008</strong> beeindruckte, mit<br />

welcher Sensibilität Annette Leo erkun<strong>de</strong>t, wie Fürstenberger<br />

<strong>de</strong>r Geburtsjahrgänge 1913 bis 1933 erlebt und verarbeitet haben,<br />

was zwischen 1939 und 1945 im KZ Ravensbrück geschah,<br />

was danach unter sowjetischer Besetzung passierte und wie sie heute darüber <strong>de</strong>nken. Als wissenschaftliche<br />

Mitarbeiterin am Interviewprojekt ›Die Stadt Fürstenberg und das KZ Ravensbrück‹<br />

in Kooperation mit <strong>de</strong>r Mahn- und Ge<strong>de</strong>nkstätte Ravensbrück und als Publizistin ging es<br />

Annette Leo »nicht mehr nur darum, ob und wie die Fürstenberger auf das Geschehene reagiert<br />

hatten, son<strong>de</strong>rn auch darum, ob und wie ihre Wahrnehmungen und Bewertungen sich nach <strong>de</strong>m<br />

Erlebnis von min<strong>de</strong>stens zwei gesellschaftlichen Brüchen – 1945 und 1990 – verän<strong>de</strong>rten« (A. Leo).<br />

Diese Darstellung von Brüchen und Wi<strong>de</strong>rsprüchen in Geschichte und Erinnerungspro -<br />

zessen ist für die Jury Beispiel für einen neuen Ansatz <strong>de</strong>s Ge<strong>de</strong>nkens in einer verän<strong>de</strong>rten<br />

Geschichtskultur, <strong>de</strong>r weniger in Schwarz-Weiß-Kategorien als in Wi<strong>de</strong>rsprüchlichkeiten argumentiert,<br />

ohne nationalsozialistische und kommunistische Diktatur gleichzusetzen o<strong>de</strong>r NS-<br />

Verbrechen zu verharmlosen. Annette Leo setzt ritualisierten Formeln <strong>de</strong>r ›Bewältigung‹ von<br />

Geschichte die Annahme o<strong>de</strong>r Ablehnung von persönlicher Verantwortung <strong>de</strong>r Interviewten,<br />

immer eingebettet in <strong>de</strong>ren Alltagserfahrungen, entgegen. Sie steht für einen nichti<strong>de</strong>ologischen<br />

und leisen Umgang mit individueller Verantwortung anstelle plakativ wirksamer Schuldzu -<br />

weisung.<br />

Annette Leos stilistisch virtuos gehandhabte Interview- und Kommentartechnik, ihre dichte<br />

Erzählung und ihr leiser Ton tragen wesentlich dazu bei, dass dieser Text eine »aktive Haltung<br />

<strong>de</strong>s Erinnerns« för<strong>de</strong>rt, dass er Fragen auslöst nach Komplexität und Wi<strong>de</strong>rsprüchlichkeit historischer<br />

Prozesse, nach individuellen und gesellschaftlichen Erinnerungsprozessen, nach <strong>de</strong>r<br />

Gefährlichkeit aktueller rechtsextremer Bestrebungen, vor allem aber nach Vergleichbarkeit<br />

heutiger individueller Entscheidungssituationen und nach persönlicher Verantwortung.<br />

Deshalb gehört Annette Leos Arbeit im Sinne Annalise Wagners (1903-1986), <strong>de</strong>r Stifterin<br />

<strong>de</strong>s Annalise-Wagner-Preises, zu <strong>de</strong>n Texten mit ganz beson<strong>de</strong>rem Wert für das »Gedächtnis<br />

<strong>de</strong>r Region«.Die feierliche Preisverleihung fand am 21. Juni <strong>2008</strong> im Rathaus Neustrelitz statt.<br />

www.annalise-wagner-stiftung.<strong>de</strong><br />

54


Projekte und Studienfahrten<br />

Fünf lateinische Briefe von Carl Andreß<br />

an Heinrich Schliemann<br />

Übersetzt von Schülerinnen und Schülern<br />

<strong>de</strong>s Neuen Carolinum Neustrelitz 1<br />

und bearbeitet und kommentiert von<br />

Dr. Lutz-Ingolf Peters<br />

(Lateinlehrer am Carolinum)<br />

und Dr. Reinhard Witte<br />

(Leiter <strong>de</strong>s Schliemann-Museums)<br />

Im Archiv <strong>de</strong>s Heinrich-Schliemann-Museums Ankershagen<br />

wer<strong>de</strong>n neben Originalbriefen von Schliemanns<br />

Hand auch rund 35.000 Briefkopien an <strong>de</strong>n<br />

berühmten Kaufmann und Forscher aufbewahrt. Sie<br />

gelangten in die Einrichtung durch einen Kooperationsvertrag<br />

zwischen <strong>de</strong>r Heinrich-Schliemann-<br />

Gesellschaft Ankershagen e. V. und <strong>de</strong>m Museum<br />

mit <strong>de</strong>r Genna<strong>de</strong>ios-Bibliothek Athen, wo sich überwiegend<br />

die Originale <strong>de</strong>s gewaltigen Schliemann-<br />

Nachlasses befin<strong>de</strong>n. Diese schriftliche Hinterlassenschaft<br />

umfasst insgesamt zwischen 60.000 und<br />

80.000 Briefen von bzw. an Schliemann, 18 Reiseund<br />

Ausgrabungstagebücher (ebenfalls in Kopie im<br />

Museumsarchiv), Geschäftsbücher, Hotelrechnungen,<br />

Visitenkarten u. a. Nur ein Bruchteil <strong>de</strong>r Archivalien<br />

ist bisher veröffentlicht. An Briefausgaben<br />

Heinrich Schliemann als Petersburger<br />

Großkaufmann, 1861<br />

wären in erster Linie zu nennen: Briefe von Heinrich Schliemann, hrsg. v. Ernst Meyer, Berlin-<br />

Leipzig 1936; Heinrich Schliemann. Briefwechsel. Aus <strong>de</strong>m Nachlaß in Auswahl hrsg. v. Ernst<br />

Meyer (2 B<strong>de</strong>.), Berlin 1953-1958; Die Korrespon<strong>de</strong>nz zwischen Heinrich Schliemann und<br />

Rudolf Virchow 1876-1890, bearb. u. hrsg. v. Joachim Herrmann und Evelin Maaß, Berlin 1990;<br />

Geraldine Saherwala, Klaus Goldmann u. Gustav Mahr, Heinrich Schliemanns »Sammlung trojanischer<br />

Altertümer«, Berlin 1993 (beinhaltet Briefwechsel zwischen Schliemann und Berliner<br />

Museumsbeamten); Hans-Günter Buchholz, Die Archäologenfreundschaft zwischen Heinrich<br />

Schliemann und Friedrich Schlie – Der Briefwechsel zweier be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>r Archäologen, in:<br />

Mitteilungen aus <strong>de</strong>m Heinrich-Schliemann-Museum Ankershagen, Heft 3, 1996 sowie last but<br />

not least Abenteuer meines Lebens. Heinrich Schliemann erzählt, hrsg. u. erläutert von Heinrich<br />

Alexan<strong>de</strong>r Stoll, Leipzig 1958 (u. a. mit <strong>de</strong>n Briefen Schliemanns an <strong>de</strong>n Neustrelitzer Jugend -<br />

freund Wilhelm Rust). Das Heinrich-Schliemann-Museum Ankershagen ist als ein Zentrum <strong>de</strong>r<br />

internationalen Schliemannforschung (s. Blaubuch <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung) mit starker Hilfe<br />

1 Alle Schülerinnen und Schüler gehören <strong>de</strong>r Klasse 12 <strong>de</strong>s Kurses »Latein als 3. Fremdsprache« an.<br />

55


durch die Schliemann-Gesellschaft bestrebt, mehr Briefe <strong>de</strong>r Öffentlichkeit zugänglich zu machen.<br />

Das soll durch Transkription <strong>de</strong>r in Deutscher Schrift und durch Übersetzungen <strong>de</strong>r in<br />

zwölf Sprachen geschriebenen Briefe und - wo es sich anbietet - durch Veröffentlichungen<br />

geschehen. Schwerpunkt in <strong>de</strong>r Erschließung <strong>de</strong>r Archivbestän<strong>de</strong> im letzten Jahr waren die<br />

Briefe <strong>de</strong>s Neustrelitzer Bekanntenkreises Schliemanns. Darunter fan<strong>de</strong>n sich auch in Latein<br />

geschriebene Briefe von Carl Andreß.<br />

Am 10. März 1883 schreibt Schliemann, <strong>de</strong>r im <strong>Sommer</strong> jenen Jahres einen längeren Aufenthalt<br />

in seinem Heimatort plante, aus Athen an Pastor Becker in Ankershagen: »Kannst Du nicht<br />

meinen einstigen Lehrer Carl Andres 2 von N.Strelitz während unseres Dortseins logiren; <strong>de</strong>nn<br />

ich mögte ihn gerne 1 Monat bei mir haben, da er <strong>de</strong>r einzige ist <strong>de</strong>r im Stan<strong>de</strong> wäre geläufig<br />

altgriechisch zu sprechen; auch weiß er alle gr[iechischen] Tragiker auswendig und schreibt<br />

Briefe die <strong>de</strong>m Plato Ehre machen wür<strong>de</strong>n.« 3 Wer war dieser so hoch gelobte Mann? Der heute<br />

in Vergessenheit geratene Neustrelitzer Bürger Carl Andreß (1808-1885) war <strong>de</strong>r Sohn eines<br />

großherzoglichen Mundkochs, <strong>de</strong>r mit finanzieller Unterstützung durch <strong>de</strong>n Großherzog von<br />

Mecklenburg-Strelitz alte und neue Sprachen studieren konnte. Seit 1830 wirkte er als Haus -<br />

lehrer. In dieser Funktion lernte ihn <strong>de</strong>r zehnjährige Heinrich Schliemann in <strong>de</strong>r kin<strong>de</strong>rreichen<br />

Familie seines Onkels in Kalkhorst kennen, wohin ihn sein Vater wegen <strong>de</strong>r misslichen Verhältnisse<br />

im Ankershagener Pfarrhaus nach <strong>de</strong>m To<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Mutter geschickt hatte. In Kalkhorst<br />

unterrichtete Andreß dann auch <strong>de</strong>n kleinen Heinrich in Latein. Carl Andreß wur<strong>de</strong> 1845 Hilfsbeamter<br />

<strong>de</strong>r Großherzoglichen Bibliothek in Neustrelitz. Er galt als sehr gelehrt, aber auch als<br />

sehr verschroben. Nach allem, was über ihn bekannt ist, fristete er in <strong>de</strong>r Resi<strong>de</strong>nzstadt ein sehr<br />

kümmerliches Leben. Kürzlich wur<strong>de</strong> er in einem Vortrag im Museum mit <strong>de</strong>m ›Armen Poeten‹<br />

von Carl Spitzweg verglichen – wahrscheinlich ein treffen<strong>de</strong>r Vergleich! Schliemann unterstützte<br />

seinen ehemaligen Lehrer seit Mitte <strong>de</strong>r 1850er Jahre finanziell, ließ ihn auch auf seine Kosten<br />

und zum damals üblichen Honorar die <strong>de</strong>utsche Übersetzung seines Buches ›Ithaque, le Péloponnèse,<br />

