Die Affäre Max Planck - Wolf-Ekkehard Lönnig

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01.12.2012 Aufrufe

58 "Schließlich aber (so zeigte vor allem A. Portmann) sind alle von Darwin erwähnten Faktoren völlig ungeeignet, um die über den Erhaltungswert hinausgehenden Merkmale der Lebewesen – ihre »Darstellungswerte«, wie Gestalt, Muster, Farbenpracht und Harmonie sowie ihre »Innerlichkeit« – zu erklären oder auch nur zuzulassen. So wären also die Evolutionsfaktoren des Darwinismus einfach falsch? Nein - das wird kein Biologe behaupten wollen. Aber der Geltungsbereich dieser Faktoren, nämlich ihr umfassender Alleinvertretungsanspruch muß bestritten werden. Für die das gegebene Thema des Typus variierende Evolution, für eine ihrer zwei Wirkungsweisen also, nämlich für den Artenwandel im Umkreis etablierter Gestalten (für die »Ausschmückung des Typus«, H. Driesch) haben diese Faktoren durchaus einen gewissen Erklärungswert - wenigstens solange man nicht dogmatisch auf dem unwissenschaftlichen Begriff des »Zufalls« besteht. Wie aus dem Urhasen der heutige Hase und das Kaninchen wurden, das mag mit Selektion der Mutanten und mit Isolation der Resultanten hinlänglich und biologisch eindeutig zu beschreiben (wenn auch nicht letztlich zu erklären) sein. Aber der Erklärungsversuch, ja schon der Beschreibungsversuch entartet zur Groteske, wenn mit Hilfe der Darwin-Faktoren auch die qualitative Evolution, also die verwandtschaftliche Abfolge vom Einzeller über Fisch und Reptil zum Säugetier oder gar die Menschwerdung im »Tier-Mensch- Übergangsfeld« (G. Heberer) als »völlig befriedigend« bezeichnet und als »zwangsläufiger Prozeß« dargestellt wird! Erinnern wir uns wieder der zwei grundsätzlich verschiedenen Weisen von Evolution, die sich aufzeigen ließen, so wird nun klar, daß der Darwinismus allenfalls für die Mikro-Evolution taugt, während er für die Makro-Evolution, die zu neuen Typen führte, völlig überfordert ist. Hier bei den Typensprüngen und Qualitätsstufen muß also weiter gesucht werden…" Und seine Antwort (pp. 84/85, kursiv wieder von Illies): "…nur in einer Selbstüberschreitung der Biologie könnte die letzte Antwort auf unsere Frage gewonnen werden. Das haben in unserem Jahrhundert sowohl C. L. Morgan und A. N. Whitehead wie nur ein wenig später P. Teilhard de Chardin deutlich gemacht, als sie am Ende biologischer Deutungen zu der letzten Aussage vorstießen, in der sich der Kreis naturphilosophischer Überlegungen wieder schließt: "Evolution ist der Wille Gottes"." Die Evolutionsthematik spricht Illies auch in seiner Arbeit von 1982 an: Das Geheimnis der grünen Planeten (ebenfalls Umschau Verlag), so z. B. pp. 119/121: "Stammt der Mensch vom Affen ab, weil einst einer Affenart der Sprung zum ganz anderen, überlegenen, unspezialisierten und daher jeder wechselnden Umwelt angepassten vernünftigen Lebewesen gelang, aus "Zufall" oder aus ordnender Absicht des Konstrukteurs, der hinter dieser Typenfolge steht? Oder darf man auch umgekehrt denken: Stammt der Affe vom Menschen ab, weil dieses unspezialisierte, aufrecht gehende, denkende Lebewesen in seiner Geschichte der letzten 30 Millionen Jahre immer wieder Seitenzweige abgab, die sich an das Baumleben, das Steppenleben, die Höhle anpassten, ihre zunächst vorhandene geistige Fähigkeit teilweise einbüßten und so zu Affen wurden (Diese Deutung könnte uns immerhin erklären, warum jugendliche Affen so viel menschenähnlicher sind als die erwachsenen.)" Weiter sei hier Illies' Buch von 1976 Das Geheimnis des Lebendigen zu Leben und Werk des Biologen Adolf Portmann erwähnt (Kindler Verlag GmbH, München), Portmann wäre übrigens ein weiteres umfangreiches Thema für sich. Just a glimpse (pp. 223/224): Portmann: "Wer an einer Grenze steht, blickt auch schon über diese Schranken hinweg in ein anderes Land." Illies: "Solche Aufbrüche in ein anderes Land waren die großen Etappen in Portmanns Biologie: die organische Stilkunde der tierischen Gestalt und die Hereinnahme des Geistigen in die Beschreibung des Menschen." Es ging in den Eranos-Tagungen ab 1946 u. a. darum, "die Schranken zwischen den sogenannten Natur- und Geisteswissenschaften aufzuheben" – Olga Fröbe-Kapteyn zitiert nach Illies (p. 225). Oder pp. 166/167 zum Themenkreis "Innerlichkeit als die dem Lebendigen eigentümliche Dimension oberhalb der mechanischen Funktion der Apparate und als Manifestation dieser Innerlichkeit [der] Darstellungswert der Gestalten, in dem jede elementare Notwendigkeit überschritten wird [kursiv im Original], kommentiert Joachim Illies: "Das sind ungewohnte, ja unbequeme Töne im Raum der Zoologie, durchaus geeignet, den

