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März 2003 (PDF) - An.schläge

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geschränkt und Männer hatten eine<br />

Rechtsgarantie über ihre Kinder. Auf<br />

Druck der Frauen wurden Frauenministerien<br />

oder -büros in nahezu allen<br />

Ländern geschaffen, in den Parteien<br />

wurden Frauenquoten eingeführt, in<br />

Mexiko gar ein Frauenparlament geschaffen,<br />

in dem sich Abgeordnete unterschiedlicher<br />

Parteien versammelten,<br />

um gemeinsame Strategien zu erarbeiten.<br />

All dies hatte große Auswirkung<br />

auf das Selbstbewusstsein der Frauen<br />

auf dem lateinamerikanischen Kontinent.<br />

Waren beim ersten lateinamerikanischen<br />

Treffen 1981 in Kolumbien noch<br />

250 Teilnehmerinnen dabei, reisten 1989<br />

in Argentinien bereits 3.000 Frauen an.<br />

Erstes Unbehagen machte sich breit –<br />

das Gefühl der Beliebigkeit, statt gemeinsamer<br />

Zielrichtung.<br />

Feminisierung der Armut. Der Neoliberalismus<br />

der 90er Jahre hatte fatale Auswirkungen<br />

auf die Menschen in Lateinamerika.<br />

Frauen arbeiten zunehmend<br />

in den Weltmarktfabriken (Maquilas)<br />

transnationaler Konzerne unter unglaublichen<br />

Bedingungen, während ihre<br />

Männer arbeitslos zu Hause sitzen,<br />

und ihren Autoritätsverlust durch Gewalt<br />

gegen die Ehefrauen kompensieren.<br />

Strukturanpassungsprogramme<br />

der Weltbank und des Internationalen<br />

Währungsfonds (IWF), die Privatisierungen<br />

im Dienstleistungssektor und<br />

Preiserhöhungen bestimmten den Alltag<br />

der meisten Lateinamerikanerinnen.<br />

Die Feminisierung der Armut ist<br />

mehr als nur ein Schlagwort. Sie führt<br />

auch zu schweren Konflikten innerhalb<br />

der feministischen Bewegung.<br />

Jene Frauen, die von der Armut besonders<br />

getroffen sind – Indigene,<br />

Schwarze und Frauen der Unterschicht<br />

– greifen die Mittelschichtsfeministinnen<br />

scharf an. Für sie wird der Feminismus<br />

des Überlebens zum vorherrschenden<br />

Paradigma, denn die akuten Probleme<br />

des Alltags haben einfach Vorrang.<br />

Praxisorientierte Netzwerke werden gegründet,<br />

die Betroffenen organisieren<br />

eigene kontinentale Treffen.<br />

Autonome gegen Institutionalisierte. Ein weiterer<br />

Prozess sollte zur Spaltung der<br />

starken feministischen Bewegung in Lateinamerika<br />

führen. Im Laufe der 90er<br />

Jahre wurde eine Unmenge an Nichtregierungsorganisationen<br />

(NGO) gegründet,<br />

die zunehmend ein Eigenleben entwickelten.<br />

Zum einen ließen sie sich als<br />

Handlangerinnen der Regierungen vereinnahmen,<br />

indem sie die verschärfte<br />

Armut durch einzelne Frauenprojekte<br />

so weit linderten, dass der kämpferischen<br />

Basis der Wind aus den Segeln<br />

genommen wurde. Zum anderen waren<br />

sie so praxis- und ergebnisorientiert,<br />

dass die theoretische Infragestellung<br />

des patriarchalen Systems völlig ins<br />

Hintertreffen geriet. Die „NGOisierung“,<br />

die nicht zuletzt durch das Füllhorn von<br />

Entwicklungshilfegeldern nach der Pekinger<br />

Frauenkonferenz ausgelöst wurde,<br />

zog der feministischen Basis ihre<br />

Führungskräfte ab und schwächte sie<br />

damit massiv.<br />

Die Grabenkämpfe gipfelten in einem<br />

Eklat während des 7. Feministinnentreffens<br />

Lateinamerikas, das als „encuentro<br />

de los desencuentros“ (Treffen<br />

der gescheiterten Treffen) in die <strong>An</strong>nalen<br />

einging. Autonome Feministinnen<br />

Die vielfältigen <strong>An</strong>liegen und Probleme von Frauen in<br />

Lateinamerika sind ihre Stärke und gleichzeitig ihre<br />

Schwäche. Ein unauflösbarer Knoten?<br />

warfen den „Institutionalisierten“ Komplizenschaft<br />

mit dem neoliberalen, patriarchalen<br />

System vor. Der Riss ging<br />

tief. Die „Autonomen“ organisierten<br />

zwei Jahre später ein eigenes Treffen in<br />

Bolivien, wo definitiv Frauen ausgeschlossen<br />

waren, die Parteien angehörten,<br />

oder in NGOs arbeiteten, die an den<br />

Vorbereitungen für Peking teilgenommen<br />

hatten oder in Entwicklungshilfeorganisationen<br />

tätig waren.<br />

Vertöchterung in Aussicht? So unüberwindbar<br />

die Differenzen auch schienen, so<br />

war es offenbar doch wichtig, sie aufzuzeigen.<br />

Viele „Institutionalisierte“<br />

begannen, ihre Praxis als Feministinnen<br />

zu überdenken, andere erkannten<br />

die Gefahr des völligen Auseinanderbrechens.<br />

Die kommenden Treffen waren<br />

vor allem von dem Versuch geprägt,<br />

neue Brücken aufzubauen und die Diversität<br />

wieder als Stärke anzuerkennen.<br />

Als heilsam erwies sich das Auftreten<br />

einer neuen Generation von Feministinnen,<br />

die die „vacas sagradas“<br />

(„heiligen Kühe“) ablösten und Themen<br />

wie Macht und <strong>An</strong>erkennung in die<br />

Diskussion einbrachten. Das letzte Treffen<br />

im Dezember 2002, das den Auswirkungen<br />

der Globalisierung gewidmet<br />

war, dürfte wieder Gemeinsamkeiten<br />

in den Vordergrund gestellt haben.<br />

„Wir sind nicht nur Frauen, sondern<br />

auch <strong>An</strong>gehörige einer Klasse und einer<br />

Ethnie. Da gibt es keinen allein selig<br />

machenden Kampf“, meinte Mercedes<br />

Umana ˜<br />

aus El Salvador schon einige<br />

Jahre zuvor. Es bleibt zu hoffen, dass<br />

diese Erkenntnis die zukünftige Arbeit<br />

der lateinamerikanischen Feministinnen<br />

bestimmt. ❚<br />

lateinamerikafeminismen<br />

zum weiterlesen:<br />

Karin Gabbert et al (Hg): Geschlecht<br />

und Macht. <strong>An</strong>alysen und Berichte.<br />

Lateinamerika Jahrbuch Nr. 24.<br />

Westfälisches Dampfboot 2000<br />

märz <strong>2003</strong>an.<strong>schläge</strong> 15

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