Troie. Recherches archéologiques‹ anfertigen, mit <strong>de</strong>r er aber nicht zufrie<strong>de</strong>n war.<br />

Über Carl Andreß fin<strong>de</strong>t sich in <strong>de</strong>r Literatur eine interessante Notiz: »Er war von großer<br />

Gestalt, in seinem Alter stets gebückt gehend, trug einen langen Rock, an <strong>de</strong>m hinten stets ein<br />

rotes Taschentuch nach Spitzwegweise heraushing. Zwei Jahre nach <strong>de</strong>m Zusammensein mit<br />

Schliemann in Ankershagen ist er in Neustrelitz unbeachtet verstorben. Sein Grab hat <strong>de</strong>r Verfasser<br />

noch um 1926 auf <strong>de</strong>m Friedhof von Neustrelitz feststellen können.« 4 Im Archiv <strong>de</strong>s<br />

Heinrich-Schliemann-Museums befin<strong>de</strong>n sich insgesamt 49 Briefe aus <strong>de</strong>r Zeit vom 2. März<br />

1857 bis 16. Dezember 1884, davon 27 auf Deutsch, 16 auf Altgriechisch und 6 5 auf Latein.<br />

Schon seit vielen Jahren bestehen gute Beziehungen zwischen Museum und Gesellschaft mit<br />

<strong>de</strong>m Carolinum Neustrelitz, <strong>de</strong>ssen Schüler Heinrich Schliemann 1833 für kurze Zeit war, bis er<br />

dann wegen Geldmangels zur Realschule wechseln musste, die sich im gleichen Gebäu<strong>de</strong> befand.<br />

Somit war es nur eine Frage <strong>de</strong>r Zeit, dass sich die Beziehungen bei<strong>de</strong>r be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>r Kultur-<br />

und Bildungseinrichtungen <strong>de</strong>r Mecklenburgischen Seenplatte noch enger gestalten sollten.<br />

Dr. Peters kam je<strong>de</strong>s Jahr mit seinen Lateinschülern zu einem Projekttag ins Museum. Auch<br />

sonst ist er oft Gast <strong>de</strong>r Einrichtung. Nahezu von selbst drängte sich im Gespräch mit <strong>de</strong>m<br />

Museumsleiter die I<strong>de</strong>e auf, schulischen Unterricht mit interessanten Projekten zu bereichern:<br />

Warum sollten nicht begabte Schülerinnen und Schüler zusammen mit ihrem engagierten<br />

Lehrer bei <strong>de</strong>r Erschließung <strong>de</strong>r Museumsarchivalien helfen? Eine erste Antwort darauf liegt<br />

nun mit dieser kleinen Publikation vor.<br />

2 Der Leser möge sich nicht an <strong>de</strong>r unterschiedlich vorkommen<strong>de</strong>n Weise <strong>de</strong>s Namens stören: Andreß, Andress,<br />

Andres.<br />

3 Ernst Meyer (Hrsg.), Heinrich Schliemann. Briefwechsel, II. Band (= Meyer, BW II), Berlin 1958, S. 158.<br />

4 Ernst Meyer, Heinrich Schliemann. Kaufmann und Forscher, Göttingen - Zürich - Berlin - Frankfurt 1969, S. 61.<br />

Die Beschreibung beruht auf einer mündlichen Äußerung <strong>de</strong>s Neustrelitzer Architekten Hustädt im Jahre 1950<br />

gegenüber Meyer.<br />

5 Lei<strong>de</strong>r wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 6. Brief erst nach Redaktionsschluss ›ent<strong>de</strong>ckt‹.<br />

56


Brief vom 4. Januar 1862 (GL Sch A, B 48:1, 42662 f.) 6<br />

(übersetzt von Carolin Meißler)<br />

Carolus Andress Henrico Schliemanno<br />

S.P.D. 7<br />

Plures jam elapsi sunt menses, quum a<br />

matre Lauii comperi, te epistolam ad me esse<br />

daturum. Quam quum nullam receperim<br />

adhortata me est mulier honestissima, quod<br />

sponte mea facere non ausus essem, ut suo et<br />

meo nomine tibi congratuler ad novum annum,<br />

quod ex animo facio, optans, ut prospere<br />

omnia tibi succedant. Narravit mihi Lauia,<br />

morem esse apud vos qui Petropoli habitatis<br />

Germani, ut ineunte novo anno conveniatis<br />

festumque diem inter vos agatis. Jam quum<br />

laeto convivio accumbetis sodale memor sis<br />

veteris tui praeceptoris, qui nunc magna<br />

rerum inopia pressus meminit illius Virgiliani<br />

dicti:<br />

Tu ne ce<strong>de</strong> malis, sed contra au<strong>de</strong>ntior<br />

ito. 8<br />

Promiserunt qui<strong>de</strong>m, qui gubernacula<br />

civitatis nostrae tenent, viri, me mox meliore<br />

fortuna usurum, sed cunctando non »restituunt<br />

meas res«, ut semper hoc in ore geram:<br />

Bis dat qui cito dat! 9<br />

Novae Strelitiae pridie Nonas Januarias 1862<br />

6 Original im Schliemann-Archiv in <strong>de</strong>r Genna<strong>de</strong>ios-<br />

Bibliothek (Gennadius Library) Athen: Heinrich<br />

Schliemann and Family Papers = GL Sch A Series B<br />

Correspon<strong>de</strong>nce (Box-<strong>Nr</strong>., Fol<strong>de</strong>r <strong>Nr</strong>., Blatt <strong>Nr</strong>.). Hier<br />

also: Gennadius Library Schliemann Archive, Serie B<br />

Korrespon<strong>de</strong>nz, Kasten 48: Hefter 1, Blätter 42662 f.<br />

7 Briefliche Grußformel: Salutem plurimam dicit, in<br />

etwa: Grüße vielmals, Tausend Grüße, grüßt. – Dieser<br />

Brief ist bereits veröffentlicht, in Meyer, BW I, S. 111<br />

f. Man möge die Übersetzung vergleichen<br />

8 Nach Vergil, Aeneis 6, 95.<br />

9 Nach Publius Syrus (jüngerer Zeitgenosse Caesars),<br />

Sentenzen I 6.<br />

10 Schliemann wohnte während seiner Schulzeit in Neustrelitz<br />

(1833-1836) beim Hofmusikus Carl Ernst Laue<br />

(1790-1860) und <strong>de</strong>ssen Frau Margarethe. Er besuchte<br />

1879 die Witwe in ihrem Haus in <strong>de</strong>r Tiergartenstraße<br />

17 (früher: 10). Dieses hatte ihr Mann 1859 ein Jahr<br />

vor seinem To<strong>de</strong> gekauft. Frau Laue bewohnte es bis<br />

zu ihrem To<strong>de</strong> im Jahre 1889. Das frühere Wohnhaus<br />

Carl Andress grüßt Heinrich Schliemann<br />

Es sind schon einige Monate vergangen, als<br />

ich von <strong>de</strong>r Mutter <strong>de</strong>s Herrn Laue 10 erfahren<br />

habe, dass du mir einen Brief geschrieben<br />

hättest. Da ich aber keinen bekommen habe,<br />

hat mir die hochehrbare Frau geraten, weil ich<br />

es aus eigenem Antrieb nicht gewagt hätte,<br />

dass ich dir in ihrem und meinem Namen zum<br />

neuen Jahr gratulieren kann, was ich (auch)<br />

von Herzen tu in <strong>de</strong>m Wunsch, dass alle <strong>de</strong>ine<br />

Vorhaben nach Belieben ge<strong>de</strong>ihen mögen.<br />

Diese Frau Laue hat mir erzählt, dass es bei<br />

euch, <strong>de</strong>n in Petersburg leben<strong>de</strong>n Deutschen 11 ,<br />

Brauch sei, dass ihr zu Beginn <strong>de</strong>s neuen Jahres<br />

zusammenkommt und <strong>de</strong>n Festtag mitein -<br />

an<strong>de</strong>r begeht. Und wenn du dich schon zum<br />

fröhlichen Gastmahl gesellig hingibst, dann<br />

erinnere dich <strong>de</strong>ines alten Lehrers, <strong>de</strong>r nun<br />

unter großem Mangel seiner Dinge lei<strong>de</strong>t und<br />

an die Worte <strong>de</strong>s Vergil:<br />

Weiche nicht vor <strong>de</strong>m Bösen zurück,<br />

son<strong>de</strong>rn gehe mutiger dagegen vor!<br />

Diejenigen Herren, die die Geschicke unserer<br />

Stadt lenken, haben zwar versprochen, dass ich<br />

bald ein besseres Schicksal haben soll, obwohl<br />

sich meine Dinge durch ihr Zögern nicht zum<br />

Positiven gewen<strong>de</strong>t haben, ich sage immer:<br />

Doppelt gibt, wer schnell gibt!<br />

Neustrelitz, am 4. Januar 1862<br />

Laues in <strong>de</strong>r Strelitzer Straße 28, in <strong>de</strong>m Schliemann<br />

und Ernst Meincke während ihrer Schulzeit wohnten<br />

und in <strong>de</strong>m sich Karfreitag 1836 Heinrich und seine<br />

Jugendfreundin Minna Meincke tränenüberströmt in<br />

die Arme gefallen haben wollen, existiert seit 1945<br />

nicht mehr. Mit ›Herrn Laue‹ ist <strong>de</strong>mzufolge ein Sohn<br />

<strong>de</strong>r Eheleute gemeint, wahrscheinlich H. Laue, <strong>de</strong>r als<br />

Musiker selbst in St. Petersburg lebte und auf einer<br />

Reise 1853, die ihn auch nach Neustrelitz führte, »im<br />

Auftrage« Schliemanns Erkundigungen über Neustrelitzer<br />

Bekannte einholte. Vgl. Ernst Meyer, Heinrich<br />

Schliemann. Kaufmann und Forscher, Göttingen etc.,<br />

1969, S. 60.<br />

11 Schliemann lebte seit En<strong>de</strong> Januar 1846 in St. Petersburg.<br />

Anfangs war er dort Vertreter <strong>de</strong>s Amsterdamer<br />

57


Carolus Andress Henrico Schliemanno S.P.D.<br />

Adiit me Woehlertus quidam, sartor<br />

Ankershagiensis, qui, quum audisset, me<br />

tecum per literas communicare, eniae me<br />

rogavit, ut te certiorem facerem, se bis terve<br />

nummos a te ad eum missos, accepisse, et<br />

quidam Rustium mercatorem Neostrelitiensem<br />

sine ulla <strong>de</strong>minutione pecuniam, solvisse,<br />

quum alii aliquam tum <strong>de</strong>traxissent. Totam<br />

rem ei explicui. Schroe<strong>de</strong>ri enim fratres,<br />

foeneratores Hamburgenses, syngrapham,<br />

quam mense Octobre 1861 solvere <strong>de</strong>bebant,<br />

<strong>de</strong>mum mense Aprili sequentis anni ad<br />

Rustium solutam miserunt. Tota summa erat<br />

30 thalerorum, ex quibus ego 20, Woehlertus<br />

10 accepimus. Libenter ego tabellariam et<br />

pecuniam epistolarem persolvi, non Rustius,<br />

quod Woehlertus opinabatur, qui ita nummos<br />

suos integros accepit. Grato animo veneratur<br />

Woehlertus beneficia tua in eum collata, quae<br />

magno ei usui fuerunt ad liberos suos octo<br />

nutriendos. Uxor eius rursus gravida fortasse<br />

jam nonum partum edidit, ut bonus Woehlertus<br />

inter impigros liberorum procreatores<br />

numerandus sit. Petit a te vir optimus, ut sibi<br />

effigiem tuam mittas, ut vultum benefactoris<br />

tota eius familia adspicere possit. Optat<br />

Woehlertus a<strong>de</strong>o, ut te Petropoli visere possit,<br />

cuius voti difficile est eum compotem fieri.<br />

Si quid in posterum Woehlerto et mihi condonari<br />

constitueris, optimum erit, ut Rustio<br />

nostro man<strong>de</strong>s pecuniam solvere. Woehlertus<br />

mihi praeterea mandavit, ut persuasum haberes,<br />

se maxima cura sepulchrum matris tuae<br />

58<br />

Brief vom 31. Juli 1862 (GL Sch A, B 50:5, 45099 f.)<br />

(übersetzt von Anne-Marie Maaß und Marie-Luise Schrö<strong>de</strong>r)<br />

Han<strong>de</strong>lshauses Schrö<strong>de</strong>r & Co. Sehr schnell stieg er jedoch<br />

