HerzSupplement - Pentalong von Actavis
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Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases 35. Jahrgang · Supplement II · März 2010 · ISSN 0946–1299<br />
Vasorelaxierende, protektive, antioxidative Eigenschaften<br />
<strong>von</strong> PETN im Vergleich zu anderen Nitraten –<br />
Forschungsergebnisse und ihre Bedeutung für die Praxis<br />
Symposium, Jena, 18. August 2009 unter der Leitung <strong>von</strong> Jochen Lehmann<br />
Bundesverband<br />
Niedergelassener<br />
Kardiologen e.V.<br />
Organ des<br />
Bundesverbandes<br />
Niedergelassener<br />
Kardiologen (BNK)<br />
ALDH<br />
S S<br />
TxA2<br />
Prot-SH<br />
Antioxidanzien<br />
Nitroglyzerin<br />
Liponsäure<br />
PETN<br />
www.herz-cardivascular-diseases.de<br />
ALDH<br />
HS SH<br />
TxA2<br />
Prot-SH<br />
Antioxidanzien<br />
Herausgeber<br />
Raimund Erbel<br />
Karl-Heinz Kuck<br />
Bernhard Maisch<br />
Otmar Pachinger<br />
Werner Rudolph
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
Herausgeber/Editors<br />
Univ.-Prof. Dr. med. Raimund Erbel,<br />
FAHA, FESC, FACC<br />
Professor für Innere Medizin<br />
und Kardiologie<br />
European Cardiologist<br />
Westdeutsches Herzzentrum Essen<br />
Klinik für Kardiologie<br />
Universitätsklinikum Essen<br />
Universität Duisburg-Essen<br />
Hufelandstraße 55<br />
D-45122 Essen<br />
E-Mail: erbel@uni-essen.de<br />
www.uni-essen.de/cardio<br />
Internationaler Wissenschaftlicher Beirat/<br />
International Editorial Board<br />
S. Achenbach, Erlangen<br />
D. Andresen, Berlin<br />
J.P. Bassand, Besançon<br />
G. Beller, Charlottesville<br />
C. Bode, Freiburg<br />
M. Böhm, Homburg<br />
M. Borggrefe, Mannheim<br />
H. Boudoulas, Athen<br />
G. Breithardt, Münster<br />
A.J. Buda, New Orleans<br />
P.G. Camici, London<br />
W.G. Daniel, Erlangen<br />
P. Dominiak, Lübeck<br />
E. Erdmann, Köln<br />
G. Ertl, Würzburg<br />
Herz Supplement II · 2010<br />
Beilage in Herz Nr. 2/2010<br />
Redaktion:<br />
Dr. Melanie Leshel<br />
Layout:<br />
Maren Krapp<br />
Titelbild: Wenzel et al. JPET 2009<br />
Prof. Dr. med. Karl-Heinz Kuck<br />
Ltd. Arzt der II. Medizinischen Abteilung<br />
Asklepios Klinikum St. Georg<br />
Lohmühlenstraße 5<br />
D-20099 Hamburg<br />
E-Mail: k.kuck@asklepios.com<br />
Prof. Dr. med. Bernhard Maisch,<br />
FESC, FACC<br />
European Cardiologist<br />
Direktor der Klinik für Innere Medizin –<br />
Kardiologie der Philipps-Universität<br />
Marburg, Baldingerstraße<br />
D-35043 Marburg<br />
E-Mail: maisch@mailer.uni-marburg.de<br />
E. Falk, Aarhus<br />
F. Fedele, Rom<br />
E. Fleck, Berlin<br />
T. Gerber, Knoxville<br />
G. Görge, Saarbrücken<br />
M.G. Gottwik, Nürnberg<br />
M. Halle, München<br />
R. Hambrecht, Bremen<br />
P. Hanrath, Aachen<br />
A. Haverich, Hannover<br />
J. Hermann, Rochester<br />
J. Hess, München<br />
R. Hoffmann, Aachen<br />
V. Hombach, Ulm<br />
G. Kamensk´y, Bratislava<br />
Bundesverband Niedergelassener Kardiologen (BNK)<br />
Verantwortlich für Cath Lab<br />
Hotline: Prof. Dr. med.<br />
Sigmund Silber (FACC, FESC)<br />
Kardiologische Praxis und<br />
Praxisklinik<br />
Am Isarkanal 36<br />
81379 München<br />
E-Mail: sigmund@silber.com<br />
www.sigmund-silber.com<br />
U. Keil, Münster<br />
H. Klein, Magdeburg<br />
P.E. Lange, Berlin<br />
M. Lengyel, Budapest<br />
G. Maurer, Wien<br />
W.J. McKenna, London<br />
T. Meinertz, Hamburg<br />
O. Pachinger, Innsbruck<br />
H.-G. Predel, Köln<br />
G. Riegger, Regensburg<br />
W. Rutsch, Berlin<br />
H. Schelbert, Los Angeles<br />
J.D. Schipke, Düsseldorf<br />
A. Schmermund, Frankfurt<br />
H.-P. Schultheiss, Berlin<br />
Verantwortlich für die<br />
BNK-Mitteilungen: Dr. med. Rolf Dörr<br />
Praxisklinik Herz und Gefäße<br />
Kardiologie, Angiologie, Radiologie, Nuklearmedizin<br />
Herzkatheterlabor und Nuklearkardiologie<br />
Heinrich-Cotta-Straße 12<br />
D-01324 Dresden<br />
E-Mail: doerr@praxisklinik-dresden.de<br />
www.praxisklinik-dresden.de<br />
Leitung Corporate Publishing München<br />
Dr. Ulrike Fortmüller (verantwortlich)<br />
Druck: KLIEMO Printing, Eupen,<br />
Belgien<br />
Auflage: 9000<br />
O. Univ.-Prof. Dr. Otmar Pachinger<br />
Medizinische Universität Innsbruck<br />
Univ.-Klinik für Innere Medizin III –<br />
Kardiologie<br />
Anichstr. 35<br />
A-6020 Innsbruck<br />
E-Mail: o.pachinger@i-med.ac.at<br />
Prof. Dr. med. Werner Rudolph,<br />
FESC, FACC<br />
Senior Editor<br />
Wurzerstraße 11<br />
D-80539 München<br />
E-Mail: c.w.rudolph@t-online.de<br />
B. Schwartzkopff, Düsseldorf<br />
H. Sievert, Frankfurt<br />
W. Siffert, Essen<br />
S. Silber, München<br />
R. Simon, Kiel<br />
A. Stang, Halle<br />
C. Stefanadis, Athen<br />
U. Tebbe, Detmold<br />
H. Tillmanns, Gießen<br />
D. Tschöpe, Bad Oeynhausen<br />
K. Werdan, Halle<br />
R. Zahn, Nürnberg<br />
Mit freundlicher Unterstützung der<br />
<strong>Actavis</strong> Deutschland GmbH & Co. KG,<br />
Langenfeld<br />
Springer Medizin,<br />
© Urban & Vogel GmbH München,<br />
März 2010<br />
Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass trotz sorgfältiger redaktioneller Bearbeitung bei Angaben über Dosis und Applikation <strong>von</strong><br />
Medikamenten Fehler auftreten können. Jeder Leser wird daher aufgefordert, diese Angaben in eigener Verantwortung zu überprüfen.<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel
Vorwort<br />
PETN- und PETN-Verwandtes<br />
Im Mittelpunkt des <strong>von</strong> Jochen Lehmann<br />
am 18. August 2009 am Lehrstuhl für<br />
Pharmazeutische/Medizinische Chemie,<br />
Friedrich-Schiller-Universität Jena, organisierten<br />
Symposiums standen die protektiven,<br />
antioxidativen Eigenschaften <strong>von</strong><br />
Pentaerithrityltetranitrat (PETN), aber<br />
auch andere neuartige Nitrate sowie innovative<br />
Nitrat-Hybridmoleküle.<br />
Organische Nitrate sind keine homogene<br />
Wirkstoffklasse<br />
