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Auftrag_286.pdf - Gemeinschaft Katholischer Soldaten

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ISSN 1866-0843HEFT 286 – JULI 201252. JAHRGANG• 98. Katholikentagin Mannheim• Rede BundespräsidentGaucks in Hamburg• Responsibilityto Protect• Christliches imHeiligen Land• Berichte über Seminare„3. Lebensphase“• Friedensethik trifftSicherheitspolotik


INHALT AUFTRAG 286 • JULI 2012 • 52. JAHRGANG AUFTRAG 286 • JULI 2012 • 52. JAHRGANGEDITORIAL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKSSEITE DES BUNDESVORSITZENDEN . . . . . . 4BUNDESVORSTANDSICHERHEIT UND FRIEDENSETHIKRede Bundespräsident Joachim Gauck an derFührungsakademie am 12.06.12 . . . . . . . . . 5Gerechter Friede für Afghanistanvon Rüdiger Attermeyer und Bertram Bastian . . 7Gerechter Friede für AfghanistanImpulsvortrag zum Podiumvon Thomas Hoppe . . . . . . . . . . . . . . . . 9Resposibility to Protect (R2P)von Thomas Hoppe . . . . . . . . . . . . . . . . 11Impressionen vom 98. KatholikentagFotos von Bertram Bastian . . . . . . . . . . . . 18Politikergespräch mit Staatssekretär Beemelmansvon Rainer Zink . . . . . . . . . . . . . . . . . 19Sitzung in Nürnberg . . . . . . . . . . . . . . . 44GKS-BEREICH WESTDekanatsarbeitskonferenz . . . . . . . . . . . . 44GKS-BEREICH SÜDDekanatsarbeitskonferenz . . . . . . . . . . . . 45GKS-BEREICH NORDFrühjahrstreffen . . . . . . . . . . . . . . . . . 46GKS-KREIS BAD NEUENAHR – AHRWEILERWir wollen einen neuen Aufbruch wagen . . . . 46KATHOLISCHES MILITÄRPFARRAMT BONNVielfach Krisen und kein Ende . . . . . . . . . 46Klausurtagung des PGR in Baasem . . . . . . . 47Über sie stattgefundenen Seminare der DrittenLebensphase in Cloppenburg und in Nürnberg berichtetjeweils ein Teilnehmer der Veranstaltung ausseiner Sicht.Die Vorstellung der Levante wird mit dem HeiligenLand fortgeführt. Hinzugekommen ist ein Berichtüber die Lage im neuen Staat Süd-Sudan. DieSchilderungen der Probleme lassen keinen übertriebenenOptimismus aufkommen. Eher scheint es so,dass ein neuer Krisenherd in dem wirklich schon geplagtenKontinent Afrika entstanden ist.GESELLSCHAFT NAH UND FERNChristliches im Heiligen Landvon Andreas M. Rauch . . . . . . . . . . . . . . 20Neuer Krisenherd Sudanvon Carl-H. Pierk . . . . . . . . . . . . . . . . 26BILD DES SOLDATENDas Rad des Lebensvon Stephan Will . . . . . . . . . . . . . . . . . 30Reisender ohne Fahrkartevon Hans-Georg Pauthner . . . . . . . . . . . . 32RELIGION UND GESELLSCHAFTEinladung zur Mitgliederversammlung 2013Föderkreis der GKS . . . . . . . . . . . . . . . 34Führungsverantwortung und Familievon Bertram Bastian . . . . . . . . . . . . . . . 35Verbände in der Katholischen Kirchevon Bertram Bastian . . . . . . . . . . . . . . . 36KIRCHE UNTER SOLDATENFriedensethik trifft Sicherheitspolitikvon Rainer Zink . . . . . . . . . . . . . . . . . 38Bericht aus dem ZdKvon Joachim Lensch . . . . . . . . . . . . . . . 41Teilnehmerbericht vom Katholikentagvon Andreas Quirin . . . . . . . . . . . . . . . . 43GKS-KREIS UNNA – AHLENIst Mission noch zeitgemäß? . . . . . . . . . . . 48GKS-KREIS NÖRVENICHDie Welt am Limit . . . . . . . . . . . . . . . . 48GKS-KREIS KOBLENZ – ANDERNACHTradition und Religion Afghanistans . . . . . . . 49BUCHBESPRECHUNG: . . . . . . . . . . . . . . . . 51KURZ BERICHTET: . . . . . . . . . . . . . 19, 33, 50IMPRESSUM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52Redaktionsschluss fürAUFTRAG 287Freitag, 31. 08. 2012Liebe Leserinnen, liebe Leser,leider sind die Berichte von der GKS-Akademienicht fertig geworden, aber die Redaktion bleibt hierdran.Das vorliegende Heft befasst sich schwerpunktmäßigmit dem 98. Katholikentag in Mannheim.Da die Veranstaltungen so zahlreich wie vielfältigwaren, hat sich die Redaktion auf die Berichterstattungder Podien beschränkt, bei denen die GKSbeteiligt war und im Programmheft genannt war.Eindrücke des Katholikentages sind in einer Bildseitezusammengefasst. Der Bericht eines Teilnehmersam Stand der GKS rundet die Berichterstattung abZu Beginn des neuen AUFTRAG hat die Redaktionsich entschlossen, die Rede des Bundespräsidentenan der Führungsakademie der Bundeswehr abzudrucken.Unter anderem auch deshalb, weil JoachimGauck vorgeworfen wurde, er habe dort einemInterventionismus Deutschlands Vorschub geleistet.Beim Durchlesen dieser Rede werden Sie feststellen,dass dies ein nicht gerechtfertigter Vorwurf ist.Ich wünsche Ihnen unterhaltsame Lektüre undviele Anregungen mit dem neuen Heft,Herzlichst,Beim Katholikentag 2012 in Mannheim war die GKS mit einem Stand vertreten und auch bei den Veranstaltungenpräsent. Das Bild zeigt von links: StFw Dirk Ponzel, Oberstlt a.D. Artur Ernst, OStFw a.D. Friedrich Mirbeth OLt d.RChristian Schacherl, den Bundesvorsitzenden Oberstlt Rüdiger Attermeyer und StFw a.D. Franz-Josef Eitmann.(Bild: Bertram Bastian)2 3


SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIKSicherheitspolitische Debatte in DeutschlandBundespräsident Joachim Gauck bei der BundeswehrDer neue Bundespräsident Joachim Gauck hat sich für seinen Antrittsbesuch bei der Bundeswehr die Führungsakademiein Hamburg ausgesucht. Seine dort gehaltene Rede wurde von einigen Politikern als„Hunnenrede“ abgetan, die dem Interventionismus das Wort reden würde. Diesen Politikern hat StephanLöwenstein in seinem Artikel in der FAZ vom 27.06.12 geantwortet und festgestellt, dass diese Leute die Einschränkungendes Bundespräsidenten nicht beachtet oder gehört hätten. Die unten abgedruckte Rede ist derSeite des Bundespräsidenten entnommen, es gilt das gesprochene Wort. (Die Redaktion)Bundespräsident Joachim Gauckhabe mich auf meinen An-bei der Bundeswehr„Itrittsbesuchganz besonders gefreut. Sie könnensich wahrscheinlich nur sehr bedingtvorstellen, warum das so ist und warumich so gerne zu Ihnen gekommenbin, hier an die Führungsakademieder Bundeswehr in Hamburg.<strong>Soldaten</strong> und Militär – das warnämlich in meinem früheren Lebenallgegenwärtig, in den Gesellschaften,in denen ich lebte bis zu meinem 50.Lebensjahr. Es sind keine guten Gefühle,die in mir hochkommen, wennich an diese Zeit denke. Wenn ichmich erinnere an all diese Aufmärsche,an die Militarisierung unsererSchulen, an die Erziehung zum Hassauch im Offizierscorps und unter den<strong>Soldaten</strong>, an die Ablehnung eines Zivildienstesdurch Partei und Staat, andie militärische „Absicherung“ einerunmenschlichen Grenze – und zwarnicht gegen einen Aggressor, sonderngegen das eigene Volk. Ich habealso in einem Land gelebt, in dem dieArmee einer Partei verpflichtet war.Eine Armee, die „Volksarmee“ hieß,aber es nicht war. Eine Partei, die vonsich behauptet hat, den Volkswillen zuvertreten und die sich nicht gescheuthat, <strong>Soldaten</strong> unter Umständen auchgegen das Volk einzusetzen. Ich habedas Militärische also kennengelerntals eine – nicht nur physische – Begrenzungvon Freiheit.Und nun stehe ich vor Ihnen hierin Hamburg als Bundespräsident desvereinigten Deutschland. Ich stehevor der Bundeswehr, zu der ich seitzweiundzwanzig Jahren auch „meineArmee“ sagen kann. Und bin froh,weil ich zu dieser Armee und zu denMenschen, die hier dienen, aus vollemHerzen sagen kann: Diese Bundeswehrist keine Begrenzung der Freiheit,sondern eine Stütze der Freiheit.AUFTRAG 286 • JULI 2012Jetzt ahnen Sie vielleicht, wiewertvoll dieser Besuch für mich istund wie wertvoll die Begegnungen mitgebildeten Offizieren, die ich heutehaben konnte, für mich sind. Welchein Glück, dass es uns gelungen ist,nach all den Verbrechen des nationalsozialistischenDeutschland und nachden Gräueln des Krieges, in diesemLand eine Armee zu schaffen: eineArmee des Volkes, diesmal im bestenSinne, kein Staat im Staate in preußischerTradition, keine Parteienarmee,sondern eine „Parlamentsarmee“, andemokratische Werte gebunden, anGrundgesetz und <strong>Soldaten</strong>gesetz; eineArmee unter der Befehlsgewalt einesZivilisten, rekrutiert aus eigenverantwortlichenBürgern und heute auchBürgerinnen, die zu kritischen Geisternausgebildet werden in Institutionenwie dieser; eine Armee, derenEinsätze unter dem Vorbehalt und derZustimmung durch unsere Volksvertreterstehen und – wenn auch nichtgenügend – öffentlich diskutiert werden.All das kann einer wie ich, derzwei Drittel seines bisherigen Lebensin Diktaturen verbracht hat, nicht alsselbstverständlich empfinden. In vielenLändern der Welt ist es leider auchheute keine Selbstverständlichkeit.Und so ist für mich die BundeswehrTeil dessen, was ich kürzlich in meinerAntrittsrede als „Demokratiewunder“in Deutschland bezeichnet habe.Ein Demokratiewunder, das sich nachdem Zweiten Weltkrieg im Westenvollzogen hat – und vor etwas mehrals zwei Jahrzehnten dann auch imOsten unseres Landes mit einer ganzeigenen Dynamik.Ich denke daran, wie in den Jahrennach 1990 die Bundeswehr eine„Armee der Einheit“ wurde – und wieaus <strong>Soldaten</strong>, die einst vielleicht aufeinanderhätten schießen müssen, Kameradenwurden. Daran hat übrigensauch die engagierte Bildungsarbeitder Bundeswehr einen großen Anteilund ich denke an die verantwortlichenOffiziere und Politiker, die daran maßgeblichmitgewirkt haben, mit Dankbarkeit.Und ich möchte mit meinemAntrittsbesuch an diesem Ort, an diesekomplizierte Phase ganz bewussterinnern. Es gehört mit zu den Führungsaufgabendie Sie begleitet undgestaltet haben.Liebe Soldatinnen und <strong>Soldaten</strong>,Sie schützen und verteidigen das, wasuns am wichtigsten ist, auch über dieGrenzen unseres Landes hinaus: Freiheitund Sicherheit, Menschenwürdeund das Recht jedes Einzelnen aufUnversehrtheit. Sie handeln dabeiim <strong>Auftrag</strong> einer freiheitlichen Demokratie.Sie sind als „Staatsbürgerin Uniform“ Teil dieser Gesellschaft,Sie stehen mit Ihrem Dienst für dieseGesellschaft ein.Diese Gesellschaft hat sich in denletzten Jahrzehnten stark gewandelt,und auch Sie in der Bundeswehr stehenvor Aufgaben des Wandels. Ichnenne nur ein paar Stichworte: zunehmendefinanzielle Zwänge, Reformen,damit haben Sie hier natürlicheine jahrzehntelange Übung, technischeNeuerungen, Schließung vonStandorten; die vollständige Öffnungder Bundeswehr für Frauen und, erstkürzlich, der Wegfall der allgemeinenWehrpflicht, was viele in Deutschlandnoch bis heute nicht richtig verstandenhaben, dazu gemeinsame Auslandseinsätzemit verbündeten Nationenund neue Arten von Bedrohungenund asymmetrischen Kriegen.Vieles haben Sie gemeistert, vielesmüssen Sie noch meistern. Siewerden es meistern, da bin ich mirsicher. Denn Sie stellen sich hier professionellund mit einem hohen Ethosdarauf ein.5


SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIKSICHERHEIT UND FRIEDENSETHIKDiese Bundeswehr hat nie aufstarre Strukturen und Prinzipien gesetzt.Sie hat sich bewusst und bedachtvon vielen unguten militärischenTraditionen abgesetzt, auchwenn das in der Geschichte der Bundeswehrsicher manchem alt gedientenOffizier anderer Armeen nichtimmer leicht gefallen ist. Sie hat mitihrer Kultur der „inneren Führung“Diskussion und Reflexion möglich gemachtund damit auch Veränderungsfähigkeit.Bei meinem Rundgang hierin der Führungsakademie war ich sehrbeeindruckt von dem, was Sie „Veränderungsmanagement“nennen. DieseLernfähigkeit bei gleichzeitig festerWertebasis ist das Fundament, aufdas die Bundeswehr auch in Zukunftbauen kann.Die Welt um uns verändert sichrasant. „Wir übernehmen jetzt Verantwortungfür Dinge, über die wirfrüher nicht einmal nachgedacht hätten“,so hat es kürzlich General Carl-Hubertus von Butler ausgedrückt, bisvor kurzem Befehlshaber des Heeresführungskommandos.Vor wenigenTagen ging durch die Presse, wie sichdie Bundeswehr für den sogenannten„Cyberkrieg“ rüstet. Und während wirhier sitzen, stehen Tausende von Soldatinnenund <strong>Soldaten</strong> der Bundeswehrauf drei Kontinenten in Einsätzenihren Mann und ihre Frau.Die Bundeswehr auf dem Balkan,am Hindukusch und vor dem Hornvon Afrika, im Einsatz gegen Terrorund Piraten – wer hätte so etwas vorzwanzig Jahren für möglich gehalten?Sie, liebe Soldatinnen und <strong>Soldaten</strong>,werden heute ausgebildet mit der klarenPerspektive, in solche Einsätzegeschickt zu werden – mit allen Gefahrenfür Leib, Seele und Leben. Siehaben einen Anspruch darauf, dasswir, die Zivilen, uns bewusst machen,was Ihnen abverlangt wird und welcheAufgaben wir von Ihnen in derZukunft erwarten. All das darf nichtallein in Führungsstäben und auchnicht allein im Parlament debattiertwerden. Es muss da debattiert werden,wo unsere Streitkräfte ihren Ort haben:in der Mitte unserer Gesellschaft.Sie werden jetzt vielleicht – undzu Recht – sagen: bitte, an uns soll’snicht liegen, das kann ja geschehen.Wir hätten gerne mehr als bloß dasheute sprichwörtliche „freundlicheDesinteresse“, das schon der frühereBundespräsident Horst Köhler bedauerndfestgestellt hat. Die Bundeswehrsteht zwar mehr denn je unter Beobachtungder Medien. Und doch istsie im öffentlichen Bewusstsein nichtsehr präsent.Es liegt wohl zum einen an derunvermeidlichen räumlichen Distanz:Viele Standorte der Bundeswehr musstengeschlossen werden, Sie sind alsSoldatinnen und <strong>Soldaten</strong> im Alltagunserer Städte und Gemeinden einfachweniger präsent. Und wer kannsich schon vorstellen, als Zivilist indem so friedlichen Deutschland, wiees sich lebt in Masar-i-Scharif oder inPrizren, welche Entbehrungen diejenigenin Kauf nehmen müssen, dieaußerhalb der Feldlager ihren <strong>Auftrag</strong>erfüllen, welchen Belastungen sie tatsächlichtagtäglich ausgesetzt sind?Zum anderen ist es aber so, dassbei vielen ein Nicht-Wissen- Wollenexistiert. Das ist irgendwie menschlich:Wir wollen nicht behelligt werdenmit Gedanken, dass es langfristigauch uns betreffen kann, wenn anderswoStaaten zerfallen oder Terrorsich ausbreitet, wenn Menschenrechtesystematisch missachtet werden.Wir denken eben nicht gerne daran,dass es heute in unserer Mitte wiederKriegsversehrte gibt. Menschen, dieihren Einsatz für Deutschland mit ihrerseelischen oder körperlichen Gesundheitbezahlt haben. Und noch vielweniger gerne denken wir daran, dasses wieder deutsche Gefallene gibt, dasist für unsere glückssüchtige Gesellschaftschwer zu ertragen.Die Abscheu gegen Gewalt istdabei verständlich. Gewalt, auch militärischeGewalt, wird ja immer einÜbel bleiben. Aber sie kann – solangewir in der Welt leben, in der wirleben – eben nicht in einer geheilten,sondern in einer tief gespaltenenWelt, sie kann in einer solchen Weltnotwendig und sinnvoll sein, um ihrerseitsGewalt zu überwinden oder zuunterbinden. Allerdings müssen wirdann, wenn wir zu dem letzten Mittelder militärischen Gewalt greifen,diese gut begründen. Wir müssen diskutieren:darüber, ob wir mit ihr diegewünschten Ziele erreichen oder obwir schlimmstenfalls neue Gewalt erschaffen.Wir müssen auch darüberdiskutieren, ob wir im Einzelfall dieMittel haben, die für ein sinnvollesEingreifen nötig sind. Alle diese Fragengehören – mit den handelndenPersonen – gehören sie in die Mitteunserer Gesellschaft.Dass Frieden, Freiheit und Achtungder Menschenrechte vielfachnicht von alleine entstehen – wer wüsstedas besser als wir Deutschen? Eswaren ausländische <strong>Soldaten</strong>, die unseremLand die Möglichkeit der Freiheitschenkten, als sie selbst für ihreeigene Freiheit kämpften. Deshalb:„Ohne uns“ als purer Reflex kannkeine Haltung sein, wenn wir unsereGeschichte ernst nehmen. UnsereBundeswehr hat sich von unseligenmilitärischen Traditionen gelöst, sieist fest verankert in einer lebendigenDemokratie. Sie hat deshalb unser Zutrauenverdient, nicht nur in Debattenum den „gerechten Krieg“ zu bestehen,sondern auch einem „gerechtenFrieden“ den Weg zu bahnen, indemsie beiträgt zur Lösung von Konflikten,indem sie friedliche Koexistenz zuschaffen sucht, dort wo Hass regiert.Freiheit, so haben wir gelernt,ist ohne Verantwortung nicht zu haben.Sie entbehrt auch ihres Wertesund ihrer Würde ohne diesen Begriff.Für Sie, liebe Soldatinnen und <strong>Soldaten</strong>,ist diese Haltung schrittweiseselbstverständlich geworden. Istsie es auch in unserer Gesellschaft?Freiheit und Wohlergehen sehen vieleals Bringschuld der Demokratieund des Staates. Manche verwechselndabei aber Freiheit mit Gedankenlosigkeit,Gleichgültigkeit oder auchHedonismus. Andere sind wiederumsehr gut darin, ihre Rechte wahrzunehmenoder gegebenenfalls sie auchvehement einzufordern. Und vergessendabei allzu gern, dass eine funktionierendeDemokratie auch Einsatzfordert, Aufmerksamkeit, Mut, undeben manchmal auch das Äußerste,was ein Mensch geben kann: das Leben,das eigene Leben.Diese Bereitschaft zur Hingabeist selten geworden in Zeiten, da jederfür sich selbst Verantwortung zu übernehmenhat – und zu viele meinen,damit schon genug Verantwortung zutragen. Hier, in der Bundeswehr, treffeich überall auf Menschen mit der Bereitschaft,sich für etwas einzusetzen– gewissermaßen treffe ich auf „Mut-Bürger in Uniform“!Man trifft diese Bereitschaftselbstverständlich auch an anderenOrten, in sehr vielen zivilen sozialenBerufen etwa oder etwa wenn mandie Orden verleiht, wie es Bundespräsidentenregelmäßig tun dürfen.Diejenigen, die ich jetzt anspreche,sind nicht die einzigen, die Freiheitals Verantwortung definieren, sondernes gibt ganze Netzwerke in unsererGesellschaft von Menschen, die esgenauso sehen, ob als Zivilisten oderin Uniform. Für solche Menschen hatdas Wort „dienen“ keinen altmodischenKlang. Es ist Teil ihres Lebensoder – wie in Ihrem Fall – auch ihresBerufes. Darum ist ja auch die Bezeichnung„Staatsbürger in Uniform“so gut, wir wollen sie bewahren: Siesind eben nicht nur Bürger, sondernauch Staatsbürger, diesem Land verpflichtet.Ihr Werbespruch „Wir. Dienen.Deutschland.“ trifft es auf den Punkt– das heißt, mit gleich drei Punktennach meinem Geschmack fast zuviel,aber Sie haben ja etwas beabsichtigtmit dieser Punktierung. Er trifft, nichtallein, was das „dienen“ betrifft. Erlässt eben auch einen Patriotismusaufscheinen, der sich –frei nach JohannesRau – darin zeigt, dass man98. Katholikentag in MannheimUnter diesem Thema fand auf demKatholikentag in Mannheim am17.Mai 2012 in der Spitalkirche einePodiumsdiskussion statt. Die Idee dergemeinsam von Pax Christi, der DeutschenKommission von Justitia et Paxsowie der <strong>Gemeinschaft</strong> <strong>Katholischer</strong><strong>Soldaten</strong> (GKS) vorbereiteten Veranstaltungwar darzustellen, dass sichauf der Basis desselben katholischenGlaubens bei verschiedenen PerspektivenUnterschiede und Gemeinsamkeitenin den friedensethischen Ableitungendarstellen.Teilnehmer waren von Justitia etPax Prof. Dr. Thomas Hoppe von derUniversität der Bundeswehr in Hamburg,von Caritas International dersein Heimatland liebt, die Heimatländerder anderen darum aber nichtverachten muss.Und auch dem „Wir“ dient dieseBundeswehr in einem ganz besonderenSinn: Keine Institution hat soumfassend und so früh junge Menschen,junge Männer aus beiden TeilenDeutschlands zusammengebracht,unmittelbar nach der Neuvereinigungunseres Landes. Hier arbeiten Menschenaus Ost und West, aus Nord undSüd, junge und ältere, solche mit undohne ausländische Wurzeln zusammen.Und durch die Tore dieser Führungsakademielaufen täglich Militärangehörigeaus rund 60 Nationen.Gemeinsame Einsätze mit befreundetenStreitkräften und insbesondereauch Ausbildungen wie der „LehrgangGeneralstabs-/ Admiralstabsdienstmit internationaler Beteiligung“, derheute sein 50. Jubiläum feiert, sindwichtige Motoren der Verständigungzwischen ganz unterschiedlichen Völkern.Ich gratuliere Ihnen zu dieserguten Tradition. Die Bundeswehr ist– gerade durch solche Lehrgänge undBegegnungen – zu einem Friedensmotorgeworden. Sie befördert das große„Wir“, ohne das ein dauerhafter Friedenicht möglich ist.Gerechter Friede für AfghanistanVON RÜDIGER ATTERMEYER UND BERTRAM BASTIANLeiter der Asienabteilung Dr. ReinhardWürkner, von Pax Christi derVizepräsident Johannes Schnettlerund für die GKS sprang General a.D.Karl-Heinz Lather für den kurzfristigverhinderten Brigadegeneral JosefBlotz ein. Die Moderation hatteChristine Hofmann von Pax Christiübernommen (Bild).Prof. Hoppe stellte in seinem Impulsreferatdas Wort der DeutschenBischöfe Gerechter Friede in den Mittelpunkt:„Jede militärische Interventionmuss mit einer politischen Perspektiveverbunden sein, die grundsätzlichmehr beinhaltet als die Rückkehrzum status quo ante. Denn esreicht nicht aus, aktuelles UnrechtWie bildet man Menschen aus,die solch wichtige Aufgaben übernehmen?An dieser Führungsakademie,das habe ich gespürt, wird kein geistigerGleichschritt gelehrt. Hier werdenPersönlichkeiten gebildet und eineFülle von Fähigkeiten entwickelt: Entscheidungsvermögenund Übersicht infordernden Gefechtssituationen, aberauch politisches Urteilsvermögen unddiplomatisches Fingerspitzengefühl,die Fähigkeit, Widerspruch in Redeund Gegenrede zu begründen, interkulturelleKompetenz und der Umgangmit Medien. Alles in allem: die hoheKunst, Verantwortung zu übernehmen.„Sie stehen nicht nur persönlichvor ihren eigenen <strong>Soldaten</strong> im Rampenlicht,sondern als Verantwortlicheder Bundeswehr mitten in den Fragestellungenunserer ganzen Gesellschaft.“So hat es Richard von Weizsäckervor 25 Jahren – und bis heutezutreffend – formuliert. Für diesewichtige Aufgabe wünsche ich Ihnenweiterhin viel Glück, Mut, Selbst- undGottvertrauen. Ich bin froh, Ihnen heuteaus vollem Herzen sagen zu können:Für diese unsere Bundeswehr bin ichdankbar! Das sagt der Bürger JoachimGauck genauso wie der Bundespräsident.“❏zu beheben. Es geht darum, es aufDauer zu verhindern. Das wird in derRegel nur gelingen, wenn die politischenRahmenbedingungen geändertwerden. Nicht zufällig haben geradeauch die Militärs bei den jüngsten Interventionenein politisches Konzeptfür ‚die Zeit danach’ angemahnt. Einenstatus quo ante, der auf schwerwiegendemUnrecht beruhte, darf mannicht verteidigen – politisch nicht,und erst recht nicht durch bewaffnetesEingreifen“ 1 . Damit schloss Hoppe einenRückzug, wie in Vietnam gesche-1 Die Deutschen Bischöfe, Nr. 66,„Gerechter Friede“ Ziff. 159 vomSeptember 2000, 2. Aufl age (siehe www.dbk.de)6 AUFTRAG 286 • JULI 2012AUFTRAG 286 • JULI 20127


SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIKSICHERHEIT UND FRIEDENSETHIKnet gewesen, den Frieden in diesemvon Clans beherrschtem Land herzustellen.Wie stark diese von den Regionalmächtenabhängig seien odergar gesteuert würden, entziehe sichder normalen Anschauung. Darüberwaren sich alle Beteiligten an dieserPodiumsdiskussion einig, dass Afghanistannicht isoliert zu betrachten sei,sondern im Umfeld seiner Nachbarnzu sehen und – wenn auch mit unterschiedlichenMitteln und Wegen – zustabilisieren sei.Ein Ausblick auf die Entwicklungdes internationalen Völkerrechtsdurch Prof. Hoppe schloss die Rundeauf dem Podium ab, bevor die vierRedner sich den Fragen des Publikumsstellten. Dabei wurde der direkteVergleich zwischen Afghanistanund Syrien verworfen, denn in Syrienscheint die Regierung die eigene, oppositionelleBevölkerung geplant zuvernichten, bzw. zu unterwerfen, inAfghanistan herrsche seit fast 40 JahrenKrieg und Bürgerkrieg. Darüberhinaus habe der Westen in Syrien keineFührungsrolle, wie die fruchtlosenDiskussionen im Sicherheitsrat zeigten.Einem totalitären Pazifismus zurLösung der Probleme konnte keinerzustimmen, denn wie Schnettker ausführte,sei ein solcher Pazifismus nurim Kontext der absoluten Nächstenliebemöglich. Prof. Hoppe ergänzte,dass man dem Rad in die Speichenfallen müsse, wenn das Morden begänne.Dafür sei die Politik in derVerantwortung!In der Zusammenfassung konntendie Zuhörer diese interessantenPodiums die einhellige Meinung derDiskutanten mitnehmen, dass der gerechteFriede weder gewaltfrei nochgewaltsüchtig sei. ❏Podium AFG: Von links: Reinhard Würkner, Moderatorin Christine Hofmann, Johannes Schnettler, Karl-Heinz Lather,Thomas Hoppehen, aus. Das Prinzip der Schutzverantwortungder Staatengemeinschaft,welches im Bericht für die VereintenNationen 2001 vorgestellt wurde undunter dem Namen „Resposibility toProtect (R2P)“ 2 bekannt wurde, würdedurch einen derartigen Rückzug,der die radikalen Kräfte wieder andie Macht bringen würde, irreparabelbeschädigt. Es gelte den Teufelskreiszu durchbrechen, in dem ein Mangelan öffentlicher Sicherheit dazu führe,dass viele zivile Projekte nicht durchgeführtwerden könnten, wodurch wiederumdie alltäglichen, bedrückendenLebensverhältnisse und die mit ihnenverbundene Perspektivlosigkeit bestehenblieben.Auf die Frage der Moderatorin,wo den die zivile Hilfe in Afghanistanstehe, erwiderte Dr. Würknervon Caritas, dass man nicht soweit sei, wie man hätte sein können.Ursache dafür wäre unter anderemauch die Unterbrechung der schonvor 2001 geleisteten Hilfe am Hindukuschdurch die kriegerischen Auseinandersetzungen,die mit falscherSchwerpunktsetzung danach fortgeführtworden seien. Das bis 2001 erworbeneVertrauen in der Zivilbevölkerungfür die zivilen Helfer müsseneu erworben werben, als Voraussetzungfür effiziente Hilfe weiterhin.2 siehe auch den Artikel von Prof. Hoppeauf Seite 11 dieser AusgabeGeneral Lather führte aus, dassein Wiederaufbau nicht ohne Sicherheitgehe, diese müsse von <strong>Soldaten</strong>hergestellt werden. Diese notwendigemilitärische Präsenz könne dannSchritt für Schritt durch die Verlagerungauf zivile Hilfe abgebaut werden.Er gebrauchte das Bild, das derVerteidigungsminister nutzte, indemdieser ausführte, das Militär würdeab 2014 vom Fahrersitz auf den Beifahrersitzwechseln. Allen Rednerwar klar, dass Afghanistan auch nach2014 weiterhin die Unterstützung derinternationalen Gesellschaft benötigenwürde. Wichtig erschien demehemaligen General die Versöhnungder afghanischen Gesellschaft, diekeine Sache von heut auf morgen sei,sondern ihre Zeit bräuchte. VizepräsidentSchnettler von Pax Christi gabzu bedenken, dass durch die 10-jährige„Kriegssituation“ in Afghanistaneine Gewöhnung an Gewalt eingetretensei, die sehr bedenklich seiund zu einem Rückfall in das Denkenvergangener Jahrhunderte führe.Darüber hinaus sei Afghanistan einvöllig anderer Kulturkreis, in demVersöhnung nicht den Stellenwerthabe, wie in Europa nach dem ZweitenWeltkrieg. Der Leiter der Asienabteilungvon Caritas Würkner fügtehinzu, dass man Afghanistan nichtisoliert sehen dürfe. Die NachbarnPakistan sind an einem prosperierenden,friedlichen Afghanistan nichtso stark interessiert wie die westlichenMächte und Iran – als weitererNachbar Afghanistan – könne sichunmöglich vorstellen, den „ErzfeindAmerika“ in direkter Nachbarschaftzu haben.Die Frage der Moderatorin Hofmannnach der zukünftigen SicherheitslageAfghanistan beantworteteGeneral Lather mit den belegbarenZahlen, dass nach der Erhöhungder Truppenkontingente die Zwischenfälleweniger wurden! Weitergab er zu bedenken, dass R2P nochnicht Bestandteil des Völkerrechtssei, was eine Umsetzung naturgemäßerschweren würde. Generell bedürfeder Ansatz der vernetzten Sicherheiteine starke Führung durch die VereintenNationen. Da der AfghanistanEinsatz ein politisches Mandat darstellt,könnte ein Scheitern der AfghanistanMission auch als ein Scheiternder Vereinten Nationen angesehenwerden. Prof. Hoppe fügte an, dassdie Resposibility to Protect der zukünftigeRahmen sein müsse. DieseSchutzverantwortung sei drei-dimensionalerNatur: man müsse verhüten(to pretend), man müsse schützen (toprotect) und man müsse aufbauen(to rebuilt). Die Schritte seine überzeugend,aber noch nicht Realität impolitischen Handeln. Die gewaltsameBeendigung des Bürgerkriegs mitZwangsmaßnahmen sei nicht geeig-98. Katholikentag in MannheimGerechter Friede für Afghanistan – Friedensethische KonsequenzenMehr als zehn Jahre nach dem Beginndes internationalen Engagementsin Afghanistan erleben wirderzeit eine Diskussion, die aus meinerSicht teilweise gespenstisch anmutendeZüge trägt. Dies deswegen,weil sie Erinnerungen wachruft, undzwar an politische Zusammenhängeund Ereignisse, die sich mit großerintrusiver Kraft ins Gedächtnis eingebrannthaben. Die öffentliche Debattesteht im Zeichen der Befürchtung,ja des vielfach für sicher gehaltenenUrteils, der Afghanistan-Einsatz seiendgültig gescheitert. Was das für dieMenschen im Land, aber auch für dieBewertung dieses Engagements imNachhinein bedeuten würde, hat JensJessen in der Wochenzeitung „DieZeit“ vom 8. März dieses Jahres mitbitteren Worten skizziert:„Rückzug oder Selbstaufgabe lautetdie Alternative – und natürlichwerden wir uns zurückziehen. Wirwerden auf die Gedankenlosigkeit desEinmarschs die Schmach und Schandedes Rückzugs setzen, wir werdenunsere afghanischen Verbündeten ansMesser liefern und werden den Elternunserer eigenen toten <strong>Soldaten</strong> niemalserklären können, wofür diesesterben mussten.“Impulsreferat zum Podium am 17. Mai 2012VON THOMAS HOPPEWer ein wenig älter ist, dem kommenbei der Lektüre dieser Zeilen unwillkürlichdie Fernsehbilder in denSinn, die vor Jahrzehnten den Abzugder amerikanischen Interventionstruppenaus Vietnam begleiteten –die Verzweiflung der Menschen, diesich mit aller Kraft an die Kufen desletzten Hubschraubers zu klammernversuchten, der von der US-Botschaftin Saigon abhob. Das Vietnam-Traumaist seither in der amerikanischen Gesellschaftin unterschiedlichsten Erscheinungsformenpräsent geblieben,was man unter anderem daran ablesenkann, dass öffentlich daran erinnertwurde, als es vor schon geraumerZeit um die Bedingungen ging, unterdenen ein Abzug aus dem Irak erwogenwerden könnte.Verzweifelt waren auch die Menschen,die 1994 in Ruanda gehoffthatten, durch das viel zu kleine UN-Kontingent Schutz vor den mörderischenHutu-Milizen zu finden, diejedoch statt dessen mit ansehen mussten,wie dieses Kontingent sich zurückzogund sie schutzlos ihren Mördernüberließ. Die Kette ähnlicherBeispiele würde so schnell nicht ihrEnde erreichen, würde man beginnen,sie im Einzelnen auszuzeichnen.Ich habe bewusst diesen Einstieggewählt, damit Ihnen deutlich wird,unter welcher Fragestellung meinesErachtens die Debatte über die Zukunftsperspektivendes Afghanistan-Einsatzesgeführt werden muss,soll sie für sich in Anspruch nehmenkönnen, vor einem ethischenMaßstab bestehen zu können. Nichtpolitische Konvenienzüberlegungen,nicht wirtschaftliche Vorteilskalküle,ja nicht einmal das Argument, imzurückliegenden Jahrzehnt sei es gelungen,das Terrornetzwerk Al-Qaidadeutlich zu schwächen, bieten einenhinreichenden Referenzrahmen fürdie moralische Beurteilung heutiger8 AUFTRAG 286 • JULI 2012AUFTRAG 286 • JULI 20129


SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIKSICHERHEIT UND FRIEDENSETHIKrein wissenschaftlicher Reflexion aufFragen, die im Kontext einer Ethik desPolitischen zu stellen wären.Wiederholte Anlässe zum Eingreifen aus humanitärenGründenBereits unmittelbar nach demEnde des zweiten Golfkriegs, im beginnendenFrühjahr 1991, stand dieStaatengemeinschaft vor der Entscheidung,eine massive Gewaltandrohungdes irakischen Regimes unterSaddam Hussein gegen die kurdischeBevölkerung des Nordirak einfachhinzunehmen oder zu versuchen,im Wege der bewaffneten Interventionsolche Gewaltakte zu verhindern.Sie entschied sich zu Letzterem undversuchte mit der Resolution 688 desUN-Sicherheitsrates, die erforderlicheRechtsgrundlage hierfür zu schaffen.Dabei kam ihr der Umstand entgegen,dass die Situation im Nordirakzu Flüchtlingsbewegungen geführthatte, die den internationalen Friedenin der Grenzregion zu den Nachbarstaatenbedrohten; eine Situation,die nach Artikel 39 der Charta derVereinten Nationen die Zuständigkeitdes Sicherheitsrates aufruft. Ende1992 wurde ein ähnlicher Beschluss(UN-Resolution 794) erforderlich, umden Hungertod von zwei MillionenMenschen in Somalia zu verhindern.Sie stellte bereits nicht mehr auf dasErfordernis ab, dass die vor Ort bestehendeLage einer zwischenstaatlichenFriedensgefährdung gleichkommenmüsse, sondern betrachtete dasmassenhafte Elend innerhalb einesbestehenden Staates, das von dessenAutoritäten nicht verhindert oder wenigstensgelindert wurde, als hinreichendenGrund für die Erteilung einesMandates zum Eingreifen.Im Frühjahr 1994 geschah derMassenmord in Ruanda an nahezueiner Million Menschen, der sich wesentlichdadurch über Wochen entfaltenkonnte, dass die Vereinen Nationenin diesem Falle an einer wirksamenIntervention nicht interessiertwaren – zu frisch war die Erinnerungan das Scheitern in Somalia, ungeachtetdort erreichter humanitärerZiele, als dass man das Leben von<strong>Soldaten</strong> unter UN-Mandat in Ruandaaufs Spiel zu setzen bereit gewesenwäre. Doch auch ein Jahr später, imSommer 1995, kam es nicht zu wirksamemHandeln, als der serbischeDruck auf die Schutzzone Srebrenicaim Osten Bosniens immer stärker wurdeund die dorthin geflüchteten Muslimeohnmächtig der Einnahme ihrerStadt zusehen mussten. Ein Tiefpunktdes Ansehens der Vereinten Nationenwar das anschließend um die Welt gehendeFoto einer Zusammenkunft desKommandeurs der serbischen Einheiten,Ratko Mladic, mit dem Stab desUN-Bataillons, das unter dem Kommandodes niederländischen OffiziersThom Karremans die Sicherheit derStadt hatte verbürgen sollen. In denfolgenden Tagen ermordeten serbischeEinheiten etwa 8.000 muslimischeMänner aller Altersgruppen inden umliegenden Wäldern, ohne dassdas anwesende UN-Kontingent diesverhinderte; bis heute wird darüberdiskutiert, ob es dafür eine realistischeErfolgsaussicht gegeben hätteoder nicht.Eine nicht unmaßgebliche Begründungfür den NATO-Einsatz imKosovo im Frühjahr 1999 lag deswegenin dem Argument vor, es gelte,eine Wiederholung von Gräueln wiein Ruanda oder in Bosnien zu verhindern.Jedoch kam für dieses Eingreifeneine mandatierende Resolutiondes Sicherheitsrates der Vereinten Nationennicht zustande, die allein einevölkerrechtlich unzweifelhafte Legitimierunghierfür hätte bieten können.Zugunsten der NATO-Entscheidungließ sich allenfalls ins Feld führen,es liege immerhin kein Sicherheitsratsbeschlussvor, der das bewaffneteEingreifen ausdrücklich untersage;vielmehr war, um dies nicht zu riskieren,der Rat zuletzt mit einer Entscheidungzu Kosovo bewusst nichtmehr befasst worden. Klar wurde indesspätestens mit dem Fall Kosovo,wie prekär eine Situation erschien,in der auf der einen Seite dringlicherHandlungsbedarf gesehen wurde,während es auf der anderen an derBereitschaft mangelte, die notwendigenVoraussetzungen für ein rechtlichunbedenkliches Vorgehen zu schaffen.Ein Konflikt zwischen dem positivrechtlichErlaubten und dem auselementaren Schutzerwägungen herausethisch für geboten Gehaltenenwar in aller Schärfe zu Tage getreten.Konsequenterweise befasste sich inden folgenden Jahren das einschlägigeSchrifttum zu diesem Problemkomplexzentral mit diesem Spannungsverhältnis.Internationale Schutzverantwortungund NichteinmischungsgebotEine hochrangig besetzte Expertenkommission– die InternationalCommission on Intervention andState Sovereignty (ICISS) – untersuchtenach Ende der kriegerischenPhase des Kosovo-Konflikts auf Ersuchendes UN-Generalsekretärs, KofiAnnan, die mit der Interventionsproblematikzusammenhängenden politischen,völkerrechtlichen und ethischenFragestellungen. Sie legte imJahr 2001 ihre Ergebnisse in Formeines Berichts vor, der den Titel TheResponsibility to Protect trug und damitdiesen neuen Terminus technicusin die internationale Debatte einführte.Die Kommission machte weitreichendeVorschläge, auch zur Frage,welche alternativen Möglichkeiten derEntscheidungsfindung für den Falleiner Blockade im UN-Sicherheitsratdurch das Veto eines oder mehrererVetomächte zur Verfügung stehensollten. Nur ein Teil ihrer Empfehlungenfand schließlich Aufnahme indie eingangs erwähnte Resolution derUN-Generalversammlung von 2005(Resolution 60/1, Ziffern 138 und139). So fehlt dort ein Kriterienkatalogfür die Anwendung von Gewalt, dieThematisierung eines möglichen Veto-Verzichtsbei Abstimmungen überhumanitäre Notlagen und von Möglichkeitendes Handelns auch ohneMandat des Sicherheitsrates, wenndieser blockiert ist.Trotz dieser Einschränkungen istfestzustellen, dass die bekräftigendeAufnahme des R2P-Prinzips in einsolches UN-Dokument eine Veränderungder politischen Situation bewirkthat, in welcher Interventionsfragenzu erörtern sind: Hatte bis dahindas in der UN-Charta verankertevölkerrechtliche Interventionsverbotnahezu ausschließlich den Referenzrahmenfür entsprechende Erörterungendargestellt, so ging es nun umdie Frage, ob und unter welchen Voraussetzungendieses Verbot als eingeschränktverstanden werden müsse,gerade um durch die Modalitätenseiner Anwendung nicht ad absurdumgeführt zu werden. Es sollte die Unabhängigkeitder Einzelstaaten gegenillegitime internationale Pressionenschützen, nicht aber als Freibrief dafürverstanden werden können, dassRegime im Schutz der Souveränitätihres Staates folgenlos die Verfolgungund Ermordung von Teilen ihrer Bürgerentweder selbst veranlassen odersie ungehindert geschehen lassen.Die Schutzverantwortung der Staatengemeinschaftist daher strikt amKriterium der Subsidiarität orientiertkonzipiert: Nur wenn der einzelneStaat nicht willens oder nicht fähigist, Gräueltaten zu verhindern, wirdsie wirksam, anderenfalls obliegendie entsprechenden Schutzpflichtengegenüber seinen Bürgern dem betreffendenStaat selbst, und er kann,soweit er ihnen gerecht wird, rechtensdarauf verweisen, weiterhin durch dasInterventionsverbot gegen auswärtigeEinmischung geschützt zu sein.Der systematische Rang der Schutzverantwortunginnerhalb einer Ethik internationalerBeziehungenDie im Folgenden vertretene Theselautet: Das R2P-Prinzip wird nichtadäquat verstanden, wenn es als einezwar begrüßenswerte, doch in seinernormativen Bedeutung randständigeErweiterung des internationalenFriedenssicherungsrechts angesehenwird. Vielmehr zeigt sich in ihmdie legitimationstheoretische Grundstrukturdessen, was eine Ethik derinternationalen Beziehungen zu tragenvermag. Denn das Prinzip ziehtdie Konsequenz aus dem Sachverhalt,dass in juristischer Hinsicht zwar ganzüberwiegend weiterhin die einzelnenStaaten als Völkerrechtssubjekte betrachtetwerden, für eine ethischeBetrachtung diese durchaus kontingenteStruktur der Staatenwelt jedochsekundär ist und ihrerseits daraufhinzu prüfen bleibt, ob und wie weit sieden Schutz der elementaren Rechteeines jeden Menschen verlässlichgewährleistet. Konzipiert man, wie eshier geschieht, den gesamten Legitimitätsdiskursauch für den Bereichder internationalen Beziehungen vomMenschenrechtsschutz her, so bildetdas R2P-Prinzip den normativen Referenzrahmen,von dem her letztlichReichweite und Grenzen aller übrigenPrinzipien der Charta der VereintenNationen ethisch einzuschätzen sind.Dass diese Interpretation mit derIntention dieser Charta und der ihrinhärenten Hermeneutik vereinbarist, ergibt sich aus einem Blick aufdie Präambel. Dort wird nicht nur betont,es gelte, „künftige Geschlechtervor der Geißel des Krieges zu bewahren“,sondern ebenso, man sei „festentschlossen, ... unseren Glauben andie Grundrechte des Menschen, anWürde und Wert der menschlichenPersönlichkeit, an die Gleichberechtigungvon Mann und Frau sowie vonallen Nationen, ob groß oder klein, erneutzu bekräftigen“. Die die VereintenNationen bildenden Staaten habenbeschlossen, im „Bemühen um dieErreichung dieser Ziele zusammenzuwirken“,und gründen zu diesemZweck die Weltorganisation.Die Pflicht zur Präventionhat in jedem Fall Vorrang vorder bewaffneten InterventionDabei wird dem möglichen Missverständnis,die Bestimmung desMenschenrechtsschutzes als normativerAusgangspunkt für die Interpretationvon Prinzipien und Einzelnormender Charta laufe notwendigerweiseauf eine bellizistische 2 Konzeptionhinaus, bereits dadurch entgegengetreten, dass die UN-Chartafür jedwede Entscheidung zum Einsatzvon Gewalt das Vorliegen sehrspezieller Voraussetzungen fordert –eine Bedingung, die oft nicht leichtzu erfüllen ist. Durchgängig folgt siedem Gedanken, den Rückgriff aufGewaltmittel möglichst nicht erforderlichwerden zu lassen, das gesamteKapitel VI der Charta ist denMöglichkeiten einer friedlichen Beilegungvon Streitfällen gewidmet. Imselben Sinn verläuft die Argumentationder ICISS-Studie The Responsibilityto Protect: Bevor bewaffneteIntervention (Responsibility to React)in Betracht gezogen werden darf, giltes der prioritären Pflicht zur Prävention(Responsibility to Prevent) gerechtzu werden. Auch die Pflicht zurNachsorge nach einem gewaltförmiggewordenen Konflikt (Responsibilityto Rebuild) entspringt letzten Endesdem Präventionsgedanken, nämlichgegenüber der Gefahr einer Wieder-2 Bellizistisch = kriegstreiberischholung des Geschehenen, die erneutdie Frage nach bewaffnetem Eingreifenaufwerfen könnte. In der Logikund Absicht des R2P-Konzeptsliegt daher nicht die Inflationierung,sondern im Gegenteil die Reduzierungder Zahl von Fällen, in denenman auf Intervention zurückgreifenmuss. Freilich gibt es sich nicht derIllusion hin, mit dem konsequentenAusschöpfen aller Präventionsmöglichkeitenlasse sich das Interventionsproblemquasi erledigen, da esdann entsprechende Zuspitzungenvon Krisen und Konflikten gar nichtmehr geben könne.Gewaltfreie Handlungsweisenkönnen nicht die einzigvertretbare Option seinEs folgt aus diesen Überlegungendie strenge Pflicht zur Einzelfallprüfungjeder derartigen Konfliktkonstellationunter dem Gesichtspunkt,welche Form ihrer Bearbeitung unterder Perspektive des R2P-Konzeptsangemessen erscheint, wobei dem Interessean einer Vermeidung von Gewaltbesonderes Gewicht zukommt,ohne dass jedoch gewaltfreie Handlungsweisenzur ausschließlichenethisch vertretbaren Option werdenkönnten. Letzteres wäre zwar wünschenswert,scheint in der real existierendenWelt auf absehbare Zeitaber nicht umsetzbar, will man nichtriskieren, wehrlose Dritte den Preisdafür zahlen zu lassen.Bereits 1933 hielt der jedwedemKrieg und aller Gewalt zutiefst abgeneigteevangelische Theologe DietrichBonhoeffer einen später berühmtgewordenen Vortrag unter dem Titel„Die Kirche vor der Judenfrage“. Indiesem stellte er sich gegen das Ansinnendes NS-Regimes, auch in derKirche den sogenannten „Arierparagraphen“umzusetzen, also Menschenmit jüdischer Herkunft aus ihr zu vertreiben.In diesem Zusammenhangformulierte Bonhoeffer drei Aufgabender Kirche, in denen sie ihre gesellschaftlicheMitverantwortung wahrnehmenkönne und müsse:„... erstens ... die an den Staat gerichteteFrage nach dem legitim staatlichenCharakter seines Handelns,d.h. die Verantwortlichmachung desStaates.12 AUFTRAG 286 • JULI 2012AUFTRAG 286 • JULI 201213


SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIKSICHERHEIT UND FRIEDENSETHIKzweitens der Dienst an den Opferndes Staatshandelns. Die Kirche ist denOpfern jeder Gesellschaftsordnung inunbedingter Weise verpflichtet, auchwenn sie nicht der christlichen Gemeindezugehören. ...Die dritte Möglichkeit besteht darin,nicht nur die Opfer unter demRad zu verbinden, sondern dem Radselbst in die Speichen zu fallen. SolchesHandeln wäre unmittelbar politischesHandeln der Kirche und istnur dann möglich und gefordert, wenndie Kirche den Staat in seiner Rechtund Ordnung schaffenden Funktionversagen sieht, d.h. wenn sie denStaat hemmungslos ein Zuviel oderein Zuwenig an Ordnung und Rechtverwirklichen sieht“ (Hervorhebungdurch den Autor). 3Überträgt man die grundlegendenstaats- und rechtsethischen ÜberlegungenBonhoeffers in die Ebene derinternationalen Politik, so ist leichtzu sehen, dass die normative Begründungsstrukturdes R2P-Konzepts seinerArgumentation in weiten Teilenentspricht, auch wenn bei Erstellungder ICISS-Studie ein solcher inhaltlicherZusammenhang kaum gesehenbzw. für belangvoll gehalten wordensein dürfte. Nicht zufällig geht es inbeiden Fällen um Situationen systematischerVerfolgung von bestimmtenPersonengruppen, bis hin zu derendrohender oder bereits begonnenerErmordung. Die politische Rolle, dieBonhoeffer im Blick auf die von ihmbetrachtete innenpolitische Situationin Hitlerdeutschland hilfsweise derKirche zuweist, ist im Kontext heutigerinternationaler Politik durch dieStaatengemeinschaft wahrzunehmen.Das Prinzip der Schutzverantwortungund die Realität nationalstaatlicherInteressenpolitikEine sachgemäße Umsetzungdes Prinzips der internationalenSchutzverantwortung in der realexistierenden Staatenwelt steht freilichvor systematischen Problemen,die nicht nur unter politischer, sondernauch unter ethischer Rücksichtvon erheblichem Gewicht sind. Diese3 Bonhoeffer, D. : Die Kirche vor derJudenfrage, in: Dietrich BonhoefferAuswahl, hrsg. v. Christian Gremmelsund Wolfgang Huber, Gütersloh 2006,69-79, hier 74.Probleme lassen sich zu wesentlichenTeilen darauf zurückführen, dass fürdie Entscheidung eines Staates, Verpflichtungengemäß dem R2P-Prinzipzu übernehmen oder dies nicht zu tun,oftmals die Orientierung an seinen außenpolitischenPartikularinteressen(auch ökonomischen) weit wichtigererscheint als an Aspekten ethischerbzw. humanitärer Dringlichkeit. Dieswirkt sich nicht nur auf Einzelaspekteaus, etwa ob und in welchem Umfangdie benötigten Ressourcen für Hilfseinsätzeeinschließlich einer unterUmständen notwendig erscheinendenmilitärischen Absicherung bereit gestelltwerden; vielmehr geht es um diegrundlegende Handlungslogik derjenigenMächte, die entscheidende Weichenstellungenim Weltsicherheitsrat,aber auch vor Ort vornehmen.Das Problem ist seit dem 19. Jahrhundertbekannt, als dadurch dasauch damals diskutierte Konzept der„Humanitären Intervention“ in Verrufkam. Unter seinem Deckmantelbetrieben europäische Mittelmächteziemlich unverhohlen nationalstaatlicheInteressenpolitik mit militärischenMitteln, die auf Machtprojektionund Einflusserweiterung in geographischeBereiche hinein zielte, diebislang unter anderen, den Eigeninteressender Interventen weniger günstigenKräfteverhältnissen standen. Dashumanitäre Argument war also nurvorgeschoben, um den in Wirklichkeitstattfindenden kriegerischen Austragherkömmlicher Mächtekonkurrenzenzu couvrieren. Nicht zuletzt vor demHintergrund dieser Erfahrungen formuliertedie UN-Charta das Gewaltunddas Nichtinterventionsgebot besondersstark aus, denn man war besorgt,dass anderenfalls eine leicht zumissbrauchende Legitimationsfoliefür neue, wiederum nur vorgeblichmit humanitären Gründen gerechtfertigtezwischenstaatliche Kriege bereitliegen könnte.Es droht stets die Gefahr,dass ethisch motivierteInterventionsentscheidungenvon Interessenpolitiküberlagert werdenWenn in der Indienstnahme auchdes R2P-Konzepts für ähnliche Formender Interessenpolitik eine realeGefahr liegt, zeigt sich zugleich, dassund warum etwa in Veränderungenvon Verfahrensmodi bei Abstimmungenim Weltsicherheitsrat zu Situationen,in denen dieses Konzept relevantwird, keine Lösung des grundlegendenLegitimationsdilemmas liegenkann. Am konkreten Fall des Genozidsin Ruanda 1994 lässt sich diessehr klar erkennen: Obwohl der Völkermord,der schließlich etwa einerMillion Menschen das Leben kostete,bereits in vollem Gang war, fand sichder UN-Sicherheitsrat nicht bereit,diesen Begriff in der einschlägigenResolution zu verwenden, weil diesdie völkerrechtliche Pflicht zum Eingreifenunmittelbar nach sich gezogenhätte. Zwar kam es spät noch zu einerinterventionsähnlichen Operation mitMandat des Sicherheitsrates (OpérationTurquoise), doch schützte sie imWesentlichen die Flucht der Milizen,die für den Völkermord hauptsächlichverantwortlich waren, in den Ostkongovor den heranrückenden Truppenunter dem Kommando des heutigenStaatspräsidenten Paul Kagame – denverfolgten Tutsi und gemäßigten Hutuin Ruanda aber konnte sie nicht mehrwirksam helfen.Nicht nur der seinerzeit in denVereinten Nationen für Peacekeeping-Einsätze verantwortliche Kofi Annan,auch US-Präsident Bill Clinton undseine damalige UN-Botschafterin MadeleineAlbright haben einige Jahrespäter ihr Bedauern über das Nichthandelnder Staatengemeinschaft zugunstender Opfer des Völkermordesbekundet, ein Nichthandeln, dasdurch ihre je eigene politische Rollewesentlich mitbedingt war. Wie wärees zu beurteilen gewesen, wenn sichdie USA in dieser Situation aus humanitärenGründen zu einem Alleingangentschlossen hätten? Zumal derNachweis, dass Hunderttausendendadurch das Leben gerettet wurde,niemals hätte geführt werden können,wenn dieses unilaterale Vorgehen erfolgreichgewesen wäre? Angesichtseines fehlenden UN-Mandats hättensich die USA in der Situation derNATO vor der Kosovo-Intervention1999 befunden: Damals entschiedman sich, nicht untätig zu bleiben,sondern – als klassisches Militärbündniseinzelner Staaten, nicht alsUN-Organisation! – militärisch zuintervenieren. Ex post 4 lässt sich sichersagen, dass ein ethisch gerechtfertigterInterventionsgrund, wenn erim Kosovo-Fall bejaht werden kann,im Fall Ruandas mit noch weit größererSicherheit hätte angenommenwerden können.Ethische Legitimität versus völkerrechtlicheLegalität von InterventionenWenn der Schutz von Menschen,die in ihrem Existenzrecht bedrohtsind, die fundamentalste Normeiner Ethik der internationalen Beziehungendarstellt, so lässt sich dasSpannungsverhältnis zwischen Legalitätund Moralität einer Entscheidungzum Eingreifen nur so entschärfen,dass auf politischem Weg die Zahlder Fälle möglichst minimiert wird,die hier auf eine alternative Wahl hinauslaufen.Die Lösung, der Legalitätden Vorrang vor der unter Umständenoffenkundigen humanitärenDringlichkeit eines Eingreifens zugeben, scheidet bei einer ethischenBetrachtung aus, denn das Strebennach Rechtssicherheit, so wünschenswertdiese ist, kann grundlegende Erfordernissematerialer Gerechtigkeitnicht suspendieren. Die rechtsphilosophischenImplikationen diesesGedankens hat bereits 1946 der großeRechtsgelehrte Gustav Radbruchin seinem Aufsatz „Gesetzliches Unrechtund übergesetzliches Recht“ausgearbeitet; damals ging es um dieStrafbarkeit von Verbrechen gegendie Menschlichkeit trotz entgegenstehender,weil diese Verbrechen scheinbarlegalisierender Gesetze. Die als„Radbruch’sche Formel“ bekannt gewordeneFormulierung lautet: „DerKonflikt zwischen der Gerechtigkeitund der Rechtssicherheit dürfte dahinzu lösen sein, dass das positive, durchSatzung und Macht gesicherte Rechtauch dann den Vorrang hat, wenn esinhaltlich ungerecht und unzweckmäßigist, es sei denn, dass der Widerspruchdes positiven Gesetzes zurGerechtigkeit ein so unerträglichesMaß erreicht, dass das Gesetz als ‚unrichtigesRecht‘ der Gerechtigkeit zuweichen hat“.5 Das Vorliegen dieser4 Ex post (lat) = aus nachträglicher Sicht5 Radbruch, G. : Gesetzliches Unrechtund übergesetzliches Recht, in:Süddeutsche Juristenzeitung 1 (1946)105-108 (zit. nach: Gustav Radbruch,Konstellation wurde von deutschenGerichten vornehmlich in Bezug aufTötungshandlungen in staatlichem<strong>Auftrag</strong> während der NS-Zeit bejahtund die Radbruch’sche Formel bemerkenswerterWeise nach 1990 auch aufdie strafrechtliche Ahndung von Tötungsdeliktenan der innerdeutschenGrenze bis Herbst 1989 angewendet.Der Unterschied im Hinblick auf dashier in Rede stehende Problem bestehtlediglich darin, dass sich dieGesetzlichkeit, auf die Bezug zu nehmenist, nicht als Legalisierung vonVerbrechenstatbeständen ausnimmt,sondern als Normensystem, das u. U.die Verhinderung oder Beendigungsolcher Tatbestände zu blockierendroht und deren Invollzugsetzung daherbegünstigt, ja letzten Endes erstermöglicht, dass sie sich in großemUmfang realisieren lassen.Das Auseinanderdriftenvon juristischen undmoralischen Normen solltemöglichst vermieden werdenDamit hängt alles an der verantwortungsvollen,nicht missbräuchlichenInanspruchnahme einer Berechtigungzum Eingreifen auch jenseitsder Legalität stiftenden Beschlussfassungdes UN-Sicherheitsrates. Dasssie verantwortungsvoll geschehe, wirdvon ihren Befürwortern regelmäßigbehauptet, von ihren Gegnern ebensoregelmäßig bestritten werden. Auchdeswegen muss durch Fortbildungdes internationalen Rechts so weit wiemöglich vermieden werden, dass einsolcher Konflikt zwischen juristischenund moralischen Normen überhauptentsteht. Im jüngsten Fall einer solchenIntervention, in der Beschlussfassungdes UN-Sicherheitsrates zuLibyen (Resolution 1973), hat mandiesen Grundsatz zu beachten versuchtund erstmals das R2P-Prinzipals tragende Begründung für das erteilteMandat der Vereinten Nationenim Text verankert. Zu einer „leerenMenge“ wird die denkbare Konfliktlagezwischen Normensystemen unterschiedlicherGattung dennoch nicht,und einem sachgemäßen ethischenRechtsphilosophie III, bearbeitet v.Winfried Hassemer, Heidelberg 1990[=Radbruch-Gesamtausgabe Bd. 3], 83-93), hier 107.Umgang hiermit galten die voranstehendenÜberlegungen.Politische und ethische Voraussetzungenlegitimer InterventionenInteressenpolitik der Nationalstaatenentlang einer Kriterienliste, inder Menschenrechtsbelange randständigsind, kann dazu führen, dass nichtinterveniert wird, wo aus humanitärenGründen interveniert werden müsste,und dort interveniert wird, wo keinhumanitäres Anliegen auf dem Spielsteht. Gerade Länder aus der DrittenWelt warnen daher vor „neokolonialerEinmischung“ und bestehen auf einereher restriktiven Fassung des R2P-Prinzips, was sich aus Nr. 138 und 139der Resolution 60/1 der UN-Generalversammlungvom Herbst 2005 imQuervergleich mit den Empfehlungendes ICISS-Studie von 2001 deutlicherkennen lässt. Generell misslich istdiese Situation, weil damit jeglichesArgument, das humanitäres Eingreifenfordert, rasch von vornherein unterVerdacht steht: „Sie sagen ‚Menschenrechte‘und meinen – Öl!“Selbst wenn dies nicht zutrifft,wirkt sich das eher kurzfristige interessenpolitischeKalkül – das zudemrasch zur Uneinigkeit der Akteureführt, wenn deren Interessen zu divergierenbeginnen – häufig so aus, dassder Erfolg einer Intervention gefährdetwird, weil die bereit gestellten Kräftebereits zu Beginn unzureichend sindund/oder die komplexen Aufgaben einerlängerfristigen Konfliktnachsorgeund des Aufbaus eines Gemeinwesens,das neuerlich entstehende humanitäreNotlagen nicht befürchtenlässt, unterschätzt werden. Und auchfür relativ erfolgreiche Interventionengilt, dass sie im besten Fall dasSchlimmste verhindern, oft jedochkeinen flächendeckenden Schutz fürdie Zivilbevölkerung garantieren können,obwohl dies eines der zentralenZiele ist, die sich aus dem R2P-Ansatzergeben. Denn viel hängt von denGegebenheiten vor Ort ab; sogar eineumfangreich angesetzte Interventionkann in einem ausgedehnten Flächenstaatwie etwa dem Kongo darauf hinauslaufen,dass weite Landstricheungeschützt bleiben, weil es den trotzihres unter Umständen bedeutendenUmfangs dennoch begrenzt bleibendenInterventionstruppen faktisch un-14 AUFTRAG 286 • JULI 2012AUFTRAG 286 • JULI 201215


SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIKSICHERHEIT UND FRIEDENSETHIKmöglich ist, überall hinreichend präsentzu sein, wo sie benötigt werden.Die oft beschriebene Selektivität vonInterventionsentscheidungen hat daherneben politischen Ursachen auchsolche, die auf tatsächlichen Restriktionenvor Ort beruhen und nicht einfachbeseitigt werden können.Die humanitäre Begründungmilitärischer Einsätze mussfür die Menschen vor Ortnachvollziehbar seinSchließlich stellt sich das Problemder Akzeptanz eines humanitärbegründeten militärischen Einsatzesbei den Menschen vor Ort. Die beanspruchtenhumanitären Begründungenmüssen dazu in einer für dieBetroffenen nachvollziehbaren undtransparenten Weise handlungsleitendfür die gesamte Einsatzführungwerden – mit anderen Worten: Es giltzu vermeiden, dass der Eindruck entsteht,dieser Einsatz folge in Wirklichkeiteiner anderen Logik, wähle ausdieser die angewendeten Methodenaus und instrumentalisiere zu ihremZweck beispielsweise die immer wiedernotwendig werdende Koordinationmit zivilen Akteuren im Land. ZahlreicheVorbehalte solcher Akteure gegenüberirgendwelchen Formen derAbstimmung oder Kooperation mit militärischenEinheiten haben in dieserAmbivalenz, die immer wieder mit derenPräsenz einher geht, ihren Grund.Wenn sichtbar würde, dass auch militärischeEinsätze im Rahmen humanitärbegründeter Interventionen ehereiner im weitesten Sinn polizeilichenstatt einer herkömmlichen militärischenEinsatzdoktrin folgen, würdedas beschriebene Spannungsverhältniswohl dementsprechend erheblichentschärft. Realistischerweise mussman jedoch zugeben, dass nicht alleim Rahmen solcher komplexer Operationenanfallenden Aufgaben voneiner Art sind, dass sie die für militärischeEinsätze charakteristischenHandlungsmöglichkeiten schlichtwegerübrigen. Auch hier geht es also nichtum ein Entweder-Oder in der Formulierungder einen Einsatz leitendenHandlungsgrundsätze, wohl aber darum,den Anteil derjenigen Handlungsmodi,die besonders gewalthaltig sind,nach Möglichkeit zu minimieren.Zielkonflikte und Risiken vonInterventionspolitikEine für ein ethisches Urteil exante6 sehr kritische Problematikstellt stets die Abschätzung der voraussichtlichenFolgen einer Interventionsentscheidungdar. Dies ausmehreren Gründen, von denen einigebereits genannt wurden.Zum einen bestimmt in der Regelnicht der Intervenierende allein denGang der Ereignisse, es sei denn, erist so haushoch überlegen, dass erseine politischen Ziele schon von einemfrühen Zeitpunkt an und weitgehend,ohne mit nennenswertem Widerstandrechnen zu müssen, durchsetzenkann. Die Eigendynamik insbesonderebewaffneter Auseinandersetzungenlässt sich grundsätzlich nurschwer im voraus kalkulieren undzwingt im Laufe der Zeit immer wiederzu Veränderungen des eigenen Handlungskonzepts,idealerweise so, dassdadurch Eskalationskontrolle und Deeskalationwahrscheinlicher werdenals weitere Eskalation.Selbst dann besteht jedoch einethischer Zielkonflikt darin, dassüberhaupt Gewalt angewendet wird,die auch im günstigsten Fall stetszerstörerische Konsequenzen hat unddeswegen bereits aus sich heraus zuVerhärtung und Verbitterung auf Seitender von ihren Folgen Betroffenenbeitragen kann.Darüber hinaus lassen sich auchdie politischen Dynamiken nicht ineinem vorher gefassten „Masterplan“quasi einfangen. Hierin liegt die Ambivalenzder populären Forderungbegründet, man müsse bereits zu Beginneiner solchen Unternehmungeine „Exit-Strategie“ konzipiert haben,so als könne man diese währenddes Zeitraums der Interventionin Ruhe abarbeiten. In Wirklichkeitändern sich mit den Unvorhersehbarkeitendes Konfliktverlaufs auch dieZielsetzungen, die zu erreichen manfür realistisch halten darf.Bestimmte politische Akteurevor Ort verfolgen häufigeigene Interessen, die dasInterventionsziel zu verfälschenoder zu vereiteln drohen6 Ex ante (lat) = aus vorhergehender SichtZu diesen ungeplanten und oftungewollten Verläufen trägt nicht unwesentlichbei, dass bestimmte politischeAkteure vor Ort, die von derIntervention profitieren, ihre eigeneAgenda verfolgen und versuchenkönnen, die Interventen und ihrepolitischen wie militärischen Entscheidungenin ihrem Sinne zu instrumentalisieren.Beispiele dafür hältdie Entwicklung der Kosovo-Intervention1999 bereit, aber auch derProzess, der der Libyen-Intervention2011 folgte. Auch die Veränderungenim Irak und in Afghanistan, die bisheute andauern, sind Belege für dieBedeutung dieser Problematik. Dadurchtritt der Zielkonflikt klar hervor,der für die intervenierende Seiteentsteht: Die Erreichung wenigstensder wesentlichen Zielsetzungen derIntervention soll gegen Versuche ihrerVerfälschung oder Vereitelung sichergestellt,gleichzeitig aber vermiedenwerden, dass die temporäre Präsenzexterner Akteure im Interventionsgebietdort als Oktroi, als fremdbestimmterpolitischer Status interpretiertund aus diesem Grund abgelehntwird. Denn ein sich auf solche Weiseleicht herausbildendes Ressentimentverhindert, dass sich die Menschenim Interventionsgebiet mit den Zielender Intervention identifizieren, auchwenn diese in ihrem besten eigenenInteresse formuliert wurden.Die Frage nach Reichweite undGrenzen legitimen Eingreifens stelltsich daher auch so, dass es jeweilseigens zu klären gilt, unter welchenVoraussetzungen eine humanitär begründeteIntervention überhaupt Aussichtenauf eine gewisse Nachhaltigkeitin sich birgt. Im Zusammenhangmit der Libyen-Intervention wurdeviel kritisiert, am Anfang habe lediglichdas UN-Mandat zum Schutz bedrohterZivilbevölkerung gestanden,während im Lauf der Intervention diepolitische Zielsetzung substanziellverändert worden sei, indem offenkundigmehr und mehr ein Regimewechsel,also der Sturz des DespotenMuammar Ghaddafi und der ihn stützendenpolitischen Klientel, angezieltworden sei. Wie immer man dies imHinblick auf den konkreten Fall Libyenbewerten mag – die Vermutungliegt auf der Hand, dass ein Regime,das für einen Völkermord oder andereschwerwiegende und systematischeMenschenrechtsverletzungen verantwortlichist und den eigentlichen Interventionsgrundliefert, in Zukunftkaum bereit sein dürfte, die elementarenRechte der Menschen zu respektierenund die dazu notwendigenSchutzgarantien zu geben.Je gravierender der Anlasszur Intervention, destowahrscheinlicher istdie Notwendigkeit einesRegimewechselsJe gravierender der Anlass zurIntervention, um so unplausibler erscheintdaher der Gedanke, sie ohneeinen Regimewechsel erfolgreich beendenzu können. Politische Kompromisse,in denen der Machterhaltder bisherigen Funktionselite – undin gleichem Maße die Zurücknahmedes politischen Einflusses der Interventen– vorerst in Aussicht gestelltwird, erscheinen in diesem Licht wieWetten darauf, dass von einer Vielzahlmöglicher, auch schlechter weitererEntwicklungen ausgerechnet der amwenigsten wahrscheinliche beste Falleintreten dürfte.Ein besonders bedrückendes Beispielfür diese Problematik bietet dieaktuelle Entwicklung in Afghanistan.Sukzessive wurden die politischenAnforderungen, die für einen Rückzugder internationalen SchutztruppeISAF einmal formuliert wurden,immer weiter reduziert, um den politischentschiedenen Truppenabzugab 2014 nicht gänzlich unrealistischerscheinen zu lassen. Es ist jedochunbestreitbar, dass zu diesem ZweckZielsetzungen in Frage gestellt werden,die einmal als conditio sine quanon 7 einer vertretbaren Abzugsentscheidungbetrachtet wurden. Wieweit unter den absehbaren Rahmenbedingungennach einer Übergabe derpolitischen Gesamtverantwortung andie Afghanen auch nur die grundlegendstenmenschenrechtlichen Verbesserungen,die in der Zeit nach2001 implementiert wurden, erhaltenwerden könnten, steht dahin. Geradeältere Afghanen sehen mit großerFurcht dem Zeitpunkt entgegen, abdem die eventuell noch im Land ver-7 conditio sine qua non = Bedingung,ohne die nichtbleibenden internationalen Kräfte zuschwach sind, um einen drohendenBürgerkrieg oder die erneute Machtübernahmedurch ein radikales Regime,wie es die Taliban-Herrschaftseinerzeit darstellte, verhindern zukönnen. Mit einer solchen Abzugsperspektivegerät notwendigerweisedie Legitimität der gesamten bisherigenIntervention ins Zwielicht undwerden in den die Truppen stellendenLändern die Fragen nachdrücklicher,ob angesichts eines solchen Endes derVerlust des Lebens vieler Menschen,auch eigener <strong>Soldaten</strong>, tatsächlich gerechtfertigterscheint.Ausblick: Die Alternativlosigkeitdes Prinzips der internationalenSchutzverantwortungDie voranstehenden Überlegungenzeigen, dass für humanitär begründetesEingreifen dieselbe ethischeGrundstruktur prägend ist wie füralle anderen Formen der zwangsweisenBeendigung eines unerträglichenZustands, dem anders nicht mehr abgeholfenwerden kann:Dieser Handlungsmodus ist mitso vielen und gravierenden negativenNebenfolgen behaftet, dass die primäreVerpflichtung darin erkannt werdensollte, eine zur Intervention nötigendeSituation möglichst nicht erst entstehenzu lassen. Jedoch steht dies nichtallein in der Macht derer, auf die dasOdium einer möglichen Interventionsentscheidungfallen könnte.Zugleich kann die Gefahr des Eintretensder genannten Nebenfolgennicht bereits als solche bewirken,dass Intervention als Reaktionsmöglichkeitauf schwerwiegendste Menschenrechtsverletzungenschlechthinausscheidet. Denn andere Möglichkeitenstehen nicht zu Gebote, insbesonderegilt für Sanktionen, dass sie,weil allenfalls mittelfristig spürbar, inkonkreten humanitären Gefährdungslagenwirkungslos sind und damit alsAlternative zur Intervention nicht inBetracht kommen.Die generelle Ablehnung einerinternationalen Schutzverantwortung,die auch bewaffnetes Eingreifenals äußerstes Mittel nicht ausschließenkann, liefe dagegen, so diehier vertretene Auffassung, letztlichauf eine implizite Negation der normativenPrämissen hinaus, die eineEthik internationaler Beziehungenzu tragen vermögen. Eine solche, umdie Schutzverantwortungskomponentereduzierte ethische Konzeption würdesich letztlich selbst aufheben, weilsie genau für denjenigen Fall, in demder Solidaritätsgedanke gegenüberbedrohten und verfolgten Menschenin besonderer Weise relevant wird,keine Handlungsmöglichkeiten mehrbereit hielte, die solcher Not wehrenkönnten. Damit würde sie Menschen,die gerettet werden könnten, dem Zugriffvon Gewalttätern überantworten,die sich durch moralische Skrupel inder Verfolgung ihrer Ziele nicht gehindertsehen.Die (Zeit-)Geschichte ist voll vonBeispielen dafür, dass es an solchenAkteuren nicht mangelt und ethischeEmpfehlungen, die die Augen vordieser Realität verschließen, einenhohen, zu hohen Preis kosten: an eigenerÜberzeugungskraft, mehr abernoch an den dann schutzlosen Opfernverbrecherischen Handelns.Wer einmal am Rand der gesprengtenGaskammern und Krematorienin Auschwitz-Birkenau gestandenund für einen Moment darübernachgedacht hat, wie es wäre, wennman selbst in sie hineingeführt würde,der vermag zu erfassen, wovon bei diesemThema letztlich die Rede ist. ❏Redaktionsschluss für AUFTRAG 287Freitag, 31. 08. 201216 AUFTRAG 286 • JULI 2012AUFTRAG 286 • JULI 201217


SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIKSICHERHEIT UND FRIEDENSETHIKImpressionen vom 98. KatholikentagPolitikergespräch mit Sts BeemelmansDie laufende BundeswehrreformAm 22.06.2012 fand im Haus desKatholischen Militärbischofs imKatholischen Militärbischofsamt inBerlin ein Politikergespräch statt.Hälfte Uniformierte, hat sich der ReferentStéphane Beemelmans, Staatssekretärim Bundesministerium derVerteidigung mit einem eingehendenkussionsrunde war erkennbar, dassdoch vieles noch nicht für alle deutlicherscheint hinsichtlich der laufendenBundeswehrreform.Bei der Podiumsdiskussion „GerechterFriede für Afghanistan“ zeigte dieGKS mit den Stellwänden Flagge.Der Stand der GKS hattestets viel Besuch voninteressierten Teilnehmerndes Katholikentages.Der Stand der Militärseelsorge warwie üblich bei den Bistümern in derNähe des Standes des Bistums Essenuntergebracht.In der Fußgängerzone in Mannheim fanden sichtäglich Jugendgruppen ein, die mit musikalischenund tänzerischen Einlagen die Besucher desKatholikentages unterhielten.Blick aus dem Zuschauerraum auf das Podium mit Moderator„Führungsverantwortung und Familie“. Siehe dazuauch den Bericht im Heft. (Foto: Rüdiger Attermeyer)Der Präsentationdes Bistums Essenstand unter demMott „Bauen! Im<strong>Auftrag</strong> des Herrn“und hatte stetshohen Zuspruch, dadie Gläubigen sichüber den Umbauund Neuordnungdes Bistumsunterrichten wollten.Dabei nutzten sieausgiebig dasGespräch mitBischof Overbeck.Etwas ruhiger gelegen mitinteressanter „Nachbarschaft“der Stand der KatholischenFriedensstiftung aus Hamburg, dieBesucher des Katholikentages fandensich trotzdem zu anspruchsvollenDiskussionen ein.Der Essener Bischof war eingesuchter Gesprächspartner.Blick auf die Zuhörerdes Podiums„Gerechter Friedefür Afghanistan“.Siehe dazu auch denBericht im HeftPolitikergespräch: Von links: Apostolischer Protonotar Walter Wakenhut, Staatssekretär Stéphane Beemelmans,Oberst Josef SchmidthoferVorangegangen zu diesem Gesprächwar eine Heilige Messe imKatholischen Militärbischofsamt, dieder Militärgeneralvikar und ApostolischerProtonotar Walter Wakenhutzelebrierte.Bei dem Politikergespräch wurdedann das Thema: „ Die laufendeBundeswehrreform – Auswirkungenauf das Selbstverständnis des <strong>Soldaten</strong>“eingehend behandelt. Unter nahezu60 Teilnehmern, davon über dieKurznachrichtenStatement dieser Thematik gewidmetund im Weiteren auch den sehr bewegtenFragen in der Diskussionsrundegestellt. Die Moderation bei diesemPolitikergespräch führte Oberst JosefSchmidhofer, Gruppenleiter im HeeresamtV3 in ausgezeichneter Weisedurch.Alle Teilnehmer waren positiveingestimmt auf die Informationendurch den Staatssekretär und bei denvielen Fragen im Anschluss der Dis-„Vertretbare Lösungen“ für WiederverheirateteDer Essener Bischof Franz-JosefOverbeck, hat „vertretbareLösungen“ bei der Eucharistie fürwiederverheiratete Geschiedeneangemahnt. Derzeit rufen Priester-Initiativenin den BistümernFreiburg, Rottenburg-Stuttgart undKöln dazu auf, Wiederverheiratetendie Kommunion zu spenden. Damitzeigen sie Ungehorsam gegen daskirchenamtliche Kommunionverbotfür geschiedene Katholiken, dieerneut geheiratet haben. Wenn hinterdieser Aktion „eine Ungeduldsteht, die Dinge voranbringen will,kann ich damit kreativ umgehen“,sagte Overbeck dem Newsletter desDeutschen Predigtpreises.Einerseits ist der Protest lautOverbeck positiv zu sehen als einIm Anschluss an diese sehr bewegteDiskussionsrunde hat das KatholischeMilitärbischofsamt zu einemgemeinsamen Mittagessen eingeladenund bei schmackhaftem Essen und interessantenGesprächen endete dieseVeranstaltung. Das Katholische Militärbischofsamtunterstützt diese Politikergesprächeals Mitveranstalterund hat über den Militärgeneralvikardazu eingeladen. ❏(Text und Bild: Rainer Zink)seelsorglicher „Hinweis darauf,dass wir auf das Scheitern des Lebensentwurfskeine einfachen Antwortenhaben“. Andererseits seiUngehorsam gegenüber der Kircheund dem Bischof „immer einschlechter Ratgeber im Blick aufdie Loyalität, die uns als Kircheinsgesamt trägt“.(KNA)18 AUFTRAG 286 • JULI 2012AUFTRAG 286 • JULI 201219


GESELLSCHAFT NAH UND FERNGESELLSCHAFT NAH UND FERNVorstellen der LevanteSolidarität mit dem Heiligen LandDas Christentum in Israel zwischenTradition, Anfechtung und BehauptungVON ANDREAS M. RAUCH 1Der Begriff „Israel“ stammt aus dem Hebräischen und bedeutet „für den Gott streitet“ oder „Gottesstreiter“(1 Mos. 32,39) und beinhaltet sowohl eine religiöse wie eine politische Dimension.Einer der streitet, fällt eher unangenehmauf, ganz so wie es deralttestamentliche Psalm 118 in Vers22 bedeutet und der im neutestamentlichenMatthäusevangelium wiederaufgegriffen wird: „Der Stein, dendie Bauleute verworfen haben, derist zum Eckstein geworden.“ (Matt.21,42) Der jüdische Glaube und derStaat Israel sind bis heute religiöseund politische Phänomene, die unangenehmauffallen und an denen sichviele reiben. Ein Beispiel hierfür liefertdas unglücklich und polemischformulierte Gedicht „Was gesagt werdenmuss“ zum Thema Weltfriedenund zur Rolle Israels aus der Sichtvon Günter Grass, wobei die späterenRelativierungen von Grass in derSache auch nicht hilfreich sind. Undnahezu täglich lassen sich andere Beispielefinden. Die weltweite Christenverfolgungbis in unsere Tage, geradeim Vorderen und Mittleren Orient, lieferthandfeste Belege, dass es heutein der Welt vielen Christen nicht anderesergeht als Juden oder Israelis.In der religiösen Wahrnehmungvon Juden schwingt also zugleich fürviele Menschen eine politische Ebenemit. Politik meint zunächst in seinengriechisch-römischen Wurzelndie Gestaltung des öffentlichen Raumesund das Suchen nach einem Ausgleich(Arete) zwischen vorhandenenInteressen. Durch das ständige Handelnoder Nicht-Handeln befindetsich der öffentliche Raum stets in derVeränderung und im Wandel: nichtsbleibt, wie es war, und kaum etwas1 Professor (eh) Dr. Andreas M. Rauchlehrt Internationale Politik an denUniversitäten Duisburg-Essenund Nürnberg-Erlangen und ist imSchuldienst in Köln tätig, wo er alsIsrael-Koordinator agiert.bleibt erhalten – außer, was wir ebenin Monumenten, Museen, Synagogenund Kirchen bewahren. Doch vieleMenschen freunden sich ungern mitProzessen der ständigen Veränderungan, sondern sie pflegen gewohnte Verhaltensweisen.Zu den Sinnbilderndieser geistig-kulturellen, religiösenKonstanz zählen orthodoxe Juden undsie sind deshalb Brennpunkt zahlreicherAnfeindungen, auch wenn sichviele von ihnen den technischen Revolutionenunserer Zeit, dem Fernsehen,der Computertechnologie, Handy,dem Internet mit seinen E-Mailsund sozialen Netzwerken geöffnet haben– kurzum, sie werden zu Steinendes öffentlichen Anstoßes!Der tiefere Grund für die Wahrnehmungdes Judentums als Ecksteinwird vor allem im Unterschiedzu den Naturreligionen manifest. Vorden drei monotheistischen WeltreligionenJudentum, Christentum und Islambestimmten Naturreligionen dasreligiöse Leben der Menschen. Mitden drei monotheistischen Weltreligionentraten grundlegende Änderungenein, deren Vorreiter das Judentumwaren. Die Götter der Naturreligionenwaren für die Menschen irgendwievorhanden, mitunter wurde auch ihrEingreifen vermutet, etwa bei großenNaturereignissen und Naturkatastrophen.Aber im Prinzip hielten sich dieNaturgötter aus dem Leben der Menschenheraus. Ganz anders war diesjedoch im Judentum, denn hier trittder Mensch in eine ganz persönlicheBeziehung zu Gott, und zwar auf einevierfache Weise:Gott ist Alpha und Omega, Anfangund Ende von allem, Gott ist derSchöpfer von Himmel und Erde under wird am Ende der Zeiten kommen,richten und herrschen.Gott ist der Herr der Geschichte.Gott ist auch heute schon gegenwärtigund wirkungsmächtig. Durch Wunderkann er auch in die Jetztzeit eingreifen.Im Christentum sprechen wir indiesem Zusammenhang vom Beginndes Reiches Gottes und der Herrschaftdes Heiligen Geistes.Die Menschen sind Gottes Ebenbild,nicht in dem Sinne, dass sie kleineGötter wären, aber sie tragen eineunsterbliche Seele in sich, die vonGott kommt und zu ihr zurückkehrt.Den Menschen sind für das Lebenhier auf Erden die zehn Gebote (Dekalog)aufgegeben worden, nach denensie sich zu richten haben und bezüglichihrer Einhaltung sie sich einst vorGottes Thron verantworten müssen.Damit wird aber auch deutlich:Menschen, Gesellschaften, Politikenund Religionen verändern sich, so wiesich alles verändert, aber Gott bleibt,Gott ist derselbe gestern, heute undin alle Zukunft. Dadurch wird Gottin einem Fluss der Veränderungenzu einem Eckstein, und auch orthodoxeJuden können Ausdruck diesesEcksteins nach innen und nach außenverkörpern.Wenn wir uns mit dem HeiligenLand heute auseinandersetzen, sohandelt es sich also nicht um eineder üblichen Länderstudien, die zwarinteressant, aber schnell zu den Aktengelegt ist. Sondern wir werden hierrasch mit Fragen nach dem Sinn undder Gestaltung menschlichen Lebenskonfrontiert. Denn Geschichte undPolitik Israels sind stets eng mit derjüdischen Religion verbunden.Und es tritt noch eine weitereWahrnehmungsebene hinzu, die besondersuns Deutsche und das deutscheVolk betrifft. Israel und die Israelitengehören existentiell zur Ge-schichte, zur Politik, zum Selbstverständnisund zur Identität der BundesrepublikDeutschland. Bundeskanzlervon Konrad Adenauer bis Angela Merkelunterstreichen, dass Deutschlandfür das Existenzrecht Israels einsteht.Dabei spielen starke jüdische Traditionenin Deutschland, ein ebenso langexistierender Antisemitismus und derHolocaust entscheidende Momente.Zum anderen prägt das Heilige Landreligiöses Leben auch in Deutschlandbis in die Gegenwart. In der Auseinandersetzungmit Israel haben wir esalso insgesamt mit politischen und religiösenDimensionen zu tun, die beideauf das Engste miteinander verwobensind und dadurch hochkomplexund vielschichtig in der öffentlichenWahrnehmung aufscheinen.Befremdlich nehmen viele Europäerheute in Zeiten von Religionsfreiheitund einer (balancierten)Trennung von staatlichen und kirchlichenAngelegenheiten die Vermischungvon politischen und religiösenFragen wie im Falle Israels im Konstrukteines jüdischen Staates wahr.Tatsächlich handelt es sich hierbei umeine abendländisch-westliche Perzeption,die zudem selbst in Europa nichtdurchgreifend ist. So haben etwa dienordisch-protestantischen Länder wieGroßbritannien, Dänemark, Norwegenund Schweden immer noch eine„Staatsreligion“, in vielen osteuropäischenLändern wie Russland, Serbienoder Griechenland verfügen die orthodoxenKirchen über eine besondereStellung im Staatsgefüge und auchin katholischen Ländern wie Irlandoder Polen hat die römisch-katholischeKirche eine herausgehobene,verfassungsrechtliche Stellung inne– ganz unabhängig vom Staat der Vatikanstadt.Neben dem Christentum kommtauch anderen Weltreligionen die Rollevon „Staatsreligionen“ in einzelnenLändern zu. So hat etwa der Islamin sämtlichen nordafrikanischenund arabischen Ländern sowie in einzelnenasiatischen Staaten wie etwain Pakistan oder in Brunei eine herausragendeStelle inne. Auch dieWeltreligion des Buddhismus kenntprivilegierte Erscheinungsformen ineinzelnen Staaten Asiens, so etwa inBhutan und in Nepal. Das aber ausgerechnetdie kleinste Weltreligion,das Judentum, mit 15 Millionen Mitgliedern(ca. 6 Mill. in Israel, 5 Mio.in den USA und 4 Mio. weltweit) eineneigenen Staat beansprucht undseit 1947 behauptet 2 , stößt seither aufKritik – nicht nur bei Palästinensern,sondern auch in der arabischen Welt.Hierbei spielen auch Vorbehalte gegendie jüdische Religion an sich (Antisemitismus),latent vorhanden oderoffen formuliert, eine politische Rolle.Zum Stand der deutsch-israelischenBeziehungenIm Zeitalter von Globalpolitik undMultilateralismus sinkt die Bedeutungbilateraler Beziehungen. So sindbeispielsweise die deutsch-amerikanischenBeziehungen kaum noch virulent,während vor allem die BeziehungenEU-USA von politischemGewicht sind. Doch im Falle Israelsverhält sich dies anders.Beendet ist die Zeit der Entschädigungszahlungenan Israel aufgrundvon Schuld durch die systematischeVernichtung des jüdischen Volkes inder Zeit des deutschen Nationalsozialismus1933-1945. In der Ära Adenauerbetrugen die Entschädigungenan den Staat Israel rund 1,5 Mrd. DM,was in etwa einem heutigen Kaufwertvon rund € 6 Mrd. ausmacht. Die Entschädigungszahlungenan einzelne Judenmachen insgesamt ca. € 65 Mrd.aus. Es gibt heute deutsche Steuermittelallenfalls für politische BildungsundJugendarbeit sowie die Tätigkeitder Kirchen und der Altertumsforschungsowie für Wissenschaft undzur Förderung der deutschen Sprachein Israel. Die Masse der heutigendeutschen Bevölkerung fühlt sichnicht mehr schuldig an diesem Verbrechender Shoah, aber es gibt einenbleibenden Eindruck tiefer Betroffenheitund eines großen Verantwortungsgefühlsfür das jüdische Volk.Durch eine Erinnerungskultur wieetwa dem Holocaust-Mahnmal undder Topographie des Terrors sowie denzahlreichen anderen Gedenkstätten inDeutschland werden die deutschenVerbrechen am jüdischen Volk wachgehalten. Deutsche Politiker, vor allemBundeskanzlerin Angela Merkel,2 Vgl. Michael Wolffsohn: Israel.Geschichte, Politik, Wirtschaft. Verlagfür Sozialwissenschaften: Wiesbaden2007haben wiederholt unterstrichen, dassDeutschland für das Existenzrecht desjüdischen Volkes und des Staates Israeleinsteht. Um diese politische Haltungwirkungsmächtig zu unterstreichen,findet einmal jährlich eine Sitzungdes deutschen und israelischenKabinetts in Berlin und in Jerusalemstatt. In diesen Zusammenhang passtes, dass einer repräsentativen Studieder Ben-Gurion-Universität des Negevmit dem Titel „Israelische Einstellungenzur EU“ nach sich 81%der Israelis eine EU-Mitgliedschaftwünschen und 43% eine Intensivierungder Beziehung zwischen der EUund Israel befürworten. 3 Hierbei istzu wissen, dass immerhin 8,5% derIsraelis neben der israelischen auchdie Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedsstaateshaben. Und BundeskanzlerinAngela Merkel ist laut dieserStudie mit Abstand die beliebtesteeuropäische Politikerin in Israel.Der „arabische Frühling“ machtin erschreckender Weise deutlich,dass Israel als rechtsstaatliche Demokratiebislang von Diktaturen undAutokratien umgeben ist, in der sichpolitische Kräfte hinsichtlich Reformenund Demokratie erst den Wegbahnen müssen. Darauf hat der israelischeMinisterpräsident BinyaminNetanyahu in einem Interview mitdem arabischen Sender „Al-Arabiya“aufmerksam gemacht 4 . Netanyahuwörtlich: „Die große Frage ist,wohin der arabische Frühling geht.Wenn er sich in Richtung Demokratieund Reformen bewegt, vielleichtauch in Richtung eines kontrolliertenReformprozesses, von Modernisierungund größerer Freiheit, die die arabischenVölker verdient haben, dann istdies gut für Israel. In der arabischenWelt gibt es viele junge Menschen,die sich eine andere Zukunft wünschen.Wenn der arabische Frühlingsich aber in Richtung einer Diktaturim iranischen Stil bewegt, wie es leiderauch im Libanon geschehen ist,dann ist das schlecht. Es ist schlechtfür die Menschen dort, aber auch fürden Frieden.“ 53 Jerusalem Post, 12. Juli 20114 Amt des Ministerpräsidenten von Israel,Jerusalem, 21. Juli 20115 Newsletter der Botschaft des StaatesIsrael in Deutschland, 22. Juli 201120 AUFTRAG 286 • JULI 2012AUFTRAG 286 • JULI 201221