zum selbständigen Petersburger Großkaufmann<br />

auf. Bis auf eine Unterbrechung von knapp zwei Jahren<br />

(1851/52 nahm er am kalifornischen Goldrausch teil) erwarb<br />

er sich in Russland hauptsächlich im Indigohan<strong>de</strong>l<br />

(während <strong>de</strong>s Krimkrieges 1853-1856 han<strong>de</strong>lte er auch<br />

mit Salpeter, Schwefel und Blei) ein vielfaches Millionenvermögen.<br />

Schliemann war in erster Ehe (1852-1869)<br />

mit <strong>de</strong>r Russin Jekaterina Lyshina (1826-1896) verheiratet<br />

und hatte mit ihr drei Kin<strong>de</strong>r. - In St. Petersburg lebten<br />

im 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt viele Deutsche. Die mecklenburgische<br />

Auswan<strong>de</strong>rerbewegung vollzog sich nicht nur<br />

nach Übersee, son<strong>de</strong>rn auch nach Russland<br />

Erste Seite <strong>de</strong>s lateinischen Briefes von Carl Andreß<br />

an Heinrich Schliemann vom 31. Juli 1862<br />

floribus fertisque ornare, ut aliquam tibi<br />

gratiam pro magnis tuis in se meritis referat.<br />

Ambo tui semper grato animo recordabimur,<br />

qui nobis, summa rerum inopia pressis, auxilio<br />

venisti, quod in curia Schroe<strong>de</strong>rorum fratrum<br />

serius, attamen exoptatum venit. Vale mihique<br />

fave!<br />

Scripsi Strelitiae novae mense Julio exeunte<br />

1862.


Carl Andreß grüßt Heinrich Schliemann<br />

Ein gewisser Wöllert 12 , ein Schnei<strong>de</strong>r aus<br />

Ankershagen, ist an mich herangetreten, <strong>de</strong>r,<br />

als er gehört hatte, dass ich mit dir über Briefe<br />

kommuniziere, mich eifrig gefragt hat, ob ich<br />

dich benachrichtigt hätte, dass er zwei bis drei<br />

Museumsgelän<strong>de</strong> in Ankershagen mit ehemaligem<br />

Pfarrhaus (seit 1980 Ge<strong>de</strong>nkstätte), wie<strong>de</strong>r aufgebautem<br />

Stallgebäu<strong>de</strong> (seit 2001 u. a. großer Vortragsraum)<br />

und ›Troianischem Pferd‹ (seit 1996),<br />

Foto: Roman März (Berlin)<br />

12 Gemeint ist nicht <strong>de</strong>r aus Schliemanns Selbstbiographie<br />

(1881) bekannte Schnei<strong>de</strong>r und Totengräber Daniel<br />

Bernhard Christian Wöllert (1779-1855), genannt<br />

Peter Hüppert. Hier han<strong>de</strong>lt es sich um Friedrich<br />

Wöllert (nicht: Wöhlert), ebenfalls Schnei<strong>de</strong>r wie sein<br />

Vater. Die Not dieses Mannes lässt sich aus einem<br />

Brief <strong>de</strong>sselben an Schliemann vom 6. April 1862 aus<br />

Ankershagen begreifen: »O jetzt in diesem Jahre ist<br />

die Noth noch um so größer, <strong>de</strong>nn seit Weihnachten<br />

habe ich keine Kartoffeln mehr im Hause und das kleine<br />

Schwein welches ich mir einschlachten wollte ist<br />

mir auch gestorben, ich weiß nicht mehr wovon ich<br />

leben soll, und für uns Eltern ist es immer am<br />

schlimmsten <strong>de</strong>nn wenn jetzt am Tage meine Kin<strong>de</strong>r<br />

kommen und bitten Vater und Mutter gebt uns Brot<br />

und Ach: wir haben ja nichts …« (s. Meyer, BW I, S.<br />

113). Schliemann hatte eine Tochter Wöllerts bei sich<br />

in St. Petersburg als Hausangestellte beschäftigt.<br />

Münzen empfangen<br />

hätte, die von dir zu<br />

ihm geschickt wor<strong>de</strong>n<br />

waren und dass<br />

ein gewisser Rust 13 ,<br />

ein Kaufmann aus<br />

Neustrelitz, sie ihm<br />

ohne je<strong>de</strong>n Verlust<br />

in die hiesige Wäh -<br />

rung ein gelöst hat,<br />

während an<strong>de</strong>re dagegen<br />

ihm etwas abgezogen<br />

hätten. Ich<br />

Wilhelm Rust (1820-1910),<br />

<strong>de</strong>r Jugendfreund Schliemanns<br />

aus <strong>de</strong>r Neustrelitzer<br />

Schulzeit<br />

hatte ihm die ganze Sache erklärt. Die Brü<strong>de</strong>r<br />

Schrö<strong>de</strong>r 14 nämlich, Bankiers aus Hamburg,<br />

haben einen Wechsel geschickt, <strong>de</strong>n sie im<br />

Oktober 1861 einlösen sollten und schließlich<br />

im Monat April <strong>de</strong>s folgen<strong>de</strong>n Jahres an Rust<br />

ausgezahlt haben. Die ganze Summe betrug 30<br />

Taler, aus <strong>de</strong>r ich 20 Taler und Wöllert 10 er-<br />

13 Wilhelm Rust (1820-1910) war Schulkamerad von<br />

Heinrich Schliemann in Neustrelitz und Sohn <strong>de</strong>s<br />

Großherzoglichen Kammerlakaien. Er brachte es in<br />

Neustrelitz zu höchstem Ansehen. Er war dort seit<br />

1843 selbständiger Kaufmann, besaß im Haus an <strong>de</strong>r<br />

Ecke Markt/Zierker Straße (heute noch vorhan<strong>de</strong>n)<br />

eine »Manufactur- und Mo<strong>de</strong>waaren-Handlung«, in<br />

<strong>de</strong>r er neueste Mo<strong>de</strong> aus Paris, Leinwand, Tapeten,<br />

echten Souchong-Tee und Nähmaschinen von Wheeler,<br />

Wilson und Singer verkaufte. Er grün<strong>de</strong>te später<br />

eine Bank und vertrat auch die Gothaer Lebens- und<br />

Feuerversicherung. Rust galt als reichster Mann <strong>de</strong>r<br />

Stadt. Schliemann sagte einmal sinngemäß, wenn ich<br />

nicht Schliemann wäre, wür<strong>de</strong> ich gern Rust sein.<br />

Rust war seit 1870 Kommerzienrat, später sogar Geheimer<br />

Kommerzienrat. Bei<strong>de</strong> Männer stan<strong>de</strong>n in regem<br />

Briefwechsel. Die Briefe von Schliemann wur<strong>de</strong>n<br />

bereits von Stoll (Abenteuer meines Lebens, s. oben)<br />

veröffentlicht. Nun, durch die Briefkopien im Museum,<br />

liegen auch die Gegenbriefe zur Veröffentlichung<br />

bereit. Diese wird in nächster Zeit durch Rainer Hilse<br />

vorgenommen wer<strong>de</strong>n.<br />

14 Die Firma Schrö<strong>de</strong>r in Hamburg wur<strong>de</strong> von Johann<br />

Heinrich Schrö<strong>de</strong>r (1784-1883) etabliert. Er war auch<br />

<strong>de</strong>r Grün<strong>de</strong>r eines Bankhauses in London. Über<br />

„Schrö<strong>de</strong>r Hamburg“ wickelte Schliemann anfangs<br />

seine Geldgeschäfte in Deutschland ab. Später bevorzugte<br />

er Robert Warschauer & Co. in Berlin.<br />

59


hielten. Gerne habe ich <strong>de</strong>n Postboten und <strong>de</strong>n<br />

Geldbrief bezahlt und nicht Rust, <strong>de</strong>r seine<br />

Münzen unversehrt erhalten hat, wie Wöllert<br />

meinte. Wöllert verehrt mit dankbarem Herzen<br />

die Wohltaten, die du ihm erwiesen hast und<br />

die hochherzig von ihm benutzt wor<strong>de</strong>n sind<br />

um seine acht Kin<strong>de</strong>r zu ernähren. Seine schon<br />

wie<strong>de</strong>r schwangere Frau gebärt ihm vielleicht<br />

das neunte Kind, so dass <strong>de</strong>r gute Wöllert unter<br />

die rastlosen Schöpfer von Kin<strong>de</strong>rn zu<br />

zählen ist. Der gute Mann möchte, dass du ihm<br />

<strong>de</strong>in Bild schickst, damit die ganze Familie das<br />

Antlitz <strong>de</strong>s Wohltäters betrachten kann. Außer -<br />

<strong>de</strong>m wünscht sich Wöllert sehr, dass er dich in<br />

Sankt Petersburg besuchen kann, was für ihn<br />

schwer zu verwirklichen sein wird. Wenn du<br />

beschließt, <strong>de</strong>m Wöllert und mir in Zukunft etwas<br />

zu schenken, wird es am besten sein, dass<br />

du unseren Rust beauftragst das Geld einzulösen.<br />

Wöllert hat mich außer<strong>de</strong>m beauftragt,<br />

damit du überzeugt bist, dass er mit großer<br />

Sorgfalt das Grab <strong>de</strong>iner Mutter 15 mit Blumen<br />

und Opfergaben schmückt, damit er mit einiger<br />

Dankbarkeit dir die großen für ihn geleisteten<br />

Wohltaten zurückgibt. Wir bei<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n uns<br />

immer mit dankbaren Herzen an dich erinnern,<br />

<strong>de</strong>r du uns, die wir von größtem Mangel<br />

an Dingen bedrängt wur<strong>de</strong>n, zu Hilfe gekommen<br />

bist, was durch die Sorglosigkeit <strong>de</strong>r<br />

Brü<strong>de</strong>r Schrö<strong>de</strong>r zwar später aber <strong>de</strong>nnoch<br />

höchst ersehnt gekommen ist.<br />

60<br />

Ich habe es geschrieben in Neustrelitz<br />

am Ausgang <strong>de</strong>s Monats Juli 1862.<br />

Grab und Grabkreuz <strong>de</strong>r Mutter in Ankershagen<br />

Alle Abbildungen<br />

aus <strong>de</strong>m Archiv <strong>de</strong>s HSM<br />

15 Schliemanns Mutter starb am 22. März 1831 im Alter von 38 Jahren kurz nach <strong>de</strong>r Geburt <strong>de</strong>s neunten Kin<strong>de</strong>s.<br />

Am 13. (?) Oktober 1858 (s. Rainer Hilse, Spen<strong>de</strong>naufruf zur Restaurierung <strong>de</strong>s Grab-Monuments von Schliemanns<br />

Mutter auf <strong>de</strong>m Friedhof von Ankershagen, in: Informationsblatt 19 <strong>de</strong>r Heinrich-Schliemann-Gesellschaft<br />

Ankershagen e. V., Februar <strong>2008</strong>, S. 60) ließ er auf das Grab <strong>de</strong>r Mutter ein gusseisernes Grabkreuz mit einer<br />

hochinteressanten Inschrift errichten: »Henry Schliemann, / In St. Petersburg, seiner geliebten Mutter / Louise<br />

Therese Sophia Schliemann, geb. Bürger, / geb. a. 19. Mai 1793, gest. d. 22. Maerz 1831«. Es ist recht ungewöhnlich,<br />

dass sich <strong>de</strong>r Stifter zuerst nennt.