Beim Vergleich des Wirkprofils <strong>von</strong> PETN<br />
mit dem anderer Nitrate beobachteten<br />
mehrere Arbeitsgruppen signifikante Unterschiede.<br />
Schon dies legt nahe, dass die<br />
organischen Nitrate nicht als homogene, in<br />
sich austauschbare Wirkstoffklasse gesehen<br />
werden können, sondern eine beachtliche<br />
Diversität aufweisen. Neue Befunde vertiefen<br />
diesen Eindruck. So folgen Aminoalkylnitrate<br />
nicht den bisher für Nitrate postulierten<br />
Regeln. Statine wiederum zeigen<br />
nach der Kopplung mit einer Nitratgruppe<br />
zu einem Hybridmolekül neue Eigenschaften<br />
und Hinweise auf breitere Anwendbarkeit,<br />
z.B. für die Behandlung der<br />
Alzheimer’schen Krankheit. Daneben drehte<br />
sich das diesjährige Symposium um die<br />
Bioaktivierung <strong>von</strong> PETN an der isolierten<br />
ALDH-2, seine antioxidativen Eigenschaften<br />
in einem tierexperimentellen Diabetes-mellitus-(Typ<br />
1)-Modell sowie genregulatorischen<br />
Wirkungen <strong>von</strong> PETN.<br />
Weiterhin wurden die Anwendbarkeit <strong>von</strong><br />
PETN bei pulmonal arterieller Hypertonie<br />
diskutiert und neue Verfahren zur Erfassung<br />
des Nitrat-induzierten oxidativen<br />
Stresses vorgestellt. Im vorliegenden Supplement<br />
werden diese antioxidativen Eigenschaften<br />
<strong>von</strong> PETN weiter im Detail<br />
diskutiert, neue protektive Wirkmechanismen<br />
identifiziert und diese Forschungsergebnisse<br />
sowie deren klinische Relevanz<br />
als Übersicht vorgestellt.<br />
Wissenschaftliche Untersuchungen <strong>von</strong><br />
Nitraten in biologischen Systemen, im Besonderen<br />
In-vivo-Untersuchungen und klinische<br />
Studien stellen Anforderungen an die<br />
analytische Methodik, die über das Übliche<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
hinausgehen. Deshalb erschien es auch sinnvoll,<br />
hierzu zielführende methodische Weiterentwicklungen<br />
vorzustellen. Es ist außerordentlich<br />
problematisch, die geringen Mengen<br />
an Nitraten und die noch geringeren<br />
Mengen an nitrathaltigen Abbauprodukten<br />
– z.B. <strong>von</strong> PEtriN, PEdiN und PEmonoN<br />
nach Gabe <strong>von</strong> PETN – nachzuweisen oder<br />
gar zu quantifizieren. Die empfindliche Gaschromatografie<br />
scheitert an der grundsätzlichen<br />
thermischen Instabilität <strong>von</strong> Nitraten<br />
– immerhin sind es Explosivstoffe – bei normaler<br />
Flüssigkeitschromatografie (HPLC)<br />
oder auch Kapillarelektrophorese mit UV-<br />
Detektion ist die Nachweisempfindlichkeit<br />
viel zu gering, da die Nitratgruppe alleine<br />
kein sehr sensitiver Chromophor ist. Es<br />
konnte aber gezeigt werden, dass die HPLC,<br />
gekoppelt mit massenspektrometrischer Detektion<br />
(LC-MS), eine zwar aufwendige,<br />
aber geeignete Methode darstellt, auch sehr<br />
kleine Mengen an PETN-Metaboliten aus<br />
biologischen Proben zu erfassen (Brettschneider,<br />
Seeling, Lehmann, Jena).<br />
Hybridmoleküle als Chance für neue<br />
therapeutische Ansätze<br />
Interessante Aspekte bieten die Nitrate<br />
auch bei der Einführung als NO liefernde<br />
Gruppe in andere Arzneistoffe. Die daraus<br />
resultierenden Hybridmoleküle können<br />
bessere Verträglichkeit, aber auch ganz<br />
neue therapeutische Eigenschaften aufweisen.<br />
Beispiele in der Vergangenheit sind<br />
Nitroaspirin, das vor allem eine bessere Magenverträglichkeit<br />
besitzen soll oder Nicorandil,<br />
ein Kaliumkanalöffner mit Nitratfunktion.<br />
In einer kürzlich vorgestellten<br />
Studie konnten Lengfelder und Lehmann<br />
(Jena) zeigen, dass die Einführung einer<br />
Nitratgruppe in ein Statin dessen hemmende<br />
Wirkung auf die ß-Amyloid-Aggregation<br />
dramatisch steigert. Basierend auf<br />
diesen Befunden könnte dieses „Nitrostatin“<br />
ein grundsätzlich neuartiges Therapeutikum<br />
für die Alzheimer’sche Erkrankung<br />
darstellen. Es gibt derzeit zahlreiche Bestrebungen,<br />
um etablierte Medikamente<br />
durch die Kombination mit einer Nitratgruppe<br />
zu verbessern und sich die therapeu-<br />
Universitäts-Professor,<br />
Dr. rer.nat. et med.<br />
habil. Andreas Daiber,<br />
Mainz, Leiter des<br />
Labors für Molekulare<br />
Kardiologie<br />
Universitäts-Professor,<br />
Dr. rer. nat. Jochen<br />
Lehmann, Jena,<br />
Lehrstuhl für Pharmazeutische/Medizinische<br />
Chemie<br />
Vorwort
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
tischen Erfahrungen und Vorteile einer<br />
Freisetzung <strong>von</strong> Stickstoffmonoxid<br />
zunutze zu machen.<br />
Mit dem 2-Aminoethylnitrat wurde<br />
ein Mononitrat vorgestellt, das ähnlich<br />
potent wie Nitroglyzerin ist, aber<br />
dessen negativen Nebeneffekt wie die<br />
Induktion des oxidativen Stresses und<br />
der Nitrattoleranz nicht teilt (Roegler<br />
und Lehmann, Jena). Diese Substanz<br />
stellt eine Substruktur des Nitratteils<br />
im Nicorandil dar. Dagegen wurde ein<br />
niedrig potentes Trinitrat (Triethylamintrinitrat)<br />
synthetisiert, das eine<br />
vergleichbare Potenz wie ISDN aufweist,<br />
aber durch die ALDH-2 bioaktiviert<br />
wird sowie oxidativen Stress<br />
und Toleranz induziert. Diese Daten<br />
haben gezeigt, dass die bisherigen Kriterien<br />
für eine ALDH-2-abhängige<br />
Bioaktivierung nochmals überdacht<br />
werden müssen. Nachdem mit PETN<br />
bereits ein toleranzfreier Nitrovasodilatator<br />
in klinischer Verwendung ist,<br />
stellt sich andererseits die Frage, ob<br />
die Entwicklung <strong>von</strong> neuartigen organischen<br />
Nitraten noch attraktiv und<br />
sinnvoll ist. Zukünftige Studien werden<br />
zeigen, ob es klinisch-pharmakologische<br />
Gründe für die Neueinführung<br />
derartiger Substanzen gibt.<br />
ALDH- – valider Marker für die<br />
Nitrattoleranz ...<br />
Die antioxidativen Eigenschaften <strong>von</strong><br />