GESELLSCHAFT NAH UND FERNGESELLSCHAFT NAH UND FERNIsrael präsentiert sich heute alsein moderner Staat, dessen Bevölkerungüberwiegend in Städten wohntund dessen Infrastruktur mit westeuropäischenStaaten vergleichbar ist.Zu diesem modernen Gesicht Israelsgehört seine hohe Lebenserwartung(Männer fast 77 Jahre, Frauen fast81 Jahre) und seine gute Infrastruktur.Auch beim Umweltschutz undden regenerativen Energien verhältsich Israel fortschrittlich. Die israelischeRegierung hat 2011 ein langfristigesProgramm für die Stromerzeugungaus erneuerbaren Energienverabschiedet, dessen Ziel es ist, dieEmissionen und damit die Luftverschmutzungbei der Stromproduktionzu verringern. Gegenwärtig wird zehnProzent der Stromerzeugung in Israelaus regenerativen Energien erzeugt,was etwa durch Solaranlangen in derNegev-Wüste weiter ausgebaut werdensoll. Dabei darf nicht außer Achtgelassen werden, dass Israel nach wievor in hohem Maße auf Gas aus Ägyptenangewiesen ist. So kommen fünfzigProzent des in Israel verbrauchtenGases aus Ägypten. Umso schwierigerist es, dass es im ersten Halbjahr2011 bereits vier Anschläge auf dieGaspipeline von Ägypten nach Israelgegeben hat, wobei offen bleibt, obdiese mit dem „arabischen Frühling“oder mit dem Palästinenser-Konfliktzu tun haben. 6Auch für Deutschlands Außenpolitikund für die deutsch-israelischenBeziehungen stellen die ständigenHasstiraden aus Teheran gegen Jerusalemein Problem dar. Das iranischeRegime, immer kurz davor, seine Absicht,eine Atombombe zu bauen, geradeherausauszusprechen, versuchtseit geraumer Zeit nicht einmal, seineFortschritte bei der Anreicherung vonUran zu verbergen. Im Juni 2011 hatdie Islamische Republik Iran mitgeteilt,dass sie Anfang 2011 zum erstenMal zwei Langstreckenwaffen in denIndischen Ozean abgeschossen hat.Der britische Außenminister WilliamHague hat zudem die Vermutung geäußert,dass der Iran geheime Testsvon Raketen durchführt, von deneneinige auch mit atomaren Sprengköpfenbestückt werden könnten. Hagueerklärt, dies sei ein klarer Verstoß ge-6 The Marker, 12. Juli 2011gen die UN-Revolution 1929. Auchfür Deutschland ist es problematisch,dass der Iran seine Beziehungen zuNordkorea verstärkt, einem Staat, derüber Atomwaffen verfügt. 7Doch gerade die vergangenendreißig Jahre in den Blick nehmendhat Israel eine ganz bedeutsame Entwicklungzurückgelegt. Am deutlichstenwird das an der stetigen Zunahmeder Bevölkerung von Israel, wasmit entsprechenden Infrastrukturmaßnahmeneinher geht. War etwavor zwanzig Jahren der Nordteil vonTel Aviv reines Sanddünengebiet, soist inzwischen die Mittelmeerküstevon Tel Aviv bis Haifa weitgehendzugebaut, immer wieder durchsetztmit Seniorenresidenzen, da viele Judenihren Lebensabend im „gelobtenLand“ verbringen und dort auchsterben möchten. Schwierigkeiten hatIsrael mit dem Erhalt und der Renovierungalter Bausubstanz und vonKulturdenkmälern, was gerade in TelAviv sich als problematisch darstellt.Aber auch hier gibt es kleine Fortschritteetwa mit der Renovierungder Häuser aus der Bauhaus-Zeit derzwanziger und dreißiger Jahre in derBialik-Street sowie der Einrichtungund dem Unterhalt des Bialik-Dichtermuseums,des Museums für die Geschichteder Stadt Tel Aviv und demRubin-Malermuseum.Das Heilige Land und das Erbe des Jesusvon NazarethFür viele Europäer verbindet sichmit Israel vor allem das HerkunftslandJesu in Galiläa und seinenWirkungsstätten in Bethlehem undJerusalem. Der Begriff vom HeiligenLand gestaltet sich vielschichtig, dasich mit ihm drei Weltreligionen verknüpfen,und zwar Judentum, Christentumund Islam. Bei der Frage nachChristlichem im Heiligen Land heutegeht es nicht einfach um einen Länder-oder Regionalbericht, was alleinschon deshalb schwierig ist, da sichdas Heilige Land auch auf das heutigeJordanien – etwa die ehemaligeKreuzritterburg Kerak - und Syrien –so die weltberühmte KreuzfahrerfestungKrak des Chevaliers – erstreckt.Es geht dabei auch um eine Suchenach tragfähigen Werten und Sinno-7 Jerusalem Post, 13. Juli 2011rientierungen hinsichtlich des christlichenGlaubens in unserer modernenWelt heute. Dies wird erschwert dadurch,dass auch für die Juden dasHeilige Land religiöse und politischeHeimat ist, also jenes Gebiet, welchesihnen von Gott im Alten Testament,im Pentateuch (die fünf Bücher desMoses), versprochen wurde. Für dieJuden ist der Pentateuch schlichtwegdie Thora – das Gesetz. Tatsächlichverfügt Israel über keine Verfassung,eben weil die Thora für die orthodoxenund konservativen Juden Verfassungs-und Existenzgrundlage bildet.Es gibt eine UnabhängigkeitserklärungIsraels, die aber keinen Verfassungsrangbeanspruchen darf, undEinzelgesetze, in denen Grund- undMenschenrechte geschützt werden. Esgibt auch ein oberstes Verfassungsgerichtin Israel, aber eine Verfassungim allgemein üblichen Sinn ist nichtvorhanden.Neben dem Judentum ist für dasChristentum das Heilige Land Ort vonGeburt Jesu in Bethlehem, seinemLeben in Nazareth, seinem Verkündigungsdienstsowie seinem Tod undseiner Auferstehung in Jerusalem unddamit dem Beginn des Reiches Gottes(Eschaton). Für die Muslime istdas Heilige Land jener Ort, in demder Prophet Mohammed mit seinemPferd vom Felsen im heutigen JerusalemerFelsendom gegen den Himmelritt – und damit der drittheiligste Ortdes Islam nach Mekka und Medina,dem Geburts- und dem Todesort desPropheten Mohammed.Biblische und außerbiblischeQuellen zurzeit von Jesu gibt es nicht.Selbst die Lebenszeit Jesu ist ungewissund wird heute auf die Zeit vonca. 7 bis 4 v. Chr. bis 30 bis 31 n.Chr. datiert. Die ältesten biblischenZeugnisse zu Jesus stammen bei denbiblischen Quellen vom VölkerapostelPaulus, dessen erster Brief an dieGemeinde von Thessaloniki auf dasJahr 50 n. Chr. geschätzt wird, alsorund zwei Jahre nach dem Apostelkonzilvon Jerusalem. Auf dem Apostelkonzilkonnte sich bekanntlichPaulus mit seiner Auffassung durchsetzen,dass auch Judenchristen, dienicht streng nach der Thora leben,als Christen aufgenommen werdenkonnten. Nach den Schriften des Pauluszwischen 50 und etwa 63 n. Chr.bildet das Markus-Evangelium eineweiteres biblisches Zeugnis aus demJahr um 70 n. Chr., wobei die synoptischenEvangelien des Markus, Matthäusund Lukas auf der so genanntenLogienquelle Q beruhen, die auf dasJahr 30 bis 60 n. Chr. bestimmt wird.Der erste Petrusbrief soll Petrus nochvor seinem Tod 64 oder 67 n.Chr. geschriebenhaben, wird aber von vielenForschern später datiert, etwa um 90n. Chr. Dabei haben Paulus und derVerfasser des Markus-Evangeliumsunseres Wissens nach Jesus selbstnie getroffen, Paulus aber die JüngerJesu, Jesu Bruder Jakobus und seineMutter Maria.Für die römischen Geschichtsschreiberist Jesus auch lange nachseinem Tod erst einmal kein Thema.Flavius Josephus erwähnt Jesus inseinen „Antiquitates Judaicae“ (79bis 94 n. Chr.) zwei Mal. Jesus wird,so Falvius Josephus, von den vornehmenJuden angeklagt und von PontiusPilatus zum Kreuzestod verurteilt.Ant 20,200 nennt Jakobus als BruderJesu. Des Weiteren berichtet Tacitusum 117 in seinen Annales von den„Chrestianern“, denen Kaiser Nerodie Schuld am Brand in Rom im Jahr64 n. Chr. zugeschoben hat. Der römischeGeschichtsschreiber Suetonschrieb um das Jahr 120 n. Chr. in seinerBiographie über Claudius ( de vitaCaesarum), dieser habe „die Juden,welche von einem gewissen Chrestosaufgehetzt, fortwährend Unruhe stiften“aus Rom vertrieben. Schließlichist es Plinius der Jüngere, der um 110n. Chr. Statthalter in Bithynien warund der einen regen Briefwechsel mitKaiser Trajan führte, den wir teilweisenoch heute kennen. Es ging dabeiauch um einen Umgang der Christenin seinem Regierungsbezirk. So wares zu einem Problem für den Kaiserkultgeworden, dass die Christennicht mehr bereit waren, diesen zuabsolvieren.Von den Protagonisten der biblischenLebensgeschichte Jesu ist unsHerodes und Pontius Pilatus bekannt.Herodes regierte als König von RomsGnaden. Als er im Jahr 4 v. Chr. starb,wurde sein Reich unter seinen dreiSöhnen aufgeteilt. Von Pontius Pilatusist nur wenig überliefert, so etwa,dass er sein Amt wegen erwiesenerGrausamkeit aufgeben musste, was inder damaligen Zeit eine ungewöhnlicheund große Ausnahme darstellte.Von Pilatus gibt es zahlreiche Münzprägungenaus den Jahren 30, 31 und32. Auch eine Inschrift des Pilatus aufeiner Marmortafel wurde gefunden.Darüber hinausgehend bewegen wiruns mit Quellen zum geschichtlichenJesus auf unsicherem Boden.Die römisch-katholische Kircheim Heiligen Land heuteVon den rund 135.000 Christen imHeiligen Land sind etwa 75.000der römisch-katholischen Kirche zugehörig.Aber wegen Israel als demHerkunftsland Jesu spielt eben dasHeilige Land für Christen eine ganzbesondere Bedeutung. Eben deshalbtrat Papst Paul VI. kurz nach Antrittseines Pontifikates eine Pilgerreise indas Heilige Land an. Papst JohannesPaul II. folgte ihm mit einer weiterenReise zu den Stätten des Christentumsin Israel im Heiligen Jahr 2000.Und auch Papst Benedikt XVI. erwiesbei seinem Besuch im Mai 2009 demLand8, in welchem Jesus wirkte, seineganz besondere Referenz. Bei allenBesuchen konnte jedoch nie ganzdie Spannung genommen werden, diehier zwischen christlichen Ansprüchenund politischer Wirklichkeit inIsrael heute liegen.9Schon im Begriff des „HeiligenLandes“ kommen, wie bereits ausgeführt,Ursachen für diesen Spannungsbogenzum tragen. So geht daschristliche Verständnis vom „HeiligenLand“ (Lateinisch ‚Terra sancta‘) aufdie Zeit der christlichen Spätantikezurück, also auf den Zeitraum zwischendem Toleranzedikt von Mailandunter Kaiser Konstantin 313 n. Chr.und der Eroberung des Heiligen Landesdurch die Muslime im Jahr 670 n.Chr. Aber auch in den Jahrhundertendanach ist er weitgehend zutreffend,da vorrangig Christen und Juden imHeiligen Land siedelten. Eine massi-8 Vgl. Verlautbarungen des ApostolischenStuhls Nr. 1985 (Herausgegebenvom Sekretariat der DeutschenBischofskonferenz): Apostolische ReiseSeiner Heiligkeit Papst Benedikt XVI.ins Heilige Land 8.-15. Mai 2009. Bonn20099 Vgl. Benedikt XVI.: Licht der Welt. DerPapst, die Kirche und die Zeichen derZeit. Ein Gespräch mit Peter Seewald.Freiburg, Basel, Wien 2010ve Verschärfung der politischen Lagetrat durch den Einfall der türkischenSeldschuken im Jahr 1071 ein, alsdiese Muslime Christen den Zugangzu den Heiligen Stätten des Christentumsverwehrten und sie auch teilweisezerstörten. In deren Folge riefPapst Urban II. 1095 zum HeiligenKrieg gegen die Muslime auf, was zuzahlreichen blutigen Kreuzzügen imHeiligen Land führte, bis schließlichmit dem Fall von Akko 1291 die Muslimebis zur Gründung des jüdischenStaates Israel die politische und religiöseHerrschaft über das HeiligeLand ausübten.2009 und 2011 veröffentlichtePapst Benedikt XVI. Band 1 und 2seines „Jesus von Nazareth“. Der dritteBand zu den KindheitsgeschichtenJesu steht noch aus. Die beiden veröffentlichtenBände sind sehr persönlicheZeugnisse Joseph Ratzingers.Zugleich führen sie den Leser zu denOrten, von denen das Christentum ihrenAnfang nahm: Nazareth, den SeeGenezareth mit Tiberias, Kafarnaumund Tabgha, Bethlehem und die heiligeStadt Jerusalem. 10Gerade die letzten drei Dekadenbieten eine ungeheure Fülle archäologischerGrabungskampagnen. ImStaat Israel steht dabei eher die Suchenach jüdischen Wurzeln im Vordergrund.So wurde beispielsweise 2011in der Nähe des Sees Genezareth einantiker Steinblock mit der Inschrift„Schabbat“ entdeckt. Mit dem Schabbatist der Samstag gemeint, der imJudentum ein Ruhetag ist, vergleichbardem Sonntag im Christentum. Eshandelt sich um die erste und einzigeEntdeckung einer Schabbatgrenzeaus Stein auf Hebräisch. 11 Vor allemeuropäische und amerikanische Archäologenbemühen sich um biblischeArchäologie und die Zeit der christlichenKreuzfahrer, so etwa bei den laufendenAusgrabungen und Renovierungsarbeitenin der KreuzfahrerstadtAkko, in der prächtige Rittersäle undKapitelhallen freigelegt werden. RömischeGrabungsfunde und ihre dauerhafteSicherung – etwa in Tiberias– treten leider vielfach in den Hintergrundund werden nicht dauerhaftgesichert und bewahrt. Anders ver-10 Benedikt XVI.: Jesus von Nazareth. Teil1 und Teil 2. Freiburg 2009, 20111 Jerusalem Post, 12. Juli 201122 AUFTRAG 286 • JULI 2012AUFTRAG 286 • JULI 201223


GESELLSCHAFT NAH UND FERNGESELLSCHAFT NAH UND FERNhält es sich mit dem Nationalpark BetShe´an, wo das römische Theater undAmphitheater, die römischen Thermenund die ägyptische Zitadelle vonPharao Ramses III. der Öffentlichkeitzugänglich sind, bestens erhalten werdenund wo auch weiter archäologischgeforscht und gegraben wird.Wenn derzeit vielfach von einemAuszehrungsprozess der katholischenKirche in Deutschland und Westeuropagesprochen wird, so ist dieserauch im Heiligen Land spürbar. In denWintermonaten war der christlicheBesucherstrom in das Heilige Landschon immer eher bescheiden gewesen– etwa im Zeitraum November bisFebruar. Doch auch in den besucherstarkenZeiten der Sommermonate tunsich inzwischen – im Unterscheid zuden christlichen Pilgerströmen dersiebziger und achtziger Jahren – Lückenauf, gerade an so bekannten undmarkanten Punkten wie etwa der Grabeskirchein Jerusalem.Schwierig ist nach wie vor die Situationdes Heiligen Stuhles und derkatholischen Kirche in Israel. Daraufhatte ich bereits 1995 in meinerMonographie „Der Heilige Stuhl unddie Europäische Union“ in dem Kapitel„Aussöhnung mit Israel – derVatikan und die Juden“ hingewiesen.Große Hoffnungen waren seitens desHeiligen Stuhles mit dem am 30. Dezember1993 unterzeichneten Grundlagenvertragmit Israel und der Aufnahmediplomatischer Beziehungenzwischen dem Heiligen Stuhl undIsrael geknüpft gewesen. Trotz damalsungelöster Fragen wie etwa Eigentumsauseinandersetzungensiegteder Wunsch, die „große Verständigung“zwischen dem Judenstaat undder katholischen Kirche nicht längeraufzuschieben., gerade vor dem Hintergrundder Schrift „Nostra Aetate“vom 28.10. 1965 auf dem II. Vaticanumund einer damit einher gehendenNeuausrichtung der römisch-katholischenKirche. Das Zweite VatikanischeKonzil hatte bekanntlich allenHass und jegliche Form von Antisemistismus,die die Juden jemals erleidenmussten, beklagt.Tatsächlich hat sich bis heutenicht viel im Verhältnis des HeiligenStuhles mit Israel getan und die offenenEigentumsfragen sind weiterhinVerhandlungsthema. Das hier kaumFortschritt erzielt werden, hängt mitdem Umstand zusammen, dass über90 Prozent der Katholiken im HeiligenLand Palästinenser sind und Israelden Palästinensern keine weitereMacht zugestehen möchte, auch nichtim religiösen Bereich.Kleine Fortschritte gibt es im Bereichder biblischen Archäologie. Sosoll ein archäologisches Museum mitFundstücken aus der Zeit Jesu amPaulus-Haus in Jerusalem, welchesdem Deutschen Verein vom HeiligenLand gehört, errichtet werden. In Jerusalemselbst besteht ein eindrucksvolles„Museum of the bible“. In derpraktischen Religionsausübung vonChristen gibt es keine direkten Einschränkungen,aber eben auch keineFörderungen. Kirchliche Schulen, Orden,Museen und Kirchengemeindesind hier auf Hilfe aus Europa und denUSA angewiesen. Das dort die katholischeKirche selbst unter Druck, pastoralwie finanziell, gekommen ist, wirdvon Christen im Heiligen Land nichtwahrgenommen oder ausgeblendet.Eindrucksvoll ist nach wie vor dieWirkungsmächtigkeit der Geschichtein Israel, etwa durch Jericho und Jerusalem– neben dem jemenitischenSana die wohl ältesten Städte der Welt.Es gibt Bewunderung vieler Besucherfür die gute Erhaltung von Bautendes Altertums, auch im Zusammenhangmit den Ausgrabungen unterdem Tempelberg und den dort zu besichtigendenunterirdischen Gängenaus biblischer Zeit.Schwierige religiöse Balancedes ZusammenlebensEin unkompliziertes Zusammenlebenvon Juden und Judenchristengab es schon zurzeit Jesu nicht. HansHermann Henrix macht auf die wachsendeEntfremdung beider Gruppierungenin der Zeit der Schriftwerdungdes Neuen Testaments aufmerksam.Es ging um die Frage, ob die Thoraund die mit ihr verknüpften Ritualeund die Beschneidung junger Männerzwingend seien oder nicht. Bekanntlichentschied sich Paulus gegen einestrenge Auslegung und konnte sichmit seiner Auffassung auf dem Apostelkonzildurchsetzen. Dabei ist zusehen, dass der Alte Bund zwischenGott und den Menschen nie gekündigtwurde und bis heute Grund einer„<strong>Gemeinschaft</strong>“ zwischen Christentumund Judentum bildet. Währendaber für die Judenchristen Jesus bereitsder Erlöser ist, durch den dasReich Gottes durch seinen Tod undseine Auferstehung begonnen hat, sowarten die Juden immer noch auf denMessias, den Erlöser.Während die Juden trotz derZerstörung ihres Tempels 70 n. Chr.durch die Römer und der römischenNiederschlagung des Bar-Kochba-Aufstandes 135 n. Chr. stets im HeiligenLand eine breite oder zumindestzersiedelte Präsenz aufwiesen, verhältes sich hier mit den Christen anders.Zum einen war das Christentum imOrient in zahlreichen Gruppierungenzersplittert, teilweise bis heute.Zudem wuchs der Islam seit Mittedes 7. Jahrhunderts im Heiligen Landwirkungsmächtig auf. Nachdem 1007n. Chr. Muslime die Grabeskirche inJerusalem und viele andere Kirchenzerstörten, entstand der Gedanke aneinen Kreuzzug. Nach der christlichenSpätantike kam es zwischen1095 und 1291 – dem Fall von Akko– zu einer erneuten Blüte des Christentumsim Heiligen Land. Danachhielten vor allem die FranziskanerWache an den Heiligen Stätten desChristentums. Als arme Bettelmönchewurden sie von den Muslimen imPrinzip geduldet.Im 19. und 20. Jahrhundert gabes eine Rückbesinnung auf die christlicheAntike und auf die Ursprüngedes Christentums. Auslöser dieserEntwicklung waren die Umwälzungendes 18. Jahrhunderts in Europa.Im 17. und 18. Jahrhundert wurdedie katholische Kirche wie die absolutistischenKönigs- und Fürstentümerjener Zeit geführt, weshalb derSozialauftrag der Kirche im Sinne desGebotes der Nächstenliebe häufig zukurz kam. Dadurch hatte die katholischeKirche das Volk mehrheitlichnicht auf ihrer Seite, als die FranzösischeRevolution mit ihren politischenWellenbewegungen über ganz Europahinweg fegte. Es kam zum Reichsdeputationshauptschlussvon 1803, derzur Schließung von Klöster und Kirchensowie zum Verkauf von Kirchengutführte: Kirchen wurden als Weinkelleroder Pferdeställe umgenutztund Altargerät wurde als Tafelgeschirrin Privathaushalten weiterverwendet.Die Kirche geriet später im Kulturkampfmit Preußen und im Laizismusin Frankreich in die Defensive,was in der Verhaftung des Erzbischofsvon Köln gipfelte. Zugleich führte dieseräußere Druck zu einem stärkerenZusammenstehen der katholischenKräfte, etwa durch die Zentrumsparteiin Deutschland. In diese Zeit fälltdenn auch die Gründung des DeutschenVereins vom Heiligen Landeim Jahr 1855 und des Palästina-Vereinsder Katholiken Deutschlands imJahr 1885, die 1895 fusionierten. AlsAnfang des 20. Jahrhunderts GroßbritannienPalästina als Mandatsgebietvom Völkerbund erhielt, gab es wiedereinen europäischen und amerikanischenund damit einen deutlichstärker christlichen Einfluss im HeiligenLand. In diesen Zeitabschnitt fälltauch die Stiftung des US-AmerikanersRockefeller für ein archäologischesMuseum gegenüber der Altstadtmauervon Jerusalem, in der bis heute dieisraelische Altertumsverwaltung untergebrachtist. Übrigens stiftete dieFamilie Rockefeller auch das ParlamentsgebäudeIsraels in Jerusalem,die Knesseth.Der Nahost-Konflikt heuteIn der politikwissenschaftlichenFachliteratur wurde der Nahost-Konflikt vielfach in Verbindung mitdem Südafrika-Konflikt vor 1994 gesetzt,da hier wie dort es um Fragenpolitischer Legitimation von Herrschaftging, also inwieweit eine Bevölkerungsminderheiteine Bevölkerungsmehrheitbeherrschen darf. Tatsächlichist die Herrschaft der weißenBevölkerung in Südafrika an dieserFrage zerbrochen, da trotz der grausamenUmsiedelungspolitik der damaligenApartheidregierung Südafrikasvon vielen Schwarzen in „Homelands“eine demokratische Mehrheitsregierung– außer vielleicht in der westlichenKapprovinz, wo auch heutenoch die weiße Helen Zille als Premierministerinregiert – nicht möglichgewesen wäre. Im Nahost-Konfliktgeht es vordergründig nicht umFragen ethnischer Zugehörigkeit unddamit um Rassismus, sondern um einenreligiös-kulturellen Konflikt zwischenmuslimischen Arabern und jüdischenSiedlern, die aus der ganzenWelt stammen.Die Situation der Christen im HeiligenLand spielt im größeren Kontextdes Nahost-Konflikts nur einRandthema. Deshalb blieb es weitgehendvon der Öffentlichkeit unbemerkt,dass Kenner Israels seit vielenJahren einen Auszug von Christen ausso wichtigen und faszinierenden Ortendes Christentums wie Nazareth, Bethlehemund Jerusalem feststellen können.Hinzu kommen große Sorgen undProbleme um den Priester- und Ordensnachwuchs.Schon heute sind imHeiligen Land viele christliche Klösterstillgelegt oder werden nur nochals Unterkunft für christliche Pilgergenutzt. Außerdem lässt sich beobachten,dass es kaum noch europäischeChristen im Heiligen Land gibt.Weit über 90 Prozent aller Christen inIsrael und Palästina sind palästinensischeChristen, den jüdischen Mitbürgernpolitisch nicht vollkommengleichgestellt, was zu großen Frustrationenund Ressentiments führt. DasHeilige Land ist aber nach wie vor inden Köpfen vieler Europäer präsent,weshalb wir auch die hohen Besucherzahlenvon europäischen Christen undChristen aus den USA in Israel undJordanien beobachten können. Hierzugehört es auch, dass etwa der Königvon Spanien, Juan Carlos oder auchdas bayrische und neapolitanischeKönigshaus bis heute den Ehrentiteleines Königs von Jerusalem nicht abgelegthaben.Im modernen Israel unserer Tagehaben sich – trotz der schwierigenSituation der Palästinenser in denAutonomiegebieten – die wirtschaftlichenUnterschiede zwischen jüdischenund palästinensischen Israelisdeutlich gemindert; beide Gruppentragen westliche Markenkleidung oderfahren westliche Autos und wohnen ingut-bürgerlichen Wohngebieten, wennauch mitunter in getrennten Stadtteilen.So spielen die orthodoxen Judeneine wichtige Rolle in der Innen- undAußenpolitik Israels und sie üben aufdie liberaleren Juden einen großenEinfluss aus. So sondern sich die jüdischenIsraelis, ob orthodox oder liberalorientiert, vielfach von den palästinensischenIsraelis durch eigeneWohngebiete ab, etwa in Nazareth inNazareth Illit. Das schürt die bestehendenVorbehalte unter den palästinensischenIsraelis. Zugleich könnenwir auch einen Rückgang an täglichpraktizierter Religiosität unter Judenfeststellen: so präsentiert sich heuteTel Aviv etwa als eine weltoffene, liberaleStadt, in manchen Teilen gar alsein „Petite Paris“ – wenn man nachden Straßencafés und Menükartengeht – in der vielfältige Formen desZusammenlebens praktiziert und toleriertwerden.Der Vorschlag des Heiligen Stuhles,die Altstadt von Jerusalem unterinternationale (UN-) Verwaltungzu stellen, ist nach wie vor aktuell.Der Gaza-Streifen und die West-Banksollten alsbald zu einem Staat aufwachsen,wobei inzwischen auch Israelsich gegen eine Zwei-Staaten-Lösung nicht mehr wendet. Die vonIsrael besetzten Golan-Höhen solltenvon UN-Blauhelmen kontrolliertwerden, was allerdings Israel ablehnt.Anfang des Jahres 2000 schien mitdem israelischen MinisterpräsidentenEhud Barak zeitweise eine politischeLösung möglich, doch scheitertesie daran, dass sowohl die Israeliswie die Palästinenser Ost-Jerusalemfür sich beanspruchten und die Israelisdie Kontrolle über die Golan-Höhen nicht abgeben wollten. Aberauch bei einer Befriedigung der genanntenPunkte bleiben Facetten desNahost-Konflikts bestehen, und zwarin einem Spannungsfeld zwischen Judenund Muslimen, Demokratie undAutokratie, Reformbereitschaft undRestauration.Das Heilige Land und so auchder Staat Israel stellen sich heute alshochkomplexe politische Gebilde mitreligiösem Konfliktpotential dar. Diedeutsche Perzeption zu dieser Weltregionbleibt klar und unumstößlich:Deutschland steht in einer besonderenSolidaritätsbeziehung zum HeiligenLand und zum Staat Israel, basierendauf den christlichen Heilsereignissenund der Verantwortung der Deutschenvor ihrer Geschichte, weshalbDeutschland zusammen mit den USA– die immerhin große Teile des israelischenStaatshaushaltes aufbringen –für das Existenzrecht des israelischenStaates einstehen.Für Christen ist der Besuch desHeiligen Landes eine Reise zu JesusChristus, zu seinen Wirkungs- undLebensstätten, zu Erinnerungsortender jüdischen und christlichen Ge-24 AUFTRAG 286 • JULI 2012AUFTRAG 286 • JULI 201225


GESELLSCHAFT NAH UND FERNGESELLSCHAFT NAH UND FERNschichte. Christen werden daran erinnert,dass Jesus selbst ursprünglichJude war und das über vier Jahrhundertedie „Alte Kirche“ das Leben vonChristen bestimmte, die vielfach alsMärtyrer zu Blutzeugen Christi wurden.In Israel ist etwas von Gottes Gegenwartspürbar, so wie sie uns Jesusvon Nazareth vorlebte. ❏Literaturhinweise– Ani-Yonah, Michael:Geschichte des HeiligenLandes. Luxemburg 1975– Bahat, Dan: Der Atlas desbiblischen Jerusalems.Jerusalem/Israel 1998– Bedürftig, Friedemann: dasRömische Imperium. Von derNordafrikamythischen Gründung Romsbis zu seinem Untergang.Naumann&Göbel Verlagsgesellschaft2008– Deschner, Karlheinz: Kriminalgeschichtedes Christentums.Band 2. Die Spätantike.Reinbek bei Hamburg. 2008,4. Auflage– Dinzelbacher, Peter; Heinz,Werner: Europa in der Spätantike300-600. Eine Kultur- undMentalitätsgeschichte. WissenschaftlicheBuchgesellschaft,Darmstadt 2007– Drane, John (Herausgeber):The Lion Illustrated Encyclopediaoft he Bible. Singapore1998Neuer Krisenherd SudanVON CARL-H. PIERK– Frater Benedikt: Auf denSpuren Jesu. Palphot Ltd:Herzlia. Israel 201– Katholisches Bibelwerk (Hg):DasHeilige Land. Welt und Umweltder Bibel. Heft 2, Stuttgart, 1997– Katholisches Bibelwerk (Hg): Jesus.Quellen, Gerüchte,Fakten. Welt und Umwelt der Bibel.Heft 10. 1998– Läufer, Erich: Tabgha – wo dieBrotvermehrung stattfand.Biblisches Heiligtum am SeeGenezareth. J.P. Bachem Verlag:Köln 2000– Rauch, Andreas M.: Der HeiligeStuhl und die EuropäischeUnion. Nomos Verlagsgesellschaft:Baden-Baden 1995Am 5. November 2011, fast fünf Monate seit der Unabhängigkeit des Südsudans vom Norden, zog einerussische Antonow ihre Kreise über dem Flüchtlingslager Jida im Südsudan. Dann klinkte der Pilot dieBomben aus. Es war der erste Angriff auf den neuen Staat aus dem Norden. Es gab Tote und Verletzte.Seither eskaliert der Konflikt zwischen Sudan und Südsudan.Pulverfass SudanDas Land gilt als einer der potenziellreichsten Staaten Afrikas. Mitfruchtbarem Land, mit Bodenschätzen,mit Öl. Doch was ein Segen sein könnte,war bislang eher ein Fluch. Nacheinem Krieg, der ein halbes Jahrhundertprägend war, ist der Sudan heuteimmer noch gezeichnet vom täglichenKampf ums Überleben, vom Kampf umRessourcen. Am 9. Juli 2011 wurdeder Sudan offiziell geteilt und es entstandder neue Staat „Südsudan“. Esist Afrikas 54. Staat. Anders als in Eritrea,dessen Grenze im Jahr 1900 vonItalien festgelegt worden war, gab esfür den Südsudan keine aus der Kolonialzeitstammende Grenze. An denSüdsudan grenzen sechs Staaten: derSudan im Norden, Äthiopien im Osten,Kenia, Uganda und die DemokratischeRepublik Kongo im Süden sowie dieZentralafrikanische Republik im Westen.Das Land ist also ein Binnenstaat,ohne Zugang zum Meer.Ein Blick zurück, im ZeitrafferDie reiche Geschichte des Sudansist stark verknüpft mit der VorundFrühgeschichte Ägyptens. ZurZeit der ägyptischen Pharaonen undin der Antike war die Region des Sudanals Obernubien bekannt. Sie giltals eine der Wiegen der menschlichenZivilisation. Im Sudan bestand überJahrhunderte ein Gemeinwesen, dasEindringlinge in blutigen Schlachtenerfolgreich zurückwarf. Während esdem christlichen Äthiopien nachhaltiggelang, seine Unabhängigkeit zubewahren, wurde jedoch der islamischeMahdi-Staat im Sudan 1899 vonägyptischen und britischen Truppenbeseitigt. Der Sudan fiel unter fremdeHerrschaft und bildete bis zu seinerUnabhängigkeit 1956 das so genannteangloägyptische „Kondominium“.Um ein Wiederaufflammen des Mahdismuszu verhindern, stützte sichGroßbritannien in den sechs nördlichenProvinzen auf die arabischsprachigemuslimische Elite. In den zweisüdlichen Provinzen überließ es dieVerwaltung zum großen Teil Stammesgemeinschaften,die sich zum Christentumoder zu lokalen Religionenbekannten, wie den Dinka, den Nuerund den Schilluk.Nach der Unabhängigkeit desLandes wollten die Nordsudanesenden Sudan als Ganzes zu einem arabischenund islamischen Staat ausbauen.Aus zunächst unorganisiertemWiderstand gegen diese Politik entwickeltesich im Laufe der 1960er Jahreein brutaler Bürgerkrieg. Erst 1972konnte der Konflikt durch die Zusagepolitischer Autonomie für den Südenvorläufig beendet werden. Aberschon 1983 brachen die bewaffnetenAuseinandersetzungen abermalsaus. Im Süden des Landes kämpfteeine selbsternannte Befreiungsarmeegegen die Zentralmacht in derHauptstadt Khartoum. Unter internationalerVermittlung endete der zweiteBürgerkrieg mit dem Friedensabkommenvon Naivasha 2005, das dieAutonomie des Südsudans und denWeg in die Unabhängigkeit formellregelte. In diesem Kontext internationalenDrucks wurden die Kämpfeeingestellt, der Südsudan erhielt einegrößere Autonomie und es sollte einReferendum über die Unabhängigkeitder Region abgehalten werden.Während in den zehn Regionendes Südsudan die freie Religionsausübungrechtlich garantiert ist und alleBürger, gleich welchen Glaubens, alsebenbürtig anerkannt sind, gilt in densechzehn nördlichen Regionen das islamischeRecht der Scharia, und zwarin der Auslegung durch die NationalCongress Party, größte muslimischePartei in der Regierung der NationalenEinheit in Khartoum. Diese Gesetzeschreiben die Todesstrafe vorfür Glaubensabtrünnige (Abwendungvom Islam, ob mit oder ohne Konversionzu einer anderen Religion) undfür manche andere Verbrechen dieKörperstrafe bis hin zur Amputationvon Gliedmaßen. Es ist einer muslimischenFrau verboten, einen nichtmuslimischenMann zu heiraten, Alkoholkonsumist verboten, und es gibtweitere in der islamischen Traditionbegründete Bestimmungen. Muslime,die sich einer anderen Glaubensrichtunganschließen, sind sozial geächtetoder werden anderer Vergehen angeklagt.Zugleich werden auch diejenigenPersonen unter Anklage gestellt,die als Verursacher der Abtrünnigkeitdes Muslims angesehen werden. Folglichmüssen sich missionarische Organisationenim Nordsudan und auch diechristlichen Kirchen selbst in diesemLand auf seelsorgerische Aktivitätenunter den Christen beschränken undauf reine Sozialdienste an der allgemeinenBevölkerung. Im Gegensatzdazu existiert kein Gesetz, das denÜbertritt zum Islam untersagt.Ein neuer Staat entstehtSeit Sonntag (9. Januar 2011)stimmt die Bevölkerung Südsudansin einem Referendum darüberab, ob der Süden des Sudans unabhängigwird oder Teil des vereintenSudans bleibt. Es ist der Schlusspunktdes Friedensabkommens zwischen derZentralregierung in Khartoum und dersüdsudanesischen Volksbefreiungsbewegung– 2005 hatten Nord- undSüdsudan den langjährigen Bürgerkriegbeendet. Gleichzeitig beginnteine regionale Migration. TausendeMenschen, viele davon Christen, verlassendie Elendsviertel in und um dieHauptstadt Khartoum im Norden undwandern in den Südsudan ab. Grunddafür ist die wachsende Befürchtungeiner Islamisierungspolitik von PräsidentOmar al-Baschir mit steigenderIntoleranz gegenüber Christenund anderen Minderheiten. Baschirhatte verlauten lassen, dass sich dieVerfassung des Nordens im Falle derUnabhängigkeit des Südens verändernwerde. Er sagte, dass die Schariaund der Islam die neuen Grundsteinefür die reformierte Verfassungsein würden. Wie schwierig sich dieLage der Christen im Sudan darstellte,darüber berichtete Bischof EdwardHiiboro Kussala aus der südsudanesischenDiözese Tombura-Yambio am5. Oktober 2010 bei einer Veranstaltungdes Europäischen Parlaments inBrüssel. Die Christen, die vorrangigim Süden des Sudan lebten, würdenin dem muslimisch geprägten nördlichenLandesteilen kaum beachtetund sogar als „Kakerlaken“ bezeichnet,so Kussala.Die Volksabstimmung über einenunabhängigen Südsudan geht mit einerWahlbeteiligung von bis zu 90Prozent zu Ende. Ihre Stimme gabendie Südsudanesen dabei mit einemFingerabdruck ab, denn 73 Prozentder Erwachsenen sind Analphabeten.Am 9. Juli 2011 schließlich wird dieunabhängige Republik Südsudan ausgerufen.Die Regierung in Khartoummacht gute Miene zum bösen Spiel, siefügt sich ins Unvermeidbare und verkündetdie formelle Anerkennung desneuen Staates. Der alte Erzfeind desSüdens, Präsident Omar al-Baschir,der international als Kriegsverbrechergesucht wird, nimmt sogar an dergroßen Unabhängigkeitsfeier in Juba,der Hauptstadt des neuen Landes,teil. Gegenüber Südsudans StaatspräsidentSalva Kiir, einem Katholiken,sichert der islamische Präsident desNordens dem neuen Staat dabei seineUnterstützung zu. „Der Wille derBürger des Südens muss respektiertwerden“, sagte Baschir in Juba. Diebisherige Zentralregierung in Khartoumstehe an der Seite des neuenStaates und sei bereit, mit Rat undTat beim Aufbau zu helfen, sofern diesgewünscht werde. Alles nur Wortgeklingel,der Wolf hatte Kreide gefressen.Nicht ohne Grund hatte die UNOnur einen Tag vor der Unabhängigkeitam 9. Juli 2011 mit der Resolution1996 eine Friedensmission für denSüdsudan beschlossen. Die UNMISS(United Nation Mission South Sudan)umfasst rund 7.000 <strong>Soldaten</strong> aus mehrals 30 Staaten. Deutschland hatte UN-MISS von Beginn an mit Stabspersonalunterstützt, zuletzt mit 13 <strong>Soldaten</strong>.Eigentlich sollte das Friedensabkommenvon 2005, welches in demReferendum und der Unabhängigkeit2011 gipfelte, die Probleme lösen undfür Frieden sorgen. Frieden und Ruhesind seitdem trotzdem nicht eingekehrt.Immer noch wird erbittert umÖlfelder in der Grenzregion gekämpft.Die meisten Ölfelder befinden sichseit der Abspaltung zwar jetzt im Süden,aber die Pipelines für den Transportgehören dem Norden. Im Streitüber die Höhe der Gebühren für dieNutzung der sudanesischen Pipelinesstellte der Südsudan sogar seine Ölförderungein. Das könnte fatale Folgenhaben. Erdöl, gefördert im Südsudan,exportiert über die Pipelines desNordens, deckte bisher 98 Prozentder Staatsausgaben Südsudans. Einesder Kernprobleme, die Zweifel an derwirtschaftlichen Überlebensfähigkeitdes Südens, könnte mit Hilfe einerneuen Pipeline nach Lamu an die kenianischeKüste überwunden werden.Bislang wird das südsudanesische Öl– etwa 75 Prozent der gesamtsudanesischenVorkommen – über die sudanesischeHauptstadt Khartoum nachPort Sudan am Roten Meer befördert.„Dinge, die im Friedensabkommenvon 2005 vereinbart wurden, sindimmer noch nicht umgesetzt worden.Die Grenzen sind nicht demarkiertworden, es gibt Gebiete, bei denennicht klar ist, zu wem sie gehören“,erläutert Marina Peter vom NetzwerkSudan Focal Point Europe. Vor allemdie Situation um die Provinz Abyei,der ein Sonderstatus in der Grenzregionzukommen sollte, ist immer nochnicht geklärt. „Es hat kein Referendumin Abyei gegeben, man konntesich nicht einigen, welche Volksgruppenhier abstimmen sollten“, sagt Peter.Auch Erwin van der Borght, Af-26 AUFTRAG 286 • JULI 2012AUFTRAG 286 • JULI 201227