Brief vom 5. September 1863 (GL Sch A, B 58:1, 52180 f.)<br />

(übersetzt von Alexandra Stange und Miriam Winkel)<br />

Carolus Andress<br />

Henrico Schliemanno suo<br />

S. P. D.<br />

Utor oblata mihi per Lauium, nostri amantissimum,<br />

ad te scribendi occasione, ut pauca<br />

<strong>de</strong> rerum mearum statu tecum communicem.<br />

Accidit, ut bibliothecae publicae i<strong>de</strong>mque<br />

meus praefectus Gentzen, qui tui aeque ac<br />

Langmannus e scholae tempore saepius re -<br />

cordatur, morbo apoplectico corriperetur.<br />

Valetudinis restaurandae causa in balneum<br />

�uringicum nomine Koesen profectus, iam<br />

rediit viribus exhaustis nondum satis refectis.<br />

In<strong>de</strong> laboris plus humeris meis impositum, sed<br />

nondum mercedis plus mihi tributum est.<br />

Princeps noster, parsimoniae amantissimus,<br />

non prius rebus angustis subditorum suorum<br />

prospicere vult, quam omnia publica <strong>de</strong>bita<br />

erunt persoluta, quod i<strong>de</strong>m est ac nos ad<br />

Graecas calendas relegare. Nihilominus negotiis<br />

bibliothecae nostrae magno cum studio<br />

perfungor. Imperator Russiae nobis dono <strong>de</strong>dit<br />

codicem vetustissimum bibliorum in monte<br />

Sinai a Tischendorfio <strong>de</strong>tectum, ex quo nova<br />

lux theologiae affulsit. Preaterea persfecutor<br />

vetera historiae nostrae Mecklenburgicae manuscripta,<br />

in quibus nuper fundationis epistolam<br />

aedis sacrae Ankershagiensis inveni.<br />

Eques quidam nomine Eccardus, saeculo <strong>de</strong>cimotertio<br />

terrae Ankershagiensis possessor<br />

duo jugera agri assignavit ad verbum divinum<br />

promovendum . – Res politicae vitam nostram<br />

quietam nondum turbaverunt, et securi ex -<br />

spectamus, quid rerum novarum futurum<br />

tempus fit allaturum . – Tu, insigni fortunae<br />

favore adjutus, vitam tuam ad augendam<br />

scientiam impen<strong>de</strong>re poteris et iter aliquod<br />

longinquum suscipero, veluti in interiorem<br />

Africae partem, ad quam aditus nunc patet et<br />

ubi nostrates concurrunt . Bona tibi omina<br />

precans valere te jubeo mihique favere.<br />

Scripsi Neostrelitiae<br />

Nonis Septembrius<br />

1863<br />

Carl Andress<br />

grüßt Heinrich Schliemann<br />

Ich nutze die Gelegenheit, die mir von<br />

unserem heiß geliebten Herrn Laue ange boten<br />

wor<strong>de</strong>n ist, dir zu schreiben, um dir ein wenig<br />

über <strong>de</strong>n Zustand meiner Dinge mitzuteilen.<br />

Es kommt hinzu, dass Gentzen 16 , <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Vorstand <strong>de</strong>r Öffentlichen Bibliothek ist und<br />

ebenso mein Vorgesetzter, von einem Schlag -<br />

anfall betroffen ist, dieser erinnert sich häufig<br />

an dich sowie an Langmann 17 aus <strong>de</strong>r Schulzeit.<br />

Er ist in ein Bad namens Kösen in �üringen<br />

gefahren um seine Krankheit zu kurieren<br />

und wur<strong>de</strong> schon wie<strong>de</strong>r nach Hause geschickt,<br />

obwohl die erschöpften Kräfte noch nicht wie<strong>de</strong>r<br />

hergestellt wor<strong>de</strong>n sind. Daher fällt mir<br />

mehr Arbeit zu, aber mir wird nicht mehr Lohn<br />

zugeteilt. Unser Fürst 18 , <strong>de</strong>r die Sparsamkeit<br />

auf das Äußerste liebt, will sich nicht um die<br />

Nöte seiner Untertanen kümmern, nicht bevor<br />

alle öffentlichen Schul<strong>de</strong>n getilgt sind, was das<br />

gleiche für uns ist, als wenn man die Sache auf<br />

die Kalen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Griechen 19 verschieben<br />

wür<strong>de</strong>. Nichts<strong>de</strong>stoweniger führe ich die Amtsgeschäfte<br />

unserer Bibliothek mit großem Eifer<br />

durch.<br />

Der russische Zar hat uns als Geschenk uralte<br />

Handschriften 20 mitgebracht, die Tischen dorf 21<br />

16 Gentzen war ein Lehrer Schliemanns in Neustrelitz.<br />

17 Langmann war ebenfalls ein Lehrer Schliemanns in<br />

Neustrelitz.<br />

18 Großherzog Georg von Mecklenburg Strelitz (1779-<br />

1860).<br />

19 Die Kalen<strong>de</strong>n gab es nicht bei <strong>de</strong>n Griechen, nur bei<br />

<strong>de</strong>n Römern. Somit ist hier <strong>de</strong>r Sankt Nimmerleinstag<br />

gemeint.<br />

20 Über <strong>de</strong>n Besuch <strong>de</strong>s russischen Zaren Alexan<strong>de</strong>r II.<br />

in Neustrelitz konnte bisher nichts Näheres in Erfahrung<br />

gebracht wer<strong>de</strong>n.<br />

21 Konstantin von Tischendorf (1815-1874) war evangelischer<br />

Theologe und seit 1851 Ordinarius für Neues<br />

Testament in Leipzig. Auf seinen Reisen 1844 und<br />

1859 ent<strong>de</strong>ckte er Bibelhandschriften und edierte sie,<br />

vor allem <strong>de</strong>n Co<strong>de</strong>x Sinaiticus aus <strong>de</strong>m 4. Jahrhun<strong>de</strong>rt.<br />

Tischendorf erwarb sich auch große Verdienste<br />

in <strong>de</strong>r Septuaginta- und Apokryphenforschung.<br />

61


auf <strong>de</strong>m Berg Sinai gefun<strong>de</strong>n hat, von <strong>de</strong>nen<br />

neues Licht auf die �eologie gefallen ist.<br />

Außer <strong>de</strong>m habe ich neulich in <strong>de</strong>n alten Schrif -<br />

ten unserer mecklenburgischen Geschichte einen<br />

Brief <strong>de</strong>r Gründung <strong>de</strong>s Gotteshauses in<br />

Ankershagen gefun<strong>de</strong>n. Ein gewisser Ritter mit<br />

Namen Eckert, <strong>de</strong>r Besitzer <strong>de</strong>r Ankershagener<br />

Län<strong>de</strong>reien im 13. Jahrhun<strong>de</strong>rt, hat zwei<br />

Morgen Land gewidmet, um das Wort Gottes<br />

zu beför<strong>de</strong>rn 22 . Politische Dinge haben unser<br />

Leben nie beunruhigt und wir erwarten unbesorgt,<br />

was die zukünftige Zeit an neuen Dingen<br />

heranbringen wird. Du, <strong>de</strong>r du als beson<strong>de</strong>rer<br />

Günstling <strong>de</strong>s Schicksals geför<strong>de</strong>rt wirst, wirst<br />

<strong>de</strong>in Leben für die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Wissenschaft<br />

verwen<strong>de</strong>n können und wirst irgen<strong>de</strong>ine sehr<br />

lange Reise auf dich nehmen, wie zum Beispiel<br />

in <strong>de</strong>n inneren Teil Afrikas, zu <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Zutritt<br />

nun offen steht und wo viele aus unserem Land<br />

zusammenkommen 23 . In<strong>de</strong>m ich alle guten<br />

Vorzeichen für dich erbitte, trage ich dir auf,<br />

dass es dir gut gehen möge und du mir gewogen<br />

bleibst.<br />

62<br />

Ich habe es geschrieben in Neustrelitz<br />

an <strong>de</strong>n Nonen <strong>de</strong>s September<br />

1863<br />

22 Durch eine Neuweihe <strong>de</strong>r Ankershagener Kirche am 1. Mai 1266 ist uns <strong>de</strong>r Name eines Ritters Ecgehardus <strong>de</strong><br />

Ankershagen überliefert. Er o<strong>de</strong>r seine Vorfahren könnten Ankershagen gegrün<strong>de</strong>t haben. Anzunehmen ist, dass<br />

ihr Geschlecht <strong>de</strong>m Dorfe seinen Namen gegeben haben dürfte.<br />

23 Das ist im September 1863 eine sehr interessante Bemerkung. Der Kaufmann Schliemann begab sich zwischen<br />

1864 und 1866 auf eine Weltreise und widmete sein Leben anschließend <strong>de</strong>n Wissenschaften.


