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März 2003 (PDF) - An.schläge

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men in wirtschaftspolitische Förderungen.<br />

Wären auch Forderungen wie beispielsweise<br />

ein eigenständiges Frauenministerium<br />

mit erweiterten Kompetenzen oder<br />

finanzielle Absicherung von Frauenberatungseinrichtungen<br />

möglich gewesen?<br />

Ich hatte durchaus den Eindruck,<br />

dass das möglich gewesen wäre.<br />

Schwer vorstellbar ist es, eure Positionen<br />

in der Schwulen- und Lesbenpolitik<br />

mit der ÖVP in Einklang zu bringen.<br />

Das wäre in der Tat nicht so einfach<br />

gewesen. Aber es bestand zumindest<br />

einmal dahingehend Einverständnis,<br />

dass ein umfassendes <strong>An</strong>tidiskriminierungsgesetz<br />

alle in irgendeiner Form<br />

diskriminierten Menschen zu berücksichtigen<br />

hat. Was wahrscheinlich<br />

kaum möglich gewesen wäre, ist die<br />

eingetragene PartnerInnenschaft.<br />

Die Kompromissbereitschaft seitens<br />

der Grünen war spürbar. Aufgefallen ist<br />

etwa, dass in einigen öffentlichen Aussendungen<br />

von „Frauen- und Familienpolitik“<br />

die Rede war.<br />

Wir haben immer großen Wert darauf<br />

gelegt, dass das getrennt wird. Dass<br />

natürlich progressive Familienpolitik<br />

EINE Voraussetzung ist, um auch erfolgreiche<br />

Frauenpolitik machen zu können,<br />

ist klar. Familienpolitik sollte endlich<br />

auch einmal als Aufgabe von Männern<br />

und Vätern verstanden werden. In dem<br />

Sinne hätte es meinerseits ein starkes<br />

Bestreben gegeben, das Gesetz zum<br />

Kinderbetreuungsgeld zu ändern. Es<br />

sollte – auch finanziell – attraktiver gemacht<br />

werden, Karenzen zumindest mit<br />

Teilzeitbeschäftigungen zu kombinieren.<br />

Und es sollte auch aus der Karenz<br />

heraus ein volles arbeitsmarktpolitisches<br />

<strong>An</strong>gebot geben zur Qualifizierung<br />

und zum Volleinstieg in den Beruf.<br />

Aber wir sind in den Verhandlungen<br />

nicht so weit gekommen, weil beim<br />

großen Sozialkapitel prinzipiell keine Einigung<br />

hergestellt werden konnte.<br />

Hat es dich überrascht, dass in Frauenbelangen<br />

offensichtlich eine gute Gesprächsbasis<br />

da war?<br />

Ja und Nein. Es gab natürlich die<br />

ganze Zeit zumindest mit bestimmten<br />

Frauen in der ÖVP gute Kontakte, die<br />

auch zu konkreten Handlungen geführt<br />

haben. Beispielsweise wenn es extreme<br />

Formen von sexistischen Entgleisungen<br />

in der Werbung gab, war es immer<br />

möglich, einen gemeinsamen Brief von<br />

Parlamentarierinnen an den Werberat<br />

zu verfassen. Da waren immer nur die<br />

freiheitlichen Frauen im Abseits.<br />

Es hat mich eher überrascht, wie es<br />

für die ÖVP in einer Koalition mit der<br />

FPÖ erträglich war. Der ganze Sozialbereich<br />

war in den letzten Jahren bei den<br />

Freiheitlichen und dort ist sehr eindeutige<br />

Politik gemacht worden, geprägt<br />

von Inkompetenz bis hin zur Person<br />

Haupt, dem ich in Sachen BSE-Bekämpfung<br />

erheblich mehr zutraue als in der<br />

Frauenpolitik. Im Rahmen der Männerabteilung<br />

sind beispielsweise immer<br />

wieder Personen zu Wort gekommen,<br />

wie der Sozialrechtler Theodor Tomandl:<br />

Im Rahmen einer Enquete war er ein<br />

Hauptreferent und hat – nicht sarkastisch,<br />

sondern allen Ernstes – gemeint,<br />

dass die Diskriminierten im österreichischen<br />

Sozial- und Pensionssystem die<br />

Männer seien. Dass dieser Mann praktisch<br />

die Pensionsreformkomission leitet<br />

ist eine Katastrophe. Und bei den<br />