PETN wurden in der Vergangenheit<br />
durch eine Vielzahl <strong>von</strong> Zellkulturen<br />
und tierexperimentellen Studien untermauert.<br />
Daneben zeigen mehrere<br />
klinische Probandenstudien mit<br />
kleinem Kollektiv, dass PETN keine<br />
Toleranz induziert und die Spiegel der<br />
reaktiven Sauerstoffspezies nicht erhöht<br />
(meist gemessen anhand der<br />
Marker für oxidativen Stress wie Malondialdehyd<br />
oder Isoprostane). Eine<br />
erste modernen Maßstäben entsprechende<br />
klinische Studie (die PENTA-<br />
Studie unter der Leitung <strong>von</strong> Ascan<br />
Warnholtz, Mainz) zeigte, dass die<br />
chronische PETN-Therapie bei KHK-<br />
Patienten keine Verschlechterung der<br />
Endothelfunktion bewirkte und sogar<br />
die antiischämische Wirksamkeit <strong>von</strong><br />
Nitroglyzerin verbesserte. Aktuell konnte<br />
in einer Human-Studie mit einem<br />
kleinen Kollektiv Freiwilliger erstmals<br />
gezeigt werden, dass die ALDH-2-<br />
Aktivität in weißen Blutzellen ein valider<br />
Marker für die Nitrattoleranz ist<br />
und PETN im Gegensatz zu Nitroglyzerin<br />
nach einmaliger oraler Gabe<br />
keine akute Nitrattoleranz (Tachyphylaxie)<br />
induziert und die ALDH-2-<br />
Aktivität intakt lässt (Wenzel und<br />
Daiber, Mainz).<br />
... und zu erwartende ischämische<br />
Schäden nach Myokardinfarkt<br />
Aktuelle Studien an der isolierten, rekombinanten<br />
humanen ALDH-2 unterstützen<br />
diese In-vivo-Beobachtungen<br />
und deuten auf verschiedene Bioaktivierungsmechanismen<br />
für Nitroglyzerin<br />
und PETN am Enzym hin<br />
(Daiber und Kleinert, Mainz). So bewirkte<br />
Nitroglyzerin eine signifikante<br />
Inhibition der ALDH-2, wohingegen<br />
diese in Anwesenheit <strong>von</strong> PETN deutlich<br />
geringer ausfiel. Diese Befunde<br />
könnten vor dem Hintergrund einer<br />
letztes Jahr in Science erschienenen<br />
Arbeit <strong>von</strong> besonderem Interesse sein:<br />
Dort wurde gezeigt, dass die ALDH-<br />
2-Aktivität direkt mit den ischämischen<br />
Schäden (Infarkt-Fläche) in<br />
einem experimentellen Infarkt-Modell<br />
korreliert. Die Hemmung der<br />
ALDH-2-Aktivität durch Nitroglyzerin<br />
führte zu einer Zunahme der<br />
Infarkt-Fläche. Dementsprechend<br />
sollte PETN im Gegensatz zu Nitroglyzerin<br />
nicht zu einer Prognoseverschlechterung<br />
führen.<br />
Nachdem in einer früheren Studie<br />
gezeigt wurde, dass die Toleranz durch<br />
Induktion der Hämoxygenase-1 aufgehoben<br />
werden kann, stellte sich die<br />
Frage, ob die PETN-abhängige Induktion<br />
der Hämoxygenase-1 auch die<br />
vaskuläre Pathogenese der arteriellen<br />
Hypertonie bzw. des Diabetes mellitus<br />
(Typ 1) positiv beeinflussen kann.<br />
Wie die Daten einer gerade abgeschlossenen<br />
Studie eindrucksvoll belegten,<br />
führt die chronische PETN<br />
Therapie im Tiermodell der arteriellen<br />
Hypertonie zu einer Verbesserung<br />
der Endothelfunktion, zu einer Absenkung<br />
des oxidativen Stresses und<br />
einer positiven Beeinflussung der<br />
Funktionalität der NO-Synthase (Oelze<br />
und Daiber, Mainz). Dieser Befund<br />
ist <strong>von</strong> besonders großem Interesse,<br />
da er erstmalig zeigt, dass ein organisches<br />
Nitrat den prognostisch-bedeutsamen<br />
Parameter „Endothelfunktion“<br />
positiv beeinflusst. In einer Folgestudie<br />
wurden diese Parameter<br />
ebenfalls in einem tierexperimentellen<br />
Modell des Diabetes mellitus (Typ 1)<br />
verbessert. Da Diabetiker zur Hochrisikogruppe<br />
bzgl. kardiovaskulärer<br />
Ereignisse gehören, wäre die antiischämische<br />
Therapie mittels PETN sicher<br />
wünschenswert und hilfreich – vor<br />
allem wenn diese PETN-Therapie zusätzlich<br />
zu anderen kardiovaskulär<br />
wirksamen Medikamenten eine Verbesserung<br />
der Prognose bewirken<br />
würde. Auf diesem Hintergrund und<br />
unter Berücksichtigung der vielseitigen<br />
antioxidativen Eigenschaften<br />
<strong>von</strong> PETN wurde dessen Anwendbarkeit<br />
bei der pulmonal arteriellen Hypertonie<br />
(PAH) diskutiert (Daiber,<br />
Mainz). Experimentelle Befunde lassen<br />
vermuten, dass die Komplikationen<br />
der PAH sehr gut auf eine Induktion<br />
der Hämoxygenase-1 ansprechen.<br />
Nachdem die PETN Therapie eine<br />
vermehrte Expression der Hämoxygenase-1<br />
bewirkt, erscheint dieser Ansatz<br />
für die Therapie der PAH sehr<br />
attraktiv.<br />
Neues Verfahren zur Messung des<br />
nitratinduzierten oxidativen Stresses<br />
Basierend auf den Daten einer pharmakologischen<br />
Doktorarbeit konnte<br />
ein neues HPLC-basiertes Verfahren<br />
vorgestellt werden, um nitratinduzierten<br />
oxidativen Stress zu messen<br />
(Bauer und Rösen, Köln). Dihydrorhodamin<br />
(DHR) wurde als Fluoreszenzfarbstoff<br />
für die nitratinduzierte<br />
Bildung reaktiver Sauerstoff- und<br />
Stickstoffspezies in Endothelzellen<br />
validiert und speziell für die Verwendung<br />
in Mitochondrien getestet. Es<br />
konnte gezeigt werden, dass das Oxidationsprodukt<br />
<strong>von</strong> DHR, Rhodamin<br />
(Rh), nicht wie bisher postuliert als<br />
geladenes Molekül in den Mitochondrien<br />
bleibt, sondern dass Rh sowohl<br />
durch die mitochondriale Permeabilitäts-Transitions-Pore<br />
(mPTP), als<br />
auch durch den Transporter p-Glycoprotein<br />
aus der mitochondrialen Matrix<br />
ins Zytosol gelangen kann. Wenn<br />
diese Transportwege durch Cyclospo-<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel
in A gehemmt wurden, dann fand<br />
kein Efflux des oxidierten Rh mehr<br />
statt und das oxidative Stresssignal<br />
nach Nitroglyzerin-Behandlung blieb<br />
stabil in den Mitochondrien. Für<br />
PETN wurde eine deutlich geringere<br />
mitochondriale reaktive Speziesbildung<br />
in den Mitochondrien beobachtet<br />
und für Isosorbiddinitrat (ISDN)<br />
wurde hauptsächlich zytosolisches Rh<br />