Brief vom 9. Januar 1864 (GL Sch A, B 59:1, 52995)<br />

(übersetzt von Maike Gehrlich und Carolin Wieczorek)<br />

vit. Ha quae ad hibernum usum necessaria<br />

sunt, emere potui; praeterea calopodia ferrata,<br />

quibus me juvat per glaciem <strong>de</strong>currere. Habito<br />

nunc in ultima domo plateae, quae a lacu<br />

Zierkiensi nomen ducit; hospes meus, nomine<br />

Warnke, filiam in Russia nuptam habet pistori<br />

Cronstadiensi. Adventus tuus huc verno<br />

tempore exoptatus erit cum omnibus tuis<br />

amicis, tum mihi, qui laetor, te secunda<br />

fortuna ad excolendum literis ingenium uti;<br />

interea vale mihique fave.<br />

Neostrelitiae, 9. Jan. 1864<br />

[…] 25 Diejenigen Dinge, die ich für <strong>de</strong>n<br />

winterlichen Gebrauch benötigte, konnte ich<br />

kaufen; außer<strong>de</strong>m Schlittschuhe [wörtl.: eiserne<br />

Fußträger], welche mich erfreuen über das Eis<br />

zu laufen. 26 Ich wohne jetzt im letzten Haus<br />

auf <strong>de</strong>m Plateau, welches vom Zierker See seinen<br />

Namen nimmt; mein Hauswirt, mit <strong>de</strong>m<br />

Namen Warnke hat eine Tochter, die in<br />

Russland mit einem Bäcker aus Kronstadt<br />

verheiratet ist. 27 Deine Ankunft wird in diesem<br />

Frühjahr von allen <strong>de</strong>inen Freun<strong>de</strong>n erwünscht<br />

sein, umso mehr von mir, <strong>de</strong>r ich mich freue,<br />

dass du das Glück hast, <strong>de</strong>n Geist zum sorg -<br />

fältigen Ausschmücken <strong>de</strong>r Wissenschaften zu<br />

benutzen; in<strong>de</strong>ssen bleibe gesund und bleibe<br />

mir gewogen.<br />

25 Hier fehlt <strong>de</strong>r Anfang <strong>de</strong>s Briefes.<br />

Neustrelitz, 9. Januar 1864<br />

26 Zum Schlittschuhlauf (auf <strong>de</strong>m Zierker See)<br />

27 nach Ernst Meyer (Der »Professor« Andreß,<br />

in: Mecklenburg-Strelitzer Heimatblätter 4, Heft 3,<br />

September 1928) wohnte Carl Adreß in einer »ärmlichen<br />

Hofwohnung in <strong>de</strong>r Seestraße«.<br />

63


28 Dieser Brief ist bereits veöffentlicht. In: Meyer BW I, S. 125 f.<br />

29 Allgemein lassen sich die Penaten als ›Hausgötter‹ bezeichnen. Abgeleitet ist <strong>de</strong>r Begriff von penus ›<strong>de</strong>r Vorratskammer‹<br />

bzw. <strong>de</strong>m ›innersten Teil eines Hauses‹. Diese Götter beschützten die Wohnstätte und ihre Bewohner.<br />

Ihnen war ein Kult am Herd <strong>de</strong>s Hauses gewidmet. In Wandmalereien in Pompeji sind u. a. Jupiter (Zeus), Mars<br />

(Ares), Venus (Aphrodite) und Volcanus (Hephaistos) als Penaten gekennzeichnet. Doch gehören im Prinzip alle<br />

im Inneren eines Hauses verehrten Gottheiten dazu. Schliemann war also nach langer Weltreise ›nach Hause‹<br />

zurückgekehrt.<br />

30 Schliemann wur<strong>de</strong> am 6. Januar 1822 in Neubukow geboren und wuchs zwischen 1823 und 1831 in Ankershagen<br />

auf. Es existieren einige Belege von ihm, in <strong>de</strong>nen er Ankershagen fälschlicherweise als seinen Geburtsort bezeichnet.<br />

31 Bei diesem Buch han<strong>de</strong>lt es sich um: Albert Nie<strong>de</strong>rhöffer, Mecklenburgische Volkssagen, in vier Bän<strong>de</strong>n, 1858-<br />

1862. Die Sage von Henning Bra<strong>de</strong>nkierl (Henning von Holstein) nahm Schliemann in seine Selbstbiographie (Einleitung<br />

zu »Ilios. Stadt und Land <strong>de</strong>r Trojaner«) von 1881 auf .<br />

64<br />

Brief vom 27. März 1866 (GL Sch A, B 60:3, 54670 f.) 28<br />

(übersetzt von Felix Lämmerhirt)<br />

Carolus Andres<br />

Henrico Schliemanno<br />

S.P.D.<br />

Gratulor tibi, te salvum hospitemque ex<br />

longis itineribus ad Penates tuos rediisse.<br />

Sperabam, te nos quoque aditurum esse,<br />

ut manuscripta vetera, vicum tuum natalem<br />

spectantia, quae in bibliotheca nostra asservantur,<br />

inspiceres. Quae spes quum me fefellerit,<br />

mitto tibi narratiunculam <strong>de</strong> Henningis<br />

equite Ankershagiensi, e libro quodam, qui<br />

inscribitur: »Mecklenburgische Volkssagen«<br />

<strong>de</strong>mtam, quam legere tua fortasse interest.<br />

Apographa manuscriptorum si voles, omni<br />

tempore tibi suppeditare possum. – Status<br />

rerum mearum provecta aetate non melior fit,<br />

omni virium mearum contentione opus est, ut<br />

ad vitam necessaria mihi comparem. Quodsi<br />

aliqua ex porte ad levandam tristem meam<br />

conditionem conferre poteris, magnam tibi<br />

habebo gratiam. Vale mihique fave!<br />

1866<br />

Carl Andres, Neu Strelitz 27 Mrz<br />

Carolus Andres grüßt<br />

Heinrich Schliemann<br />

Ich gratuliere dir, dass du gesund und<br />

wohlbehalten von <strong>de</strong>n langen Reisen zu <strong>de</strong>inen<br />

Penaten 29 zurückgekehrt bist. Ich hoffte, dass<br />

du auch zu uns kommen wirst, damit du<br />

die alten Manuskripte, welchen <strong>de</strong>inen Geburtsort<br />

30 betreffen und in unserer Bibliothek<br />

aufbewahrt wer<strong>de</strong>n, anschauen kannst. Da<br />

mich diese Hoffnung getäuscht hat, schicke ich<br />

dir diese Geschichte über Henning, <strong>de</strong>n Ankershagener<br />

Ritter aus einem Buch, welches überschrieben<br />

wur<strong>de</strong> mit „Mecklenburgische Volkssagen“,<br />

die dich vielleicht interessiert zu lesen. 31<br />

Die Abschrift <strong>de</strong>r Manuskripte kann ich dir,<br />

wenn du willst, zu je<strong>de</strong>r Zeit schicken. Der<br />

Zustand meiner Angelegenheiten wird in <strong>de</strong>r<br />

nächsten Zeit nicht besser sein, da alle Anstrengung<br />

meiner Kräfte nötig sein wird,<br />

damit ich mir die lebensnotwendigen Dinge<br />

verschaffen kann. Wenn du einen gewissen Teil<br />

zur Erleichterung meines tristen Daseins<br />

beitragen kannst, wer<strong>de</strong> ich dir ewig dankbar<br />

sein. Bleib gesund und bleibe mir gewogen!<br />

1866<br />

Carl Andres, Neu Strelitz 27 Mrz<br />

Die Arbeit an <strong>de</strong>n lateinischen Briefen hat allen Beteiligten viel Freu<strong>de</strong> gemacht. In die Übersetzungen<br />

<strong>de</strong>r Schülerinnen und Schüler wur<strong>de</strong> seitens <strong>de</strong>s Lehrers nur behutsam eingegriffen.<br />

Heinrich-Schliemann-Museum und Heinrich-Schliemann-Gesellschaft möchten diese Zusammenarbeit<br />

mit <strong>de</strong>m Neuen Carolinum und an<strong>de</strong>ren Gymnasien weiter intensivieren, <strong>de</strong>nn<br />

zahlreiche fremdsprachige Briefe warten auf wissbegierige Schülerinnen und Schüler.


Geschichte erlebbar machen –<br />

eine Herausfor<strong>de</strong>rung unserer Zeit<br />

• Wie kann man die junge Generation an die Geschichte heranführen?<br />

• Wie kann man Geschichte für unsere Schüler erlebbar machen?<br />

Fragen, die beson<strong>de</strong>rs uns Geschichtslehrer immer wie<strong>de</strong>r bewegen und <strong>de</strong>nen wir uns<br />

täglich stellen müssen. Geschichtsunterricht muss stets mehr sein als nur die Vermittlung von<br />

Daten und Fakten, er sollte Entwicklungen aufzeigen, die Möglichkeit bieten sich selbst mit<br />

Geschehnissen in Beziehung zu setzen und vor allem das historische Beispiel o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n historischen<br />

Ort erlebbar nahe bringen.<br />

Um diesen For<strong>de</strong>rungen gerecht zu wer<strong>de</strong>n, richtet sich <strong>de</strong>r Blick über die eigentlichen<br />

Unterrichtsstun<strong>de</strong>n hinaus.<br />

Die folgen<strong>de</strong>n zwei Beispiele, die sich insbeson<strong>de</strong>re mit <strong>de</strong>m �ema DDR-Geschichte<br />

beschäftigen, zeigen Varianten auf, sich auf an<strong>de</strong>re Art und Weise mit <strong>de</strong>r Historie zu beschäftigen<br />

und darüber zu reflektieren.<br />

Schülerprojekt <strong>de</strong>s Gymnasiums Carolinum<br />

Ehemalige Stasi U-Haftanstalt Töpferstraße – Ein vergessener Ort<br />

Was interessiert Schüler <strong>de</strong>s<br />

Gymnasiums Carolinum ein<br />

altes verlassenes Gebäu<strong>de</strong>, in<br />

<strong>de</strong>m quietschen<strong>de</strong> Türen,<br />

dunkle Zellen, in die kaum<br />

Licht durch die verschmutzten<br />

Glasbausteinfenster dringt,<br />

und kein Platz zu fin<strong>de</strong>n ist,<br />

<strong>de</strong>r nicht in <strong>de</strong>n letzten Jahren<br />

schmutzfrei blieb? Vielleicht<br />

gibt dieser unheimliche,<br />

düstere Ort Aufschlüsse<br />

auf Geheimnisse <strong>de</strong>r Geschichte<br />

in Neustrelitz, die<br />

uns bisher verborgen blieben.<br />

Es gibt wohl in ganz<br />

Deutschland keinen so authentischen,<br />

vergessenen Ort.<br />

Überall sonst wur<strong>de</strong> verän<strong>de</strong>rt,<br />

abgerissen, renoviert<br />

und überbaut.<br />

Außenansicht <strong>de</strong>r ehemaligen Stasi U-Haftanstalt Töpferstraße<br />

65


So begann im Jahre 2005 eine Schülergruppe unter <strong>de</strong>r Leitung von Herrn Dr. Heinig sich mit <strong>de</strong>r<br />

ehemaligen U-Haftanstalt zu beschäftigen. Dieses Projekt wur<strong>de</strong> begleitet durch <strong>de</strong>n<br />

LandtagsabgeordnetenDr. Körner und <strong>de</strong>n Beauftragten <strong>de</strong>r Stasiunterlagen <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s Mecklenburg-<br />

Vorpommern Herrn Mothes.<br />

Im ersten Jahr unserer Arbeit beschäftigten wir uns mit philosophischen Grundlagen<br />

<strong>de</strong>rÜberwachung und <strong>de</strong>s Ge<strong>de</strong>nkens. Hierbei wur<strong>de</strong>n wissenschaftliche Arbeiten von Michel Focault,<br />

Friedrich Nietzsche und Joseph Beuys ausgewertet. Eine Erkenntnis hierbei war, dass in einer<br />

zukünftigen Ge<strong>de</strong>nkstätte die Besucher nicht mit Informationen überflutet wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn durch<br />

fragmentarische Gestaltung Denkanstöße geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n sollen. Weiterhinmöchten wir <strong>de</strong>n<br />

Gedanken <strong>de</strong>s Gedächtnisortes als soziale Plastik mit einbeziehen. Aufgrund unserer Forschungen<br />

stellen wir uns vor, dass in einer zukünftigen Ge<strong>de</strong>nkstätte aufgefor<strong>de</strong>rt wird, kritisch zu hinterfragen<br />

und teilzunehmen am steten kreativen Prozess unseres kollektiven Gedächtnisses und nicht<br />

vorgefertigte Meinungen bezüglich <strong>de</strong>s Erinnerns einfach zu übernehmen.<br />

