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März 2003 (PDF) - An.schläge

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Destabilisierung<br />

Queer/feministische Theorie und Politik<br />

als <strong>An</strong>alytik der Gegenwart und als antizipatives<br />

Projekt – das ist <strong>An</strong>spruch und<br />

Rahmen für <strong>An</strong>tke Engels Fragen nach<br />

Bedingungen und Möglichkeiten der Umgestaltung<br />

einer binär-hierarchischen, hetero-normativen<br />

Geschlechterordnung.<br />

Diese wird vor allem anhand zweier Mechaniken<br />

ausbuchstabiert: der Normalisierung<br />

und der Hierarchisierung. Folglich<br />

sind Enthierarchisierung und Denormalisierung<br />

die beiden Kriterien, die Engel als<br />

zentrale Maßstäbe für die Entwicklung<br />

und Bewertung veränderungsinteressierter<br />

Taktiken und ihrer konkreten politischen<br />

Effektivität setzt. Dabei gilt es, Repräsentationspraktiken<br />

zu entwickeln, die<br />

– entgegen gängiger Vorstellungen von<br />

Auflösung oder Vervielfältigung z.B. der<br />

Geschlechter – an der Veruneindeutigung<br />

und Destabilisierung der Raster eines in<br />

Binarität gründenden Realitätsregimes<br />

arbeiten. Engels Entwürfe ankern im kritischen<br />

Lesen kanonischer Texte, flicht sie<br />

aber in ein dichtes Netz deutschsprachiger<br />

queer/ feministischer, antirassistischer<br />

Texte aus institutionell nicht abgesicherten<br />

Kontexten und lässt so ein immens<br />

reiches Wissensfeld entstehen.<br />

Johanna Schaffer<br />

<strong>An</strong>tke Engel: Wider die Eindeutigkeit<br />

Sexualität und Geschlecht im Fokus queerer Politik der<br />

Repräsentation. Campus 2002, E 35,90 (Ö)<br />

Diplomiertes Teeservice<br />

Liebliche Keramikteller? Nett, aber ohne<br />

Nutzbarkeit? Mitnichten. Hohe Funktionalität<br />

gekoppelt mit Ästhetik zeichnet<br />

innenarchitektonische Gestaltung, Autos<br />

und Gebrauchsgegenstände der hier porträtierten<br />

15 Designerinnen aus: wie <strong>An</strong>na<br />

Castelli Ferrieri, die Pionierarbeit im<br />

Kunststoffdesign leistete oder Margarete<br />

Jahny, die als Abschlussarbeit ein weißes,<br />

ornamentloses Teeservice konzipierte,<br />

und sich gegen das vorherrschende Dogma<br />

der damaligen DDR – der Abkehr von<br />

Bauhausstil und Kosmopolitismus –<br />

wehrte. Auch wer mit Autokreationen<br />

nicht viel am Hut hat, erfährt Interessantes<br />

im Beitrag über <strong>An</strong>ne Asensio, Chefdesignerin<br />

bei General Motors, und die Herausforderung,<br />

einen Wagen zu kreieren,<br />

der Werte wie Macht,Wehrhaftigkeit und<br />

Fortschritt verkörpert. Neben biographischen<br />

Daten und Einblicken in das künstlerische<br />

Schaffen lernt frau Werkstoffe<br />

und Techniken kennen. Die einzelnen AutorInnen<br />

haben mit Kunst-, Architekturoder<br />

Designthemen zu tun. Sie kommen<br />

jedoch aus den unterschiedlichsten Bereichen<br />

wie Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte,<br />

Philosophie, Germanistik etc.<br />

Genauso vielfältig gestalten sich ihre Zugangsweisen.<br />

Finden sich in Heike Welzels<br />

Beitrag über Eva Zeisel vor allem detaillierte<br />

Formbeschreibungen ihrer Keramiken,<br />

findet frau bei Ulrike Kunkel viele<br />

Einsprenkelungen über das Leben und<br />

Schaffen von Ray Eames. Das Buch, reich<br />

bebildert mit Schwarzweiß-Fotos unterstreicht<br />

die eingangs erwähnte Kombination:<br />

hohe Funktionalität und Ästhetik.<br />

Petra Öllinger<br />

Britta Jürgs (Hgin.): Designerinnen<br />

Vom Salzstreuer zum Automobil.<br />

Aviva 2002, E 22,50 (Ö)<br />

Umstritten<br />

USA – Mitte des 19. bis <strong>An</strong>fang des 20.<br />

Jahrhunderts; und eine Frau mischt mit:<br />