detektiert, ein Hinweis, dass ISDN-induzierter<br />
oxidativer Stress nicht mitochondrial<br />
lokalisiert ist.<br />
Nitratauswahl beeinflusst Expression<br />
kardioprotektiver Gene<br />
Das positive Wirkprofil <strong>von</strong> PETN<br />
wird durch seine genregulatorischen<br />
Eigenschaften unterstrichen, die weit<br />
über die Induktion der Hämoxygenase<br />
und des Ferritins hinausgehen. Einen<br />
interessanten Ansatz stellt die<br />
Analyse der totalgenomischen RNA<br />
mittels Microarrays dar (Kleinert und<br />
Pautz, Mainz). Eine erste Auswertung<br />
der Genexpressionsprofile zeigt, dass<br />
die Nitroglyzerin-Behandlung in der<br />
Erhöhung der Expression <strong>von</strong> Genen<br />
resultiert, die als Marker für kardiotoxische<br />
Prozesse angesehen werden.<br />
Weiterhin verringert die Nitroglyzerin-<br />
Behandlung die Expression <strong>von</strong> Genen,<br />
die als kardioprotektiv beschrieben<br />
wurden, wohingegen die PETN-<br />
Behandlung die Expression als kardioprotektiv<br />
beschriebener Gene erhöht.<br />
In einer Folgestudie in Endothelzellen<br />
konnte ein tiefer Einblick in die Mechanismen<br />
der Genregulation durch<br />
diese Nitrate gewonnen und erste<br />
Transkriptionsfaktoren identifiziert<br />
werden, die am differenziellen Genexpressionsprofil<br />
ursächlich beteiligt<br />
sind (Kleinert und Pautz, Mainz).<br />
Translation in die Klinik<br />
Es ist nun <strong>von</strong> großer Bedeutung, diese<br />
Befunde aus überwiegend zellbiologischen<br />
bzw. tierexperimentellen<br />
Untersuchungen in klinischen Studien<br />
zu verifizieren, um dann die durchweg<br />
positiven Beobachtungen für PETN in<br />
den klinischen Alltag zu translatieren.<br />
Die Weichen hierfür sind gestellt und<br />
die Vorbereitungen für die CAESAR<br />
und CLEOPATRA Studie laufen. Im<br />
Rahmen der randomisierten, kontrol-<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
lierten CAESAR-Studie („ClinicAl<br />
Efficacy Study of <strong>Pentalong</strong> ® for PulmonAry<br />
Hypertension in HeaRt Failure“<br />
wird die Wirksamkeit und Sicherheit<br />
<strong>von</strong> PETN bei Patienten mit<br />
chronischer Herzinsuffizienz und pulmonal<br />
venöser Hypertonie untersucht,<br />
der bei Weitem häufigsten Form <strong>von</strong><br />
Lungenhochdruck. An der Phase-II-<br />
Studie CAESAR werden sich voraussichtlich<br />
15 Universitätskliniken unter<br />
der Leitung <strong>von</strong> Erland Erdmann,<br />
Köln, beteiligen. Die CLEOPATRA-<br />
Studie („Clinical Efficacy Of <strong>Pentalong</strong><br />
® in stable Angina patients after<br />
Twelve weeks of Routine Administration“)<br />
soll den geänderten Anforderungen<br />
zum Nachweis der Wirksamkeit<br />
Rechnung tragen. Insbesondere<br />
wird heute <strong>von</strong> den Arzneimittelbehörden<br />
ein Nachweis für eine Besserung<br />
der Belastbarkeit und Lebensqualität<br />
des Patienten gefordert. Bei<br />
CLEOPATRA handelt es sich um eine<br />
multinationale, randomisierte, doppelblinde<br />
und placebokontrollierte<br />
Phase-III-Studie, bei der 778 Patienten<br />
mit stabiler Angina pectoris eingeschlossen<br />
werden sollen.<br />
Mainz und Jena, im Dezember 2009<br />
A. Daiber und J. Lehmann<br />
Vorwort
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
Vasorelaxierende, protektive, antioxidative Eigenschaften<br />
<strong>von</strong> PETN im Vergleich zu anderen Nitraten –<br />
Forschungsergebnisse und ihre Bedeutung für die Praxis<br />
Vasorelaxant, protective, antioxidative properties of PETN – research results and their implications<br />
for clinical practice<br />
Symposium*, Jena, 18. August 2009 unter der Leitung <strong>von</strong> J. Lehmann<br />
Inhalt 7 Entwicklung einer LC-MS-Methode zur Quantifizierung <strong>von</strong> PETN<br />
und seinen vasodilatatorisch wirksamen Metaboliten<br />
Juliane Brettschneider, Katrin Erler, Bernd Luckas, Jochen Lehmann, Andreas Seeling, Jena<br />
12 Nitrat-Statin-Hybride – eine neue Option zur Therapie der Alzheimer‘schen Krankheit?<br />
Claudia Lengfelder1, Heidi Traber,Carolin Roegler, Khaled Abuzid, Martin Westermann,<br />
Markus Fändrich, Jochen Lehmann, Jena, Kairo und Halle<br />
18 Aminoalkylnitrate – eine neue Klasse <strong>von</strong> Nitraten?<br />
Carolin Roegler, Andreas König, Andreas Daiber, Jochen Lehmann, Jena und Mainz<br />
24 Neues zu antioxidativen Eigenschaften <strong>von</strong> PETN und zum Nitratmetabolismus<br />
an der isolierten ALDH-2<br />
Andreas Daiber, Matthias Oelze, Jens Kamuf, Richard Schell, Andrea Pautz, Philip Wenzel,<br />
Hartmut Kleinert, Mainz<br />
36 Vergleich der Wirkungen <strong>von</strong> PETN, ISMN und ISDN im experimentellen Diabetes mellitus Typ 1<br />
und in der arteriellen Hypertonie<br />
Matthias Oelze, Swenja Schuhmacher, Maike Knorr, Christian Otto, Tjebo Heeren, Jens Kamuf,<br />
Philip Wenzel, Dirk Stalleicken, Thomas Münzel, Andreas Daiber, Mainz und Langenfeld<br />
45 Pulmonale Hypertonie – ein weiteres Anwendungsgebiet für PETN?<br />
Matthias Oelze, Swenja Schuhmacher, Alexander Scholz, Sebastian Steven,<br />
Andreas Daiber, Mainz<br />
50 Vergleichende Untersuchung der Bildung reaktiver Sauerstoffspezies durch organische Nitrate<br />
mit dem Indikator Dihydrorhodamin 123<br />
Tim Bauer, Renate Rösen, Köln<br />
56 Regulation der Genexpression durch organische Nitrate<br />
Andrea Pautz, Peter Rauschkolb, Julia Art, Cornelia Voss, Susanne Karbach, Philip Wenzel, Matthias<br />
Oelze, Ulrich Förstermann, Andreas Daiber, Hartmut Kleinert, Mainz<br />
* Das Symposium wurde ausgerichtet mit freundlicher Unterstützung<br />
der <strong>Actavis</strong> Deutschland GmbH & Co. KG, Langenfeld<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel
Entwicklung einer LC-MS-Methode zur<br />
Quantifizierung <strong>von</strong> PETN und seinen vasodilatatorisch<br />