Wir erkannten, dass sich das philosophische Konzept <strong>de</strong>s »Panoptismus« gera<strong>de</strong>zu klassisch auf<br />

die UHA Töpferstraße anwen<strong>de</strong>n lässt, weil man hier jene Machtstrukturen erforschen kann, mit <strong>de</strong>r<br />

sich die SED mehr als 40 Jahre an <strong>de</strong>r Macht hielt.<br />

Wir sichteten vielfältiges Aktenmaterial, führten Zeitzeugengespräche und nahmen<br />

Ortsbegehungen vor. Bei <strong>de</strong>r Inhaftierung achtete man beson<strong>de</strong>rs auf strengste Isolation, Demütigung,<br />

Kontrolle und Manipulation <strong>de</strong>r politischen Häftlinge. Sie wussten zunächst nicht, wo sie waren und<br />

wie lange sie in <strong>de</strong>r Haft bleiben mussten.<br />

Bemerkenswert ist, dass Täter und Opfer bis heute von dieser Vergangenheit stark geprägt sind.<br />

Das Unvermögen mit einan<strong>de</strong>r sprechen zu können zeigt, dass diese Vergangenheit noch nicht<br />

bewältigt wor<strong>de</strong>n ist. Das Problem besteht darin, dass in vielen Fällen <strong>de</strong>m Wunsch ehemaliger<br />

Inhaftierter sich mit <strong>de</strong>n damals Verantwortlichen auseinan<strong>de</strong>rzusetzen nicht entsprochen wird.<br />

Höhepunkte <strong>de</strong>r ersten Jahre waren das Vorstellen von Ergebnissen auf einer Veranstaltung <strong>de</strong>r<br />

Friedrich-Ebert-Stiftung sowie die Präsentation und Diskussion mit interessierten Bürgern und<br />

Zeitzeugen am „Tag <strong>de</strong>s offenen Denkmals“ in <strong>de</strong>r Töpferstraße. Zu Beginn <strong>de</strong>s Schuljahres<br />

2007/<strong>2008</strong> übernahm Herr Ulrich Beesk, Geschichtslehrer am Carolinum, die Leitung <strong>de</strong>s Projektes.<br />

Obwohl die Forschungsarbeiten nicht mehr Teil <strong>de</strong>s Unterrichts sein konnten und somit in <strong>de</strong>r Freizeit<br />

<strong>de</strong>r Schüler stattfin<strong>de</strong>n mussten, erklärten sich Tim Kahl, Maxim Menschenin und Danny Oestreich<br />

bereit, dieses Projekt zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Dieses Engagement und Interesse<br />

für Geschichte ist beson<strong>de</strong>rs zu loben, zumal sich alle Schüler in diesem Schuljahr auf ihr Abitur<br />

vorbereiten müssen.<br />

Wir stellten uns drei Aufgaben:<br />

1. Entwicklung einer Nutzungskonzeption für die ehemalige U-Haftanstalt<br />

2. Dokumentation <strong>de</strong>r Forschungsarbeit<br />

3. Weiterentwicklung <strong>de</strong>s Projekts, um durch <strong>de</strong>n vergessenen Ort viele Schüler zu motivieren, sich<br />

mit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Geschichte <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts zu beschäftigen.<br />

Bei <strong>de</strong>r Erarbeitung <strong>de</strong>r Nutzungskonzeption diskutierten wir viele Fragen kontrovers.<br />

1. Welche und wie viele Räume sollten genutzt wer<strong>de</strong>n?<br />

2. Inwieweit sollte man die Vorstellungen von einer »normalen« Ge<strong>de</strong>nkstätte sprengen?<br />

3. Welche Impulse für die Entwicklung <strong>de</strong>s Geschichtsbewusstseins kann diese Ge<strong>de</strong>nkstätte<br />

geben?<br />

66


Im Januar und Februar <strong>2008</strong> stellten wir die Nutzungskonzeption einer breiten Öffentlichkeit<br />

am »Tag <strong>de</strong>r offenen Tür« im Gymnasium Carolinum sowie im Amtsgericht <strong>de</strong>n Mitglie<strong>de</strong>rn<br />

<strong>de</strong>r AG Haftanstalt vor. Wir sind stolz über die Zustimmung <strong>de</strong>r Expertenrun<strong>de</strong> und über die<br />

Weiterleitung unserer Vorschläge ins Justizministerium in Schwerin.<br />

Wie sieht unsere Nutzungskonzeption im Einzelnen aus?<br />

Wir schlagen vor, die gesamte obere Etage <strong>de</strong>r ehemaligen Stasi Untersuchungshaftanstalt zu<br />

nutzen. Bei unserer Arbeit einigten wir uns auf drei grundlegen<strong>de</strong> Funktionen <strong>de</strong>r zukünftigen<br />

Ge<strong>de</strong>nkstätte.<br />

1. Konservierung und Wie<strong>de</strong>rherstellung von vier Originalzellen<br />

2. Schaffung von Räumen für Studienzwecke und Begegnungen.<br />

Es entstehen ein Archiv und eine Bibliothek, ein multimedialer Arbeitsraum, Seminarräume<br />

sowie ein Sanitär - und Küchentrakt.<br />

3. Ausstellungsräume, die die Besucher informieren und zur persönlichen Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />

anregen.<br />

Vier Räume wer<strong>de</strong>n etappenweise präsentiert. Dabei han<strong>de</strong>lt es sich um ein DDR-Wohnzimmer,<br />

in <strong>de</strong>m das Gefühl <strong>de</strong>r Überwachung durch <strong>de</strong>n panoptischen Blick mithilfe eine Fernsehers<br />

simuliert wird. Weiterhin sollen Bespitzlung, Haftalltag und persönliche Schicksale anschaulich<br />

dargestellt wer<strong>de</strong>n. Ein abschließen<strong>de</strong>r Raum bietet die Möglichkeit <strong>de</strong>r persönlichen<br />

Reflektion. Die Besucher verlassen die Ausstellung durch einen „Eisernen Vorhang“.<br />

Um die Ergebnisse unserer<br />

umfangreichen Forschungsarbeit<br />

darstellen<br />

und präsentieren zu können,<br />

fertigten wir eine<br />

portable Ausstellung an,<br />

die von allen Interessierten<br />

je<strong>de</strong>rzeit genutzt wer<strong>de</strong>n<br />

kann. Außer<strong>de</strong>m ist<br />

eine Digitalisierung geplant.<br />

Den Abschluss unserer<br />

Projektarbeit bil<strong>de</strong>te eine<br />

Besichtigung <strong>de</strong>r Ge<strong>de</strong>nkstätte<br />

in Berlin Hohenschönhausen.<br />

Dieser Besuch<br />

machte uns noch<br />

einmal <strong>de</strong>utlich, wie wichtig<br />

es ist, sich auch in Zu- Die Besucher verlassen die Ausstellung durch einen »Eisernen Vorhang«<br />

kunft mit dieser ehemaligen<br />

U-Haftanstalt in Neustrelitz zu beschäftigen. Diese Arbeit hat allen Beteiligten viel Freu<strong>de</strong><br />

bereitet. Die Abiturienten Maxim Menschenin, Danny Oesterreich und Tim Kahl erhielten für<br />

ihre Arbeit ein Zertifikat <strong>de</strong>s Ministers für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Henry Tesch.<br />

Daher wünschen wir uns, dass auch im nächsten Schuljahr interessierte Schüler <strong>de</strong>s Gymnasiums<br />

Carolinum dieses Projekt weiterführen können.<br />

Ulrich Beesk<br />

67


»Macht das Tor auf« – Zugänge zum Geschichtsverständnis<br />

En<strong>de</strong> letzten Jahres kam es in <strong>de</strong>r Aula <strong>de</strong>s Gymnasium Carolinum Neustrelitz zur Aufführung<br />

<strong>de</strong>s �eaterstückes »Macht das Tor auf«, das Til Dellers vom Interkunst e.V. Berlin anlässlich<br />

<strong>de</strong>s 30. To<strong>de</strong>stages Michael Gartenschlägers produzierte. Geför<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong> das Projekt<br />

vom Lan<strong>de</strong>sbeauftragten für die Stasiunterlagen, Herrn Jörn Mothes. In 70 Minuten wur<strong>de</strong> die<br />

Geschichte <strong>de</strong>s SED-Regimegegners inszeniert. Vor <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>r anwesen<strong>de</strong>n Zwölftklässler<br />

haben Felix Isenbügel als Protagonist und David Hannak in <strong>de</strong>r Rolle seines Freun<strong>de</strong>s Gerd<br />

Resag be<strong>de</strong>utsame Stationen ihres Wi<strong>de</strong>rstan<strong>de</strong>s auf die Bühne gebracht. In ihren vielfältigen<br />

Nebenrollen unterstützten Elisabeth Fritze sowie Frie<strong>de</strong>mann A. Nawroth das Schauspiel.<br />

Anhand dieses konkreten Beispiels wird über ein Stück <strong>de</strong>utscher Geschichte reflektiert. Aus<br />

<strong>de</strong>r Ernüchterung <strong>de</strong>r sozialen Realität im Strausberg <strong>de</strong>r 60er Jahre heraus fangen <strong>de</strong>r 17-jährige<br />

Michael und <strong>de</strong>r gleichaltrige Gerd an, ihren Zweifel an <strong>de</strong>r DDR zu leben: Sie hören klassenfeindliche<br />

Musik, sie beschmieren die Mauer, welche urplötzlich <strong>de</strong>n Weg ins vermeintliche<br />

Paradies Westberlin versperrt, sie beschließen daraufhin, sich <strong>de</strong>n Weg freizusprengen. Der<br />

Plan misslingt; sie wer<strong>de</strong>n inhaftiert. Im sich anschließen<strong>de</strong>n Schauprozess kommt es zur Verurteilung<br />

zu einer lebenslänglichen Gefängnisstrafe. Konfrontiert mit menschenunwürdigen<br />

Haftbedingungen rebelliert Gartenschläger und radikalisiert sein Denken. Unter <strong>de</strong>n zwischen<br />

1964 und 1989 von <strong>de</strong>r BRD inoffiziell freigekauften 33755 Häftlingen befan<strong>de</strong>n sich auch Gartenschläger<br />

und Resag, die 1971 nach 10 Jahren politischen Gewahrsams befreit wur<strong>de</strong>n. Jenseits<br />

<strong>de</strong>r verhassten Mauer zeigt sich Gartenschläger gegenüber <strong>de</strong>r beschwichtigen<strong>de</strong>n Entspannungspolitik<br />

Brandts zunehmend enttäuscht. Auf <strong>de</strong>r Suche nach extremeren Protest -<br />

formen <strong>de</strong>montiert er einen »To<strong>de</strong>sautomaten«, welcher Bestandteil <strong>de</strong>s sogenannten To<strong>de</strong>sstreifens,<br />

in <strong>de</strong>m 270 DDR-Bürger starben, war. Die Selbstschussanlage wird <strong>de</strong>r west<strong>de</strong>utschen<br />

Presse übergeben; Staatsicherheitschef Mielke schäumt vor Wut und requiriert ein Liquidationskommando,<br />

welches <strong>de</strong>n 32 Jahre alten Gartenschläger bei seinem erneuten Versuch <strong>de</strong>r<br />

