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Texte von Klaus Haupt zu Egon Erwin Kisch

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wiesen habe, frohlockte der Mann aus Prag. Der Verschmähte warkein anderer als Charlie Chaplin.Die frappierendeste Geschichte über <strong>Kisch</strong>s sexuelles Temperamenthat die in Australien gebürtige Reisejournalistin Ella Winter (1898-1980) in ihrer Autobiographie „And not to yield“ <strong>zu</strong>m besten gegeben.Sie war eine vollblütige Zeitgenossin der „wilden zwanzigerJahre“, hatte in England studiert, war <strong>zu</strong>nächst jahrelang in der LabourParty aktiv, stark an sozialen Reformen interessiert, schrieb fürverschiedene Zeitungen, war Chefredakteurin <strong>von</strong> Zeitschriften undließ sich später in den USA nieder. Als sie im Sommer 1930 auf demWege nach Rußland in Berlin Station macht, trifft sie im Hotel denihr bereits bekannten <strong>Kisch</strong>, der gerade aus dem „Paradies Amerika“<strong>zu</strong>rückgekehrt ist. Er verkörpert für sie eine Miniaturausgabe derdeutschen Boheme jener Zeit, die ihr als fröhlich-verrückt in Erinnerunggeblieben ist.Ella Winter ist damals 32, eine dunkeläugige, dunkelhaarige Schönheit.Noch in den ersten zehn Minuten ihrer Begegnung habe <strong>Kisch</strong>ihr angetragen, mit ihr <strong>zu</strong> schlafen: „Wir haben nicht viel Zeit, jedesMädchen geht mit mir ins Bett, Du bist das Mädchen, hier ist derDiwan.“ - „Jetzt, sofort?“ - „Ja, jetzt sofort, warum nicht?“Als er älter geworden ist, flunkert er manchmal: Er habe viele Frauengekannt, aber nur eine Dame. Nämlich Gisl - Gisela Lyner, derenBekanntschaft er während seiner Wiener Zeit geschlossen hatte. Zunächstschrieb sie seine Manuskripte, war seine Sekretärin, später dieLebensgefährtin und treue Seele an seiner Seite. Warum er Gisl dennnicht endlich heirate, hat ihn die Schauspielerin Steffi Spira einmalgefragt. <strong>Kisch</strong> darauf: „Die Frau kenn ich <strong>zu</strong> gut, ist mir unsympathisch.“Das ist echt kischisch. Doch schließlich schließt er mit ihr,53jährig, am 29. Oktober 1938 in Versailles den Bund der Ehe. DieWahrheit aber ist: <strong>Kisch</strong> hatte vor und außer Gisl in seinem Lebeneine große Liebe. Jarmila.*STANDESGEMÄSS ist der Ort, an dem sich <strong>Kisch</strong> und Jarmilakennenlernen. „Wo soll es schon gewesen sein“, entgegnet sie lachendmit ihrer etwas rauhen Stimme, als ich danach frage. „Im RomanischenCafé natürlich.“ Das Romanische Café vis-à-vis der Gedächtniskircheist in den 20er Jahren und in den ersten 30ern bis derbraune Terror beginnt ein dominanter Künstlertreffpunkt Berlins. Esist eine Institution. Hier gehen sie ein und aus die schon namhaftenoder später berühmt werdenden Schriftsteller, Journalisten, Dichter,Schauspieler, Regisseure, Film- und Theaterkritiker, Musiker, Komponisten,Maler, Architekten. Hier treffen sie sich, um <strong>zu</strong> plaudern,<strong>zu</strong> diskutieren, <strong>zu</strong> streiten, Ideen aus<strong>zu</strong>breiten: Alfred Polgar, WalterHasenclever, Ernst Toller, Anton Kuh, Franz Werfel, Else Lasker-Schüler, Alfred Kerr vom „Berliner Tageblatt“, Herbert Ihering vom„Börsen-Courier“, der junge Konrad Wachsmann, der später in denUSA als Architekt bekannt wird, der junge Billy Wilder, der im RomanischenCafé die Idee <strong>zu</strong> seinem ersten Film „Menschen amSonntag“ entwickelt und den Jarmila „Billie Baldower“ nennt - undnatürlich <strong>Egon</strong> <strong>Erwin</strong> <strong>Kisch</strong>.<strong>Kisch</strong> ist einer der Gäste, die die Atmosphäre prägen. Zu seinen Gepflogenheitengehört es, <strong>von</strong> Tisch <strong>zu</strong> Tisch <strong>zu</strong> gehen, sich mit jedermann<strong>zu</strong> unterhalten. Ihn interessiert einfach alles. Wer immer inseinen Memoiren oder Erinnerungen über diese Zeit das RomanischeCafé erwähnt, <strong>Kisch</strong> kommt darin vor, der geistvolle Gesprächspartner,der unterhaltsame Plauderer, der talentierte Anekdotenerzähler.Das Caféhaus als Institution - ob in Prag oder Wien oder nun in Berlin- ist für <strong>Kisch</strong>s ein zweites <strong>zu</strong> Hause.

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