wirksamen Metaboliten<br />
Juliane Brettschneider 1 , Katrin Erler 2 , Bernd Luckas 2 , Jochen Lehmann 1 , Andreas Seeling 1<br />
Zusammenfassung: Pentaerythritoltetranitrat<br />
(PETN) ist ein hochpotentes organisches<br />
Nitrat mit vasodilatatorischer Wirkung<br />
an der glatten Gefäßmuskulatur und<br />
wird in der Therapie der Herzinsuffizienz<br />
bzw. der Anfallskupierung bei Angina pectoris<br />
eingesetzt. Die Bioaktivierung durch<br />
die mitochondriale Aldehyddehydrogenase<br />
(ALDH2) und auch andere Abbauwege<br />
führen zu nitratärmeren Polyolen, die Anteil<br />
an der vasodilatatorischen Wirkung der<br />
Muttersubstanz haben. Die schrittweise<br />
Metabolisierung des PETN führt zu Pentaerythritoltrinitrat<br />
(PEtriN), Pentaerythritoldinitrat<br />
(PEdiN) und Pentaerythritolmononitrat<br />
(PEmonoN). Um eine Möglichkeit<br />
zu schaffen, die Compliance im Rahmen<br />
pharmakologischer Studien zu belegen<br />
und auch die bei der Inkubation des PETN<br />
mit Enzymen ablaufende Reaktionskinetik<br />
beurteilen zu können, muss eine sehr empfindliche<br />
Analytik, wie es sie bisher nicht<br />
gab, verfügbar sein. Unsere Arbeitsgruppe<br />
entwickelte nun eine RPHPLCESIMS<br />
Methode unter Verwendung einer C18<br />
Trennsäule auf der Basis des Wissens, das<br />
1. Geschichte der Analytik <strong>von</strong> PETN und<br />
PETN-Metaboliten<br />
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden<br />
erste Bemühungen unternommen, in ihrer<br />
Zusammensetzung unbekannte NitroExplosivstoffgemische<br />
bezüglich ihrer Inhaltsstoffe<br />
zu charakterisieren. Zunächst bediente<br />
man sich einfacher analytischer Methoden<br />
wie der Papierchromatografie, dann<br />
der Dünnschichtchromatografie unter Verwendung<br />
nitratspezifischer Sprühreagenzien,<br />
wodurch bei ausreichenden Substanzmengen<br />
schon semiquantitative Aussagen<br />
möglich wurden.<br />
Durch Nutzung der durch die DC<br />
Sprühreagenzien entwickelten Farbreaktionen<br />
wurden dann colorimetrische Assays<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
in vorangegangenen HPLCUVMessungen<br />
gewonnen worden war [1, 2]. Problematisch<br />
sind hier die sehr geringen Konzentrationen<br />
<strong>von</strong> PETN und seinen nitratärmeren Metaboliten<br />
in biologischen Proben. Um auch<br />
diese erfassen zu können, wurde die Bildung<br />
<strong>von</strong> stabilen FormiatAddukten [3]<br />
zur Erhöhung der Empfindlichkeit genutzt,<br />
was zu LOD(limit of detection)Werten<br />
<strong>von</strong> maximal 10 8 M für PETN, PEtriN und<br />
PEdiN führte. Für diese Nitrate konnte dadurch<br />
über den gesamten Arbeitsbereich<br />
<strong>von</strong> 10 5 bis 10 8 M ein linearer Zusammenhang<br />
zwischen Nitratkonzentration und<br />
Signalintensität im HPLCMSChromatogramm<br />
belegt werden. Lediglich die Empfindlichkeit<br />
der PEmonoNBestimmung<br />
reichte mit einer LOQ <strong>von</strong> 5 x 10 5 M nicht<br />
für eine Quantifizierung in biologischen<br />
Proben aus, was möglicherweise an der zu<br />
geringen Stabilität des PEmonoNFormiat<br />
Adduktes liegt.<br />
Schlüsselwörter: Organische Nitrate – Quantifizierung<br />
– FormiatAddukt – LCMS<br />
entwickelt. Doch diese zeigten, ebenso wie<br />
densitometrische und photometrische Methoden<br />
zur Gehaltsbestimmung organischer<br />
Nitrate, zu geringe Empfindlichkeiten<br />
und Selektivitäten, vor allem als in<br />
den 1960er Jahren im Rahmen der kardiovaskulären<br />
Therapie vermehrt pharmakokinetische<br />
Fragestellungen aufkamen<br />
und die Quantifizierung <strong>von</strong> organischen<br />
Nitraten sowie deren Metaboliten beabsichtigt<br />
war. Auch alle nachfolgenden<br />
Analysemethoden bis hin zur Flüssigchromatografie<br />
(HPLC) mit UVDetektion<br />
oder Gaschromatografie erreichten nie die<br />
für eine Gehaltsbestimmung <strong>von</strong> Nitraten<br />
in biologischen Proben erforderliche Sensitivität.<br />
Organische Nitrate<br />
1 Lehrstuhl für Pharmazeutische/Medizinische<br />
Chemie,<br />
Pharmazeutisches Institut<br />
der Friedrich-Schiller-Universität<br />
Jena, Deutschland<br />
2 Lehrstuhl für Lebensmittelchemie,<br />
Institut für Ernährungswissenschaften<br />
der<br />
Friedrich-Schiller-Universität<br />
Jena, Deutschland
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
Eine Empfindlichkeitssteigerung sollte<br />
durch massenspektrometrische Detektion<br />
möglich werden, d.h. an das chromatographische<br />
Trennmodul wird ein Massenspektrometer<br />
angeschlossen, das die aus<br />
der chromatografischen Säule kommenden<br />
Moleküle selektiv und sensitiv erfasst. Aufgrund<br />
der bekannten Thermolabilität organischer<br />
Nitrate unter GCMSBedingungen<br />
wandte sich unsere Arbeitsgruppe der<br />
schonenderen HPLCMSAnalytik zu.<br />
2. HPLC-UV als Ausgangspunkt für die<br />
Entwicklung einer HPLC-MS-Analytik<br />
Zur Vorbereitung auf die HPLCMSMethode<br />
wurde zunächst die flüssigchromatografisches<br />
Trennung mit UVDetektion<br />
bei 215 nm entwickelt [1, 2]. Verschiedene<br />
ReversedPhaseTrennsäulen wurden in<br />
Kombination mit Fließmitteln unterschiedlicher<br />
Zusammensetzung, basierend<br />
auf WasserMethanol und WasserAceto<br />
Organische Nitrate<br />
Organisches Nitrat Molare Masse [g/mol] Molare Masse des Formiat-Adduktes [g/mol]<br />
PETN<br />
PEtriN<br />
PEdiN<br />
PEmonoN<br />
316,14<br />
271,14<br />
226,14<br />
181,14<br />
Tab. 1: Übersicht der molaren Massen <strong>von</strong> PETN und seinen Metaboliten sowie der molaren Massen<br />
entsprechender Formiat-Addukte. Die Differenz aus molarer Masse des organischen Nitrates und<br />
des aus ihm gebildeten Formiat-Adduktes ergibt in jedem Fall die molare Masse des Formiates<br />
(45,03 g/mol).<br />
Organisches<br />
Nitrat<br />
PETN<br />
PEtriN<br />
PEdiN<br />
PEmonoN<br />
Zeit des Scannens<br />
[msec]<br />