Entwendung 1976 erschießt.<br />

Das durch <strong>de</strong>n Einsatz von projizierten Bil<strong>de</strong>rn und weitestgehend minimalistisch anmuten<strong>de</strong>m<br />

Bühnen- und Requisitenrepertoire gestaltete Stück wirft die Problematik eines unzulänglich<br />

vermittelten Geschichtsverständnisses auf. Bezeichnen<strong>de</strong>rweise wirkt <strong>de</strong>r Prolog als Fingerzeig<br />

auf <strong>de</strong>n Missbrauch dieser Geschichte von rechts: NPD-Funktionäre benutzen nicht nur<br />

<strong>de</strong>n Fall Gartenschläger, son<strong>de</strong>rn auch weiteres Unrecht <strong>de</strong>r DDR zur Indoktrinierung. Das ordnet<br />

sich in die Gesamtheit falscher Interpretationsansätze <strong>de</strong>r Geschichte ein. Dieses mangeln<strong>de</strong><br />

Verständnis von Geschichte schlug sich auch in <strong>de</strong>m relativ geringen Engagement <strong>de</strong>r Schüler in<br />

<strong>de</strong>r auf das Stück aufbauen<strong>de</strong>n Diskussion nie<strong>de</strong>r. Derartiges scheinbares Desinteresse in einer<br />

Abiturstufe ist doch durchaus beunruhigend und fragwürdig: Fühlen sich die »Kin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s<br />

Ostens« nicht mehr von DDR-Geschichte betroffen? Ruft ein solcher Fall mutiger Rebellion<br />

keine Meinung hervor? Sollte man die Aufarbeitung historischer Begebenheiten allein <strong>de</strong>n politischen<br />

Extremen überlassen? Wie schafft die Schule <strong>de</strong>m Abhilfe?<br />

Vielleicht bringen unterrichtsergänzen<strong>de</strong> Projekte die Lösung. Am Gymnasium Carolinum<br />

haben die Lehrer Dr. J. Heinig und U. Beesk mit ihrem Projektkurs »Untersuchungshaftanstalt<br />

Töpferstraße« zur lokalen Stasivergangenheit erste erfolgsversprechen<strong>de</strong> Schritte eingeleitet.<br />

Mit <strong>de</strong>r Aufführung von »Macht das Tor auf«“ wur<strong>de</strong> an dieser Schule nun ein weiteres Zeichen<br />

gesetzt.<br />

68<br />

Jonas Wehling und Maxim Menschenin


Schulvereinsmitglie<strong>de</strong>r stellen sich vor<br />

Drei Fragen an: Bernd Wer<strong>de</strong>rmann<br />

1. Herr Wer<strong>de</strong>rmann, Sie sind als erfolgreicher Unternehmer<br />

in unserer Region bekannt und engagieren sich auch für<br />

das Carolinum. Schil<strong>de</strong>rn Sie uns doch bitte Ihren<br />

persönlichen Wer<strong>de</strong>gang und Ihre berufliche Entwicklung.<br />

Geboren wur<strong>de</strong> ich am 25. Mai 1954 in Neustrelitz als<br />

Ältester von 8 Geschwistern. Mein Vater war als Kraftfahrer<br />

tätig und meine Mutter war Hausfrau. Nach Abschluss<br />

<strong>de</strong>r 10.Klasse erlernte ich <strong>de</strong>n Beruf <strong>de</strong>s Maurers im Baubetrieb<br />

Carl Röwer. Ich arbeitete dann im VEB (K) Bau<br />

Neustrelitz als Maurer und studierte nach <strong>de</strong>r Armeezeit,<br />

von 1975-1978 an <strong>de</strong>r Ingenieurschule für Bauwesen in<br />

Neustrelitz und schloss als Ingenieur für Hochbau ab.<br />

Nach <strong>de</strong>m Studium begann sofort <strong>de</strong>r Einsatz als Bauleiter<br />

im Kreisbaubetrieb. Die Leitung von anspruchsvollen Bauvorhaben,<br />

wie <strong>de</strong>r Umbau <strong>de</strong>s �eaters, die Erweiterung<br />

und Sanierung <strong>de</strong>s Krankenhauses lagen in meinem Auf gabenbereich.<br />

Es entstand <strong>de</strong>r Wunsch ein eigenes Unternehmen zu grün<strong>de</strong>n und zu leiten. Nach gründ -<br />

licher Vorbereitung und vielen Behör<strong>de</strong>ngängen gelang <strong>de</strong>r Schritt in die Selbstständigkeit. Am<br />

1.4.1988 grün<strong>de</strong>te ich einen Baubetrieb mit 2 weiteren Mitarbeitern. Schwerpunkte <strong>de</strong>r Arbeit<br />

waren Baureparaturen und Instandhaltungsmaßnahmen. Später kam <strong>de</strong>r Gerüstbau hinzu. Es<br />

galt Auftraggeber in <strong>de</strong>r Region zu gewinnen und gute Handwerksarbeit abzuliefern.<br />

Nach <strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong> wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Gerüstbau und die Sanierung von Bau<strong>de</strong>nkmälern zu <strong>de</strong>n<br />

tragen<strong>de</strong>n Säulen <strong>de</strong>s Unternehmens.<br />

Neben einfachen Bühnen mussten nun auch komplizierte Baugerüste an Brücken und<br />

Kirchen fachgerecht erstellt wer<strong>de</strong>n.<br />

Meine Frau Karin, von Beruf Lehrerin, arbeitet seit 1991 im Unternehmen mit. Mein Sohn<br />

Nico, geb. 1976, absolviert ein Jurastudium und mein Sohn Michael, geb. 1981, arbeitet als<br />

Diplombetriebswirt in Köln.<br />

2. Warum erfolgte gera<strong>de</strong> die Spezialisierung auf solche anspruchsvollen Objekte wie Bau<strong>de</strong>nkmäler<br />

und vor allem Kirchen?<br />

Wenn man heute auf <strong>de</strong>m ›Baumarkt‹ bestehen will, muss man sich Nischen suchen, das<br />

heißt, sich spezialisieren. In unserem Betrieb verfüge ich über einen guten Stamm an Fachkräften<br />

von Maurern, Zimmerern und Gerüstbauern.<br />

Mit <strong>de</strong>r Lehrlingsausbildung in unserem Betrieb sichere ich <strong>de</strong>n eigenen Facharbeiternachwuchs<br />

ab. Seit 1990 haben wir bisher ca. 60 Lehrlinge ausgebil<strong>de</strong>t.<br />

Für meine Lehrlinge nehme ich mir viel Zeit. Wenn sie sich bei uns bewerben, bestelle ich sie<br />

zu einem Vorstellungsgespräch mit <strong>de</strong>ren Eltern her und erkenne in diesem Gespräch, ob dieser<br />

Jugendliche in unsere Struktur passen könnte. Der Azubi absolviert dann ein praktisches Jahr in<br />

unserem Betrieb, in <strong>de</strong>m wir uns kennen lernen. Danach beginnt die 3-jährige Lehre, die unsere<br />

Lehrlinge meist mit tollen Ergebnissen abschließen. Wer mit ›sehr gut‹ abschließt, erhält eine<br />

Urlaubsreise. Lei<strong>de</strong>r zieht <strong>de</strong>r Bund, die Freundin o<strong>de</strong>r Fernweh viele dieser jungen Leute in die<br />

Welt, aber sie sind gut ausgebil<strong>de</strong>t und fin<strong>de</strong>n ihren Weg.<br />

69


Die soli<strong>de</strong> Lehrausbildung ist das Eine, aber auch die Weiterbildung und Spezialisierung <strong>de</strong>r<br />

Facharbeiter wird bei uns großgeschrieben. Wir müssen Achtung haben, Achtung vor <strong>de</strong>m, was<br />

die Generationen vor uns hinterlassen haben. Wir, als Firma, erhalten solche Bauwerke o<strong>de</strong>r<br />

stellen sie in ihrer ursprünglichen Form wie<strong>de</strong>r her. Aber wir fügen <strong>de</strong>m nichts hinzu. Je<strong>de</strong>nfalls<br />

nur selten und dann gut durchdacht. Man muss aber manchmal auch Kompromisse eingehen.<br />

Die Speicher am Neustrelitzer Stadthafen hatten ihre Be<strong>de</strong>utung als Speicher verloren und wur<strong>de</strong>n<br />

einer neuen Nutzung zugeführt. Das be<strong>de</strong>utete: Entkernung, neue Deckenhöhen, neue<br />

Statik, neue Grundrisse und Balkone.<br />

Unsere Firma hat im historischen Stadtkern von Neustrelitz viele ältere Gebäu<strong>de</strong> restauriert.<br />

Stolz sind wir z.B. auf die Sanierung <strong>de</strong>r Glambeckerstraße 3 (Jugendstilfassa<strong>de</strong>). Für die Sanierung<br />

<strong>de</strong>s Wohnhauses in <strong>de</strong>r Elisabethstr. 15/16 erhielten wir 1999 <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>spreis für Handwerk<br />

in <strong>de</strong>r Denkmalpflege.<br />

Ein Gebäu<strong>de</strong>, bei <strong>de</strong>ssen Sanierung wir die Zimmerer- und Fassa<strong>de</strong>narbeiten ausführten, war<br />

das heutige Carolinum. Die damals entstan<strong>de</strong>ne Beziehung zu <strong>de</strong>m Gebäu<strong>de</strong> hat sich zu einer<br />

Verbun<strong>de</strong>nheit mit dieser Schule bis heute entwickelt. Am Anfang eine anspruchsvolle Arbeit,<br />

an einem tollen Gebäu<strong>de</strong> … dann ein engagierter Schulleiter … und heute unterstütze ich sehr<br />

gern die Initiativen, die von <strong>de</strong>n Schülern und Angestellten dieser Schule ausgehen.<br />

Wir waren bisher an <strong>de</strong>r Instandsetzung von mehr als 160 Gotteshäusern in Mecklenburg-<br />

Vorpommern, Bran<strong>de</strong>nburg und Nie<strong>de</strong>rsachsen beteiligt. Meistens ist es die Architektur, die<br />

mich begeistert, manchmal auch <strong>de</strong>r Kontakt zu <strong>de</strong>n Menschen, die großes Interesse für die<br />

Arbeit meiner Männer zeigen.<br />

Auch die von Hofbaumeister Buttel errichtete Schlosskirche in Neustrelitz gehört in diese<br />

Liste <strong>de</strong>r restaurierten Kirchen. In <strong>de</strong>r Arbeit meiner 28 Maurer, Zimmerer und Gerüstbauer<br />

steckt auch ein gehöriges Maß an Erfahrung und Wissen um baugeschichtliche, konstruktive<br />

und verfahrenstechnische Zusammenhänge früherer Jahrhun<strong>de</strong>rte.<br />

3. Dem Unternehmer Bernd Wer<strong>de</strong>rmann wird aber auch viel Bo<strong>de</strong>nständigkeit, Heimatverbun<strong>de</strong>nheit<br />

und soziales Engagement bescheinigt?<br />

Wenn man in dieser Region geboren ist, hier arbeitet und wohnt, sollte man sich auch hier<br />

engagieren. Ob es nun um die Unterstützung <strong>de</strong>r Schlossgartenfestspiele, <strong>de</strong>s Breiten- und<br />

