März 2003 (PDF) - An.schläge
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Helga Pankratz<br />
Aliens in Alliance<br />
Am 13. Februar fand im „Depot“ in der Wiener Breitegasse<br />
eine gut besuchte Diskussion zum Thema „<strong>An</strong>tirassistische<br />
Allianzen“ statt. Das „Depot“, in dem<br />
vor etwa einem Jahr auch schon eine an.<strong>schläge</strong> Präsentation<br />
stattgefunden hat, muss wegen Subventionsentzug<br />
seitens des Bundes schließen. Nach neun Jahren<br />
„Depot“-Betrieb war Februar der letzte Veranstaltungsmonat,<br />
und „<strong>An</strong>tirassistische Allianzen“ eine der letzten Vortragsund<br />
Diskussionsrunden, die dort dem Informations-Kahlschlag<br />
des Main- und Malestream kleinweise aber beharrlich eine<br />
Alternative entgegengesetzt haben. Auf dem Podium: Claudia<br />
Volgger von der feministischen Zeitschrift sic!, der Schriftsteller<br />
und Behindertenvertreter Erwin Riess, die Begründerin<br />
einer Gruppe von und für Schwarze Jugendliche der 2. Generation<br />
in Österreich, Araba Evelyn Johnston-Arthur, und ich<br />
für die Randgruppe der Lesben und Schwulen.<br />
„Aliens in Alliance“, diese Worte waren mir im Kopf herum<br />
gegangen, während ich mich auf die Podiumsteilnahme<br />
vorbereitete. Was hatten wir alle – MigrantInnen, Behinderte,<br />
Schwarze, Frauen, Lesben, Schwule und Transgender – denn<br />
gemeinsam, wenn nicht unsere jeweilige Betroffenheit von<br />
gegen uns gerichteten Ausschlussmechanismen aus der „gesunden<br />
Volksgemeinschaft“, Betroffenheit von der bornierten<br />
Ignoranz, mit der eine sich selbst männlich-weiss-reich und<br />
hetero imaginierende „Mehrheits“-Klasse uns als „Terra Incognita“,<br />
als „das <strong>An</strong>dere“,„Abweichende“,„Fremde“ beschreibt<br />
und „begutachtet“. Wir alle sind – auf jeweils spezifische Weise<br />
– „Aliens“ in den Augen der mainstreamigen Macht.<br />
In „GegenRassismen“, einem der aktuellen österreichischen<br />
Bücher zu (<strong>An</strong>ti-)Rassismus (vgl. an.<strong>schläge</strong> 5/00, S.40:<br />
„Rassismus ohne Rasse“) jedenfalls finde ich sämtliche gesellschaftliche<br />
Mechanismen akribisch genau beschrieben<br />
und analysiert, die mich als LESBE betreffen, obwohl die Texte<br />
fast ausschließlich dem perfiden Umgang von Wirtschaft<br />
und Staat mit MigrantInnen gewidmet sind.<br />
Doch „Aliens“ sind wir – MigrantInnen, Behinderte,<br />
Schwarze, Frauen, Lesben, Schwule und Transgender – auch<br />
für einander, in dem Ausmaß in dem wir die Ausgrenzungsmechanismen<br />
der Mehrheitskultur gegenüber anderen unterdrückten<br />
Gruppen von Menschen verinnerlicht haben. Es<br />
würde mich wundern, wenn sämtliche heterosexuell lebende<br />
<strong>An</strong>gehörige anderer unterdrückter Gruppen von der Vorstellung<br />
überhaupt nicht befremdet wären, sich mit „hässlichvermännlichten“<br />
Lesben und „arschwackelnden und -fickenden“<br />
Schwulen verbünden zu sollen. Genau so realistisch<br />
schätze ich den Bewusstseinsstand in der Lesben- und Schwulenszene<br />
ein: Überheblicher Eurozentrismus ist an der Tagesordnung,<br />
wenn Lesben sich darüber unterhalten,„wie schrecklich<br />
rückständig“ zum Beispiel „der Islam“ sei und „wie gut es<br />
uns hier“ im Vergleich doch gehe. Die Sexismen, die Schwule<br />
so von sich geben können, im Brustton der Überzeugung,<br />
dass es sich um wissenschaftlich gesicherte Wahrheiten<br />
über „die Frauen“ handelt, sind auch nicht ohne!<br />
„Aliens“ sind nämlich in hohem Maß auch Lesben und<br />
Schwule für einander. Die Lesben- und Schwulen-Bewegung<br />
selbst ist ein Beispiel für eine Allianz; mit allen Stärken und<br />
Schwächen einer solchen. Die radikale und autonome Frauenbewegung<br />
scheint im Vergleich dazu viel mehr eine „natürliche<br />
Verbündete“ für lesbische Frauen zu sein. Sexuelle<br />
Selbstbestimmung der Frau, wirtschaftliche Unabhängigkeit,<br />
die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Befreiung<br />
der Frau aus strikt nach heterosexuellem Muster gestrickten<br />
Vorstellungen von „weiblicher Natur“ sind die unabdingbaren<br />
gesellschaftlichen und politischen Voraussetzungen für<br />
das Entstehen einer Identität, die wir als „lesbisch“ zu bezeichnen<br />
pflegen.<br />
Diese und noch sehr viel mehr Überlegungen habe ich<br />
am 13. Feber dann in meinem Statement vorgetragen. Das<br />
lebhafte Gespräch, das sich daraus entwickelte, zeigte viele<br />
Berührungspunkte mit Positionen, die VertreterInnen der<br />
Black Community einbrachten. Vor allem Araba Johnston-<br />
Arthurs Betonung der Notwendigkeit, gesellschaftliche Machtund<br />
Unterdrückungsverhältnisse immer wieder offen zu benennen,<br />
wirkte wie eine repolitisierende Kraftnahrung für<br />
unsere vom pausenlos auf uns niederplätschernden neoliberalen<br />
Wischiwaschi weichgespülten Gehirnwindungen.<br />
Für eine Schwarze UND Feministische UND Lesbisch-Schwule<br />
Kritik an den „traditionellen“ Denkmustern des Eurozentrismus,<br />
<strong>An</strong>drozentrismus und Heterozentrismus ist es<br />
höchste Zeit. ❚<br />
an.spruch<br />
märz <strong>2003</strong>an.<strong>schläge</strong> 05