250<br />
250<br />
250<br />
250<br />
DP<br />
[Volt]<br />
Tab. 2: Darstellung experimentell ermittelter MS-Potenziale, die die maximale Signalintensität der<br />
Nitrat-Formiat-Addukte in den Massenspektren liefern. Die Abkürzungen der Potenziale stehen<br />
hierbei für: DP = Entclusterungspotenzial, FP = fokussierendes Potenzial, EP = Eingangspotenzial.<br />
Die Optimierung der Ionenspray-Spannung ergab für jedes organische Nitrat einen Wert <strong>von</strong><br />
–4000 V. Um die thermische Belastung der Nitrate so gering wie möglich zu halten, wurde mit einer<br />
für die Vernebelung minimal möglichen MS-Temperatur <strong>von</strong> 300 °C gearbeitet.<br />
–8<br />
–40<br />
–20<br />
–40<br />
361,17<br />
316,17<br />
271,17<br />
226,17<br />
FP<br />
[Volt]<br />
–90<br />
–50<br />
–100<br />
–50<br />
EP<br />
[Volt]<br />
nitrilGemischen, im isokratischen Modus<br />
getestet. Die beste Auftrennung <strong>von</strong> PETN<br />
und seinen nitratärmeren Metaboliten<br />
wurde durch eine C18Trennsäule (Phenomenex<br />
® Gemini 5u C18 110A, 250 x 4,60<br />
mm) sowie das Fließmittelgemisch Acetonitril<br />
: Wasser im Verhältnis 60 : 40 (V/V)<br />
erzielt.<br />
Ein weiterer wichtiger Anhaltspunkt<br />
konnte der Publikation <strong>von</strong> Zhao und Yinon<br />
entnommen werden, die die Bildung<br />
<strong>von</strong> Addukten kurzkettiger organischer<br />
Säuren mit den untersuchten Nitraten beschreibt<br />
[3]. Tatsächlich erzeugten die Formiate,<br />
Acetate und Propionate der Nitrate<br />
die entsprechenden Molpeaks, welche bei<br />
den reinen Nitraten in der Regel wegen ihrer<br />
Instabilität fehlen. Dementsprechend<br />
wurde den beiden FließmittelKomponenten,<br />
aus denen der eigentliche Eluent binär<br />
gemischt wurde, ein AmeisensäureAmmoniumformiatPuffer<br />
zugesetzt, um die<br />
–2<br />
–4<br />
–4<br />
–3<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel
Bildung <strong>von</strong> FormiatAddukten zu gewährleisten.<br />
Die wässrige FließmittelKomponente<br />
A beinhaltete Konzentrationen an<br />
Ameisensäure und Ammoniumformiat <strong>von</strong><br />
je 10 mM, während FließmittelKomponente<br />
B ein Gemisch an Acetonitril und<br />
Wasser im Verhältnis 80:20 (V/V) darstellt<br />
und 2 mM Ameisensäure sowie 5 mM Ammoniumformiat<br />
enthielt.<br />
Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die<br />
molaren Massen der untersuchten organischen<br />
Nitrate sowie ihrer zugehörigen<br />
FormiatAddukte, deren Bildung unter<br />
den angegebenen Bedingungen erwartet<br />
wurde. Die Differenz der molaren Massen<br />
<strong>von</strong> organischem Nitrat und korrelierendem<br />
FormiatAddukt entspricht in jedem<br />
Fall der molaren Masse des Formiat<br />
Anions (45,03 g/mol).<br />
Um die Bildung der postulierten FormiatAddukte<br />
zu untersuchen, wurde an dem<br />
SingleQuadrupolMassenspektrometer<br />
API 165TM für jedes organische Nitrat unter<br />
Verwendung der beschriebenen AmeisensäureAmmoniumformiatPuffer<br />
das<br />
Massenspektrum im negativen Ionenmodus<br />
aufgenommen. Alle Massenspektren<br />
zeigten beständig bei der Massenzahl des<br />
entsprechenden NitratFormiatAdduktes<br />
sogar einen Basispeak (stärkster Peak im<br />
Spektrum), was die Bildung sehr stabiler<br />
FormiatAddukte belegt. Um die Intensität<br />
des jeweiligen AdduktPeaks weiter zu<br />
erhöhen, wurden für jedes der organischen<br />
Nitrate optimale Werte für Eingangs und<br />
Entclusterungspotenzial sowie für das fokussierende<br />
Potenzial gesucht und gefunden.<br />
In Tabelle 2 sind diese drei optimierten<br />
Potenziale für jedes der organischen<br />
Nitrate wiedergegeben.<br />
3. Entwicklung und Optimierung der<br />
HPLC-MS-Methode<br />
Die optimierten MSPotenziale wurden<br />
ebenso wie die zu erwartenden molaren<br />
Massen der NitratFormiatAddukte in die<br />
Messmethodik der MSKomponente übernommen.<br />
Unter den optimierten Bedingungen<br />
wurde für jede fixierte Massenzahl<br />
(Massenchromatogramm) das HPLCMS<br />
Chromatogramm aufgezeichnet. Abbildung<br />
1 zeigt das HPLCMSChromatogramm mit<br />
der entsprechenden Massenzahl des PETN<br />
FormiatAdduktes <strong>von</strong> 361,17 g/mol. PETN<br />
hatte die längste Verweildauer auf der<br />
RPSäule mit einer Retentionszeit <strong>von</strong> 27,70<br />
min (Abb. 1). Seine nitratärmeren Metabo<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
Intensität<br />
Intensität<br />
2e+6<br />
2e+6<br />
1e+6<br />
8e+5<br />
4e+5<br />
0<br />
3e+6<br />
3e+6<br />
2e+6<br />
2e+6<br />
1e+6<br />
5e+5<br />
0<br />
PETN<br />
m/z 361,17 amu<br />
Rt 27,70 min<br />
Organische Nitrate<br />
0 5 10 15 20 25 30 35 40<br />
Zeit [min]<br />
Abb. 1: HPLC-MS-Chromatogramm der Massenzahl 361,17 amu. Durch Aufnahme<br />
<strong>von</strong> Massenspektren kann die Massenzahl eindeutig auf eine Addukt-Bildung <strong>von</strong><br />
PETN und Formiatanion zurückgeführt werden. Wie dem Chromatogramm zu<br />
entnehmen ist, eluiert das PETN-Formiat-Addukt bei 27,70 min (Konzentration der<br />
PETN-Standardlösung: 10 -4 M).<br />
Intensität<br />
Intensität<br />
2e+6<br />
2e+6<br />
1e+6<br />
8e+5<br />
4e+5<br />
0<br />
1e+5<br />
8e+4<br />
6e+4<br />
4e+4<br />
2e+4<br />
0<br />
PEtriN<br />
m/z 316,17 amu<br />
Rt 25,47 min<br />
0 5 10 15 20<br />
Zeit [min]<br />
25 30 35 40<br />
PEdiN<br />
m/z 271,17 amu<br />
Rt 16,72 min<br />
0 5 10 15 20<br />
Zeit [min]<br />
25 30 35 40<br />
PEmonoN<br />
m/z 226,17 amu<br />
Rt 5,15 min<br />
0 5 10 15 20<br />
Zeit [min]<br />
25 30 35 40<br />
Abb. 2: HPLC-MS-Chromatogramme der Massenzahlen der Formiat-Addukte <strong>von</strong><br />
PEtriN, PEdiN und PEmonoN. Die Chromatogramme bestätigen das in den HPLC-<br />
UV-Messungen beobachtete Retentionsverhalten der PETN-Metaboliten (Konzentration<br />
der Standardlösungen: je 10 -4 M).