Kin<strong>de</strong>rsports o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Senioren geht. Viele Aktivitäten in unserer Gesellschaft sind heute nur<br />

über das Ehrenamt zu realisieren. Die Gesellschaft lebt davon, dass Menschen sich uneigen -<br />

nützig engagieren. Lei<strong>de</strong>r ist es so, dass Einige sehr viel tun, während an<strong>de</strong>re ihre Reserven nicht<br />

nutzen. Diese wissen gar nicht, wie viel Lebensfreu<strong>de</strong> ihnen ehrenamtliche Arbeit bringen<br />

könnte.<br />

Ich bin seit über 25 Jahren Mitglied <strong>de</strong>r FDP, bin Gründungsmitglied <strong>de</strong>s Lions-Club Neustrelitz,<br />

Lan<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverban<strong>de</strong>s Gerüstbau, stellvertreten<strong>de</strong>r Oberinnungsmeister<br />

<strong>de</strong>r Bauinnung Mecklenburg- Strelitz / Neubran<strong>de</strong>nburg und öffentlich bestellter und<br />

vereidigter Sachverständiger für <strong>de</strong>n Gerüstbau.<br />

Eine Vereinsmitgliedschaft liegt mir beson<strong>de</strong>rs am Herzen – die im Verein Technikum Strelitz<br />

– Max Hittenkofer, ein Verein zur Wahrung <strong>de</strong>r Tradition <strong>de</strong>r Ingenieurausbildung in Neu -<br />

strelitz. 1890 wur<strong>de</strong> das Technikum Strelitz eröffnet und 1991 als Ingenieurschule für Bauwesen<br />

geschlossen. Auch so eine abgebrochene Tradition … Mit Ausnahme <strong>de</strong>r Kriegsjahre gab es immer<br />

800-1000 Stu<strong>de</strong>nten im Stadtteil Strelitz und viele davon waren Auslän<strong>de</strong>r. Zu DDR-Zeiten<br />

studierten mehrere afrikanische Bauminister und auch <strong>de</strong>r Stadtbaudirektor von Jerusalem in<br />

Neustrelitz. Der heutige Traditionsverein betreut eine Ausstellung, arbeitet die Geschichte <strong>de</strong>r<br />

Schule weiter auf und organisiert regelmäßige Treffen <strong>de</strong>r Absolventen.<br />

Wie bereits erwähnt fühle ich mich mit <strong>de</strong>m Gymnasium Carolinum verbun<strong>de</strong>n und wer<strong>de</strong><br />

auch in <strong>de</strong>r Zukunft bei <strong>de</strong>r Durchführung von Veranstaltungen, Konzerten und Wettkämpfen<br />

Unterstützung geben.<br />

Heinz Ol<strong>de</strong>nburg<br />

70


Absolventen <strong>de</strong>s Carolinum berichten<br />

Zum Abschluss – ein Foto<br />

Erfahrungsbericht einer Praktikantin<br />

Die Betreuerin <strong>de</strong>r Praktikantin Maria Arndt, Klara Kopperschmidt<br />

und <strong>de</strong>r Minister für Bildung, Wissenschaft und<br />

Kultur, Henry Tesch<br />

Während ich die letzten Tage meines<br />

Praktikums im Ministerium für Bildung,<br />

Wissenschaft und Kultur in Schwerin<br />

verbrachte, ließ mich Herr Tesch mit<br />

<strong>de</strong>m Hinweis, es wür<strong>de</strong>n Fotos gemacht<br />

wer<strong>de</strong>n, in sein Büro bestellen. Als wir<br />

nun vor <strong>de</strong>r <strong>de</strong>korativen Bücherwand<br />

stan<strong>de</strong>n und uns unterhielten, bemerkte<br />

er beiläufig, dass die Fotos neben meinem<br />

Artikel in <strong>de</strong>r Zeitschrift Carolinum<br />

Verwendung fin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n. Ich gebe zu,<br />

dass ich im ersten Moment nicht sicher<br />

war, ob diese Aussage ernsthaft geäußert<br />

wur<strong>de</strong> und fragte nach. Die Antwort,<br />

liebe LeserInnen, liegt vor Ihnen.<br />

Mein Name ist Klara Kopperschmidt<br />

und ich bin eine <strong>de</strong>r AbiturientInnen <strong>de</strong>s<br />

Jahrgangs 2007. Nach <strong>de</strong>m Abschluss ging ich nach Bremen, um im Internationalen Studiengang<br />

Politik management zu studieren. Da im Curriculum <strong>de</strong>s Studienganges zwanzig Wochen<br />

Praktikum vorgesehen sind, überlegte ich mir schon bald verschie<strong>de</strong>ne Möglichkeiten. Sie können<br />

sich vorstellen, dass mir das Ministerium für Bildung, Wisenschaft und Kultur in Schwerin<br />

als ehemaliger Schülerin <strong>de</strong>s Carolinum sehr schnell in <strong>de</strong>n Sinn kam. Auf diesem Wege verbrachte<br />

ich also vier Wochen im Februar und März <strong>2008</strong> im Marstall <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>shauptstadt.<br />

Als frische Stu<strong>de</strong>ntin hatte ich allerdings kaum Kenntnis von <strong>de</strong>n praktischen Abläufen eines<br />

Ministeriums und war gespannt, welche Aufgaben mich erwarten wür<strong>de</strong>n. Im ersten Gespräch<br />

mit <strong>de</strong>r persönlichen Referentin erfuhr ich dann, dass man mich jeweils zwei Wochen im Koordinierungsstab<br />

sowie im Hochschulreferat einsetzte. Durch diese Teilung bekam ich Gelegenheit,<br />

möglichst unterschiedliche Einblicke in <strong>de</strong>n bildungspolitischen Alltag Mecklenburg-Vorpommerns<br />

zu gewinnen. Ich durfte an Arbeitskreis- und Ausschusssitzungen teilnehmen,<br />

Herrn Tesch bei öffentlichen Terminen begleiten o<strong>de</strong>r auch die Debatten <strong>de</strong>r Landtagssitzungen<br />

miterleben. Hier sah ich dann auch zum ersten Mal, wie grotesk und inhaltslos die NPD in<br />

Mecklenburg vorgeht.<br />

Daneben erledigte ich aber auch Arbeiten innerhalb <strong>de</strong>s Ministeriums, wie das Vorverfassen<br />

von Antwortbriefen, Schreiben von Pressemitteilungen und –einladungen o<strong>de</strong>r das Archivieren<br />

von Studiengängen.<br />

Mit <strong>de</strong>r Fülle <strong>de</strong>r Aufgaben und Eindrücke verging die Zeit in Schwerin sehr schnell und ich<br />

wur<strong>de</strong> um eine Erfahrung reicher. Mein nächstes Praktikum wür<strong>de</strong> ich sehr gern in Brüssel<br />

beim Europäischen Parlament absolvieren. Wenn überhaupt, wer<strong>de</strong> ich dort aber nicht die<br />

Chance auf einen Fototermin vor einem Brockhaus-bestückten Regal bekommen.<br />

71


72<br />

Nachruf<br />

An dieser Stelle möchten wir unserer langjährigen Kollegin<br />

Christiane Funke<br />

ge<strong>de</strong>nken, die im Februar <strong>2008</strong> verstorben ist.<br />

Christiane war eine engagierte Lehrerin, die ihre Arbeit mit <strong>de</strong>n<br />

Schülern liebte und für diese und uns Kollegen immer ein<br />

offenes Ohr hatte. Sie war eine hilfsbereite, kritische und<br />

streitbare Kollegin, fröhlich und unerschütterlich optimistisch. Wir<br />

verlieren mit ihr eine verständnisvolle<br />

und herzliche Freundin.<br />

Christiane wird in unseren Gedanken bleiben.<br />

Die Kolleginnen und Kollegen <strong>de</strong>s Gymnasium Carolinum


Nachruf<br />

Im März <strong>2008</strong> verstarb nach kurzer, schwerer Krankheit unser<br />

Kollege<br />

Bodo Hein<br />

Fachlehrer für Geografie und Sport.<br />

Seine große Lei<strong>de</strong>nschaft gehörte <strong>de</strong>m Fußball.<br />

Durch sein engagiertes Auftreten begeisterte er<br />

über viele Jahre seine Schüler.<br />

Wir verlieren mit ihm einen freundlichen<br />

und hilfsbereiten Kollegen, <strong>de</strong>n wir nicht vergessen wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Kolleginnen und Kollegen <strong>de</strong>s Gymnasium Carolinum<br />

73


Strelitzer Zeitung, 27. November 2007<br />

74<br />

Pressespiegel


Anzeigenkurier, 28. November 2007<br />

75


Strelitzer Zeitung, 28. November 2007<br />

76


Strelitzer Zeitung, 11. Dezember 2007<br />

77


Strelitzer Zeitung, 13. Dezember 2007<br />

78


Strelitzer Zeitung, 21. Dezember 2007<br />

79


Strelitzer Zeitung, 29./30. Dezember 2007<br />

80


Strelitzer Zeitung, 12./13. Januar <strong>2008</strong><br />

81


Strelitzer Zeitung, 19./20. Januar <strong>2008</strong><br />

82


Mecklenburger-Strelitz Blitz, 20. Januar <strong>2008</strong><br />

83


Strelitzer Zeitung, 21. Januar <strong>2008</strong><br />

84


Strelitzer Zeitung, 25. Januar <strong>2008</strong><br />

85


Strelitzer Zeitung, 26./27. Januar <strong>2008</strong><br />

86


Strelitzer Zeitung, 28. Januar <strong>2008</strong><br />

87


Strelitzer Zeitung, 4. Februar <strong>2008</strong><br />

88


Strelitzer Zeitung, 4. Februar <strong>2008</strong><br />

89


Strelitzer Zeitung, 4. Februar <strong>2008</strong><br />

90


Strelitzer Zeitung, 12. Februar <strong>2008</strong><br />

91


Strelitzer Zeitung, 26. Februar <strong>2008</strong><br />

92


Strelitzer Zeitung, 4. März <strong>2008</strong><br />

93


Strelitzer Zeitung, 13. März <strong>2008</strong><br />

94


Strelitzer Zeitung, 7. April <strong>2008</strong><br />

95


Strelitzer Zeitung, 8. April <strong>2008</strong><br />

96


Strelitzer Zeitung, 16. April <strong>2008</strong><br />

97


Strelitzer Zeitung, 19./20. April <strong>2008</strong><br />

98


Strelitzer Zeitung, 8. Mai <strong>2008</strong><br />

99


Strelitzer Zeitung, 17./18. Mai <strong>2008</strong><br />

100


Strelitzer Zeitung, 22. Mai <strong>2008</strong><br />

101


Strelitzer Zeitung, 22. Mai <strong>2008</strong><br />

102


Strelitzer Zeitung, 23. Mai <strong>2008</strong><br />

103


Strelitzer Zeitung, 25. Mai <strong>2008</strong><br />

104


Strelitzer Zeitung, 30. Mai <strong>2008</strong><br />

105


Strelitzer Zeitung, ohne Datum <strong>2008</strong><br />

106


Strelitzer Zeitung, 11. Juni <strong>2008</strong><br />

107


Strelitzer Zeitung, 15./16. Juni <strong>2008</strong><br />

108


Strelitzer Zeitung, 18. Juni <strong>2008</strong><br />

109

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