59 neodarwinistischen Burgfrieden zu stören und die Fragwürdigkeit der mit Selektionswert und Mutationsdruck nur unzureichend erklärten Phänomene aufzurühren. Wer mit Begriffen wie Innerlichkeit und Selbstdarstellung die Grenzen dessen überschreitet, wonach in der Fachzoologie gefragt werden darf, bekommt den Widerstand der Zunft zu spüren. Er reicht vom freundschaftlichen Vorwurf des alten Weggenossen Baltzer: "Portmann, Sie resignieren zu früh!" (womit gemeint ist: Warten Sie doch ab, eines Tages werden wir auch Ihre "Geheimnisse" der Gestalt als mechanisch-physiologische Funktionen erklären), über stirnrunzelndes Unbehagen, wie es sich etwa in Otto Köhlers Rezension der Neuen Wege der Biologie findet, bis zu offener und warnender Ablehnung durch Adolf Remane vor dem Forum der deutschen zoologischen Standesorganisation. Stirnrunzelnde Ablehnung erfahren die Andersgläubigen im Kreise der Rechtgläubigen grundsätzlich. Das ist ein so allgemeines Gesetz, dass es im Licht der modernen Verhaltensforschung als "Mobbing-Reaktion" der sozialen Gruppenhygiene bereits selbst zum Gegenstand naturwissenschaftlicher Forschung geworden ist." Joachim Illies (1925-1982) habe ich Anfang der 1980er Jahre in Bonn anlässlich seines Colloquium-Vortrags persönlich kennen gelernt und mit ihm diskutiert und korrespondiert (Letzteres kurz auch mit Portmann in den 70er Jahren). Aber auch mehrere Mitarbeiter der AG Evolutionsbiologie wie G. S. Levit und U. Hoßfeld sind über einige wissenschaftliche Theorien, die auf "übernatürliche, immaterielle oder teleologische Faktoren" Bezug nehmen, bestens informiert. Siehe zum Beispiel den Beitrag von Levit, Meister und Hoßfeld (2008): Alternative evolutionary theories – A historical survey http://www.evolutionsbiologen.de/jbioecon_2008.pdf. Als Stichworte könnte man notieren: ‚Scientific’ Creationism: Kleinschmidt. Idealistic morphology: Naef, Troll. Siehe auch Levit und Meister (2006): "Goethes langer Atem: Methodologische Ideologien in der deutschen Morphologie des 20. Jahrhunderts" http://www.evolutionsbiologen.de/goethesatem.pdf. Hier einige Auszüge (pp. 212, 218/219, 222, 225, 228): (P. 212) "Die methodische Begründung des strukturalistischen Forschungsansatzes erfolgte im Rahmen einer »idealistischen Morphologie«, wie sie die Arbeiten J. W. VON GOETHES (1749-1832) in Deutschland sowie G. CUVIERS (1769-1832) und E. GEOFFROY SAINT-HILAIRES (1772-1844) in Frankreich beschreiben. Idealistische Morphologie-Konzepte in den deutschsprachigen Wissenschaften des 20. Jahrhunderts repräsentierten solch einflussreiche Forscher wie Adolf NAEF (1883-1949), A. REMANE (1898-1976),W.LTJBOSCH (1875- 1938), Wilhelm TROLL (1897-1978) und Edgar DACQUE (1878-1945)." ….. "Das Leitbild zur systematischen Erfassung der Formenvielfalt lieferte das Konzept des Typus, welcher als im platonischen Sinne ideales oder reales Muster eine bestimmte Klasse von Phänomenen zusammenfasse und die Norm dieser Klasse verbildliche. 6 Die Formen entwickeln sich nach Auffassung der idealistischen Morphologie im Rahmen einer Eigengesetzlichkeit, wobei die Form der Funktion logisch vorangeht. Von dieser Prämisse ausgehend, erarbeitet die strukturalistische Methodologie ein Ordnungssystem der Organismen anhand der strukturell sich manifestierenden Wesensgleichheit unterschiedlicher Taxa." (P. 218) "Eine der bedeutendsten Figuren innerhalb der Renaissance idealistisch-morphologischer Konzepte in der deutschsprachigen Paläontologie war der Münchener Edgar DACQUE. Er beeinflusste die zeitgenössischen Debatten zu evolutionären Themen sowohl in paläontologisch-naturhistorischer wie populärwissenschaftlicher Hinsicht. DACQUE etablierte sich als Experte auf dem Gebiet der Paläontologie und Deszendenztheorie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, wobei er sich intensiv der Popularisierung der Vorstellungen vom Formenwandel widmete. 51 W. ZÜNDORF (1911-1943), ein Zeitgenosse und aus seiner darwinistischen Gesinnung heraus extremer Kritiker DACQUES, nannte dessen Theorie die »höchste Steigerungsform idealistischer Morphologie«." (P. 219) "Die paläontologische Problematik offensichtlicher Sprünge im Fossilbericht hat mit hoher Wahrscheinlichkeit schließlich dazu geführt, dass DACQUE seinen idealistisch-morphologischen Standpunkt mit Vehemenz verteidigte. Das Phänomen wurde in der zeitgenössischen paläontologischen Literatur kontrovers diskutiert. Einige Paläontologen suchten darin das Resultat der Lückenhaftigkeit der fossilen Überlieferung, andere entwickelten naturwissenschaftliche Theorien zu dessen Erklärung. Beispiele sind die Typostrophie-Theorie SCHINDEWOLFS63 oder BERGS Konzept gerichteter Massenmutationen. DACQUE lieferte einen