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
Tab. 3: Übersicht über die prozentualen Gehalte des Fließmittels an Komponente A<br />
bzw. B in Abhängigkeit des zeitlichen Verlaufs einer chromatografischen Messung<br />
(Zusammensetzung Komponente A: 100 % Wasser, 10 mM Ameisensäure,<br />
10 mM Ammoniumformiat; Zusammensetzung Komponente B: Acetonitril : Wasser<br />
80:20 (V/V), 2 mM Ameisensäure, 5 mM Ammoniumformiat).<br />
10<br />
Anteil der Komponenten [%]<br />
Zeit<br />
[min]<br />
5<br />
8<br />
18<br />
20<br />
29<br />
30<br />
40<br />
Flussrate<br />
[µl/min]<br />
200<br />
200<br />
200<br />
200<br />
200<br />
200<br />
200<br />
Zeit [min]<br />
Anteil A<br />
[%]<br />
95<br />
55<br />
55<br />
0<br />
0<br />
95<br />
95<br />
Anteil B<br />
[%]<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
Komponente A<br />
10<br />
0<br />
Komponente B<br />
0 5 10 15 20 25 30 35 40<br />
Abb. 3: Grafische Darstellung der veränderten Zumischung der Fließmittel-Komponenten<br />
A und B während eines chromatografischen Laufes. Im Vergleich verschiedener<br />
Methoden mit binärem Gradienten zeichnete sich die ausgewählte durch<br />
eine gute Trennung der Analyten und eine frühe Retention des zuletzt eluierenden<br />
PETN aus. Die Methode wurde im Folgenden für die Entwicklung einer Methode<br />
zur Quantifizierung <strong>von</strong> PETN und seinen Metaboliten verwendet.<br />
liten sollten aufgrund höherer Hydrophilie<br />
zu früheren Zeiten eluieren, PEmonoN aufgrund<br />
seines geringsten Nitratgehaltes als<br />
Erstes, gefolgt <strong>von</strong> PEdiN und schließlich<br />
PEtriN. Diese Überlegung wurde im Experiment<br />
(HPLCMSChromatogramme, Abb.<br />
2) bestätigt. Für alle Chromatogramme wurde<br />
ein optimierter binärer Gradient beider<br />
FließmittelKomponenten benutzt. Die im<br />
Vergleich verschiedener Methoden ermit<br />
5<br />
45<br />
45<br />
100<br />
100<br />
5<br />
5<br />
Organische Nitrate<br />
telte optimale Zufuhr der FließmittelKomponenten<br />
A und B ist tabellarisch (Tab. 3)<br />
wiedergegeben. Die entsprechende grafische<br />
Darstellung findet sich in Abbildung<br />
3. Für die Wahl der Methode war entscheidend,<br />
dass die Trennung <strong>von</strong> PETN und seinen<br />
nitratärmeren Metaboliten gut gelingt<br />
und für das zuletzt eluierende PETN eine<br />
vergleichsweise niedrige Retentionszeit<br />
möglich wird.<br />
Die ermittelten MSBedingungen, die<br />
Bildung <strong>von</strong> NitratFormiatAddukten sowie<br />
der gefundene Fließmittelgradient<br />
wurden im Folgenden bei der Entwicklung<br />
einer Methode zur Quantifizierung <strong>von</strong><br />
PETN und seinen nitratärmeren Metaboliten<br />
zusammengeführt. Die Kalibrierung<br />
mithilfe <strong>von</strong> Standardlösungen im Konzentrationsbereich<br />
<strong>von</strong> 10 5 bis 10 8 M verdeutlichte<br />
den linearen Zusammenhang<br />
<strong>von</strong> Nitratkonzentration und Signalintensität<br />
im HPLCMSChromatogramm über<br />
den gesamten Arbeitsbereich. Ein Beispiel<br />
Chromatogramm der Kalibrierung ist in<br />
Abbildung 4 für ein Gemisch <strong>von</strong> PETN<br />
und PETNMetaboliten mit einer jeweiligen<br />
Konzentration <strong>von</strong> 10 6 M dargestellt.<br />
Während PETN, PEtriN und PEdiN in<br />
der vorliegenden Konzentration deutliche<br />
Signale zeigen, ist der PEmonoNPeak leider<br />
nur undeutlich erkennbar. Es könnte<br />
sein, dass nur eine Nitratgruppe für die Bildung<br />
eines FormiatAdduktes unzureichend<br />
ist oder zu einer geringeren Stabilität<br />
des Adduktes führt.<br />
Die ermittelten Werte für die jeweiligen<br />
Nachweis und Bestimmungsgrenzen sind<br />
in Tabelle 4 gegenübergestellt. Während<br />
die niedrigsten quantifizierbaren Konzentrationen<br />
für PETN, PEtriN und PEdiN bei<br />
maximal 5 x 10 8 M liegen, ist die LOQ <strong>von</strong><br />
PEmonoN mit einem Wert <strong>von</strong> 5 x 10 5 M<br />
für eine Quantifizierung in biologischen<br />
Proben nicht brauchbar. Dessen ungeachtet<br />
konnte die entwickelte HPLCMS<br />
Quantifizierungsmethode bereits erfolgreich<br />
zur Bestimmung der Gehalte <strong>von</strong><br />
PETN und PETNMetaboliten nach Extraktion<br />
aus Humanplasma und Vollblut<br />
sowie im Rahmen kinetischer Untersuchungen<br />
nach der Inkubation der Nitrate<br />
mit ALDH2 eingesetzt werden. Ebenso<br />
lassen die Nachweisgrenzen <strong>von</strong> PETN,<br />
PEtriN und PEdiN die Gehaltsbestimmung<br />
der Nitrate im Vollblut <strong>von</strong> Probanden<br />
nach oraler Gabe <strong>von</strong> PETN zu, was letztlich<br />
das Ziel unserer Bemühungen war. n<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel
Summary<br />
Pentaerythritol tetranitrate (PETN) is a<br />
high potency nitrovasodilator and is used in<br />
the treatment of cardiomyopathy and angina<br />
pectoris. Bioactivation via mitochondrial<br />
aldehyde dehydrogenase (ALDH2)<br />
and other biodegradations go along with a<br />
stepwise loss of the 4 nitrate functions and<br />
result in pentaerythritol trinitrate (PEtriN),<br />
pentaerythritol dinitrate (PEdiN) and pentaerythritol<br />
mononitrate (PEmonoN). All<br />
of them contribute to the vasodilatory action.<br />
In order to confirm compliance in the<br />
field of pharmacological studies and also in<br />
order to monitor reactions of PETN with<br />
regard to enzyme kinetics, a highly sensitive<br />
analytical method, which has not been<br />
available so far has to be found. Based on<br />
previous investigations via HPLCUV [1,<br />
2], we developed a RPHPLCESIMS (reversed<br />
phase high performance liquid chromatography<br />
electrospray ionization mass<br />
spectrometry) method using a C18 column,<br />
which showed to be sensitive enough to determine<br />
the concentrations of PETN and its<br />
denitrated metabolites in biological samples.<br />
The formation of stable formiate adducts<br />
[3] further increased sensitivity and<br />
lead to LOD (limit of detection) of 10 8 M<br />
in maximum for PETN, PEtriN and PEdiN.<br />
Linearity could be shown within the whole<br />
