Kurzbericht zum Mühlstein von Dittingen - Archäologie Baselland
Kurzbericht zum Mühlstein von Dittingen - Archäologie Baselland
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Ein <strong>Mühlstein</strong> aus permischer Brekzie<br />
gefunden in <strong>Dittingen</strong>/BL<br />
<strong>Kurzbericht</strong> zu Herkunft – Datierung – Bedeutung
Verfasser: Andreas Fischer<br />
Fundfotos: Sabine Bugmann<br />
Fundzeichnung: Sarah Hänggi<br />
<strong>Archäologie</strong> <strong>Baselland</strong><br />
Amtshausgasse 7<br />
4410 Liestal<br />
www.archaeologie.bl.ch<br />
Liestal 2011<br />
Abbildungen, wenn nicht anders vermerkt: ©<strong>Archäologie</strong> <strong>Baselland</strong>
Einleitung und Fundumstände<br />
Peter A. Schwarz meldete der <strong>Archäologie</strong> <strong>Baselland</strong> im Dezember 2010, dass<br />
er in <strong>Dittingen</strong> bei der Familie Asprion (Hübelweg 2) einen vollständig erhaltenen<br />
<strong>Mühlstein</strong> gesehen hat (Abb. 1). Er äusserte die Vermutung, dass es sich<br />
beim Gestein um eine sogenannte permische Brekzie (auch rotliegende Brekzie)<br />
handeln könnte. Eine telefonische Rückfrage bei Hanni Asprion durch<br />
Andreas Fischer erbrachte, dass der Stein um 1978 bei Kanalisationsarbeiten<br />
vor ihrem Haus gefunden wurde. Der Stein sei <strong>von</strong> Herrn Alban Gerster schon<br />
einmal untersucht worden und eventuell gäbe es auch Unterlagen beim Archäologischen<br />
Dienst Bern (ADB), dies konnte jedoch nicht bestätigt werden.<br />
Mit letzterem sei da<strong>zum</strong>al vereinbart worden, dass der Stein bei der Familie<br />
Asprion bleiben darf, unter der Bedingung, dass er nicht verändert und nirgends<br />
eingebaut wird (auch diese Vereinbarung ist beim ADB nicht bekannt).<br />
Gemeinsam wurde beschlossen, dass der Stein zwecks Bestimmung und Untersuchung<br />
zur <strong>Archäologie</strong> <strong>Baselland</strong> nach Liestal gebracht wird und danach<br />
wieder zurück an die Familie Asprion geht.<br />
Untersuchung und Dokumentation<br />
Da weder in unseren Akten noch im Archiv des ADB irgendeine Notiz <strong>zum</strong><br />
<strong>Mühlstein</strong> oder den Fundumständen zu finden war, wurde eine neue Aktennummer<br />
(83.22.) vergeben. Der Stein erhielt die Inventarnummer 83.22.1.<br />
Mit der Bestimmung des Gesteins wurde die Abteilung für Geoarchäologie<br />
(Vorsteher Dr. Philippe Rentzel) des Instituts für prähistorische und naturwissenschaftliche<br />
<strong>Archäologie</strong> an der Universität Basel beauftragt. Ein Augenschein<br />
durch MA David Brönnimann bestätigte die schon geäusserte Vermutung,<br />
dass es sich um eine permische Brekzie handelt. Es handelt sich eindeutig<br />
um den oberen Teil einer Handmühle (sogenannter Läufer vgl. Abb. 2). Er ist<br />
ausserordentlich gut erhalten, ganze Stücke sind eher selten.<br />
Der Stein wurde angeschrieben, vermessen, fotografiert und gezeichnet.<br />
Abb. 1<br />
Der <strong>Mühlstein</strong> aus permischer<br />
Brekzie, gefunden 1978 in <strong>Dittingen</strong>.<br />
3
4<br />
1 Joos 1975, 197.<br />
2 Joos 1975, 197.<br />
3 Rey 2008, 155.<br />
4 Joos 1975, 197.<br />
5 Deschler-Erb<br />
2011, 164.<br />
6 Bloeck et al, (in<br />
Vorbereitung).<br />
<strong>Mühlstein</strong>e aus permischer Brekzie<br />
„Das durch Verkieselung klingend hart geworden Gestein eignet sich ausgezeichnet<br />
als <strong>Mühlstein</strong>, da es porös und zäh zugleich ist.“ 1 So umschreibt Marcel<br />
Joos die Eigenschaften der permischen Brekzie. Diese besteht aus einer<br />
sandig-tonigen Grundmasse in der schwach bis gut verrundete Komponenten<br />
aus Graniten, Apliten und Quarzporphyten sowie Quarz und Feldspäte eingebettet<br />
sind. 2<br />
Bereits seit den 1910er Jahren waren <strong>Mühlstein</strong>e aus permischer Brekzie <strong>von</strong><br />