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"Schließlich aber (so zeigte vor allem A. Portmann) sind alle von Darwin erwähnten Faktoren völlig<br />

ungeeignet, um die über den Erhaltungswert hinausgehenden Merkmale der Lebewesen – ihre<br />

»Darstellungswerte«, wie Gestalt, Muster, Farbenpracht und Harmonie sowie ihre »Innerlichkeit« – zu<br />

erklären oder auch nur zuzulassen.<br />

So wären also die Evolutionsfaktoren des Darwinismus einfach falsch? Nein - das wird kein Biologe<br />

behaupten wollen. Aber der Geltungsbereich dieser Faktoren, nämlich ihr umfassender Alleinvertretungsanspruch<br />

muß bestritten werden. Für die das gegebene Thema des Typus variierende Evolution, für eine ihrer<br />

zwei Wirkungsweisen also, nämlich für den Artenwandel im Umkreis etablierter Gestalten (für die<br />

»Ausschmückung des Typus«, H. Driesch) haben diese Faktoren durchaus einen gewissen Erklärungswert -<br />

wenigstens solange man nicht dogmatisch auf dem unwissenschaftlichen Begriff des »Zufalls« besteht.<br />

Wie aus dem Urhasen der heutige Hase und das Kaninchen wurden, das mag mit Selektion der Mutanten und<br />

mit Isolation der Resultanten hinlänglich und biologisch eindeutig zu beschreiben (wenn auch nicht letztlich<br />

zu erklären) sein. Aber der Erklärungsversuch, ja schon der Beschreibungsversuch entartet zur Groteske,<br />

wenn mit Hilfe der Darwin-Faktoren auch die qualitative Evolution, also die verwandtschaftliche Abfolge<br />

vom Einzeller über Fisch und Reptil zum Säugetier oder gar die Menschwerdung im »Tier-Mensch-<br />