Victoria Woodhull.Wer sich durch die ersten<br />

vierzig Seiten Spiritismus im Hause<br />

Woodhull durchgekämpft hat, findet sich<br />

schließlich mitten im Leben einer Frau,<br />

die über Know-How in Bordellen, an der<br />

Börse, als Wunderheilerin etc. verfügt.<br />

Und immer fordert sie: gleiche Rechte für<br />

die Frauen.Woodhull ist auch in der Umsetzung<br />

ihrer Forderungen nicht bescheiden:<br />

sie kandidiert als erste Frau bei<br />

der Präsidentschaftswahl. Ihre radikalen<br />

<strong>An</strong>sichten verlangen ein Um- und Neudenken<br />

– und sind heute noch umstritten.<br />

So fordert sie die Abschaffung der<br />

Ehe oder ein Fortpflanzungsverbot für<br />

Menschen mit Behinderung. <strong>An</strong>tje<br />

Schrupp ruft eine Frau in Erinnerung, deren<br />

Einsatz sogar von Kämpferinnen aus<br />

den eigenen Reihen gerne „vergessen“<br />

wurde. Und dass sie nie den moralischen<br />

Standardvorstellungen entsprach, mag<br />

dabei nur eine Ursache gewesen sein.<br />

Petra Öllinger<br />

<strong>An</strong>tje Schrupp: Das Aufsehen erregende Leben<br />

der Victoria Woodhull<br />

Ulrike Helmer Verlag, E 18,60 (Ö)<br />

neu.land<br />

Jasmina Jankovic’<br />

Diesmal ohne Titel<br />

lese.zeichen<br />

Foto: Robert Polster<br />

„Wollen Sie ein Lied vorsingen? Oder lieber ein Gedicht rezitieren?“<br />

„Ein Lied.“ „Okay, bitte.“ „Nein, besser eine Rezitation.“<br />

„Ist auch gut, bitte.“ „Na ja, vielleicht doch ein<br />

Lied?“ „Okay, wie Sie wollen, bitte.“ „Nun, ich weiß nicht,<br />

wäre doch nicht eine Rezitation besser?“ Und so weiter,<br />

und so fort. Ein kleiner Ausschnitt aus einer einmal beliebten<br />

Sendung in einem Land, das es einmal gab und nicht<br />

mehr gibt, jetzt endgültig nicht. Sein Name gehört zur Geschichte,<br />

das neue Staatsgebilde wird von den Einheimischen<br />

umgangssprachlich „Solania“ genannt. Aber darüber<br />

will ich gar nicht schreiben, jetzt geht´s bei mir wie oben.<br />

Soll ich ein Lied vorsingen? Oder lieber ein Gedicht rezitieren?<br />

Über das aktuelle Politikgeschehen habe ich auch keine<br />

Lust zu schreiben, außer dass ich mir jetzt ziemlich sicher<br />

bin: Das nächste Mal kriegen die meine Stimme nicht.<br />

Wer denn? Na ja, die, die für mich zumindest bis jetzt halbwegs<br />

glaubwürdig waren. Jetzt sind sie es nicht mehr, trotz<br />

aller Gegenargumente. Pluspol und Minuspol können sich<br />

einfach nicht anziehen. Per definitionem. Punkt. Aha, das<br />

wird immer besser! In mein Lied- oder Rezitations-Dilemma<br />

platzt noch eine Geschichte hinein, sodass es jetzt kein<br />

Dilemma, sondern Trilemma ist. Stell dir vor, sagt mir meine<br />

15jährige Nichte, N. ist schwanger! N. ist ihre Schulfreundin,<br />

deren aktuelle Geschichte alle möglichen Klischees bedient.<br />

Eltern äußerst streng, halten sie „an der kurzen Leine“;<br />

sie schwänzt Schule, tischt ihnen Lügen auf, kommt<br />

manchmal mit blauen Flecken, hat seit einigen Monaten<br />

einen 21jährigen Freund (könnte auch leicht 31 sein, meint<br />

meine Nichte), der sie zuerst mit Gonorrhöe ansteckt (!)<br />

und jetzt das noch. Schwanger. Sie haben nix benutzt, keine<br />

Verhütungsmittel, aber gerechnet hat sie. Tage gezählt.<br />

Wie gut und verlässlich die Methode ist, zeigt das Ergebnis.<br />

Nun steckt sie in einem Dilemma, da der Freund einerseits<br />

bereit wäre, das Geld für eine Abtreibung aufzubringen,<br />

andererseits aber auch etwas vom Heiraten angedeutet<br />

habe. Und, wie geht die Geschichte aus? Open End: Ein Lied<br />

vielleicht? Oder doch lieber eine Rezitation?<br />

märz <strong>2003</strong>an.<strong>schläge</strong> 41

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