den Ausgrabungen in der alten Gasfabrik in Basel bekannt. 1915 wurde in<br />
einer Grube ein komplettes, gut erhaltenes Exemplar einer Handmühle bestehend<br />
aus Mahlplatte und Läufer entdeckt. Dieses Paar wurde später im Historischen<br />
Museum Basel wieder aufgebaut und als besondere Attraktion durfte<br />
jedermann damit Korn mahlen (Abb. 2). 3 Der Durchbruch in der Forschung<br />
gelang Marcel Joos 1975: Er konnte bei der Schweigmatt am Fusse des Südschwarzwaldes<br />
(bei Schopfheim-Raitbach im Wiesental – Kreis Lörrach) eine<br />
auf 2 km Länge und 200-350 m Breite begrenzte Aufschlussstelle identifizieren.<br />
4 Zwar ist der endgültige Nachweis eines antiken Steinbruchs an dieser<br />
Stelle noch ausstehend, aber es handelt sich weit und breit die einzige mögliche<br />
Abbaustelle, weshalb die Herkunft als gesichert gelten kann. Joos veröffentlichte<br />
eine erste Verbreitungskarte, welche seither dank weiteren Funden und Entdeckungen<br />
weiter verfeinert werden konnte(Abb. 3). Es scheint, dass die Steine<br />
(abgesehen <strong>von</strong> wenigen Ausnahmen) vorwiegend im Oberrheintal sprich im<br />
Stammesgebiet der Rauriker Verwendung fand. Dieses – auch bei Cäsar und<br />
im Namen der späteren römischen Kolonie Augusta Raurica belegte – Volk,<br />
nutzte diese Gesteinsart nicht nur für Mühlen, sondern auch für Mörser. 5 Dank<br />
der Kenntnis der Verbreitung ist es möglich einen lokalen Handel unter den<br />
spätlatènezeitlichen Siedlungen in der Region zwischen Vogesen, Schwarzwald<br />
und Jura nachzuweisen (Abb. 4). 6 Wahrscheinlich wurden die schweren Mühl-<br />
Abb. 2<br />
Zwei mögliche Rekonstruktionen<br />
einer keltischen Handmühle.<br />
Foto: Historisches Museum Basel<br />
><br />
Abb. 3<br />
Verbreitungskarte der <strong>Mühlstein</strong>e<br />
aus permischer Brekzie in der<br />
Schweiz. Der neue Fundpunkt<br />
<strong>Dittingen</strong> ist blau ausgefüllt (für<br />
Süddeutschland und Elsass vergleiche<br />
Abb. 4).<br />
Karte aus Anderson et al. 2003,<br />
Abb. 70, angepasst durch den<br />
Autor.
steine vor Ort zugehauen und dann auf dem Wasserweg „Wiese - Rhein“ <strong>zum</strong><br />
Umschlagplatz Basel verbracht. Von dort erfolgte der Güteraustausch über den<br />
Oberen Hauenstein bis in das schweizerische Mittelland und über das Birstal<br />
ins Delsbergerbecken. Für das gleichfalls am Rhein gelegene Breisach-Hochstetten<br />
kann man sich eine ähnliche Funktion als Verteilzentrum vorstellen,<br />
<strong>von</strong> wo aus das rechtsrheinische und möglicherweise auch das linksrheinische<br />
Hinterland versorgt wurden.<br />
Bereits Joos postulierte 1975, dass sich der Abbau wohl auf die Spätlatènezeit<br />
(ca. 150-50 v. Chr.) beschränkt hat, auch wenn einzelne Fragmente in frührömischen<br />
und mittelalterlichen Zusammenhängen gefunden werden. 7 Diese<br />
Vermutung wurde durch die Neufunde seither eher bestätigt. 8 Ab der Römerzeit<br />
scheinen andere Gesteine verwendet worden sein – hauptsächlich Buntsandsteine.<br />
Bei Steinen, die in jüngeren Schichten gefunden wurden, könnte es<br />
sich um Weiter- respektive Zweitverwendungen handeln.<br />
Der „Neufund aus“ <strong>Dittingen</strong><br />
Der 2010 wiederentdeckte <strong>Mühlstein</strong> aus <strong>Dittingen</strong> stellt in der Verbreitungskarte<br />
ein wichtiges Bindeglied zwischen der Nordwestschweiz und dem Delsbergerbecken<br />
dar (Abb. 3). Seine Datierung kann aus oben genannten Gründen<br />
vorsichtig in die Spätlatène-Zeit gesetzt werden. Es gibt jedoch keine<br />
Beifunde und auch sonst sind bislang keine Objekte dieser Zeitstellung in<br />
<strong>Dittingen</strong> zu Tage getreten. Allgemein gibt es aus dem gesamten Laufental nur<br />
sehr wenige Funde aus dieser Epoche. Etwas besser sieht es für nachfolgende<br />
5<br />
7 Joos 1975, 199<br />
und Abb. 1.<br />
8 zuletzt Deschler-<br />
Erb 2011, 165.