GESELLSCHAFT NAH UND FERNGESELLSCHAFT NAH UND FERNrika-Direktor von Amnesty International,meint anlässlich des am 24.Mai diesen Jahres veröffentlichten„ai-Jahresreports 2011“ zum Konfliktzwischen Sudan und Südsudan: „DasProblem hier ist ein Scheitern der politischenFührung, sowohl im Sudanals auch im Südsudan. Beide haben esversäumt, offene Fragen, wie die Aufteilungder Öleinnahmen oder Grenzziehungnoch vor der Unabhängigkeitdes Südens zu lösen. Das Versagenführte zu einer erhöhten Spannungzwischen beiden Staaten und führteschließlich zum offenen Konflikt imApril dieses Jahres.“Eigentlich sollte die Zugehörigkeitder Provinz Abyei zeitgleich zumallgemeinen Referendum im Sudanebenfalls im Januar 2011 geklärt werden,doch die steht bis heute aus. Seitder Abspaltung des Südsudans vom(Nord-)Sudan bestehen mehrere ungeklärteGrenzstreitigkeiten zwischenden Nachbarn. Ende März war derKonflikt eskaliert, als der Süden dasÖlfeld Heglig besetzte und der NordenZiele im Süden bombardierte.Erst unter internationalem Druck zogsich der Südsudan nach zehn Tagenvon dem zwischen beiden Staaten umstrittenenÖlfeld zurück. Inzwischenist der militärische Streit um die umstritteneGrenzregion Abyei vorerstbeigelegt: Der Sudan hat seine <strong>Soldaten</strong>aus dem ölreichen Gebiet abgezogen.Die südsudanesischen Sicherheitskräftehatten sich bereits zuvoraus der Region zurückgezogen. DerUN-Sicherheitsrat hatte beide Seitendazu aufgefordert.Verworren ist die Lage inDarfur, dem „Land der Fur“,das so groß ist wie Frankreich.Berittener Janjaweed in DarfurTraditionell konkurrieren in Darfursesshafte afrikanische Stämme,wie zum Beispiel Fur, Zaghawa undMassalit, mit arabischstämmigen Nomadenum knappe Ressourcen. Durcheine weitere Verknappung von Weidelandund Wasser infolge fortschreitenderVersteppung und Trockenperiodenverschärfte sich der Konfliktseit den achtziger Jahren. Dazu kamenArabisierungsbestrebungen dersudanesischen Regierung. Sie nutztedas bestehende Konfliktpotenzial, umeigene Interessen zu verfolgen. DieBildung zweier Rebellenorganisationenim Februar 2003, die der sudanesischenRegierung den bewaffnetenKampf ansagten und das Ende derBenachteiligung der afrikanischenStämme forderten, führte zu einermassiven militärischen Reaktion dersudanesischen Regierung. Die Zentralregierungin Karthoum bewaffnete„Dschandschawid“-Milizen, diedie Rebellen bekämpfen sollten, undbombardierte – in enger Absprachezwischen Militär und Milizen – selbstzahllose zivile Ziele. „Dschandschawid“wurden sie genannt nach denarabischen Wörtern „dschinn“ (Geist)und „dschawid“ (Pferd). Die Milizenbegingen unter der Verantwortung undteilweise in enger Kooperation mit dersudanesischen Regierung ungestraftschwerste Menschenrechtsverletzungenund Gräueltaten an der Zivilbevölkerung.Eine durch den Generalsekretärder Vereinten Nationen eingesetzteUntersuchungskommissionberichtete von Massenexekutionen,Massenvergewaltigungen, Vertreibungensowie Verhinderung der Rückkehrder Flüchtlinge durch Abbrennen undZerstörung der Dörfer. Die sudanesischeRegierung behinderte zudemüber viele Monate hinweg humanitäreHilfslieferungen nach Darfur massivoder machte diese ganz unmöglich.Der Streit zwischen Sudan undSüdsudan verschärft sich: Keinen ZollLand werde man hergeben, droht SudansPräsident Omar al-Baschir. Am18. April war Baschir noch weiter gegangen.Da hatte er gesagt, er werdeSüdsudan von dessen Herrscher befreien.Die Bevölkerung beschimpfteer wiederholt als Insekten. SüdsudansInformationsminister Barnaba MarialBenjamin reagierte erzürnt: „HerrPräsident, wir sind keine Insekten undwenn Sie Ihre Völkermord-Aktivitätengegen die Republik Südsudan starten,um das Volk Südsudans zu töten, könnenwir Ihnen versichern,... dass wirdie Leben unserer Bürger schützenwerden.“ Wie ernst die Drohung dessudanesischen Präsidenten ist, weißniemand. Aber Tatsache ist, dass erseinen Ton – ungeachtet aller internationalenErmahnungen zur Mäßigung– massiv verschärft.Besorgt zeigen sich die katholischenund anglikanischen Bischöfeim Südsudan. In einer Botschaft, dieam Rande eines Treffens veröffentlichtwurde, das vom 9. bis 11. Mai inder südsudanesischen Stadt Yei stattfand,heißt es: „Wir glauben, dass esfür unsere Freunde der internationaleStaatengemeinschaft wichtig ist, eineausgewogene Position einzunehmen.‚Ausgewogen‘ bedeutet nicht, beideSeiten in gleicher Weise zu kritisieren,sondern vielmehr eine umfassendereund langfristigere Vision aufder Grundlage sorgfältiger Studien zuerarbeiten und Druck auszuüben, wodies nötig ist, um einen dauerhaftenund gerechten Frieden herbeizuführen.“Die Haltung der Vereinten Nationenund der Großmächte im Hinblickauf die jüngsten Spannungenzwischen den beiden Staaten im Hinblickauf die Kontrolle über die ölreichenGrenzgebiete Heglig und Abyeihabe die Einwohner enttäuscht. „Wirleben im direkten Kontakt mit denMenschen im Südsudan, und was wirdort hören bereitet uns Sorge“, schreibendie Bischöfe. „Es scheint, als obdie Menschen im Südsudan das Vertrauenin die internationale <strong>Gemeinschaft</strong>verlieren.“ Abschließend heißtes: „Wir träumen von zwei Ländern,die friedlich zusammenleben und beider Nutzung der von Gott geschenktenRessourcen zusammenarbeiten.Wir träumen von Personen, die nichtlänger traumatisiert werden, von Kindern,die Schulen besuchen, von Müttern,die in Krankenhäusern betreutwerden, vom Ende von Unterernährungund Armut und von Christen undMuslimen, die Kirchen und Moscheenbesuchen können, ohne Angst habenzu müssen.“Zurück an den Verhandlungstischbleibt die einzige Option, um einenneuen Bürgerkrieg zu verhindern. Dazubedarf es verstärkten internationalenDrucks. Dass ausgerechnet die VolksrepublikChina beide Seiten zur Zurückhaltungermahnt, gleicht indeseiner Farce. Gemeinsam mit Russlandund Weißrussland hat Peking bedeutendeMengen an Munition, Kampfhelikopternund -flugzeugen, Luft-Boden-Raketen und Panzerfahrzeugen an dasBaschir-Regime geliefert – ungeachteteines bestehenden UNO-Embargos.Zudem erkennt die chinesische Regierungden Internationalen Strafgerichtshofnicht an. Sie hatte deshalb auchkeine Skrupel, den Staatspräsidentendes Sudans im Juni vergangenen Jahreszu einem offiziellen Staatsbesuchnach China einzuladen, obwohl derseit 2009 durch die Behörden in DenHaag als mutmaßlicher Kriegsverbrecherper Haftbefehl gesucht wird. Diegerichtliche Klärung von Fragen imZusammenhang mit der Verletzung vonMenschenrechten ist für die chinesischeRegierung, wie es scheint, vonnachrangiger Bedeutung. Die EinladungBaschirs machte deutlich, dasses China als dem Hauptabnehmer sudanesischenÖls allein um die Wahrungwirtschaftlicher Interessen geht.Auch nach der Teilung des größtenafrikanischen Landes möchte Chinaim selben Umfang wie bisher mit Ölversorgt werden.Nach Peking gereist war auch dersüdsudanesische Präsident Salva Kiir.Die Regierung des sudanesischen PräsidentenOmar al-Baschir habe „derRepublik Südsudan den Krieg erklärt“,sagte Kiir am 24. April diesen Jahresbei einem Treffen mit dem chinesischenPräsidenten Hu Jintao in Peking.Der Südsudan bat China um Hilfe beimBau einer neuen Ölpipeline, um beimTransport unabhängiger vom Sudan zuwerden. Peking muss also daran gelegensein, in Zukunft mit dem Sudan wieauch mit dem Südsudan im Ölgeschäftzu bleiben. Und um wirtschaftlich zuüberleben, muss besonders der Südsudandaran interessiert sein, dass dasÖlgeschäft mit China weitergeht. EinKrieg zwischen Sudan und Südsudanfreilich wäre nicht nur ein geschäftlichesDesaster, sondern vor allem einehumanitäre Katastrophe. ❏GEMEINSCHAFT KATHOLISCHER SOLDATENDie <strong>Gemeinschaft</strong> <strong>Katholischer</strong> <strong>Soldaten</strong> („GKS“) sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt einenIhre Tätigkeit umfasst:Bundesgeschäftsführer (w / m)in Teilzeit (20 Stunden / Woche) für die Geschäftsstelle in Berlin.– Leiten der Bundesgeschäftsstelle– Umsetzten der administrativen und organisatorischen Aufgaben in enger Zusammenarbeitmit den Gremien und Organen des Verbandes und dem Katholischen Militärbischofsamtes– Konzeption und Umsetzung der Präsentation des Verbandes in Zusammenarbeitmit dem Bundesvorsitzenden– Verfassen und Redigieren von Texten.Zu Ihrer Tätigkeit gehört die Kontaktpflege zu den Gremien und Organen der GKS, zu anderenVerbänden und zum Katholischen Militärbischofsamt.Ihr Profil:– Studium der Katholischen Theologie und Interesse im Bereich Friedensethik/Sicherheitspolitik– Ausgeprägte organisatorische Fähigkeiten und Teambefähigung– Sicherer mündlicher und schriftlicher Ausdruck sowie sicherer Umgangmit Standardbürosoftware– Selbständigkeit in der Aufgabenerfüllung und Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung– Angehörigkeit zur Katholischen Kirche.Haben wir Ihr Interesse geweckt? Dann freuen wir uns auf Ihre aussagefähige Bewerbungunter Angabe der Gehaltsvorstellungen und Ihres frühestmöglichen Eintrittstermins an:<strong>Gemeinschaft</strong> <strong>Katholischer</strong> <strong>Soldaten</strong>– Bundesvorsitzender –Am Weidendamm 2 · 10117 BerlinE-Mail: Bundesvorsitzender@Kath-<strong>Soldaten</strong>.de · www.Kath-<strong>Soldaten</strong>.de28 AUFTRAG 286 • JULI 2012AUFTRAG 286 • JULI 201229


BILD DES SOLDATENBILD DES SOLDATENSeminar Dritte Lebensphase CloppenburgAuf Einladung des KatholischenMilitärdekanats Erfurt und der<strong>Gemeinschaft</strong> <strong>Katholischer</strong> <strong>Soldaten</strong>haben wir die Reise nach Cloppenburgangetreten. In der Zeit vom 30.Mai bis 3. Juni 2012 wurde ein Seminarzur Vorbereitung auf die 3. Lebensphaseangeboten, das in demwunderschönen Umfeld der „KatholischenAkademie Stapelfeld“ durchgeführtwurde. „Rad des Lebens – Erinnern,Erleben, Erwarten“ war dasausgeschriebene Thema. Die Teilnehmersind gekommen, zum Teilmit ihren Ehepartnern, um vor ihremanstehenden Ausscheiden aus demaktiven Dienst als Soldat, das Angebotzu nutzen, sowohl über Chancenund Risiken wie auch über Hoffnungenund Freuden, Impulse für die Zukunftsgestaltungzu erhalten.Die Leitung des Seminars hattenHans-Jürgen Mathias zusammen mitseiner lieben Frau Brigitte und derBildungsleiter der Akademie HeinrichSiefer übernommen. Es sei vorwegbereits gesagt, sehr souverän,gekonnt und mit sehr wohltuend einfühlsamerwie auch erfolgreich integrativerAtmosphäre hat uns diesesTeam durch die knapp fünf Tage geführt.Insgesamt waren 22 Teilnehmer,davon sieben Ehepaare, gekommen.Es waren alles Menschen, die sichnicht bzw. kaum kannten oder sichim Verlauf ihrer Dienstzeit nur kurzDas Rad des LebensVON STEPHAN WILLbegegnet waren. Ihre Wohnorte verteilensich von Wilhelmshaven/Bremenim Norden und Kehlheim/Schongauim Süden bzw. Algermissen im Ostenund Lingen/Osnabrücker Land/Sauerland/Rheinland im Westen. Eszeigte sich sehr schnell, dass der beiallen bevorstehende neue Lebensabschnitt,die berufliche Herkunft unddie ähnlichen Perspektiven für die Zukunft,eine gute Grundlage bildeten,um eine homogene, sich bereichernde<strong>Gemeinschaft</strong> zu bilden.Der erste Nachmittag diente demsich Kennenlernen und der Einführungin das Thema. Heinrich Sieferwusste, wie man Hoffnung und Zuversichtsetzt. Ja – natürlich träten wir,mit Ende der beruflich aktiven Zeit,in die dritte Lebensphase ein, dochseien wir, so versicherte er, längstnoch nicht im abschließenden Zyklusdes Lebens angekommen, schließlichgäbe es noch, nach neuerer Betrachtung,die vierte Lebensphase. Bei derersten Befassung mit den Lebensträumenging es darum, dass sich jeder mitden Chancen, Hoffnungen und Visionen,aber auch mit den Befürchtungenund Ängsten auseinandersetzte,die ihn in Unkenntnis dessen, wasjetzt auf ihn zukommt, beschleichen.Da gab es Bekenntnisse wie die Sorgeum das emotional große Loch, daswarten könnte, oder die Befürchtungder Vereinnahmung in der häuslichenArbeit bzw. der Familien- und Nachbarschaftshilfeaber auch die Furcht,weniger wertvoll zu sein und so dasfünfte Rad am Wagen zu werden. Aufder anderen Seite sind jedoch auchklare Vorstellungen aufgezeigt worden,durch die der Zukunft mit Freudeentgegengesehen wird: Endlich mehrZeit für die Familie, endlich Zeit, dieProjekte angreifen zu können, die aufder langen Liste stehen, endlich seinHobby zum Beruf machen zu könnenund endlich selbstbestimmt seinenTag zu gestalten.Schließlichist der Wegfalldes RahmendienstplanseineChance,individuelleFreiheit mitVerantwortungzu gestalten.Ein wichtigerund auchvon allen erwarteterProgrammpunktwar derVortragsteil zumFoto: Robert FuchsVersorgungsrechtder <strong>Soldaten</strong>.Mit Leidenschaft und mit großemumfangreichen Wissen versehen trugWilfred Arntz-Kohl vom DeutschenBundeswehrverband dazu vor. VielStoff, der sich in Realität in zahllosenunterschiedlichen Gesetzestextenversteckt, wurde uns in verständlicheSprache umgesetzt nahegebracht.Dennoch galt es sehr aufmerksam zuzuhören,denn es kommt darauf an,Details genau zu beachten, wie z.B.den Unterschied zwischen Hinzuverdienstgrenzeund Geringverdienergrenzeoder auch zu wissen, dass Einkommensteuergesetzund <strong>Soldaten</strong>versorgungsgesetzunterschiedlicheRechtsgebiete sind und demzufolgeein und derselbe Sachverhalt unterschiedlicheWirkungen haben kann.Dass man zur Berechnung der Versorgungsbezügedas Ruhegehalt kennenmuss, das weiß fast jeder, dass dervon der Wehrverwaltung zugesandteFestsetzungsbescheid ein Dokumentmit weitreichender rechtlicher Bedeutungist und deshalb sehr intensiveinschließlich Merkblatt gelesenwerden will, wurde uns eindringlichans Herz gelegt.Weiteres formales Gesetzeswissenwar beim nächsten Vortrag angesagt.Marion Pohl vom Sozialdienstder Bundeswehr aus Oldenburg hattees verstanden, in genießbarer undverständlicher Dosierung aus ihremFachgebiet vorzutragen. Natürlichmüssen wir wissen, wie es nachdem Ende der freien Heilfürsorge inKrankheitsfragen weitergeht. Bisherwar alles kostenfrei und man brauchtenicht administrativ tätig werden. Zukünftigwird man sich mit Rechnungenund ihrer fristgerechten Bezahlung,mit Einreichung derselben beiBeihilfe und Krankenversicherung,kurz gesagt mit vielen Formularenund mit Bürokratie befassen müssen.Dass der Sozialdienst der Bundeswehrauch im Ruhestand für uns zuständigbleibt und im ganz schlimmen Fallauch für die Hinterbliebenen beratendzur Verfügung steht, war einesehr gute Nachricht.Den passenden Abschluss zumThemenreigen Versorgungs- und Sozialrechtsetzte ein erfahrener Referentaus dem Bereich der Betreuungsarbeit.Stefan Riesenbeck vom BetreuungsvereinCloppenburg konnte allensehr eindringlich klar machen, wiewichtig eine Vorsorgevollmacht fürjeden Erwachsenen ist. Eigentlich, sodie überraschende Information, müsstejeder seit seinem 18. Lebensjahr einsolches Papier seinen nächsten Angehörigenübergeben haben. Jeder kanndurch Unfall oder Krankheit „einwilligungsunfähig“bzw. „geschäftsunfähig“werden. Um zu vermeiden, dassdas Gericht eine fremde Person zumgesetzlichen Betreuer bestellt, ist esin diesem Fall immer gut, wenn einePerson des Vertrauens grundsätzlichals Vertreter bereits benannt und eingesetztist.Diese mit harten Fakten versehenenInformationsanteile verlangtendringend nach Ausgleich undmehr körperlicher, emotionaler wiegeistlicher Aktivität. Das Programmhatte dies mit einer Fahrradwallfahrtauch so vorgesehen. Mit geliehenenFahrrädern der Akademie fuhrenwir unter Führung von HeinrichSiefer zum 12 Kilometer entferntenWallfahrtsort Bethen. Unterbrochenvon sieben Stationen, die von natürlichenWegmarken vorgegeben sind,bot der Weg Möglichkeiten der Ruhe,der Besinnung, der Bewusstmachungund der Verbindungsaufnahme mitNatur und Schöpfung. Am Ziel angekommen,ging es darum, Maria, derMutter Gottes näher zu kommen undseelische und geistige Stärkung zuerfahren. Über die Wahrnehmung ihresSchicksals, das Maria durch denVerlust ihres Sohnes erlitten hat, hoffenPilger, früher wie heute, im Dialogmit ihr, Gott näher zu kommen und ihnansprechen zu können.Körperliche Fitness war ein ständigerBegleiter unseres Berufes. Esgab die Verpflichtung, diese regelmäßignachzuweisen. Die Seminarleitungwollte dieses Thema dennoch nichtauslassen, weil auch im Ruhestandgilt: „In einem gesunden Körper lebtauch ein gesunder Geist“. Julia Laschinski,Dipl. Fitnessökonomin undYogalehrerin aus Cloppenburg vermitteltedas Thema mit derart personifizierterDynamik und angenehm versprühterVitalität, dass sich keiner derBotschaft verschließen konnte. Sportsei nicht alles und Fertigprodukteseien der Gesundheit eher abträglich.Dagegen wären Ernährung mitnatur belassenen Lebensmitteln undKontinuität bei den Essgewohnheitendie einzigen Zielführenden, wenn wiruns ergänzend dazu regelmäßig sportlichbewegen. Übergewicht, so habenwir gelernt, ist als Problem nur langfristigzu lösen. Dabei helfen kleineRatschläge wie „iss fünf Mal täglicheine Portion Obst oder Gemüse“ und„vermeide Zucker und zu viel Fett“.Lange Gesundheit erreicht man amehesten, wenn man Risikofaktorenwie Stress, Bewegungsmangel, Rauchen,schlechte Ernährung meidetund stattdessen Schutzfaktoren wieBewegung, Entspannung, wertvolleErnährung und förderliches SozialesUmfeld sucht. Dieser Seminarblockendete mit einer 40-minütigen praktischenAnleitung. In einem intensivengymnastischen Schnupperkurs durftenalle Seminarteilnehmer erleben,wie man ohne Hilfsmittel die Gelenkigkeiterhalten kann und gewöhnlichvernachlässigte Muskelpartientrainieren und spürbar machen kann.Zum Abschluss lud noch einmaldas Thema Lebensträume zur Selbstreflexionein. Die Grundfrage menschlichenDaseins – wer bin ich? – warbisher einfach zu beantworten. Funktion,Dienstgrad oder Status im Berufgab dazu ausreichend Antwort. Wennder Beruf weg sein wird, stellt sich dieFrage neu! Eine Anleitung konntendie persönlich vorgetragenen Erfahrungsberichteeines Ehepaars geben,das vor vier Jahren in diese neue dritteLebensphase eingetreten ist. DieBotschaft war eindeutig! In den erstenWochen und Monaten des Ruhestandesüberwiegt das gute Gefühl einesausgedehnten Jahresurlaubes. Demfolgt eine Phase der Suche nach Bestätigungund Befriedigung in einerTätigkeit. Darauf folgt mit positivemAntrieb die Suche nach einer neuenAufgabe im Ehrenamt oder in einergeringfügigen Beschäftigung. Beidessei ohne zu große Mühe erreichbar.Von beiden Zeitzeugen war eine weiteregute Nachricht zu hören: Die Partnerschaftwird nicht leiden, sie wirdeinen Auftrieb erleben, vorausgesetztdas aufrichtige Gespräch und der persönlicheAustausch findet immer seinenPlatz und seine Zeit.Für die gute, sich zur freundschaftlichenAtmosphäre entwikkelnde<strong>Gemeinschaft</strong> waren auch dieabendlichen Begegnungen bei einemGlas Rotwein im „Stübchen“ der Akademiemit verantwortlich. Hier konntendie Themen des Tages aber auchdie eigenen Projekte und Vorhabenim kleinen Kreis diskutiert und ausgetauschtwerden. Nicht zuletzt ist zuberichten, dass das Seminar ab demdritten Tag von der persönlichen Begleitungdurch den Leitenden MilitärdekanStephan van Dongen aus Erfurtbeehrt wurde. So durften wir auch unterseiner Leitung am Samstagabendeinen gemeinsamen Gottesdienst inder atmosphärvollen Hauskapelle derAkademie feiern.Abschließendes Ergebnis: DiesesSeminar war von hohem menschlichen,emotionalen und inhaltlichenWert. Es ist zu wünschen, dass dieGKS weiterhin diese Form der Vorbereitungauf den Ruhestand anbietet.Die Seminarteilnehmer danken demEhepaar Mathias im Besonderen. ❏30 AUFTRAG 286 • JULI 2012AUFTRAG 286 • JULI 201231


