01.12.2012 Aufrufe

März 2003 (PDF) - An.schläge

März 2003 (PDF) - An.schläge

März 2003 (PDF) - An.schläge

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Helga Pankratz<br />

Aliens in Alliance<br />

Am 13. Februar fand im „Depot“ in der Wiener Breitegasse<br />

eine gut besuchte Diskussion zum Thema „<strong>An</strong>tirassistische<br />

Allianzen“ statt. Das „Depot“, in dem<br />

vor etwa einem Jahr auch schon eine an.<strong>schläge</strong> Präsentation<br />

stattgefunden hat, muss wegen Subventionsentzug<br />

seitens des Bundes schließen. Nach neun Jahren<br />

„Depot“-Betrieb war Februar der letzte Veranstaltungsmonat,<br />

und „<strong>An</strong>tirassistische Allianzen“ eine der letzten Vortragsund<br />

Diskussionsrunden, die dort dem Informations-Kahlschlag<br />

des Main- und Malestream kleinweise aber beharrlich eine<br />

Alternative entgegengesetzt haben. Auf dem Podium: Claudia<br />

Volgger von der feministischen Zeitschrift sic!, der Schriftsteller<br />

und Behindertenvertreter Erwin Riess, die Begründerin<br />

einer Gruppe von und für Schwarze Jugendliche der 2. Generation<br />

in Österreich, Araba Evelyn Johnston-Arthur, und ich<br />

für die Randgruppe der Lesben und Schwulen.<br />

„Aliens in Alliance“, diese Worte waren mir im Kopf herum<br />

gegangen, während ich mich auf die Podiumsteilnahme<br />

vorbereitete. Was hatten wir alle – MigrantInnen, Behinderte,<br />

Schwarze, Frauen, Lesben, Schwule und Transgender – denn<br />

gemeinsam, wenn nicht unsere jeweilige Betroffenheit von<br />

gegen uns gerichteten Ausschlussmechanismen aus der „gesunden<br />

Volksgemeinschaft“, Betroffenheit von der bornierten<br />

Ignoranz, mit der eine sich selbst männlich-weiss-reich und<br />

hetero imaginierende „Mehrheits“-Klasse uns als „Terra Incognita“,<br />

als „das <strong>An</strong>dere“,„Abweichende“,„Fremde“ beschreibt<br />

und „begutachtet“. Wir alle sind – auf jeweils spezifische Weise<br />

– „Aliens“ in den Augen der mainstreamigen Macht.<br />

In „GegenRassismen“, einem der aktuellen österreichischen<br />

Bücher zu (<strong>An</strong>ti-)Rassismus (vgl. an.<strong>schläge</strong> 5/00, S.40:<br />

„Rassismus ohne Rasse“) jedenfalls finde ich sämtliche gesellschaftliche<br />

Mechanismen akribisch genau beschrieben<br />

und analysiert, die mich als LESBE betreffen, obwohl die Texte<br />

fast ausschließlich dem perfiden Umgang von Wirtschaft<br />

und Staat mit MigrantInnen gewidmet sind.<br />

Doch „Aliens“ sind wir – MigrantInnen, Behinderte,<br />

Schwarze, Frauen, Lesben, Schwule und Transgender – auch<br />

für einander, in dem Ausmaß in dem wir die Ausgrenzungsmechanismen<br />

der Mehrheitskultur gegenüber anderen unterdrückten<br />

Gruppen von Menschen verinnerlicht haben. Es<br />

würde mich wundern, wenn sämtliche heterosexuell lebende<br />

<strong>An</strong>gehörige anderer unterdrückter Gruppen von der Vorstellung<br />

überhaupt nicht befremdet wären, sich mit „hässlichvermännlichten“<br />

Lesben und „arschwackelnden und -fickenden“<br />

Schwulen verbünden zu sollen. Genau so realistisch<br />

schätze ich den Bewusstseinsstand in der Lesben- und Schwulenszene<br />

ein: Überheblicher Eurozentrismus ist an der Tagesordnung,<br />

wenn Lesben sich darüber unterhalten,„wie schrecklich<br />

rückständig“ zum Beispiel „der Islam“ sei und „wie gut es<br />

uns hier“ im Vergleich doch gehe. Die Sexismen, die Schwule<br />

so von sich geben können, im Brustton der Überzeugung,<br />

dass es sich um wissenschaftlich gesicherte Wahrheiten<br />

über „die Frauen“ handelt, sind auch nicht ohne!<br />

„Aliens“ sind nämlich in hohem Maß auch Lesben und<br />

Schwule für einander. Die Lesben- und Schwulen-Bewegung<br />

selbst ist ein Beispiel für eine Allianz; mit allen Stärken und<br />

Schwächen einer solchen. Die radikale und autonome Frauenbewegung<br />

scheint im Vergleich dazu viel mehr eine „natürliche<br />

Verbündete“ für lesbische Frauen zu sein. Sexuelle<br />

Selbstbestimmung der Frau, wirtschaftliche Unabhängigkeit,<br />

die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Befreiung<br />

der Frau aus strikt nach heterosexuellem Muster gestrickten<br />

Vorstellungen von „weiblicher Natur“ sind die unabdingbaren<br />

gesellschaftlichen und politischen Voraussetzungen für<br />

das Entstehen einer Identität, die wir als „lesbisch“ zu bezeichnen<br />

pflegen.<br />

Diese und noch sehr viel mehr Überlegungen habe ich<br />

am 13. Feber dann in meinem Statement vorgetragen. Das<br />

lebhafte Gespräch, das sich daraus entwickelte, zeigte viele<br />

Berührungspunkte mit Positionen, die VertreterInnen der<br />

Black Community einbrachten. Vor allem Araba Johnston-<br />

Arthurs Betonung der Notwendigkeit, gesellschaftliche Machtund<br />

Unterdrückungsverhältnisse immer wieder offen zu benennen,<br />

wirkte wie eine repolitisierende Kraftnahrung für<br />

unsere vom pausenlos auf uns niederplätschernden neoliberalen<br />

Wischiwaschi weichgespülten Gehirnwindungen.<br />

Für eine Schwarze UND Feministische UND Lesbisch-Schwule<br />

Kritik an den „traditionellen“ Denkmustern des Eurozentrismus,<br />

<strong>An</strong>drozentrismus und Heterozentrismus ist es<br />

höchste Zeit. ❚<br />

an.spruch<br />

märz <strong>2003</strong>an.<strong>schläge</strong> 05

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!