6<br />
9 Martin-Kilcher<br />
1980, 126.<br />
Römerzeit aus. Ab dem 1. Jahrhundert nach Christus verdichten sich die Siedlungsspuren.<br />
In <strong>Dittingen</strong> gab es eventuell gar einen römischen Steinbruch. 9<br />
Seine hervorragende Erhaltung und die geringe Abnutzung lassen vermuten,<br />
dass der <strong>Mühlstein</strong> kaum oder eher kurz in Gebrauch war. Da der Stein 1978<br />
unbeobachtet geborgen wurde, ist unklar, warum und wie er an dieser Stelle<br />
in den Boden gelangte. <strong>Dittingen</strong> liegt etwas abseits der postulierten Handelsroute<br />
entlang der Birs, folglich ist es eher unwahrscheinlich, dass er <strong>von</strong> einem<br />
Händler dort „liegengelassen“ wurde. Auch eine absichtliche Deponierung<br />
scheint eher abwegig, da in diesem Falle weitere Objekte oder auch der untere<br />
Teil der Mühle zu erwarten gewesen wäre. Ohne weitere Entdeckungen in der<br />
Nähe des Fundortes wird sich diese Frage kaum beantworten lassen.<br />
Abb. 4<br />
Die <strong>Mühlstein</strong>e aus permischer<br />
Brekzie wurden im Gebiet der<br />
Schweigmatt (Sechseck) abgebaut,<br />
zugehauen und dann via<br />
Wiese und Rhein nach Basel (dicke<br />
gestrichelte Linie) und Freiburg<br />
transportiert. Von diesen Zentren<br />
aus erfolgte der lokale Handel in<br />
die umliegenden Siedlungen aber<br />
auch über den Jura beziehungsweise<br />
ins Delsbergerbecken.<br />
Wiederum in blau der Fundpunkt<br />
<strong>Dittingen</strong>.<br />
Karte aus Bloeck et al. (in Vorbereitung),<br />
angepasst durch den<br />
Autor.
Katalog<br />
83.22.1<br />
<strong>Mühlstein</strong> (Läufer) aus permischer Brekzie<br />
Masse: Durchmesser 35 cm, Höhe 15 cm, Gewicht 23,4 kg.<br />
Fundangaben: 1978 bei Kanalisationsarbeiten vor dem Haus Hübelweg 2,<br />
<strong>Dittingen</strong> entdeckt und der Familie Asprion übergeben.<br />
Literatur<br />
Bloeck et al. (in Vorbereitung) – Lars Bloeck, Andrea Bräuning, Eckhard Deschler-Erb, Andreas Fischer,<br />
Yolanda Hecht, Reto Marti, Michael Nick, Hannele Rissanen, Norbert Spichtig,<br />
Muriel Roth-Zehner, Die spätlatènezeitliche Siedlungslandschaft am südlichen Oberrhein.<br />
(in Vorbereitung).<br />
Deschler-Erb 2011 – Eckhard Deschler-Erb, Der Basler Münsterhügel am Übergang <strong>von</strong> spätkeltischer<br />
zu römischer Zeit : ein Beispiel für die Romanisierung im Nordosten Galliens.<br />
Materialhefte zur <strong>Archäologie</strong> in Basel ; H. 22 (Basel 2011).<br />
Joos 1975 – Marcel Joos, Eine permische Brekzie aus dem Südschwarzwald und ihre Verbreitung<br />
als <strong>Mühlstein</strong> im Spälatène und in frührömischer Zeit. Archäologisches Korrespondenzblatt<br />
15/1975. 197-199.<br />
Martin-Kilcher 1980 – Stefanie Martin-Kilcher, Die Funde aus dem römischen Gutshof <strong>von</strong><br />
Laufen-Müschhag : Ein Beitrag zu Siedlungsgeschichte des nordwestschweizerischen<br />
Jura. Staatlicher Lehrmittelverlag Bern (Bern 1980).<br />
Rey 2008 – Tony Rey, Zwischen Korn und Mehl. In: Archäologische Bodenforschung Basel-<br />
Stadt und Historisches Museum Basel (Hrsg.), Unter uns. <strong>Archäologie</strong> in Basel. Christoph<br />
Merian Verlag (Basel 2008). 154-155.<br />
7
Tafel 1<br />
Tafel 1: Inv. Nr. 83.22.1, <strong>Mühlstein</strong> aus permischer Brekzie, M 1:5
Anhang<br />
• Marcel Joos, Eine permische Brekzie aus dem Südschwarzwald und ihre Verbreitung als<br />
<strong>Mühlstein</strong> im Spälatène und in frührömischer Zeit. Archäologisches Korrespondenzblatt<br />
15/1975. 197-199.<br />
• Tony Rey, Zwischen Korn und Mehl. In: Archäologische Bodenforschung Basel-Stadt<br />
und Historisches Museum Basel (Hrsg.), Unter uns. <strong>Archäologie</strong> in Basel. Christoph<br />
Merian Verlag (Basel 2008). 154-155.