BILD DES SOLDATENBILD DES SOLDATENSeminar Dritte Lebensphase NürnbergReisender ohne FahrkarteVON HANS-GEORG PAUTHNERBild 1 Bild 2Als „Reisende ohne Fahrkarte“ bezeichneteProf. Dr. Heino Ertl dieTeilnehmer des Frühjahrseminars der„Dritten Lebensphase“ vom 25. bis29.04.2012 im „Caritas-Pirckheimer-Haus“ in Nürnberg. Basierend aufder gleichnamigen Kurzgeschichtevon Rudolf Otto Wiemer, in der einReisender ein Leben lang den Zugsucht, wo er ohne Fahrkarte reisenkann, bis er ihn endlich findet undentsetzt während der Fahrt feststellt,dass man aus diesem Zug nicht mehraussteigen kann. So schaut für manchedie langersehnte Pension aus. Jenäher sie kommt desto mehr schwingtein Schuss Unruhe neben der Freudemit, die man entweder selbst, oder dieeigenen Familienangehörigen empfindetüber die bevorstehende Zurruhesetzung.Das Seminar behandelte dieseBefürchtungen, aber auch die großenChancen, die sich in diesem Lebensabschnittbieten. Unter dem Motto:„Hilfe! – Das Leben beginnt“ konntensich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen(Bild 1) über die Wünscheund Erwartungen für die Zeit nachdem Berufsleben austauschen. Nebendem Versorgungsrecht wurdenin einem Dreiklang „Körper – Geist– Seele“ alle Aspekte des Älterwerdensangesprochen.Prof. Dr. med. Thomas Ebert berichteteüber das Altern aus ärztlicherSicht. Dabei stellte er fest, dass mannach heutiger statistischer Lebenserwartungnoch 20 bis 30 Jahre vor sichhat, wenn man sich vom Berufslebenverabschiedet. Diese Zeit kann manauch genießen, wenn man regelmäßigetwas für seinen Körper tut. Prävention,regelmäßige und ausreichendeBewegung, sowie Früherkennung undVorsorge sind hier die Schlüsselworte.Allerdings ist „Altern – nichts fürFeiglinge“, denn die einzige Alternativezum Älterwerden und mit ihmauch die vorhersehbaren Altersgebrechen,ist der frühe Tod!Mit „Herr, lehre mich die Kunstder kleinen Schritte“ von Saint-Exupéryeröffnete Prof. Ertl den Hauptteildes Seminars. Wir haben Sorgen,Ängste aber auch Hoffnung und Freudeauf den neuen Lebensabschnitt.Dazu merkte er eine alte Erfahrungan, „der Weg wird geschaffen beimGehen“ und deshalb muss man mitder nötigen Gelassenheit, aber auchmit dem nötigen Selbstvertrauen undder Zuversicht den Weg in die Zukunftgehen. Die Angst, man könnte dasVerabschiedung von Berta WondratschBerta Wondratsch (Bild, mitte)war von 1997 bis 2012 in CaritasPirkheimer Haus (CPH) inNürnberg im Bereich des Sekretariatseingesetzt. Während dieserZeit war sie die Stütze unddie „ Gute Seele“der Rezeption. Inden ganzen Jahrenpflegte die <strong>Gemeinschaft</strong><strong>Katholischer</strong><strong>Soldaten</strong>(GKS) mit ihr einesehr gute Zusammenarbeit.Da bei ihrerVerabschiedungim CPH am1.2.2012 – seitdemist sie in Altersteilzeit– keinVertreter des Bundesvorstandes derGKS anwesend sein konnte, wurdeder Tag vor der Bundesvorstandssitzungvom 15. bis 17. Juni 2012im CPH in Nürnberg gewählt, umBerta Wondratsch würdig zu verabschieden.Der Gesamtverantwortliche derGKS gegenüber für die Seminareder 3. Lebensphase in Nürnbergund Cloppenburg, Oberstabsfeldwebela.D. Johann-A. Schacherl (Bild,rechts), stellte in seinerRede u.a. ausdrücklichnoch einmaldie sehr gute ZusammenarbeitundUnterstützung herausund überreichteihr, mit dem SachverständigenderGKS Oberstabsfeldwebela.D. FriedrichMierbeth (Bild,links) zusammen, dieMedaille und die Kerze der GKSund wünschte ihr und ihrem Ehemannfür „Ihre“ 3. Lebensphasealles Gute und Gottes Segen. ❏(Text und Foto: Christa Schacherl)Leben versäumen ist unbegründet.Meistens sind es nur die Träumereienüber die eigene Vergangenheit undZukunft, die nicht weiterhelfen. Deshalbschließt Saint-Exupéry in seinerGeschichte auch mit dem Satz „Gibmir nichts was ich mir wünsche, sonderndas was ich brauche“.Der für die Teilnehmer anspruchsvollsteTeil war sicherlich derspirituelle Teil des Seminars, den PaterLudwig Schuhmann SJ vorstellte.Auch er wählte zur Einführung indie Thematik einen Satz von Antoinede Saint-Exupéry. Diesmal aus demBuch „Der Kleine Prinz“, in dem erKurznachrichtenZur Feier des 46. Weltfriedenstagsam 1. Januar 2013 hat derHeilige Vater Benedikt XVI. folgendesMotto gewählt: „Selig sind, dieFrieden stiften“.Die alljährliche Botschaft desPapstes will im schwierigen Kontextunserer Zeit eine Aufforderung analle Menschen sein, die Verantwortungfür den Aufbau des Friedens alspersönliche Aufgabe aufzufassen.Deshalb wird die Botschaft sichmit der Fülle und Vielseitigkeit desFriedensbegriffs auseinandersetzen,beginnend beim Menschen: innererund äußerer Friede, und auch aufüber die Reise eines kleinen Kindesdurch das Weltall mit all ihren Sternenund den darauf lebenden Menschenberichtete. „Die großen Leuteverstehen nie etwas von selbst undfür die Kinder ist es zu anstrengend,ihnen immer und immer wieder erklärenzu müssen.“In einem großen Bogen stellte erdie menschliche Entwicklungspsychologievom Säugling bis zum Ruheständlervor. Diese acht seelischenEntwicklungsphasen durchlebt jederMensch und es gehört zu den großenErkenntnissen des Alters, dass mansein eigenes Leben wie es gelaufenMotto des 46. Weltfriedenstages gewähltdie anthropologische Krise eingehen,das Wesen und die Bedeutungdes Nihilismus erkunden und zugleichdie Grundrechte, besondersGewissens-, Meinungs- und Religionsfreiheitansprechen.Die Botschaft wird außerdemeine ethische Sichtweise auf gewisseMaßnahmen bieten, die weltweiteingesetzt werden, um die Wirtschafts-und Finanzkrise einzudämmen,dem Notstand im Ausbildungssystemund der politischen Kriseentgegenzutreten, die in vielen Fällenauch eine besorgniserregendeKrise der Demokratie ist.ist annehmen muss, ohne Groll undHader, aber auch ohne es zu glorifizieren.Letztendlich schließt sich imGreisenalter ein seelischer Kreis. Sowie das Urvertrauen des Säuglings inseine Mutter während der 1. Lebensphasenotwendig ist, so ist in der letztenLebensphase die Rückbindungunseres Lebens an Gott notwendig.Obwohl es die „Selbstheilungskräfteder Seele“ gibt, kann der Segen in derSchlussphase eines Lebens nicht voneinem selber kommen, sondern manist auf den Segen Gottes für die Heilungder Seele angewiesen.In dieser Absicht feierten die Teilnehmeram Samstag mit MilitärdekanAlfons Hutter und am Sonntag mit PaterLudwig Schuhmann in der wunderschönen,zum Meditieren förmlich aufforderndenKapelle (Bild 2) des Caritas-Pirckheimer-Hauses,Gottesdienst.Daneben war die Akademie „Caritas-Pirckheimer-Haus“mit seinerhervorragenden Verpflegung, mit seinerLage mitten in der Fußgängerzonevon Nürnberg und das Ambienteder mittelalterlichen Stadt mit einemoriginalen venezianischen Markt aneinem herrlichen Frühjahrswochenendedas i-Tüpfelchen für das rundumgelungene Seminar. ❏(Fotos: Burkhard Küttner)Zusätzlich wird die Botschaftsich mit dem 50. Jubiläum desZweiten Vatikanischen Konzilsund der Enzyklika „Pacem in terris“von Papst Johannes XXIII.befassen, derzufolge der menschlichenWürde und Freiheit immerder Vorrang gebührt, damiteine Gesellschaft errichtet werdenkann, die diskriminierungslosjedem Menschen dient unddas Wohlergehen aller Menschenanstrebt, auf dem allein Gerechtigkeitund echter Frieden errichtetwerden können.(ZENIT)32 AUFTRAG 286 • JULI 20122AUFTRAG 286 • JULI 201233


RELIGION UND GESELLSCHAFTRELIGION UND GESELLSCHAFT98. Katholikentag in MannheimFührungsverantwortung und FamilieVON BERTRAM BASTIANFörderkreis der <strong>Gemeinschaft</strong> <strong>Katholischer</strong> <strong>Soldaten</strong> e.V.c/o Hubert Berners, Mecklenburger Straße 11, 48317 DrensteinfurtSehr geehrte Mitglieder,hiermit lade ich Sie zur Mitgliederversammlung 2012 des Förderkreises der <strong>Gemeinschaft</strong><strong>Katholischer</strong> <strong>Soldaten</strong> e.V. ein.Termin: 13. September 2012Zeit:13:00 UhrOrt:Best Western Hotel Steglitz InternationalSchlossstraße / Albrechtstraße 212165 BERLINKosten: sind selbst zu tragen, einschließlich Fahrtkosten.Tagesordnung:1. Berichte des Vorstandes2. Bericht der Kassenprüfer3. Entlastung des Vorstandes4. Wahlen:a) Kassenprüfer5. VerschiedenesMitglieder des FGKS, die an der Mitgliederversammlung teilnehmen möchten, melden sich bittebis Freitag, 24. August 2012schriftlich, per Fax (030 – 206 199 91) oder per E-Mail (bundesgeschäftsfuehrer@kathsoldaten.de)bei der Geschäftsstelle der GKS, z.Hd. Bundesgeschäftsführer, Oberstleutnanta.D. Artur Ernst, Am Weidendamm 2, 10117 Berlin.Mit freundlichen GrüßenRüdiger Attermeyer, OTLVorsitzender des FGKS48317 Drensteinfurt, im Juli 2012VorsitzenderOberstleutnant Rüdiger ATTERMEYER, Josef-Rhein-Straße 9a, 53359 RheinbachE-Mail: Bundesvorsitzender@Kath-<strong>Soldaten</strong>.deStellv. Vorsitzender Oberstabsfeldwebel Peter STRAUß, Hopfengarten 2, 90584 AllersbergSchatzmeister Oberstabsfeldwebel a.D. Hubert BERNERS, Mecklenburger Straße 11Tel.: 02508 – 98 46 39, mobil: 0152 - 53 65 69 10 E-Mail: FGKS@Kath-<strong>Soldaten</strong>.deUnter diesem Motto bereitete federführend der Bund <strong>Katholischer</strong> Unternehmer am Freitag, den 18.05.12 einPodium vor. Vertreten wurde die Politik durch die Ministerpräsidentin des Saarlandes, Annegret Kramp-Karrenbauer,die Industrie durch den Seniorchef der Götz-Dienste, Karlheinz Götz als Selbstständiger, die Geschäftsführerinder Vinzenz von Paul Klinik, Monika Röther als Leitende Angestellte und für die Streitkräfte Generala.D. Karl-Heinz Lather. Die Moderation hatte der Geschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Handwerkes,Karl-Sebastian Schulte.In der ersten Fragerunde drehte sichdie Frage um die Zeit und die Zeiteinteilung.Der Moderator fragte die Diskussionsteilnehmer,ob denn die allgemeineVorstellung, eine Führungskrafthabe nur Zeit für den Beruf und keineZeit für die Familie so stimmen würde.Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauerführte aus, das Kernproblem seidie Tatsache, dass als Führungskrafteine höhere Belastung selbstverständlichsei, das Kernproblem sei aber dienicht geregelte Arbeitszeit. Somit bliebekein definierbarer Freiraum für dieFamilie. Die verbleibende Zeit versuchtman gemeinsam zu verbringen, so wiees bei anderen Familien auch sei. GeneralLather sagte, dass durch insgesamt20 Umzüge die Familie keinen„Bezugspunkt“ habe. Man hätte immerdas Positive an der Ortsveränderung inden Vordergrund gestellt. Die Kinderhätten ohne Wiederholungen das Abiturerreicht, seine aber in gewisser Weise„heimatlos“, erklärte Lather. Nachder Pensionierung hätte die Ehefraudann die Entscheidung zugunsten derFamilie getroffen und man habe sichin der Nähe der Enkel niedergelassen.Auch der ranghohe Militär erläuterte,dass ohne die gemeinsame Anstrengungder Familie dieser Lebensweg sonicht hätte stattfinden können. Währendseiner zahlreichen Auslandsaufenthaltehabe man Verbindung gehalten,zuerst mit Brief, dann mit Internetund Satellitentelefon. Ebenso habe derArbeitgeber, die Bundeswehr, darausRückschlüsse gezogen für die Ausbildungund Erziehung des Offiziernachwuchsessowie auf die soziale Problematikdieser Fragestellung. Frankreichsei in dieser Beziehung schon deutlichauch mehr Kompromissbereitschaft bedeute,es gebe ein klares Karriere oderFamilie, keine Mischform, erklärte MonikaRöther.Eine andere Sicht auf diese Dingegab Karlheinz Götz vor. Bei ihm ineinem Familienbetrieb war die Firmavon Anfang an eine Sache der ganzenFamilie, so dass eine klare Trennungstets unterblieb. Immer mussten alleanpacken und so sei seine Frau diedienstälteste Mitarbeiterin der gesamtenBelegschaft. Sein Sohn, der 2011das Unternehmen übernommen hat,und seine Schwiegertochter brächtensich ebenfalls ganz in die Firma ein.Dabei läge ein Schwerpunkt für dieKindererziehung naturgemäß bei denweiblichen Mitgliedern der Familie.Man helfe sich gegenseitig, wenn dieMutter im Betrieb gebunden sei, sprängedie Schwiegermutter und Großmutterein. Als Ergebnis nannte Götz, dasdie intakte Familie auch zu diesem intaktenBetrieb geführt habe, wobei sichjeder seiner Verantwortung bewusstgewesen sei.Dies war eine gelungene Überleitungin die zweite Fragerunde desModerators, wie denn der Beruf in dieFamilie hineinwirken würde. MinisterpräsidentinKramp-Karrenbauer sagte,dass es sehr wohl zwei Welten gäbe,die man auch zu trennen versuche. Sogehe sie am Wochenende gerne maleinkaufen, um die Bodenhaftung nichtzu verlieren, aber dabei würde sie natürlichals Politikerin von den Bürgernangesprochen, die diese Möglichkeitzum Gespräch nutzen würden. Generellgäbe es keinerlei Denk- oder Redeverbote,aber gerade in Zeiten desWahlkampfes sei es schwierig, da dieFamilie unter teilweise heftigen Angriffender jeweiligen politischen Gegnermitleiden würde. Dann sei eine Trenvonrechts: Ministerpräsidentin des Saarlandes Annegret Kramp-Karrenbauer, Seniorchef der Götz-Dienste Dr Karlheinz Götzweiter, schloss der General.Dies bestätigte Monika Röther , diewährend ihrer Zeit des Studiums an derSorbonne die französischen Verhältnissekennenlernte. Betreuungsgeld undKindertagesstätten seien in Frankreichnie ein solch beherrschendes Themagewesen wie jetzt in Deutschland, sondernin der Regel seien beide Elternteileberufstätig und die durchschnittlicheFamilie hätte drei Kinder. Somit seifestzustellen, dass in der französischenGesellschaft eine hohe Akzeptanz sowohlder Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmervorherrsche, flexibel aufdie Herausforderungen der Berufstätigkeitund der Familienversorgung zureagieren. Dabei sei aber deutlich herauszustellen,dass mehr Verantwortung34 AUFTRAG 286 • JULI 2012AUFTRAG 286 • JULI 201235


RELIGION UND GESELLSCHAFTRELIGION UND GESELLSCHAFTnung geradezu geboten, um die Einwirkungennicht überhand nehmen zu lassen.Sie wies darauf hin, dass zukünftigeine Vereinbarung von Arbeits- undPflegezeit zunehmen würde, denn diessei eines der größeren Probleme in dernahen Zukunft. Hier sei ebenso Flexibilitätvon beiden Seiten gefordert, umdie Situation der Betroffenen zu meistern.Monika Röther führte aus, dass imGesundheitswesen der Arbeitgeber fürdie Rahmenbedingungen zuständig sei,der Arbeitnehmer habe die Bringleistungfür sein Gehalt die entsprechendeLeistung zu erbringen. Ein Modell mitTeilzeitangebot für Chefärztinnen würdezwar von den in Frage kommendenÄrztinnen geschätzt, die Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter sehen sich dannmit zwei Vorgesetzten konfrontiert, diewechselseitig das Sagen haben. Diesführe zu Unruhr unter den Beschäftigten,die nicht erwünscht sei.Für die Bundeswehr gelten dieGrundregeln des Öffentlichen Dienstes,erklärte General Lather, warumdie Armee hier nicht eine Vorreiterrolleeinnehmen könne. Solche Angeboteseine ebenso von der jeweiligen Positionabhängig. Man sei zwar keine Inselvon Befehl und Gehorsam, habe darüberhinaus die Besonderheit von Tod undVerwundung zu berücksichtigen, aberdie Bundeswehr beobachte genau dieEntwicklung auch in anderen Armeen.Karlheinz Götz brachte zum Ausdruck,dass schon 1967 mit einem Personalbestandvon knapp 200 Mitarbeiterinneneine Flexibilisierung notwendigwar. Darüber hinaus habe die Leitung98. Katholikentag in Mannheimimmer größten Wert auf Weiterbildungder Mitarbeiterinnen und deren Wiedereingliederungnach Familienzeitengelegt. Mit dieser Firmenphilosophieseien die Götz-Dienste beständig gewachsen,was für die Richtigkeit derMaßnahmen spräche.Auf die Frage aus dem Publikumnach einer Vorreiterrolle für den ÖffentlichenDienst erklärte die Ministerpräsidentindes Saarlandes, dass ein einheitlichesModell im föderalen Deutschlandgar nicht möglich sei, es käme auf diejeweiligen Länderregierungen an, die jaArbeitgeber sein. Ein Selbstständigeraus dem Publikum fragte die Podiumsteilnehmer,wie denn die Wirtschaft denständigen Ruf nach mehr Staat sähe.Schließlich sei doch eine gute Familienpolitikauch ein Standortvorteil. DiesemArgument konnten die Wirtschaftsvertreterwohl zustimmen, aber die Wirtschaftsei für Familienpolitik eben nichtzuständig. Die Politikerin fügte hinzu,dass die Eigenschaft in Deutschlanddie Dinge entweder schwarz oder weißzu sehen, die Lage nicht einfacher mache.Politik könne nur Rahmenbedingungschaffen, die aber den Betriebendie notwendige Freiheit lassen müsse,damit der Unternehmer auch „unternehme“,sprich Entscheidung fällenkönnen, wie in seinem Betrieb die geforderteFlexibilisierung aussehen könne.Einig war sich das Podium am Schlussmit dem Publikum, dass es das Ziel sei,Von links: Monika Röther, Geschäftsführerin der Vinzenz-von-Paul-Kliniken,Karl-Heinz Lather, General a.D.Verbände in der KircheOrt des Aufbruchs oder DenkmalVON BERTRAM BASTIANMöglichkeiten zu schaffen, das Familienbildzu leben, welches dem Einzelnenvorschwebe. Dazu gehöre unbedingtdas Angebot von festen Strukturen zurWahlfreiheit. Entscheidend sei dabei,dass von den Führungskräften gehandeltwerde. Nicht auf Verordnungenwarten, sondern machen, lautete dasResumée. ❏(Fotos: Bertram Bastian)Am Samstag, den 19.05.12 diskutierten vom Kolping Diözesanverband Köln Katja Joussen, der SozialethikerProf. Dr. Gerhard Kruip, Christa Nickels aus dem ZdK und der Essener Bischof Dr. Franz-Josef Overbecküber die Stellung der katholischen Verbände in Deutschland. Diese waren im Untertitel als „KatholischeOrganisationen zwischen Tradition und Zukunftsgestaltung“ bezeichnet worden. Die Moderation hatte MarkusLeitschuh aus Kassel und die Gruppe zwischenFall aus Leipzig umrahmte diese Podiumsdiskussion musikalisch.Nach einem kleinen Rollenspiel,welches auf das Thema hinführte,sprach in der ersten GesprächsrundeProf. Kruip über die Entstehungsgeschichteder katholischen Verbändein Deutschland. Die Gründungen er-folgten teils aus sozialen Schieflagen(Kolping), teils zur Festigung des katholischenMilieus (Cartellverbände).Und genau darin sah der Redner dasProblem: für die Schieflagen sorgtensich die Politik (mit dem Verfassungsgericht)und ein katholisches Milieugäbe es nicht mehr, zumindest nichtin dem ausgeprägten Maße wie früher.Somit sei die Grundlage der katholischenVerbände verschwunden, bzw.im Schwinden begriffen. In der heutigenZeit komme es darauf an, zeitlichDas Podium bei den Abschlussbemerkungen. Von links: Christa Nickels,Katja Joussen, Bischof Franz-Josef Overbeck, Prof. Gerhard Kruip,Moderator Marcus Leitschuhbefristete Initiativen aufzugreifen, umauf den Verband aufmerksam zu machen,damit auch eine gezielte Nachwuchswerbungerfolgen könne. Dieneuen gesellschaftlichen Probleme wieKlimawandel und Migration beschäftigeheutzutage die Menschen, erläuterteProf. Kruip und fügte hinzu, dass IntegrationDienst an der Gesellschaft sei,somit Diakonie bedeute. Katja Joussenergänzte, dass bei dieser Beteiligungan der Lösung der gesellschaftlichenProbleme die Profilierung durch dieKatholische Kirche wesentlich sei,um sich von den anderen „Kümmerern“abzugrenzen. Einig waren sichdie beiden Vortragenden, dass einigesabsterben werde, aber es werde auchNeues kommen. „Man darf durch Trauerüber das „Wegsterben“, nicht demNeuen im Weg stehen“, schloss Prof.Kruip seinen Beitrag. Katja Joussenging dann näher auf die Jugendlichenin den Verbänden ein, und betonte,dass man diese Gruppe nur gewinnenkönne, indem man auch ihre Themenaufgreife. Das Thema Mitbestimmungund Mitgestaltung der Gesellschaft seifür die Jugendlichen äußerst interes-sant, da es sich um ihre Zukunft handele,es müsse nur so erklärt werden,dass diese Gruppe es auch verstünde,war das Anliegen der Rednerin.In der zweiten Gesprächsrundeführte Bischof Overbeck aus, dass dieNeuorientierung der Verbände nichtdazu führen dürfe, die alten TugendenDisziplin und Treue nicht weg zu reformieren.Man müsse auch zu einerSache stehen, wenn es schwierig sei,erklärte der Essener Bischof. Dabeisollte – wie schon in der ersten Rundeerwähnt – die Identität der Kirchenicht verloren gehen. Verbände solltenruhig kritisch sein, erklärte Dr. Overbeckweiter, schließlich stünden dieBischöfe mitten im Leben und könntenso die Kompetenz und das Wissender Verbände dazu benutzen, etwaszu bewegen. Am Beispiel Opel inBochum erklärte er, dass der Bischofallein nicht wahrgenommen würde,wenn aber Bischof und die Verbändezu einer Sache Stellung nähmen, seidas Echo schon deutlich größer. DieGesellschaft in Deutschland habe dreigrößere Umbrüche erlebt, nahm er denGedanken von Prof. Kruip auf, dieGründung der Republik um 1950, diegesteigerte Wahrnehmung und Bedeutungder Ökologie um 1980 sowie jetztdie Globalisierung um 2010. Deshalbsei es in keinster Weise erstaunlich,dass Kirche selbst ebenfalls vor Umbrüchenstünde, man müsse sich vonaltem trennen, um neues aufbauen zukönnen. Christa Nickels stimmte demBischof zu, fügte aber den Punkt hinzu,dass auch Widerborstigkeit erwähntund gelebt werden müsse. Nur in einerguten Diskussionskultur würdendie Argumente des Anderen auch beachtetund gewichtet, fügte die ehemaligeStaatssekretärin hinzu mit Blickauf den Dialogprozess, den sie als Mitgliedim Zentralkomitee der deutschenKatholiken genau verfolge. Extrempositionenführten zu Verwerfungen,führte sie als Erläuterung aus. DieLaien in den Verbänden seien ebensoKirche und würden mit der Kirchemitleiden. Deshalb sei es wichtig, dasssie auch entsprechend Gehör fänden.Sie griff die Ausführung von BischofOverbeck auf, dass Verbände Trägerdes Wissens seien und erklärte weiter,die Verbände schaffen durch ihre PapierePositionen, die nicht nur in diePolitik sondern auch in die Wirtschaftwirken würden, gerade was die Globalisierungangehe. Aber nicht nur dies,auch der Lebensschutz am Anfang undam Ende des Lebens, von ihr die Spiraleder Lebenswertigkeitsabschätzunggenannt, seien Themen, bei denen dieSachkompetenz der Verbände gefragtseien. Als weiteres Beispiel nanntesie das Projekt „Kulturmittlerin“, beider ein Tandem, bestehend aus einerFrau mit Migrationshintergrund undeiner Frau aus dem Verband, den neueingereisten Mitbürgerinnen Hilfestellunggebe, um sich zurecht zu finden.Dies war auch Konsens bei denPodiumsteilnehmern, dass in diesemSinne christliche Praxis gezeigt undgelebt würde. Prof. Kruip drückte esso aus: „Intern diskutieren und nachaußen das Gemeinwohl stärken“. BischofOverbeck kam auf den Dialogprozesszurück und auf die Teilhabe anÄmtern. Man solle den Dialogprozessnicht ausschließlich an den Ämternfestmachen, wobei man die rechtlichdogmatische Frage: „Was ist Amt?“nicht aus den Augen verlieren dürfe,damit beide Seiten vom Gleichen redenwürden.Musikalisch bereitete die GruppezwischenFall diesem interessantenPodium einen herrlichen Abschluss.(Zu dem Thema „Akademikerverbände– quo vadis“ hielt Dr. JakobJohannes Koch bei der Jahreshauptversammlungder KatholischenAkademikerarbeit Deutschlandsim Jahr 2010 den gleichlautendenVortrag, der im AUFTRAG281 ab Seite 34 erschienen ist. DieRedaktion) ❏(Foto: Bertram Bastian)36 AUFTRAG 286 • JULI 2012AUFTRAG 286 • JULI 201237


KIRCHE UNTER SOLDATENKIRCHE UNTER SOLDATEN98. Katholikentag in MannheimFriedensethik trifft SicherheitspolitikVerteidigungsminister de Maiziéreund Militärbischof Overbeck auf dem PodiumAm Tag der Militärseelsorge, am 18. Mai 2012 stelltensich der Bundesminister der Verteidigung, Thomasde Maiziére und der Katholische Militärbischof, Dr.Franz-Josef Overbeck im Gemeindesaal der KirchengemeindeSt. Antonius einem Podiumsgespräch. Vorangegangenwar ein feierliches Pontifikalamt (Bild 1) in dervoll gefüllten Kirche St. Antonius mit einer Vielzahl von<strong>Soldaten</strong> und Soldatinnen, an deren Spitze der Bundesministerder Verteidigung stand, sowie aber auch vieleGäste aus Politik und Wirtschaft. Das Podiumsgespräch„Friedensethik trifft Sicherheitspolitik“ wurde eröffnetdurch den Moderator Christian Thiels, Korrespondentdes Südwestdeutschen Rundfunks im Berliner ARD-Hauptstadtbüro (Bild 2, Mitte).Bild 1Thiels begann mit der Aussage Martin Luthers: „Wernichts gibt, gibt einen Kriegsmann“ und formulierte daraus,dass diese Bemerkung den vermeintlichen Grundkonfliktdemonstriere zwischen den christlich biblischenFriedensgebot auf der einen Seite und den, für den dasMilitär da ist auf der anderen Seite, denn am Ende gehees darum, dass <strong>Soldaten</strong> kämpfen töten und sterben müssten.„Das ist das, was jeden gläubigen Christen bzw. Menschenumtreibt und in der Diskussion sicherlich starkbewegt,“ so Thiels und er stellte die bedeutende Frage:„Kann ein Christ auch Kämpfer sein, kann der Inhaberder Befehls- und Kommandogewalt, denn so lautet einerder offiziellen Titel des Verteidigungsministers, kann erals gläubiger Christ verantworten, wie Sicherheitspolitikfunktioniert.“ Mit dieser Fragestellung übergab Thielsan den Militärbischof und bat ihn um dessen Statement.VON RAINER ZINKStatement Militärbischof:Verhältnis zwischen Friedensethik und SicherheitspolitikAuf die Frage, wie das Verhältnis zwischen Friedensethikund Sicherheitspolitik bestimmt ist, wies derMilitärbischof auf einige Schriften der deutschen Bischöfehin: Zum einen sprach er an den Text von 2000 „GerechterFriede“, als zweiten Text von 2005 stellte er heraus „<strong>Soldaten</strong>als Diener des Friedens“ und letztlich erwähnte erden Text von 2011 „Terrorismus als ethische Herausforderung“.In all diesen Schriften könne man nachlesen undfeststellen, dass der staatliche Sicherheitsauftrag ausdrücklichvon uns gewürdigt wird und zwar in der staatlichenVerantwortung für die Sicherung aller Menschenrechte zusorgen, so der Bischof. Sicherheitspolitik und der Sicherheitsbegrifferfuhr eine deutliche Änderung. Die Erhaltungeiner national staatlichen Unabhängigkeit auf der einenSeite, der Schutz vor militärischerGewalt andererseitsaber auch die Kriegsverhütunghätten die Zielestaatlicher Sicherheitspolitikdeutlich verändert.So gebe es darüber hinausviele weitere Konfliktursachen,wie der ungleichenVerteilung von Lebensgüternund Lebenschancenauf diesen Ebenen, ebensoaber auch ökologische Gefahren,kulturell ethnischeDisparitäten und religiöseHerausforderungen, führteder Bischof fort und erkam deshalb zu der Feststellung,dass der verstandeneumfassende Sicherheitsbegriffder kirchlichenFriedensethik undder Politik erst mal nicht kontrovers sei. Friedensethikund Sicherheitspolitik hätten weitestgehend einen gemeinsamenInhalt, der in der Identifizierung der vielfältigenKonfliktursachen und der Analyse von Mitteln derUrsachenbeseitigung bestehe. Allerdings sei Friedensethikzum Schutz der Menschenrechte eine Forderung der Gerechtigkeit,die auch dann dazu verpflichtet, wenn das Sicherheitsinteresseerlahmt und darin sei letztendlich derUnterschied zu sehen, resümierte der Bischof.Unterscheidung der sicherheitspolitischenund friedensethischen PerspektiveDie Unterscheidung zweier Perspektiven, der sicherheitspolitischenund der friedens-ethischen sei missverstanden,wenn sie als Alternativen gedeutet werden,zwischen denen gewählt werden kann, denn der Anspruchder Ethik sei umfassend und schließe keinen menschlichenHandlungsbereich aus, erwähnte der Bischof im zweitenPunkt seines Statements. Auch politisches Handeln unterliegeder ethischen Beurteilung, jedoch werde der universaleAnspruch der Ethik von nicht wenigen als weltfremdverneint. Die Ethik produziere normative Handlungserwartungen,die im Konflikt mit den harten Fakten, den privatenoder staatlichen Interessen immer auf verlorenem Postenstehe. Ethik negiere nicht eine staatliche Politik der Interessenverfolgungund Interessendurchsetzung, sondernverlange deren ethische Reflexion und schlussendlich seieine Interessenpolitik dann ethisch reflektiert, die in derVerfolgung von Partikularinteressen die legitimen Rechteund Interessen aller anderen anerkennt und nicht verletzt,so Bischof Overbeck.WeltgemeinwohlIn seiner dritten Aussage bemerkte der Militärbischof,dass in der Sicht der kirchlichen Friedensethik sich eineethisch reflektierte Interessenpolitik durch Orientierungam Weltgemeinwohl auszeichne. Verstanden werde diesesGemeinwohl als „Gesamtheit jener gesellschaftlichen Bedingungen,die einer Person ein menschenwürdiges Lebenermöglichen“ (Gerechter Friede Nr. 62).Souveränitätsverzicht der StaatenIn der friedensethischen Tradition der Kirche werdeder Mangel an effizienten Mitteln bei der Durchsetzungdes Völkerrechts kritisiert, denn eine wirksame Rechtsdurchsetzungsetze einen Souveränitätsverzicht der Staatenvoraus, und dies könne einen Interessenkonflikt zurFolge haben, so dass ein Souveränitätsverzicht illusorischerscheine, resümierte Bischof Overbeck und er bezog sichdabei auch auf eine Rede des Heiligen Vaters: „ In seinerAussprache vor dem Internationalen Gerichtshof in DenHaag am 13.05.1985 bezeichnete Papst Johannes Paul II.die Forderung nach Souveränitätsverzichten als realistischund vernünftig, weil die Staaten in vielen ihrer Interessenübereinstimmen.“InteressenpolitikIm letzten Abschnitt erwähnte der Bischof, dass Friedensethikauf die Kraft rationaler Argumente vertraue unddamit verbunden sei die Ausbildung einer praktischen Urteilskraft,also Klugheit. Politische Klugheit bestehe jedochnicht darin, eigene Interessen geschickt durchzusetzen,sondern dabei auch die Interessen anderer zu beachten.Ein anspruchsvoller, ethisch reflektierter Begriff von Interessenpolitiksei ein dringendes Desiderat für den sicherheitspolitischenDiskurs. Mit der Aussage: „Wo im politischenAlltag Konflikte zwischen Interessendurchsetzungund moralischen Forderungen entstehen und zugunstender Interessen gelöst werden, ist dies in aller Regel nichteinem Mangel an Moral, sondern einem Mangel an Klugheitgeschuldet,“ endete der Militärbischof sein Statement.Bevor der Moderator Christian Thiels das Wort an denBundesminister der Verteidigung weitergegeben hat, hater noch darauf hingewiesen, dass es für den Minister eineHerkulesaufgabe sei, zwei Anliegen zusammenzubringen,zum einen den christlich-moralischen Anspruch, den erselbst als Christenmensch habe und zum anderen das, waswir als Realpolitik bezeichnen.Statement Verteidigungsminister:DVerhältnis zwischen Friedensethik und Sicherheitspolitiker Minister begann in seinem Statement mit Bemerkungenauf die vorangegangenen Ausführungen desMilitärbischofs und stimmte in seiner ersten Bemerkungdem Bischof ausdrücklich zu: „Der umfassende Sicherheitsbegriffist zwischen kirchlicher Friedensethik undPolitik nicht kontrovers“. Dazu erwähnte de Maiziére, dassdie Friedensethik die Sicherheit aus ethischer Perspektiveund die Sicherheitspolitik die Sicherheit aus strategischerPerspektive umfassend begreife. Dabei könne eine nachhaltigeLösung von Konflikten nur mit der Bekämpfungder Ursachen erreicht werden und der umfassende Sicherheitsbegriffführe zum Ansatz „Vernetzte Sicherheit“ füreffiziente Begegnung sicherheitspolitischer Herausforderungen.„Wir haben ein unterschiedliches Verständnis: DieKirchen verwenden eher den Begriff Frieden, was ihrempastoralen <strong>Auftrag</strong> entspricht und ihr Selbstverständniszum Ausdruck bringt. Regierungen verwenden, eher denBegriff „Sicherheit“, was ihrem politischen <strong>Auftrag</strong> entspricht“,und interessanterweise spräche die Charta derVereinten Nationen davon, den Weltfrieden und die InternationaleSicherheit zu wahren, so der Minister.Unterscheidung der sicherheitspolitischenund friedensethischen PerspektiveDie zweite Bemerkung des Bischofs „Der Schutz derMenschenrechte ist eine Forderung der Gerechtigkeit,die auch dann noch zum Handeln verpflichtet, wenn das(Sicherheits-) Interesse erlahmt“. Diese Aussage gehe demMinister vielleicht zu weit und darüber müsse diskutiertwerden. Zudem sei bei dieser friedensethischen Forderungder neue völkerrechtliche Gedanke oder das Instrumentder „Responsibility to Protect“ anbei. Zum Rechtsinstitutstellte sich de Maiziére die folgenden Fragen: „Werist zur Intervention verpflichtet? Bedeutet das Recht zurIntervention gleichzeitig die Pflicht zur Prävention“? DerMinister erklärte, dass wir innenpolitisch gemäß Artikel1 des Grundgesetzes eine solche Verpflichtung hätten, allerdingsaußenpolitisch würden selbst bei Verstöße gegenMenschenrechte weitere Prüfkriterien entwickelt werdenmüssen, ob wir uns an solchen Interventionen beteiligensollten.Interessenpolitik, Teil 1Bei der dritten Bemerkung „Ethik negiert nicht einestaatliche Politik der Interessenverfolgung und -durchsetzung,sondern verlangt deren ethische Reflexion“ befandder Minister, dass dies ein wichtiger Hinweis auf Gültigkeitund Anwendbarkeit ethischer Grundsätze in dieserWelt sei. „Ethik ist angewandte Moral, Übersetzung moralischerGrundsätze in praktische Handlungsoptionen“und „Ethik darf nicht weltfremd sein“ und müsse immerin Verbindung mit Verantwortung stehen. Darüber hinausbedankte sich der Minister beim Militärbischof für seineDefinition, wann Interessenpolitik als „ethnisch reflektiert“bezeichnet werden könne und er zitierte den Bischof noch38 AUFTRAG 286 • JULI 2012AUFTRAG 286 • JULI 201239