Übergangsfeld« (G. Heberer) als »völlig befriedigend« bezeichnet und als »zwangsläufiger Prozeß«<br />

dargestellt wird!<br />

Erinnern wir uns wieder der zwei grundsätzlich verschiedenen Weisen von Evolution, die sich aufzeigen<br />

ließen, so wird nun klar, daß der Darwinismus allenfalls für die Mikro-Evolution taugt, während er für die<br />

Makro-Evolution, die zu neuen Typen führte, völlig überfordert ist. Hier bei den Typensprüngen und<br />

Qualitätsstufen muß also weiter gesucht werden…"<br />

Und seine Antwort (pp. 84/85, kursiv wieder von Illies): "…nur in einer<br />

Selbstüberschreitung der Biologie könnte die letzte Antwort auf unsere Frage<br />

gewonnen werden. Das haben in unserem Jahrhundert sowohl C. L. Morgan<br />

und A. N. Whitehead wie nur ein wenig später P. Teilhard de Chardin deutlich<br />

gemacht, als sie am Ende biologischer Deutungen zu der letzten Aussage<br />

vorstießen, in der sich der Kreis naturphilosophischer Überlegungen wieder<br />

schließt:<br />

"Evolution ist der Wille Gottes"."<br />

<strong>Die</strong> Evolutionsthematik spricht Illies auch in seiner Arbeit von 1982 an: Das<br />

Geheimnis der grünen Planeten (ebenfalls Umschau Verlag), so z. B. pp.<br />

119/121:<br />

"Stammt der Mensch vom Affen ab, weil einst einer Affenart der Sprung zum ganz anderen, überlegenen,<br />

unspezialisierten und daher jeder wechselnden Umwelt angepassten vernünftigen Lebewesen gelang, aus "Zufall"<br />

oder aus ordnender Absicht des Konstrukteurs, der hinter dieser Typenfolge steht? Oder darf man auch<br />

umgekehrt denken: Stammt der Affe vom Menschen ab, weil dieses unspezialisierte, aufrecht gehende, denkende<br />

Lebewesen in seiner Geschichte der letzten 30 Millionen Jahre immer wieder Seitenzweige abgab, die sich an das<br />

Baumleben, das Steppenleben, die Höhle anpassten, ihre zunächst vorhandene geistige Fähigkeit teilweise<br />

einbüßten und so zu Affen wurden (<strong>Die</strong>se Deutung könnte uns immerhin erklären, warum jugendliche Affen so<br />

viel menschenähnlicher sind als die erwachsenen.)"<br />

Weiter sei hier Illies' Buch von 1976 Das Geheimnis des Lebendigen zu Leben<br />

und Werk des Biologen Adolf Portmann erwähnt (Kindler Verlag GmbH,<br />

München), Portmann wäre übrigens ein weiteres umfangreiches Thema für sich.<br />

Just a glimpse (pp. 223/224):<br />

Portmann: "Wer an einer Grenze steht, blickt auch schon über diese Schranken hinweg in ein anderes Land."<br />

Illies: "Solche Aufbrüche in ein anderes Land waren die großen Etappen in Portmanns Biologie: die organische<br />

Stilkunde der tierischen Gestalt und die Hereinnahme des Geistigen in die Beschreibung des Menschen." Es ging<br />

in den Eranos-Tagungen ab 1946 u. a. darum, "die Schranken zwischen den sogenannten Natur- und<br />

Geisteswissenschaften aufzuheben" – Olga Fröbe-Kapteyn zitiert nach Illies (p. 225).<br />

Oder pp. 166/167 zum Themenkreis "Innerlichkeit als die dem Lebendigen eigentümliche Dimension oberhalb<br />

der mechanischen Funktion der Apparate und als Manifestation dieser Innerlichkeit [der] Darstellungswert der<br />

Gestalten, in dem jede elementare Notwendigkeit überschritten wird [kursiv im Original], kommentiert Joachim<br />

Illies: "Das sind ungewohnte, ja unbequeme Töne im Raum der Zoologie, durchaus geeignet, den

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