Regierungsverhandlungen standen wir<br />

vor der Situation, dass alle Vorarbeiten<br />

und Berechnungen aus dem Sozialbereich<br />

aus dieser Feder stammten.<br />

Konntest du persönlich an erfolgreiche<br />

Verhandlungen mit der ÖVP glauben?<br />

Es waren Wellenbewegungen. Hätte<br />

so ein Regierungsbündnis reifen können,<br />

hätte es wahrscheinlich mehr<br />

Chance gehabt. Ein Hauptmotiv, mich<br />

für die Verhandlungen auszusprechen,<br />

war, dass ich drei Jahre lang gegen Blau-<br />

Schwarz gelaufen bin und das nicht<br />

mehr will. Ich fürchte jedoch, dass es<br />

jetzt wieder kommen wird. Die Freiheitlichen<br />

betteln ja förmlich um Regierungsbeteiligung.<br />

Hast du nachvollziehen können, dass<br />

sehr viele WählerInnen entsetzt waren<br />

über die Aufnahme von Verhandlungen?<br />

Die Reaktionen gingen quer durch.<br />

Von „Bitte versucht es doch. Nicht wieder<br />

Blau-Schwarz“ bis zu „Seid ihr<br />

wahnsinnig geworden“.<br />

Ich finde solche Debatten legitim.<br />

Es wäre eher ein schlimmes Zeichen,<br />

wenn es den Leuten egal wäre. Ich habe<br />

mit vielen der heftigsten KritikerInnen<br />

etwa der Wiener Grünen die ganze Zeit<br />

Kontakt gehalten. Es war mir schon klar,<br />

dass ich in der Koalition möglicherweise<br />

<strong>An</strong>träge bekommen hätte, die ich<br />

vielleicht selber in der Opposition eingebracht<br />

hatte, die aber nicht Koalitionsabkommen<br />

wären und ich deshalb ablehnen<br />

müsste. Ich wäre zum Redepult<br />

gegangen und hätte gesagt: Eigentlich<br />

will ich das nach wie vor, aber wir haben<br />

derzeit nicht die Kraft. Wir haben<br />

einen Kompromiss, zu dem ich gerade<br />

noch stehe.<br />

Was ist dein Fazit, was nehmt ihr<br />

mit aus dieser Erfahrung?<br />

Ich nehme mit, dass Regieren wirklich<br />

substanziell etwas anders ist als<br />

Oppositionsarbeit. Und dass es sehr viel<br />

an Verantwortung, Wissen und Vorbereitung<br />

bedeutet. Diesen Vorwurf mache<br />

ich auch der letzten Regierung, dass<br />

sie sich sehr einseitig informiert hat<br />

und das wahrscheinlich auch wollte. Ich<br />

habe mich selber dabei ertappt, dass<br />

ich plötzlich in anderen Kategorien<br />

dachte:„Diesen frauenpolitischen Vorschlag<br />

muss ich unbedingt hinein bringen“<br />

und dann kam sofort der Gedanke:<br />

„Was kann das kosten, wie könnte ich<br />

da umschichten“. Mir wurde klar: Diesen<br />

Gedanken müsstest du als Regierende<br />

immer haben.<br />

Ist im Nachhinein die Enttäuschung<br />

oder die Erleichterung größer?<br />

Ich bin froh, dass keine Kluft entstanden<br />

ist, die unüberwindbar wäre. Es<br />

wird vielleicht sogar mit einigen Leuten<br />

der ÖVP in Zukunft leichter sein. Ich hab<br />

mir auch vorgenommen – weil ich bei<br />

den Grünen auf der Bundesebene im<br />

Hintergrund weiter tätig sein möchte –,<br />

diesen Schritt heraus aus der Opposition<br />

vorzubereiten. Ich würde nie wieder<br />

in Sozialgespräche gehen, ohne vorher<br />

Klarheit zu haben, von welchen wissenschaftlichen<br />

Vorarbeiten ausgegangen<br />

wird.<br />

Irgendwann einmal würde es mich<br />

schon reizen zu regieren. Aber nicht um<br />

jeden Preis. Die Verlockung, Grüne auf<br />

der Regierungsbank zu sehen, hat niemanden<br />

von uns so übermannt – oder<br />

überfraut –, dass wir blind für die Stolpersteine<br />

geworden wären. Aber eines<br />

ist uns schon klar: Eine Regierungsbeteiligung<br />

würde nie ganz ohne interne<br />

Konflikte gehen. ❚<br />

verhandlungeninterview<br />

märz <strong>2003</strong>an.<strong>schläge</strong> 11

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