KIRCHE UNTER SOLDATENKIRCHE UNTER SOLDATENmal „…wenn die Verfolgung von Partikularinteressen dielegitimen Rechte und Interessen aller Anderen anerkenntund nicht verletzt.“WeltgemeinwohlDie Aussage des Bischofs „Eine ethisch reflektierte Interessenpolitikzeichnet sich durch Orientierung am Weltgemeinwohlaus“ sei dem Minister allerdings zu abstraktund die Definition des „Weltgemeinwohls“ sei vielleichtauf einzelne Menschen möglich, nicht aber auf Staat undBündnisse. Insbesondere die katholische Kirche könne vordem Hintergrund ihrer umfassenden Botschaft und ihrerlangen Geschichte als internationale Organisation viel zurVermittlung des Konzepts von internationaler Verantwortungbeitragen, referierte der Minister und er spräche liebervon ethisch gebundener internationaler Verantwortungals Maxime von Sicherheitspolitik als von einer Verfolgungdes Weltgemeinwohls.Bild 2Souveränitätsverzicht der StaatenDie nächste Bemerkung des Bischofs „Die Forderungnach wirksamer Durchsetzung internationalen Rechts hat ihrRational in wohl verstandenen Eigeninteresse der Staaten“stimmte der Minister ausdrücklich zu. Der Verzicht auf Souveränitätsrechteberühre das Selbstverständnis von Nationenund sei deshalb ein politisch sensibles Thema. Dennochhabe jeder Staat, der den Vereinten Nationen beigetreten istauf Souveränitätsrechte verzichtet, wenn die Voraussetzungenfür ein Eingreifen der Vereinten Nationen auch gegenüberdem Staat vorlägen. Auch hierzu stellte der Ministersich die folgenden Fragen: „Ist die Anwendung von Gewaltethisch und rechtlich erlaubt und nach welchen Kriteriengeht es, wenn wir Menschenrechtsverletzungen entgegentretenwollen, kein UNO-Mandat vorliegt und die Berufungauf Responsibility to Protect als UNO-Mandat nicht gegebenist, weil es etwa keine Resolutionen im Sicherheitsrat gibt?“Interessenpolitik, Teil 2Den weiteren Punkt des Bischofs „Die kirchliche Friedensethiksteht in der Tradition des Naturrechts, das, unabhängigvon Offenbarung und Glaubensgewissheit aufdie handlungsorientierte Kraft rationaler Argumente vertraut“,fand der Minister sehr gut, weil dies die natürlicheBrücke zu den Nichtchristen sei. Es eröffne ferner einegemeinsame Diskussionsgrundlage über alle Fragen, dieman dann unterschiedlich herleiten könne und das bräuchtenwir in einer zunehmend säkularisierten Gesellschaft,rezitierte der Minister.AMilitärische Einsätzem Ende seines Statements kam der Minister nochmalszu den militärischen Einsätzen und erklärte,dass oft darüber ausgedrückt würde, dieseeröffneten eine Spirale der Gewalt und seien verfehlt.Hierzu zitierte de Maiziére eine kürzlich gehörtePredigt über Johannes 10, den „guten Hirten“:„Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben fürdie Schafe. Wer Mietling und nicht Hirte ist, wer die Schafenicht zu eigen hat, siehtden Wolf kommen und verlässtdie Schafe und flieht.Und der Wolf raubt undzerstreut sie, weil er einMietling ist und sich umdie Schafe nicht kümmert.Ich bin der gute Hirte, undich kenne die meinen undbin gekannt von den meinen,wie der Vater michkennt und ich den Vaterkenne. Und ich lasse meinLeben für die Schafe. Undich habe andere Schafe,die nicht aus diesem Hofsind. Auch diese muss ichbringen und sie werdenmeine Stimme hören undes wird eine Herde und einHirte sein“. Dies sei ein harter Ausspruch, sein eigenesLeben für die Schafe zu lassen, wenn man der Hirte istund es stelle sich die Frage, wer zur Herde gehöre, aberGewaltlosigkeit und Risikolosigkeit könne nicht Gegenargumentvon Einsätzen sein. Allerdings mache die Bundeswehrjetzt sogar was anderes, denn sie beauftragt biszu zehn unbewaffnete deutsche <strong>Soldaten</strong> nach Syrien mitdem Ziel, dort zum Frieden beizutragen. Das bedeute jetztnicht, kämpfen und töten zu müssen, sondern da zu seinund alleine durch das Dasein ein Risiko zu haben.IEthische Grenzen und Notwendigkeiten im Einsatzm letzten Punkt führte der Minister aus, dass es unssehr schwer falle mit der Frage, wann ein Einsatz gebotensei. Allerdings mache man sich keine Gedankenüber ethische Grenzen und Notwendigkeiten im Einsatz.Ferner erklärte der Minister, dass die Militärgeistlichendie <strong>Soldaten</strong> auf hervorragender Weise begleiteten und erstellte sich die Fragen: „ Gibt es so etwas wie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatzethisch im Einsatz“ und „Wo istdie ethische Reflektion notwendigen militärischen Handelnsnicht nur vor dem Einsatz oder zur Begründung einesEinsatzes, sondern auch im Einsatz“. Mit dem Wunsch, inden nächsten Jahren auch darüber in eine vertiefende Diskussionzu kommen, endete der Minister sein Statement.In der anschließenden Podiumsdiskussion wurden überdieses sehr komplexe Thema „Friedensethik trifft Sicherheitspolitik“noch viele interessante Fragen gestellt. Dabeikonnte beobachtet werden, dass viele Übereinstimmungenvorhanden waren, wenn sowohl Kirche aber auch Politikdie Verantwortung der Christen in den Mittelpunkt ihrerÜberlegungen stellten. Spannend wurde es nochmals beiZentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK)Am Vorabend des Katholikentagesder Frage um die Bekämpfung der Hungersnot in Somalia.Hier sprach der Militärbischof von einem „unerträglichemDilemma“ und er verdeutlichte, dass alles getan werdenmüsse, dass Menschen nicht verhungerten.Mit viel Geschick hat der erfahrene Moderator Thielsdieses Podiumsgespräch gelenkt, sich anschließend beiden beiden Protagonisten bedankt und mit den Klängendes Bläserquintetts des Luftwaffenmusikkorps 2 aus Karlsruheendete diese Veranstaltung. ❏(Fotos: B.Bastian, R.Zink)VON JOACHIM LENSCH 1Die letzte Vollversammlung des ZdK fand am 15. und 16 Mai 2012 in Mannheim statt. Die Veranstaltungstand ganz im Rahmen des 98. Deutschen Katholikentages. Der Katholikentag findet in einer Zeittief greifender Veränderung in Kirche und Gesellschaft statt. Zugleich erleben wir in der Welt vielfältigenWandel. In dieser Situation braucht es Männer und Frauen die sich mit Mut und Gottvertrauen engagieren. AlleThemen, die uns in der Kirche und in der Gesellschaft berühren, waren Thema von Beratungen und Veranstaltungenbeim Katholikentag. So lautete das Motto: Lasst uns gemeinsam „Einen neuen Aufbruch wagen!“ – hierin Mannheim beim Katholikentag und überall in unserer Kirche und unserer Gesellschaft.Präsident Alois Glück berichtete zur LageE r1 sprach von den Sorgen über die Entwicklung Europas,die Schuldenkrise erschüttert viele Mitgliedsländer.Dabei ist Deutschland anscheinend eine stabile Inselin einem stürmischen Umfeld. Die gegenwärtige AusnahmesituationDeutschlands sollte uns aber nicht zu der Illusionführen, dass wir eine Insel der Seligen sein können.In Europa sitzen wir alle in einem Boot. Deutschland ist alsfinanzstarkes Land nicht einseitig zur Solidarität aufgefordert,sondern es lebt vom Funktionieren des Gesamtsystems.Wir haben die Wahl, ob wir diese Entwicklungen einfachabwartend und dann leidend hinnehmen wollen, oder obwir sie aktiv gestalten, so Präsident Glück. Sich in diesemSinn zu engagieren, ruft das ZdK insbesondere alle Christenauf: „Unsere Antwort auf die Krisen in Kirche, Staat undGesellschaft ist nicht Resignation, sondern Engagement“.Die positive Lage in Deutschland verdanken wir aucheinem außerordentlich stabilen Demokratie und Staatsgefügein dem rechtspopulistische Strömungen weithinabgelehnt werden. Die Testfrage der Christen gegenüberrechtspopulistischen und rechtskonservativen Gruppierungenmuss sein: Welches Menschenbild haben sie undwie halten sie es mit der Würde gerade der Menschen, dienicht ihren Normen entsprechen? „Christen müssen eineklare Grenze ziehen auch gegenüber Gruppierungen, diedie ‚christlich-abendländischen Werte‘ im Namen des Konservativenbeschwören und gleichzeitig die Würde andererMenschen nicht achten“; so Glück wörtlich.1 Oberstabsfeldwebel Joachim Lensch ist Vorsitzender desPfarrgemeinderates beim Militärpfarramt Bonn und im ZdK einerder drei Delegierten des Katholikenrates beim KatholischenMilitärbischofNichts hat die Welt in den letzten 20 Jahren so sehrverändert wie die modernen Kommunikationsmittel. DasInternet ist ein großartiges Mittel für Wissensbeschaffungund Information, ebenso für die Mobilisierung von Menschenwie die Entwicklung in den arabischen Länderngezeigt hat.Die Stärke der Piratenpartei führt Präsident Glück daraufzurück, dass deren Entwicklung sicherlich Ausdruckeines Unbehagens an der etablierten politischen Kulturist. Sie muss aber erst noch den Beweis der politischenHandlungsfähigkeit antreten.Im Bereich Familienpolitik sprach Glück davon, dassin den Medien und der Politik zum Teil erbittert über dasBetreuungsgeld mit einer bedenklichen Tendenz diskutiertwird. Glück brachte noch einmal den Vorschlag desZdK ins Gespräch, das sich für eine stärkere Anerkennungder Erziehungsleistung aller Eltern von unter dreijährigenKleinkindern ausgesprochen hatte. Dabei gehe es nicht umeine Kompensation für nicht in Anspruch genommene öffentlichgeförderte Betreuungsangebote, sondern um dieUnterstützung aller Eltern bei der Finanzierung der vonihnen gewählten Betreuungsform in der ersten Lebensphaseihres Kindes.Zur Situation in unserer Kirche führte er aus, dassdiese mehr ist als die Summe ihrer Defizite. In unsererKirche und im Namen der Kirche, aber auch durch Katholikinnenund Katholiken, die in ihrer eigenen Verantwortungals Bürgerinnen und Bürger handeln, geschiehtviel Großartiges und gibt es viele positive Entwicklungen.Das müssen wir uns vor Augen halten um nicht zu einereinseitigen und damit auch verzerrenden Betrachtungsweisegelangen. Präsident Glück geht davon aus, dass wir40 AUFTRAG 286 • JULI 2012AUFTRAG 286 • JULI 201241


KIRCHE UNTER SOLDATENKIRCHE UNTER SOLDATENin den nächsten Jahren in einem Zeitfenster sind, in demsich für die weitere Entwicklung der katholischen Kirchein Deutschland viel entscheiden wird. Dafür sieht er zweiEntwicklungen: Die weitere Entwicklung bei den Seelsorgestrukturen,insbesondere auf der Gemeindeebene, undden weiteren Verlauf des Dialogprozesses.Glück hat vor dem Hintergrund derDiskussion um die Pfarrgemeinderäte inder Diözese Augsburg davor gewarnt, dievon der katholischen Kirche in Deutschlandgemeinsam in der Würzburger Synodegefundenen Strukturen als Maßstabeinfach zu ignorieren. „Es geht hier zentralum die künftige Aufgabenstellung derLaien. Strukturreformen wie in Augsburgwidersprechen der Feststellung von PapstBenedikt als Bischof von Rom bei der Diözesansynode,dass die Laien künftig nichtnur Mitarbeiter des Klerus, sondern Mitverantwortlichefür das Handeln und dieSendung der Kirche sind.“ Die Frage der Joachim LenschZukunft der Pfarrgemeinderäte sei nichtirgendeine überflüssige Prestigefrage, sondern eine Grundfragefür das Kirchenverständnis und eine elementare Fragestellungfür die Präsenz der Kirche in den Lebenswelten.„Zentral erreichbare Eucharistiefeiern sind noch keinErsatz für die erfahrbare kirchliche <strong>Gemeinschaft</strong> vor Ort.Es geht nicht um Versorgung mit ‚seelsorgerlichen Angeboten‘,sondern darum, dass wir in kirchlicher <strong>Gemeinschaft</strong>miteinander beten und glauben können, beten undglauben werden“, hob Glück hervor.„Mannheimer Aufruf“Unter der Überschrift „Auf Gott vertrauen und mutigaufbrechen“ hat die Vollversammlung des ZdK amDienstag, dem 15. Mai 2012 einen „Mannheimer Aufruf“zum Katholikentag 2012 verabschiedet. Der Aufruf entwirftein Leitbild einer den Menschen dienenden Kirche.Fundament und Richtschnur für alle Reformen sollen nachAuffassung des ZdK das II. Vatikanische Konzil und dieSynoden von Würzburg und Dresden sein. Hieran solltesich auch der in der deutschen Kirche begonnene Dialogprozessorientieren. Er bietet nach Ansicht des ZdK dieChance „in wechselseitigem Respekt, mit der Erfahrung derverschiedenen Glaubenswege und der Vielfalt der Frömmigkeit“den richtigen Weg zu finden. Ausdrücklich ruftdas ZdK als höchster Zusammenschluss der katholischenLaien zu mehr Toleranz und Gemeinsamkeit in der Kircheauf. Es gehe darum, das Verbindende zu suchen, das der„Vergegenwärtigung der Botschaft Jesu“ diene.Im Hinblick auf die politische und gesellschaftlicheGestaltung in Deutschland, Europa und weltweit fordertdas ZdK die Entwicklung einer zukunftsfähigen Kultur.Der Klimawandel, die Energieversorgung, die Globalisierung,die Einigung Europas, die Verteilung von Armutund Reichtum, Welternährung und demografischer Wandelseien Herausforderungen, die deutlich machten, dass„der Fortschritt eine neue Richtung, eine neue Qualität“braucht. Dieser solle sich an den Prinzipien der ChristlichenGesellschaftslehre Personalität, Solidarität undSubsidiarität orientieren und nicht zuletzt am Leitbildder Nachhaltigkeit. „Nicht ein ‚Immer mehr‘, ein ‚Immerhöher-schneller-weiter‘, sondern ein sparsamer, schonenderUmgang mit den Gütern dieser Erde und eine sozialverträglicheEntwicklung muss unser Ziel sein“, stellt dasZdK fest. „Unser Platz ist dabei an derSeite der Bedrängten, der Opfer und derArmen“, heißt es in dem Aufruf weiter.Nicht zuletzt appelliert das ZdK für Toleranzund Verständigung: „Wir werdennie tolerieren, dass in Deutschland gewalttätigeExtremisten Menschen gegeneinanderaufhetzen und selbst vor Mordnicht zurückschrecken. Wir wollen mitknüpfenan einem Band, das die Menschenin unserem Land zusammenführt– unabhängig von Alter, Geschlecht,Herkunft, Kultur und Religion.“Gemeinsam lernen - Inklusion von Menschenmit Behinderung im BildungswesenDie Weiterentwicklung der Förderungvon Menschen mit Behinderung imSinne des Übereinkommens der Vereinten Nationen überdie Rechte von Menschen mit Behinderungen macht dasZentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) zum Thema.Inklusion entspricht nicht allein der UN-Konvention,sondern ist ein wesentlicher Bestandteil des christlichenMenschenbildes, so die am 16. Mai 2012 von der Vollversammlungdes ZdK einstimmig verabschiedete Erklärung.Inklusive Strukturen der Bildung im gesamten Lebenslaufsollen in einem Prozess, der viel Zeit und Ressourcen erfordert,entwickelt werden. Da es hierzu einer gesamtgesellschaftlichenAkzeptanz bedarf, werden die Mitgliederdes ZdK in ihren Organisationen und Räten Inklusionbreit diskutieren.Eine Facharbeitsgruppe hatte einen ausführlichenText vorgelegt, die Grundlage für die Erklärung bildet.Die Erklärung nennt Kriterien für die Gestaltung der Veränderungsprozesse,unter denen Inklusion gelingen kann.Dazu gehören die Qualitätssicherung der förderpädagogischenFachlichkeit, die Wahrung des Erziehungsrechtsder Eltern, die Aus- und Fortbildung der Lehrenden unddie räumlichen, finanziellen und personellen Rahmenbedingungen.„Das Wohl jedes einzelnen Menschen muss imMittelpunkt aller Veränderungsprozesse stehen.“ Die Erklärungbenennt Herausforderung einer inklusiven Bildungim frühkindlichen Bereich über Schule, Berufsausbildung,Hochschule, Erwachsenenbildung und außerschulischerBildung. Inklusion im Bildungswesen bietet die Chance, diePartizipation von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaftzu verbessern. Die Katholikinnen und Katholikenin Deutschland werden diesen Prozess aktiv mitgestalten.Die nächste Vollversammlung des ZdK findet traditionellals Herbstvollversammlung am 23./24. November2012 in Bonn statt.Rückblick 98. Deutscher KatholikentagEin positives Fazit haben die Veranstalter zum Endedes Katholikentags gezogen. Der Präsident des ZdK,Alois Glück, sprach von einem „erfolgreichen, intensivenund gelungenen Katholikentag“. In Mannheim seian fünf Tagen eine „lebendige, glaubensstarke und vitaleKirche“ erlebbar gewesen. Bei den Besucherzahlensehen die Veranstalter ihre Erwartungen übertroffen.Glück sprach von 80.000 Teilnehmern, darunter 33.000Dauerteilnehmern.Der gastgebende Freiburger Erzbischof RobertZollitsch lobte das geistliche Profil des Treffens. Er habeein „frohes Glaubensfest“ erlebt, bei dem auch strittigeThemen mit Gelassenheit und Bereitschaft zum Zuhörendiskutiert worden seien. Glück sagte dazu, er hoffe, dassdiese Gesprächskultur für den gesamten Dialogprozess derkatholischen Kirche Vorbild sein könne.Bischof Gerhard Ludwig Müller hat den 99. DeutschenKatholikentag 2014 nach Regensburg eingeladen. Im Jahr1984 hat zuletzt ein Katholikentag in Bayern stattgefunden,damals kamen Gläubige unter dem Leitwort „Dem Lebentrauen, weil Gott es mit uns lebt“ in München zusammen.Regensburg war in den Jahren 1849 und 1904 Gastgeberdes Laientreffens. ❏(Foto: Bertram Bastian)98. Katholikentag in MannheimTeilnahme am Katholikentag – ein beeindruckendes ErlebnisVON ANDREAS QUIRINDritter von links (mit dem Schal des Katholikentages):Hptm Andreas Quirin vor dem Stand der GKSIm Jahr 2012 nutzte ich zum ersten Male die Möglichkeitam 98. Katholikentag in Mannheim teilzunehmen. Daman mich im Vorfeld des Katholikentages gefragt hatte,ob ich auch beim Betrieb des Standes der <strong>Gemeinschaft</strong><strong>Katholischer</strong> <strong>Soldaten</strong> (GKS) auf der Kirchenmeile unterstützenkönnte, sollte diese Teilnahme ein besonderes Erlebniswerden, von dem ich hier berichten möchte.Zum Tag der Militärseelsorge am Freitag reiste ich nachMannheim. Nach der morgendlichen Einsatzbesprechungverlegten wir nach Mannheim-Rheinau, um am Pontifikalamtmit Militärbischof Franz-Josef Overbeck teilzunehmen.Im Anschluss an die Begegnung um die PfarrkircheSt. Antonius, bei der ich viele bekannte Gesichter aus derMilitärseelsorge treffen konnte, fuhr ich in die MannheimerInnenstadt, um mir am Wasserturm einen ersten Eindrucküber die Kirchenmeile zu verschaffen. Von der dort gebotenenVielfalt war ich stark beeindruckt, wusste ich dochvorher nicht, dass es so viele Organisationen und Verbändegibt, die sich für die katholische Sache einsetzen. Sonutzte ich die Zeit, um mich an dem einen oder anderenStand ausführlicher zu informieren und mit den Leutenins Gespräch zu kommen. Da <strong>Soldaten</strong> in Uniform nichtunbedingt zum normalen Bild eines Kirchentages gehören,wurde ich beim Gang durch die Fußgängerzone voneinigen Kirchentagsteilnehmern genauer beäugt. Manchersprach mich sogar an und fragte nach den Beweggründen,hier in Mannheim auf dem Kirchentag zu sein. Hierbeientwickelten sich sehr interessante Gespräche, bei denenich versuchte, das Bild des <strong>Soldaten</strong>, das in weiten Teilender Gesellschaft verbreitet ist, etwas zu ändern. Besondersbeeindruckt hat mich ein Gespräch mit zwei Müttern, diemit ihren vier Kindern zum Katholikentag gekommen waren.Die Mädchen nahmen zum ersten Mal bewusst einen<strong>Soldaten</strong> wahr und hatten natürlich viele Fragen rund umdas Leben eines <strong>Soldaten</strong>, aber auch zu dem, was wir beispielsweisein Afghanistan machen und täglich erleben.Diese interessanten Gespräche setzten sich auch währenddes Dienstes am Stand der GKS fort. So wurden wirdort immer wieder auf die Frage: „<strong>Soldaten</strong> und Kirche,wie kann das funktionieren“ angesprochen. Diesen Widerspruchkonnten wir aufgrund der Positionspapiere derGKS aufklären, die pünktlich zum Katholikentag durchden Sachausschuss „Sicherheit und Frieden“ erarbeitetworden waren, und gleichzeitig Interesse an der Arbeit derGKS wecken. Sogar harte Friedensaktivisten ließen sichzumindest auf eine Diskussion ein und hörten sich unsereArgumente an. Auch das Personal der Nachbarständenutzte den Nachmittag immer wieder dazu, mit uns insGespräch zu kommen. Hier entwickelten sich ebenso interessanteGespräche, die sich nicht nur auf unsere Tätigkeitals Soldat in der Kirche beschränkten, sondern sichum alle Bereiche des Glaubens drehten.Zusammenfassend möchte ich feststellen, dass dieserTag in Mannheim mir persönlich sehr gut gefallen hat.Eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte und durchdie ich entschieden habe, soweit es mir möglich ist, aktivam Katholikentag 2014 in Regensburg wieder teilzunehmen.Vielleicht schaffen wir es dann, noch mehr <strong>Soldaten</strong>in Uniform dazu zu bewegen, sich als Teilnehmer amKatholikentag zu beteiligen. ❏(Foto: Bertram Bastian)42 AUFTRAG 286 • JULI 2012AUFTRAG 286 • JULI 201243


AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKSAUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKSBundesvorstandGKS tagte in NürnbergVom 15.06. bis 17.06.2012 tagte der Bundesvorstandder GKS im Caritas-Pirckheimer-Haus in Nürnberg.Schwerpunkt der Sitzung war die Finalisierung der Beschlussvorlageder Geschäftsordnung der GKS e.V.Interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer bei derStadtführung unter der bewährten Leitung von UrsulaGölzen (vierte von links)Um die wichtige Tagesordnung abzuarbeiten, wurdenschon am Anreiseabend die ersten Sitzungspunkte angesprochenund abgeschlossen. Am Samstag wurden im zweitenTeil der Bundesvorstandsitzung dann zwei Vorschlägezur Geschäftsordnung der GKS e.V., die der Bundesvorsitzendeder GKS, Oberstleutnant Rüdiger Attermeyervorstellte, bis zur endgültigen Beschlussvorlage bearbeitet.Ein weiterer Tagesordnungspunkt war die Mitgliederversammlungder GKS e.V. Um das umfangreiche Protokollabzuschließen, mussten sogar die Pausen verkürztwerden. Trotzdem waren alle Teilnehmer guter Stimmungund während der Sitzung herrschte stets eine sehr angenehmeAtmosphäre.Am Samstagvormittag wurde für die Damen parallelzur Bundesvorstandsitzung ein separater kultureller Anteilgewählt. So fuhren diese mit dem Sachverständigen derGKS für die 3. Lebensphase, Nürnberg, Oberstabsfeldwebela.D. Friedrich Mirbeth zum DokumentationszentrumReichsparteitagsgelände. Dort erhielten die Damen vor Orteine anerkannte Führung durch die Bildungsreferentin Dr.Doris Katheder. Am Ende dieser Veranstaltung übergabMirbeth der Referentin für die ausgezeichnete Führung mitdem hohen Informationsanteil die kleine Medaille der GKS.Ein Höhepunkt im Rahmenprogramm für alle Teilnehmerwar die Stadtführung Nürnberg (Bild). Diese Führungwurde in bewährter Weise durch Ursula Gölzen ausgerichtet.Diese unterstützt seit mehr als 20 Jahren die Seminareder 3. Lebensphase der GKS, die zweimal jährlich inNürnberg stattfinden. Als Anerkennung für die langjährigeUnterstützung der GKS wurde Ursula Gölzen im Rahmender Bundesvorstandsitzung der GKS die kleine Medailleder GKS durch den Bundesvorsitzenden, OberstleutnantRüdiger Attermeyer überreicht.Am Sonntag feierten die Teilnehmer mit dem GeistlichenBeirat der GKS, Militärdekan Johann Meyer denGottesdienst in der Kapelle im Caritas-Pirckheimer-Haus.Während der Feier spendete Monsignore Meyer den Reisesegen,bevor sich der Bundesvorstand nach einem erneutenkurzen Tagesordnungspunkt und einem gemeinsamenMittagessen auf die Heimfahrt machte. ❏(Text und Bild: Rainer Zink)GKS Bereich WestDekanatsarbeitskonferenz wähltneuen ModeratorZur Dekanatsarbeitskonferenz (DAK) I/2012 hatte derLeitende Militärdekan des Dekanates Mainz, MonsignoreReiner Schnettker, die Vertreter der Pfarrgemeinderäte,Mitarbeiterkreise und der <strong>Gemeinschaft</strong> katholischer<strong>Soldaten</strong> (GKS) aus seinem Zuständigkeitsbereicheingeladen. Neben der umfangreichen Tagesordnung, diees im Rahmen der zwei Tage abzuarbeiten galt, sollte denTeilnehmer aber auch Zeit zum Austausch untereinandergegeben werden.Von links: der neue Moderator Christian Bumann mitdem leitenden Militärdekan Rainer Schnettker undseinem Stellvertreter Joachim LenschIn seinem Einführungsvortrag ging MilitärdekanSchnettker insbesondere auf die Überlegungen zur neuenStruktur der katholischen Militärseelsorge ein. „Zielmuss es sein, die Forderungen, die an die Militärseelsorgegestellt werden, mit dem verfügbaren Personal erfüllenzu können.“, erläuterte Schnettker die derzeit laufendenSchritte des Strategieprozesses in der Militärseelsorge.„Für konkrete Aussagen, hinsichtlich möglicher Strukturentscheidungenist es noch zu früh. Fest steht derzeit nur,dass es zu Änderungen in der Struktur der Dienststellenkommen wird“, so Schnettker zum Ende seines Vortrages.In der anschließenden Diskussion formulierten die anwesendenVertreter der Laiengremien u.a. ihre Forderungenan eine in die Zukunft ausgerichtete Militärseelsorge. „DerSchwerpunkt der Arbeit muss auch in Zukunft neben derBegleitung der Auslandseinsätze, die Betreuung unsererFamilien sein“, so ein Teilnehmer.Der zweite Tag der DAK stand ganz im Zeichen derWahlen. Gemäß der geltenden Ordnung für die Laienarbeitin der Katholischen Militärseelsorge, waren neben den Delegiertenfür die Vollversammlung des Katholikenrates, indiesem Jahr auch der Moderator der DAK und sein Stellvertreterzu wählen. So wurde durch die anwesenden DelegiertenHauptmann Christian Bumann als neuer Moderatorgewählt. Als Stellvertreter wird ihm für die nächstenvier Jahre Oberstabsfeldwebel Joachim Lensch zur Seitestehen, der einstimmig wiedergewählt wurde. MilitärdekanSchnettker dankte dem bisherigen Moderator OberstleutnantRalf Richard für die geleistete Arbeit und brachte seinenWunsch zum Ausdruck, dass Richard auch weiterhinder katholischen Militärseelsorge verbunden bleibe. ❏(Text und Foto: Andreas Quirin)GKS Bereich SüdDekanatsarbeitskonferenz in EllwangenDer Katholische Leitende Militärdekan (KLMD) Monsignore(Msgr.) Reinhold Bartmann war der Gastgeberder Dekanatsarbeitskonferenz (DAK) I / 2012. Die Arbeitstagung,zu der katholische Laien (<strong>Soldaten</strong>) eingeladen waren,tagte diesmal im Haus Schönenberg bei Ellwangen.Neben dem Bildungshaus der Diözese Rottenburg-Stuttgartbefindet sich die herrliche Barockkirche Schönenberg(Bild). Es ist eine barocke Wallfahrtskirche, die nach demVorarlberger Schema erbaut ist. Auf der Empore, hinterdem Hauptaltar, befindet sich eine wunderbare, ganzjährigaufgebaute Krippe, die in den 1990er Jahren vom KünstlerpfarrerSieger Köder restauriert wurde.Ein guter Beitrag zur Tagung war das Referat der Fachreferentinfür Öffentlichkeitsarbeit beim Diözesanrat undPriesterrat der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Dr. CäciliaBranz. Leitender Militärdekan Bartmann sah ihr Kommenund ihren Vortrag als Begegnung zwischen Christinnenund Christen.„Katholische Welten treffen sich: Diözese und Militärseelsorge“Frau Dr. Branz versucht, die Welt von Soldatinnen und<strong>Soldaten</strong> und ihren Familien zu beschreiben und die Öffentlichkeitzu informieren. Denn <strong>Soldaten</strong> seien ja Menschenaus unserer Nachbarschaft und aus unserer Kirche.Danach beschrieb sie die Diözese Rottenburg-Stuttgart undzog dann Vergleiche zwischen einer (zivilen) Diözese unddem KMBA auf der anderen Seite. Durch die lebendigeTeilnahme der Delegierten entwickelte sich eine gute Atmosphäre.Die Anwesenden waren sich einig, man müsseauf einander zugehen, denn es gäbe viele Schnittpunkte.Danach erklärte Msgr. Bartmann noch einige Feinheitender katholischen Militärseelsorge und zeigte sich zufriedenmit den Beiträgen. Danach wies er nochmals auf denDialogprozess und den Strategieprozess hin. „Wir müssenalle gemeinsam schauen damit unsere Welt erfolgreichin die Zukunft kommt. Die begonnenen Prozesse müssenzielführend sein auch wenn es unterschiedliche Wege dazugibt“ erklärte Bartmann. Der Dialog sei wertvoll. Er bedanktesich bei Frau Dr. Branz für Ihre Ausführungen undihr Interesse an der Militärseelsorge.Bei der <strong>Gemeinschaft</strong> <strong>Katholischer</strong> <strong>Soldaten</strong> (GKS)Bereich Süd fanden darüber hinaus Neuwahlen statt. DieWahl ergab folgendes:Bereichsvorsitzender: StFw Herbert Krauß1. Stellvertreter: Hptm Martin Kemper2. Stellvertreter: StFw Burkhard Küttner3. Stellvertreter: HptFw Martin Wagner4. Stellvertreter: OStFw a.D. Reinhard Kießner5. Stellvertreter: OStFw Dieter Rubey6. Stellvertreter: StFw a.D. Alfred BergmannEine gemeinsame Kreuzwegandacht, die von Ellwangenherauf zum Bildungshaus gebetet wurde, war einer derHöhepunkt der DAK.Im Plenum stellte sich der Vorsitzende des Katholikenrates(KR), Oberstlt Thomas Aßmuth, vor und berichteteaus dem KR. Er sei dankbar, dass er zur DAK eingeladenwurde, denn so würde der Bezug zur Basis der Militärseelsorgehergestellt. Weiter beschrieb er noch kurz denStrategieprozess der Militärseelsorge, aus Sicht des KR.Weitere Berichte von Delegierten aus verschiedenenLaiengremien folgten, wie dem Landeskomitee der KatholikenBayerns, Diözesanrat Augsburg, Diözesankomitee Regensburgund dem Diözesanrat Eichstätt. Msgr. Bartmannbat alle Vertreter in diesen Gremien, bei den jeweiligenBeratungen aktiv die Anliegen der <strong>Soldaten</strong> und derenFamilien zu vertreten, um so auch in diesen Ausschüssenein Bewusstsein für die Situation der <strong>Soldaten</strong> zu wecken.Der stellvertretende Bundesvorsitzende der GKS, OSt-Fw Peter Strauß, erinnerte an den Vortrag des Vorsitzendendes KR und bat die Delegierten aus den Pfarrgemeinderätengemeinsam mit der GKS in die Zukunft zu gehen.Denn nur miteinander sei die Militärseelsorge eine starke<strong>Gemeinschaft</strong>. ❏(Text und Foto: Georg-Peter Schneeberger)44 AUFTRAG 286 • JULI 2012AUFTRAG 286 • JULI 201245


AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKSAUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKSGKS Bereich NordFrühjahrstreffenTraditionell fand das Frühjahrstreffen (Bild) des GKSBereiches Nord vom 27. bis 29. April 2012 in der Tagungs-und Bildungsstätte „Christian Jensen Kolleg“ ander Nordsee statt. Begleitet wurde das Treffen vom Militärpfarrerder Marineschule Mürwik, Militärdekan Dr. Dr.Michael Gmelch, der an diesem Wochenende den GeistlichenBeistand für unsere <strong>Gemeinschaft</strong> übernahm.Gemeinsam wurden das Thema „Ethik der Organspendeund der Transplantation aus der Sicht von Theologieund Kirche“ behandelt.Grundlage dieser Diskussion war die gemeinsame Erklärungder katholischen Deutschen Bischofskonferenzund des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschlandaus dem Jahr 1990.Anschließend wurde über die vom katholischen MilitärpfarramtFlensburg durchgeführte Studienreise nachIndien unter dem Thema „Indien – zwischen Märchen,Mythos und Moderne“ berichtet. Abgerundet wurde dasFrühjahrstreffen mit einer Heiligen Messe und dem Reisesegen.❏(Text: Jürgen Schnatz, Foto: Stefan Schreiner)GKS Kreis Bad Neuenahr – AhrweilerEinen neuen Aufbruch wagenUnter diesem Motto fand ein Familienwochenende der<strong>Gemeinschaft</strong> <strong>Katholischer</strong> <strong>Soldaten</strong> (GKS) aus demKreis Bad Neuenahr – Ahrweiler im Familienhotel Hochwaldstatt.Der Vorsitzende Michael Wilke konnte dazu die ReferentinAngelika Hüppmeier mit Unterstützung der KatholischenArbeitsgemeinschaft für <strong>Soldaten</strong>betreuung (KAS)gewinnen. Mit einer ungewöhnlichen Kennenlernrundewurden alt und jung schnell „warm“. Die Referentin verstandes „spielerisch“, jeden aus der Reserve zu locken.Ein Regenbogen aus Farben sollte aus dem AlltagsgrauFarbe in unser Leben bringen, dazu trugen die Teilnehmerdie Eigenschaften der Farben vor und gestalteten mitTüchern einen schillernden Regenbogen. Dazu wurde dieBitte an den Meistermaler der Schöpfung – Gott – vorgetragen,unseren Weg weiterhin segnend zu begleiten. ❏(Text und Foto: Michael Wilke)Militärpfarramt Bonn„Vielfach Krisen und kein Ende – dieZivilgesellschaft macht mobil“Persönliche Konsequenzen zu einerchristlichen WirtschaftsethikDie Finanz- und Wirtschaftkrise haben wir zwar nochnicht „im Griff“ verkündet wird aber die Botschaftvon erneutem Wachstum und Abbau der Arbeitslosigkeit.Doch keines der gesellschaftlichen Probleme, welches dietiefste Wirtschaftskrise seit 1929 ausgelöst hat, ist gelöst.Gleichwohl wird versucht die Krisenerscheinungen zu ignorierenund auszusitzen. Lenken wir die Aufmerksamkeitnicht nur auf die ökonomischen Krisen, sondern erweiterndiese auf andere Krisenprozesse, wie Krisen der Ernährung,der Kommunen, der Energie, der Demokratie undunserer Lebensstile, so stellen wir fest: die meisten derbisherigen „Reformen“ haben teilweise „verschlimmbessert“,das zugrunde liegende Problem jedoch nicht gelöst.Was kann ich tun – und wenn es nur kleine Schrittesind? Wo kann ich vielleicht initiativ tätig werden? WelcheErfahrungen hat man mit solchen „kleinen Lösungen“(z. B. Regio-Währungen, Einkauf von Regio-Produkten,Öko-Banken) gemacht?Diese und ähnliche Fragen waren der Ausgang für einenVortrag, zu dem das katholische Militärpfarramt Bonnam 26. April 2012 ins Geistliche Forum auf der Hardthöheeingeladen hatte. Als Referent konnte wieder JoachimSikora gewonnen werden (Bild). Als früherer Direktor desKatholisch-Sozialen Instituts, einer Bildungseinrichtungdes Erzbistums Köln in Bad Honnef, engagiert er sich heutevor allem politisch, seit neuestem in der „Initiative Verfassungskonvent“,eine Bürgerbewegung, die es sich zumZiel gesetzt hat, eine Verfassung zu schaffen, die Solidarität,Gerechtigkeit und Gemeinwohl garantiert.Nach einem einleitenden Standortgottesdienst, zelebriertvon Militärdekan Paul Hauser, stellte Herr Sikora, zuBeginn seines Vortrags, die Frage: „Kann man den Bürgeraus seiner politischen Lethargie aufwecken, ihn wieder fürdas Gemeinwohl motivieren und gewinnen?“ Ja, man könneund dies machte er daran fest, dass in der Zivilgesellschaftnach unterschiedlichen Lösungsansätzen gesuchtund vielfältig experimentiert würde. Da fänden wir Vernetzungenin der ökologischen Landwirtschaft mit Verbraucherorganisationen,eine vorbildliche Energie-Versorgungin „Bioenergiedörfern“, neue soziale Solidargemeinschaftenim Gesundheitswesen, Initiativen für alternative Lebensstile(z. B. in der „Transition Town-Bewegung“), alternativeZahlungssysteme, die etwa „Zeit“ als Verrechnungseinheitnutzen, wie Tauschringe, Talentbörsen undSeniorengenossenschaften, neue Geld- und Bankkonzeptewie in der Regiogeld-Bewegung oder der Schaffung einer„Demokratischen Bank“ – bis hin zur Entwicklung einer„Gemeinwohl-Ökonomie“ als Wirtschaftsmodell der Zukunft.Darin findet das „Subsidiaritätsprinzip“ der ChristlichenGesellschaftslehre innovative Anwendung, nachdem „kleine <strong>Gemeinschaft</strong>en das leisten sollen, wozu siein der Lage sind“.Ja, die Zivilgesellschaft macht mobil! Auf eigenenInternetseiten werden diese Ideen kommuniziert, um eineAntwort auf die Frage zu bekommen: „In welcher Gesellschaftmöchten wir leben, – ist eine Gesellschaft realisierbar,die Solidarität, Gerechtigkeit und Gemeinwohlgarantiert?“In der anschließenden, sehr ausführlichen und ausgesprochenkontroversen Diskussion zeigten sich viele derTeilnehmer persönlich betroffen. Die intensive Gesprächsrundewurde durch einen Imbiss abgerundet, in dessenVerlauf die lebhaften Diskussionen fortgesetzt und vertieftwurden. Diese Veranstaltung war eine von vielen weiterenVeranstaltungen, die der Pfarrgemeinderat Bonn bei seinerKlausurtagung in Baasem (siehe nachstehenden Bericht)inhaltlich vorbereitet hat. Mit Interesse wird nun dernächste Vortragsabend im Geistlichen Forum erwartet. ❏(Text und Foto: Joachim Lensch)Militärpfarramt BonnKlausurtagung in BaasemJetzt noch schnell eine Parlamentsvorlage danach nochein Betreuungsgespräch, Morgen muss noch der Haushaltmitgezeichnet werden. – Auf der Hardthöhe kennenalle den Zeitdruck im täglichen Dienstgeschäft, der so wenigZeit für den Feierabend und noch weniger für andereAktivitäten und Ehrenämter lässt. Auch die monatlichenSitzungen des Pfarrgemeinderates beim Katholischen MilitärpfarramtBonn leiden grundsätzlich unter Zeitdruck.Und so beschlossen die Mitarbeiter um Militärdekan PaulHauser und dem Pfarrgemeinderatsvorsitzenden OberstabsfeldwebelJoachim Lensch, in einer Sitzung ohneTermindruck die Aussprache über grundsätzliche Fragenund Themenkreise zu suchen.Es war schnell klar, dass dies nur in einem auswärtigen,nicht durch die gewohnten Rahmenbedingungen beeinträchtigtenUmfeld gelingen kann und so wurde eineKlausurtagung in der Familienferienstätte St. Ludger inBaasem / Eifel organisiert. Ziel war es, sowohl das Zusammengehörigkeitsgefühlder Mitglieder zu fördern als auchwesentliche Themen der Arbeit in der Katholischen MilitärgemeindeBonn ganzheitlich zu betrachten und gegebenenfallsneu auszurichten. So machten sich die Teilnehmeram Donnerstag, den 1. März auf den Weg in die Eifel,bezogen nach kurzer Fahrt ihre Unterkünfte und wurdendurch die Hausleitung Frau Müller begrüßt und in die Gegebenheitendes Hauses eingewiesen.Oberstabsfeldwebel Lensch, der die Klausurtagungmoderierte, begrüßte die Teilnehmer und dankte MilitärdekanHauser für die Einladung zu dieser Tagung. Begonnenwurde mit der thematischen Arbeit (Bild) und sowurden die aktuellen Themen vorgezogen, um später undin den weiteren Arbeitseinheiten dann die Zeit für die an-46AUFTRAG 286 • JULI 2012AUFTRAG 286 • JULI 201247


AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKSAUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKSgestrebte Grundlagenarbeit zu nutzen. Es wurden aus derGremienarbeit der Katholischen Militärseelsorge und desZdK berichtet, neue Ideen zur Struktur der Laienarbeit imSeelsorgebereich Bonn diskutiert und auch neue Angeboteder Familienbetreuung entworfen. So ist geplant, mit einem„Familientag“ ein stärkeres Wir-Gefühl bei doch ausreichenderTiefe für die Behandlung von interessierendenThemen anzuregen. Ein erstes Angebot dazu soll am 24.Juni 2012 im Geistlichen Forum auf der Hardthöhe zumThema „Das kommende Zeugnis – Leistungserwartung anmeine Kinder“ organisiert werden. Abgeschlossen wurdeder erste Tag durch einen hervorragenden Vortrag von DekanHauser über die Geschichte Israels, den er mit einereher finsteren Einschätzung für die Zukunft des NahenOstens abschloss.Nach dem Morgenlob setzten die Teilnehmer dieGrundlagenarbeit am Freitagmorgen fort, planten aberauch die in naher Zukunft liegenden Veranstaltungen wieVorträge und die traditionelle Wallfahrt nach Buschhovenaus. Nach getaner geistiger Arbeit wanderten alle am frühenNachmittag zum mittelalterlichen Burgort Kronenburg,welcher im Jahr 1277 die erste urkundliche Erwähnungfand. Die spätgotische Einstützenhallenkirche St. JohannBaptist (1492-1508) wurde besichtigt und die Burgruinein der Ortsmitte.Nach der Rückkehr feierte man gemeinsam einen Gottesdienstin der Hauskapelle. Nach dem Abendessen in derGrillhütte berichtete Militärdekan Hauser in einem weitereninteressanten Vortrag über die Geschichte Afghanistansund seine Erfahrungen als Einsatzpfarrer.Bei der Abschlussbesprechung am Samstag Vormittagwaren alle der Überzeugung, dass diese Klausurtagung dieMitarbeiterinnen und Mitarbeiter inhaltlich weiter gebrachtund das Zusammengehörigkeitsgefühl gestärkt wurde. Undso wird im nächsten Jahr eine Klausurtagung des Pfarrgemeinderatesund Mitarbeiterkreises wiederum geplant. ❏(Text: Joachim Lensch, Bild: Gisela Gawenda)GKS Kreis Unna – AhlenIst Mission noch zeitgemäß?Unter diesem Thema führte der GKS-Kreis Unna – Ahlenvom 01. bis 03.06.2012 ein Familienwochenendeim Heinrich Lübke Haus in Günne am schönen Möhneseedurch.Zum Thema referierte der Hausgeistliche Pater WilliHeck in seiner bewährten humorvollen Art. Er berichteteüber seinen 8-jährigen Einsatz in Sumba/Indonesien undzog mit seinen ausführlichen Schilderungen alle Anwesendenin seinen Bann. Pater Willi kam zu dem Schluss, dassMission nicht nur zeitgemäß sei, sondern als <strong>Auftrag</strong> an dieChristen insgesamt noch deutlicher gelebt werden müsse.Während die Erwachsenen sich auf die Ausführungenvon Pater Willi konzentrierten, konnten die Kinder unterAufsicht eines Rettungsschwimmers das Schwimmbadnutzen. Dieses taten sie auch mit größter Begeisterung.Bei wunderschönem Wetter wurde nachmittags Adventure-Golfmit all seinen Besonderheiten gespielt. ImAnschluss wurde ein Lagerfeuer angezündet und für diehungrigen Spieler das Abendbrot als Grillgut zubereitet,um die „Lagerfeuerromatik“ auch satt genießen zu können.Nachdem sonntäglichen Gottesdienst in der Hauskapelleund dem nachfolgenden Mittagessen trat man dieHeimreise an! ❏(Text und Foto: Franz-Josef Johland)GKS-Kreis NörvenichDie Welt am LimitVom 01. bis 03. Juni 2012 fand im Familienhotel Hochwaldim Hunsrück das dritte Familienwochenende desGKS-Kreises Nörvenich statt.Nachdem alle Teilnehmer mit mehr oder weniger Staudie Reise nach Horath erfolgreich gemeistert und sich mitdem schmackhaften Abendessen gestärkt hatten, konnteder Kreisvorsitzende OStFw Matthias Hasebrink in dem,durch ein Blumenarrangement aufgepeppten Tagungsraum,insgesamt 30 Personen, acht Familien mit 13 Kindern undJugendlichen begrüßen (Bild 1). Als Referenten stellte erden Diplom-Pädagogen Heiko Lembke vor. Nach einerkurzen Vorstellungsrunde und Einführung in das Thema„Die Welt am Limit“ durch den GKS-Vorsitzenden, übernahmHeiko Lembke die Regie und ließ die Teilnehmerzuerst einen „persönlichen Steckbrief“ fertigen. Nach seinemImpuls-Auftakt mit Schlagzeilen zu: Finanzkrise, Euro-Krise,Rentendiskussion und Zahlen zur europaweitenJugendarbeitslosigkeit wurde die Thematik sehr schnellauf das eigene Empfinden der Anwesenden heruntergebrochen.Jeder der Teilnehmer konnte von seinem persönlichenLimit oder einer erlebten Grenzsituation berichten.Die Kinder und Jugendlichen wurden zwischenzeitlichund im weiteren Verlauf des Wochenendes von derbewährten Kinderbetreuerin Ina Wolters ideenreich betreut(Bild 2).Nach dem reichlichen Frühstück und dem folgendenMorgenlob gingen die Teilnehmer am Samstag physischund psychisch gestärkt in die thematische Arbeit. ReferentLembke hatte eine große Auswahl an Medien (Bücher,CDs, Ratgeber) zur Einsicht und Nutzung ausgelegt. Miteiner Auswahl an Testbögen und Checklisten (Stresstest,Warnsignale etc.) konnten die Teilnehmer ihre persönlichenfamiliären-, sozialen- und beruflichen Limits herausfinden.Mit Strategien gegen diese Grenzsituationen – imwissenschaftlichen als „Resilienz“ bezeichnet – zeigte derReferent Möglichkeiten zur Stressbewältigung auf. HeikoLembke behandelte das Thema nicht aus einer hochtheologischenSichtweise sondern auf einer praxisnahen Ebene,was von den teilnehmenden katholischen <strong>Soldaten</strong>familiendurch rege Mitarbeit honoriert wurde. Diesen Tag ließman anschließend in gemütlicher Runde in der hauseigenenBraustube ausklingen. Der Vorsitzende OStFw MatthiasHasebrink sprach in diesem Kreise auch die Möglichkeitan, die Aufgaben und Ziele der GKS mit einemkleinen finanziellen Jahresbeitrag zum Förderkreis e.V. zuunterstützen. Er bat hierzu den als Teilnehmer anwesendenBereichsvorsitzenden West der GKS, OberstleutnantAlbert Hecht, um einige erklärende Hinweise. Der KreisNörvenich kann nun dem Förderkreis der GKS drei neueFamilienmitgliedschaften vermelden!Noch bewegt von einer Morgenandacht, die von MarkusWolters und Markus Meyer gestaltet wurde und diedurch eine „unter die Haut gehende“ Gesangseinlage derdrei Töchter Gina, Joyce und Julie der Familie Meyer untermaltwurde (Bild 3), ging es am Sonntagmorgen in dieFinalrunde. Heiko Lembke zeigte weitere Möglichkeitenzur Stressbewältigung und Hinweise zur richtigen Erholungauf. Mit einer praktischen Übung zur progressivenMuskelentspannung nahm diese letzte Arbeitseinheit ein„entspanntes“ Ende. In der anschließenden Abschlussrundemit Manöverkritik waren die Teilnehmer angetan voneinem Familienwochenende mit einem sehr guten Referenten,in einem für Familien bestens geeigneten Haus undin angenehmer <strong>Gemeinschaft</strong> mit reger Mitarbeit. OStFwMatthias Hasebrink dankte den Anwesenden für ihr Engagementund hob hier im Besonderen die Gestaltung desMorgenlobs und der Morgenandacht sowie die ausgezeichneteKinderbetreuung hervor.Das von allen Teilnehmern als „runde Sache“ bewerteteFamilienwochenende soll – nach derzeitigem Planungsstand– im Jahr 2013, vom 07. bis 09. Juni seineFortsetzung finden.(Text: Karl-Heinz Kreßler, Fotos: Petra Kreßler)GKS-Kreis Koblenz - AndernachTradition und Religion AfghanistansEin gemeinsames Familienbildungswochenende imFamilienhotel Hochwald verbrachten 19 Familienmit insgesamt 31 Erwachsenen und 28 Kinder vom 13.bis 15.04.2012. Nach Anreise am Freitag und beziehender Zimmer traf man sich zum gemeinsamen Abendessen.Anschließend wurde den Erwachsenen, Kindern undJugendlichen die Kinderbetreuer vorgestellt. ChristianeMay und Katrin Häp haben sich wie schon so oft in derVergangenheit dafür bereitgestellt.Danach wurde durch dieReferenten Arno Tappe (Bild 1) und Oberleutnant ViktorPenner (Bild 2), vom Zentrum Operative Information dasThema „Tradition und Religion Afghanistans, Wege undZiele für den Aufbruch in die Moderne“ vorgestellt.Am darauffolgenden Samstag erfolgte für die erwachsenenTeilnehmer der Bildungsanteil in drei Arbeitseinheiten,während die Kinder und Jugendlichen professionellbetreut wurdenDie Referenten konnten aufgrund ihrer Ausbildung,verbunden mit Einsatzverwendungen von jeweils mehr als1500 Einsatztagen auf einen großen Erfahrungsschatz zurückgreifenDadurch konnten sie das Auditorium mit mannigfaltigenBeispielen, Bildern und Filmen eindrucksvollbeeindrucken.48 AUFTRAG 286 • JULI 2012AUFTRAG 286 • JULI 201249


AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKSBild 1Bild 2Bild 3Die gesellschaftlichen Strukturen mit den unterschiedlichenEthnien, die Stellung der Religion und der Familie,sowie die Geographie und Historie Afghanistans konntenintensiv betrachtet werden. Allen Teilnehmer war klar, dassAfghanistan ein sehr komplexes Gebilde darstellt, welchesnicht einfach zu durchdringen ist und bedankten sich beiden Referenten für erstklassige Ausbildung.Am abschließenden Sonntag wurde unter der Leitungvon Militärpfarrer Heinrich Peter Treier ein Gottesdienstzelebriert, welcher durch die Kinder und Jugendlichen vorbereitendunterstützt wurde (Bild 3). Im Vorfeld vermittelteOberstleutnant Albert Hecht in seiner Funktion als GKSBereichsvorsitzender West den <strong>Auftrag</strong> und die Ziele derGKS sowie des Förderkreises der GKS.Nach dem gemeinsamen Mittagessen machten sich allegestärkt für die kommenden Tage auf den Heimweg. ❏(Text und Fotos: Ralf Gatzmanga)KurznachrichtenIslamische Theologie als reguläres zweites LehramtsfachErstmalig in Deutschland wird zum Wintersemester2012/2013 an der Universität Osnabrück „IslamischeTheologie“ als Monofach und „Islamische Religion“als reguläres zweites Lehramtsfach angeboten.Nachdem in Niedersachsen islamischer Religionsunterrichtnach den Vorgaben des Grundgesetzteseingeführt werden soll und der theologische Beirat ausden Vertretern der Landesverbände „Schura Niedersachsen“und „Ditib Niedersachsen“ gegründet wurde,bietet als erste Universität in Deutschland die UniversitätOsnabrück Lehramtsstudenten die Möglichkeit,das Unterrichtsfach Islamische Religion (Bildung, Erziehung,Unterricht) als reguläres zweites Unterrichtsfachzu studieren. Bisher wurde nur Islamische Religionspädagogikals Master-Erweiterungsfach angeboten.Diese Entscheidung dient dazu, muslimischen Schülerinnenund Schülern ihren grundgesetzlich garantiertenAnspruch (Artikel 7, Abs.3) auf bekenntnisorientiertenUnterricht zukommen zu lassen.Das im Aufbau befindliche Institut für IslamischeTheologie der Universität Osnabrück wird mit siebenProfessuren das größte seiner Art in Deutschland sein.Folgende Themenschwerpunkte stehen unter anderemim Mittelpunkt des Studiums der islamischenTheologie: Koranwissenschaft, Koranexegese und zeitgemäßeLesart des Korans; Prophetische Tradition(Sunna), Hadithwissenschaft und Hadithexegese; IslamischeGeschichte; Arabische Sprache und andererelevante Sprachen (z.B. Türkisch, Persisch); Religionssoziologieund –psychologie; Einführung in andereTheologien, vor allem in christliche und jüdischeTheologie. (ZENIT)50 AUFTRAG 286 • JULI 20122


BUCHBESPRECHUNGENBuchbesprechungDIe Autorin Helen Heinemann hat2005 das „Institut für Burnout-Prävention“ gegründet und bringt indem vorliegenden Buch ihre Erfahrungin mehr als 20 Jahren Gesundheitsförderungein. Stutzig machte dieAutorin, dass auch Hausfrauen unterdieser Krankheit leiden, der „Arbeitsplatz“der Hausfrau gehört also zu denRisikofaktoren. Was ist aber, wenn dieUrsachen tiefer liegen. Helen Heinemannschildert aus ihrer langjährigenErfahrung, dass nicht allein der wachsendeDruck am Schreibtisch, dieVerdichtung der Aufträge etc. dieseKrankheit verursachen. Auch bessereOrganisation hilft nicht, den Burnoutzu vermeiden. Der Arbeitsplatz ist nurder Ort, an dem diese Krankheit füralle sichtbar wird, die Ursachen liegentiefer. So rechnet die Autorin zuerstmit den gängigsten Vorurteilen ab, be-Warum Burnout nicht vom Job kommtDie wahren Ursachen der Volkskrankheit Nr. 1doyer für die Klarheit der Rolle desMenschen, der in diesem Leben steht.Wer über sich und denSinn seines Lebens imReinen ist, der ist auchstressresistent führt diePädagogin mit psychotherapeutischerAusbildungaus. Am Schlussdieses sehr lesenswertenBuches gibt die Autorindann für Mann und Fraueinen Fragekatalog mit,der zur Selbsterkennungdienen soll.Helen Heinemann,Warum Burnout nichtvom Job kommt.,234Seiten, adeo Verlagin der Gerth-MedienGmbH, Asslar,ISBN 978-3-942208-56-7BuchbesprechungDer HerausgeberMartin Graf hatsich der lobenswertenAufgabe unterzogen,nicht einfach nur eineSammlung verschiedenerAufsätze über dieBurschenschaften in Österreichzu editieren. Erhat durch gute Zusammenstellungeinen Bogengeschlagen von denAnfängen der Burschenschaftennach den Befreiungskriegen,über dieMärzrevolutionen Mittedes 19. Jahrhunderts bisin die heutige Zeit. Dabei nimmt einenbreiten Raum die Darstellungder Farben Schwarz-Rot-Gold ein,150 Jahre Burschenschaften in Österreichgestern – heute – morgenvor sie sich der Frage widmet, wer ausbrenntund wer nicht.Eine große Rolle spieltfür Helen Heinemann nndie Fähigkeit „nein“ n“zu sagen. SchleichendeErhöhung der Arbeitsleistung,bis derMensch die Nächtedurch arbeitet, anstattdem Körper diedringend benötigteErholung zu gönnen,sind ebensoUrsachen für dasSymptom, dass derDelinquent sichselbst für unfähighält, die Belastungauszuhalten unddann durchbrennt. So führt die Autorindie Leserschaft hin zu ihrem Plä-die von den Freikorpskommend, gerade inder Zeit nach demZusammenbruch derMonarchie eine gro-ße Rolle spielten. DasBuch zeichnet aus,dass hierin Namen derbeteiligten Burschenschaftergenannt werden,so dass der interessierteLeser nachvollziehenkann, werwelche Rolle spielte.Ebenso wird mitmanchem Fehlurteilüber die Mensur aufgeräumt und dieechten Beweggründe wirden von aktivenBurschenschaftern genannt. Politischheikle Themen wie Südtiroloder demographischer Wandel durchGeburtenrückgang und Zuwanderungwerden in Aufsätzen aufgegriffen,auch um den Kritiken durch die„Antifaschisten“ den Wind aus denSegeln zu nehmen. Es steht zu befürchten,dass dieser Personenkreisdiese Sammlung nicht lesen wird. Füraktive Burschenschafter aber ebensofür Akademikerinnen der Frauen- undMädelschaften ist das Buch eine guteQuelle, um darauf zurückzugreifen.Eine kurze Historie der verschiedenenBurschenschaften vervollkommnetdiese Ausgabe. (Bertram Bastian)Martin Graf (Hg.), 150 JahreBurschenschaften in Österreich,gestern – heute – morgen,230 Seiten, Ares Verlag, Graz,ISBN 978-3-902475-82-451 AUFTRAG 286 • JULI 2012


Der Königsteiner EngelDer »siebte Engel mit der siebten Posaune«(Offb 11,15–19) ist der Bote der Hoffnung,der die uneingeschränkte HerrschaftGottes ankündigt. Dieser apokalyptischeEngel am Haus der Begegnung in Königstein/Ts., dem Grün dungsort des KönigsteinerOffi zier kreises (KOK), ist heute noch dasTra di tionszeichen der GKS, das die katholischeLaienarbeit in der Militärseelsorgeseit mehr als 40 Jahren begleitet.Das Kreuz der GKSDas »Kreuz der GKS« ist das Symbolder <strong>Gemeinschaft</strong> <strong>Katholischer</strong> <strong>Soldaten</strong>.Vier Kreise als Symbol für dieGKS-Kreise an der Basis formen ineinem größeren Kreis, der wiederumdie <strong>Gemeinschaft</strong> ver sinnbildlicht, einKreuz, unter dem sich katholische <strong>Soldaten</strong>versammeln.ImpressumAUFTRAG ist das Organ derGEMEINSCHAFT KATHOLISCHER SOLDATEN(GKS) und er scheint viermal im Jahr.Hrsg.: GKS, Am Weidendamm 2,10117 Berlinwww.katholische-soldaten.deRedaktion: verantwortlicher RedakteurBertram Bastian (BB),Rainer Zink (RZ), Oberstlt a.D., RedakteurZuschriften: Redaktion AUFTRAGc/o Bertram Bastian,Alter Heerweg 104, 53123 Bonn,Tel: 0177-7054965, Fax: 0228-6199164,E-Mail: redaktion-auftrag@kath-soldaten.deFür unverlangte Einsendungen wird keineHaftung übernommen. Namensartikel werdenallein vom Verfasser verantwortet. Nicht immersind bei Nachdrucken die Inhaber von Rechtenfeststellbar oder erreichbar. In solchen Ausnahmefällenverpflichtet sich der Herausgeber,nachträglich geltend gemachte rechtmäßigeAnsprüche nach den üblichen Honorarsätzenzu vergüten.Layout: VISUELL, AachenDruck: MVG MedienproduktionBoxgraben 73, 52064 AachenÜberweisungen und Spenden an:GKS e.V. Berlin, Pax Bank eG Köln,BLZ: 370 601 93, Konto-Nr.: 1 017 495 018.Nachdruck, auch auszugsweise, nur mitGenehmigung der Redaktion und mitQuellenangabe. Nach be stellung gegeneine Schutzgebühr von EUR 10,- anden ausliefernden Verlag.ISSN 1866-0843

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