CASTING FÜR DIE BÜTT - dance company tkk
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16<br />
apfelwein-spezial<br />
05 | JANUAR/FEBRUAR | 2005<br />
Nordlicht im „Stöffche“-Trainingscamp<br />
Sauer macht lustig! Am 13. Januar wird im und auf dem<br />
Frankfurter Römer der „Apfelweinanstich“ gefeiert. Für<br />
Stimmung sorgen Live-Musik, heißer Apfelwein, kulinarische<br />
Spezialitäten und bekannte hr-Moderatoren. Die<br />
Show dazu gibt’s drei Tage später im hr-fernsehen. Anlass<br />
für die aus Norddeutschland stammende hr-Journal-<br />
Redakteurin Sabine Renken, dem gesunden und kalorienarmen<br />
„Stöffche“ eine zweite Chance zu geben.<br />
Neulich sprachen wir über das Thema Integration,<br />
als plötzlich jemand wissen wollte: „Und<br />
wie lange lebst du jetzt eigentlich schon<br />
in Hessen?“ So kamen wir auf die Frage, wie<br />
man ein ordentlicher Hesse wird, und –<br />
nichts liegt in Frankfurt näher – auf den Apfelwein.<br />
Das Stöffche, der Ebbelwoi, der Äppler –<br />
nichts wiederum liegt einer Norddeutschen ferner als<br />
das südhessische Nationalgetränk. Einmal hatte ich<br />
einen ersten und letzten Versuch mit purem Apfelwein<br />
unternommen und war zu der Überzeugung gelangt,<br />
dass dieses Getränk ungenießbar ist. Im vorletzten<br />
Sommer habe ich den „Tiefgespritzen“ (ein Viertel<br />
Apfelwein, drei Viertel Mineralwasser) als das ideale<br />
Getränk für die extrem heißen Tage entdeckt. Aber<br />
weiter bin ich in zwanzig Jahren nicht gekommen.<br />
Das sollte sich nun ändern.<br />
Ein Freund, gebürtiger Frankfurter, hatte einen Apfelwein-Parcour<br />
ersonnen, und ich mache mich auf den<br />
Weg. Der beginnt im größten Frankfurter Haushaltsfachgeschäft,<br />
denn ich will erkunden, ob und wo ich<br />
denn als ordentliche Hessin in spe ein „Deckelche“<br />
kaufen kann. Der Holzdeckel, habe ich gelernt, gehört<br />
neben dem Bembel und dem „gerippten“ Glas zum<br />
magischen Dreieck des Apfelweins. Das „Deckelche“<br />
schützt den Apfelwein vor Insekten und ist so konstruiert,<br />
dass es genau aufs Glas passt und nicht verrutschen<br />
kann. Und das Wichtigste: Man bringt es mit.<br />
„Ich hätte gern ein ‚Deckelche‘“, teile ich der Verkäuferin<br />
im Haushaltsfachgeschäft mit. Sie guckt und<br />
überlegt. Ich weiß, mein Versuch, das „Deckelche“ in<br />
Frankfurterisch zu sprechen, ist mehr als kläglich,<br />
aber daran liegt es nicht. Sie entschuldigt sie sich – sie<br />
„Geripptes“, „Bembel“ und „Stöffche“: In Sachsenhausen finden<br />
Besucher und Alteingesessene den „originalen“ Südhessen-Flair<br />
Foto: dpa<br />
sei nicht von hier –, verweist mich in den dritten Stock<br />
und gibt mir mit auf den Weg: „Fragen Sie am besten<br />
gleich nach dem Holzdeckel fürs Apfelweinglas.“ Das<br />
tue ich und finde verzierte runde Hölzer mit Einlegearbeiten,<br />
denen schon von weitem anzusehen ist,<br />
dass sie nur als touristisches Mitbringsel gedacht sein<br />
können. „Aha,“ denke ich triumphierend, „von wegen<br />
lebendige, urhessische Tradition …“<br />
Die Haushaltswaren-Abteilung eines großen Kaufhauses<br />
an der Zeil: Gerippte, Bembel, aber keine<br />
„Deckelche“. Der Souvenirladen am Römer: keine Gerippte,<br />
ein paar Bembel und nur Touristen-„Deckelche“.<br />
Zwei Getränkehändler im Nordend: Apfelwein,<br />
aber keine „Deckelche“. Da hat sich scheinbar doch<br />
der Bierdeckel durchgesetzt. Der Zufallstreffer zum<br />
Schluss: ein Laden für Apfelweinzubehör. Gerippte<br />
und Bembel in allen Größen, „Deckelche“ in verziert,<br />
schlicht oder nach Wunsch mit handgemalten<br />
Sprüchen („Lebbe geht weider“, „Babba sei’ Deckelche“)<br />
versehen, und die Öffnungszeiten nur in Englisch<br />
angeschlagen ... Aber der erste Schein täuscht.<br />
Nach einem sehr fachkundigen Gespräch weiß ich<br />
alles über Bembel („Am besten erst nackig in den<br />
Kühlschrank, dann bleibt das ,Stöffche‘ wunderbar<br />
kalt“), Apfelweingläser („Das echte Gerippte muss<br />
schon 0,3 Liter groß sein, sonst hat man ja nichts in<br />
der Hand“) und die angemessene Größe eines Bembels<br />
„Yes, we like it!“: Der „Ebbelwei Express“ist<br />
das Besondere für viele Frankfurt-Fremden<br />
für einen Single-Haushalt („Ein Dreier-Bembel müsste<br />
reichen, das Stöffche kommt ja pur rein“ – Anmerkung<br />
für Nichthessen: ca. ein Liter!). Auf meine Frage nach<br />
dem besten „Stöffche“ bekomme ich den Ratschlag<br />
mit auf den Weg: „Gehen Sie doch auf dem Bauernmarkt<br />
mal von Stand zu Stand und probieren sich<br />
durch. Sie werden merken, es wird Ihnen immer besser<br />
gehen.“<br />
Zurück am Römer geselle ich mich zu den ungefähr<br />
35 Japanern, die wie ich auf den „Ebbelwei-Express“<br />
warten. Endlich zuckelt die rote Straßenbahn los, und<br />
bei lauter deutscher Schlagermusik wird jedem zusammen<br />
mit der Fahrkarte ein Tütchen Salzstangen,<br />
ein Plastik-Geripptes und wahlweise Apfelsaft oder<br />
Apfelwein angeboten. Das japanische Pärchen mir gegenüber<br />
ist ganz offensichtlich durch einen Reiseführer<br />
gut vorbereitet: „Vine, please“, sagen sie, noch bevor<br />
der Schaffner zu Ende erklärt hat. Das Etikett wird<br />
begutachtet, die Fläschchen werden geleert („Yes, we<br />
like it!“), Fotos gemacht (von und mit mir, der vermeintlich<br />
eingeborenen Frankfurterin), und interessiert<br />
aus dem Fenster geschaut.<br />
Im Prinzip, überlegte ich, haben sie ja Recht: Natürlich<br />
suche ich als Tourist in der Fremde das Besondere<br />
der jeweiligen Region, das Originale, das, was es der<br />
Globalisierung zum Trotz noch nicht überall gibt.<br />
Wie also, fragte ich mich, konnte es passieren, dass ich<br />
Foto: dpa