working range for concentrations from 10 5<br />
till 10 8 M. But a comparable detection of<br />
PEmonoN could not be achieved by this<br />
protocol.<br />
Key Words: organic nitrate – quantification<br />
– formiate adduct – LCMS<br />
Danksagung<br />
Ein herzliches Dankeschön soll an dieser<br />
Stelle dem Kollegium des Lehrstuhls für<br />
Lebensmittelchemie, Institut für Ernährungswissenschaften<br />
der FriedrichSchiller<br />
Universität Jena ausgesprochen werden,<br />
welches das für die Messungen verwendete<br />
LCMSGerät zur Verfügung stellte und<br />
stets hilfsbereit bei der Beantwortung technischer<br />
Fragen war.<br />
Darüber hinaus ist zu danken Katrin Fischer<br />
sowie Monika Listing, Kolleginnen<br />
des Lehrstuhls für Pharmazeutische/Medizinische<br />
Chemie an dem Institut für Pharmazie<br />
der FriedrichSchillerUniversität<br />
Jena, für die Synthese der verwendeten<br />
Standards PEtriN, PEdiN und PEmonoN.<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
Organisches Nitrat<br />
PETN<br />
PEtriN<br />
PEdiN<br />
PEmonoN<br />
Retentionszeit<br />
[min]<br />
27,70<br />
25,47<br />
16,72<br />
5,15<br />
Literatur<br />
1. Cavazzutti C, Gagliardi L, Amato A, Gattavecchia E,<br />
Tonelli D. Separation and quantitation of polynitrate<br />
esters in pharmaceutical preparations by reversedphase<br />
high-performance liquid chromatography.<br />
J Chromatogr 1982;244:391–395<br />
2. Seeling A, Lehmann J. NO-donors, part X [1]: Investigations<br />
on the stability of pentaerythrityl tetranitrate<br />
(PETN) by HPLC-chemoluminescence-N-detection<br />
(CLND) versus UV-detection in HPLC. J Pharm Biomed<br />
Anal 2006;40:1131–1136<br />
3. Zhao X, Yinon J. Identification of nitrate ester explosives<br />
by liquid chromatography-electrospray ionization<br />
and atmospheric pressure chemical ionization mass<br />
spectrometry. J Chromatogr 2002; A 977:59–68<br />
LOD<br />
[mol/l]<br />
1x10 -8<br />
7,5x10 -9<br />
1x10 -8<br />
1x10 -6<br />
Organische Nitrate<br />
LOQ<br />
[mol/l]<br />
5x10 -8<br />
2x10 -8<br />
5x10 -8<br />
5x10 -5<br />
Tab. 4: Übersicht der experimentell ermittelten Nachweis- und Bestimmungsgrenzen<br />
für PETN und seine Metaboliten. Der angegebenen LOD liegt ein Signal-<br />
Rausch-Verhältnis mit einem Mindestwert <strong>von</strong> 3 zugrunde, während die LOQ ein<br />
Signal-Rausch-Verhältnis <strong>von</strong> mindestens 10 erfordert (LOD = „limit of detection“,<br />
Nachweisgrenze; LOQ = „limit of quantification“, minimale quantifizierbare Konzentration<br />
des Analyten).<br />
Intensität<br />
8000<br />
6000<br />
4000<br />
2000<br />
0<br />
PEmonoN<br />
PEdiN<br />
0 5 10 15 20 25 30 35 40<br />
Zeit [min]<br />
PEtriN<br />
PETN<br />
Abb. 4: HPLC-MS-Chromatogramm eines Gemisches der Standardlösungen <strong>von</strong><br />
PETN, PEtriN, PEdiN und PEmonoN. Während PETN, PEtriN und PEdiN deutliche<br />
Peaks hoher Intensität zeigen, ist das PEmonoN-Signal wesentlich schwächer<br />
ausgeprägt, was ggf. auf eine geringere Stabilität des Formiat-Adduktes zurückgeführt<br />
werden kann und die Empfindlichkeit im Rahmen der Quantifizierung<br />
deutlich mindert (Konzentration der Analyten: je 10 -6 M).<br />
Für die Verfasser:<br />
Jochen Lehmann<br />
Pharmazeutisches Institut<br />
der Friedrich-Schiller-<br />
Universität Jena<br />
Lehrstuhl für Pharmazeutische/Medizinische<br />
Chemie<br />
Philosophenweg 12<br />
07747 Jena, Germany<br />
Tel.: +49 (0)3641 949825<br />
Fax: +49 (0)3641 949802<br />
E-Mail: juliane.<br />
brettschneider@uni-jena.de<br />
oder: j.lehmann@uni-jena.de<br />
11
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
1 Lehrstuhl für Pharmazeutische/Medizinische<br />
Chemie<br />
Pharmazeutisches Institut der<br />
Friedrich-Schiller-Universität<br />
Jena<br />
2 Lehrstuhl für Pharmazeutische<br />
Chemie, Ain Shams Universität,<br />
Abbasia-Kairo, Ägypten<br />
3 Elektronenmikroskopisches<br />
Zentrum am Universitätsklinikum<br />
Jena<br />
4 Max-Planck-Forschungsstelle<br />
„Enzymologie der Proteinfaltung“,<br />
Halle<br />
12<br />
Nitrat-Statin-Hybride – eine neue Option zur<br />
Therapie der Alzheimer‘schen Krankheit?<br />
Claudia Lengfelder 1 , Heidi Traber 1 ,Carolin Roegler 1 , Khaled Abuzid 2 ,<br />
Martin Westermann 3 , Markus Fändrich 4 , Jochen Lehmann 1<br />
Zusammenfassung: Statine werden klassisch<br />
für die Behandlung und zur Vorbeugung<br />
der Hypercholesterinämie eingesetzt<br />
aufgrund ihrer Eigenschaft, die Cholesterinsynthese<br />
zu reduzieren. Sie wirken durch<br />
eine Blockierung der HMGCoAReduktase,<br />
welche das geschwindigkeitsbestimmende<br />
Enzym bei der Cholesterinsynthese ist. Allerdings<br />
lassen einige Studien vermuten, dass<br />
Statine auch für die Behandlung der<br />
Alzheimer’schen Krankheit günstig sein<br />
können. Neben ihrer HMGCoAReduktaseinhibierenden<br />
Wirkung wurden noch einige<br />
weitere Mechanismen in den Raum gestellt.<br />
Es konnte gezeigt werden, dass Statine<br />
die Freisetzung des βAmyloidPeptids beeinflussen,<br />
das durch Aggregation die sogenannten<br />
senilen Plaques bildet, das pathologische<br />
Charakteristikum der Alzheimer’schen<br />
Krankheit. Obwohl der exakte Mechanismus<br />
noch nicht aufgeklärt wurde, könnte<br />
diese Wirkung auf verringerte Cholesterin<br />
Die Alzheimer’sche Krankheit (Alzheimer’s<br />
disease = AD), eine zu den Demenzen<br />
zählende neurodegenerativen Erkrankung,<br />
tritt weltweit bei ca. 15 Millionen<br />
Menschen auf. Aufgrund der stetig steigenden<br />
Lebenserwartung wird allein in<br />
Deutschland für das Jahr 2010 eine Zahl <strong>von</strong><br />
etwa 1,8 Millionen Erkrankungen prognostiziert.<br />
Bei den Betroffenen führt AD zu einem<br />
langsam fortschreitenden Abbau <strong>von</strong> Nervenzellen<br />
und Nervenkontakten im Gehirn.<br />
Charakteristischerweise kommt es zum Auftreten<br />
<strong>von</strong> intrazellulären neurofibrillären<br />
Bündeln aus Proteinen, neuronalen Degenerationen<br />
und extrazellulären βAmyloidablagerungen<br />
(senile Plaques), wobei Letztere<br />
Spaltprodukte des AmyloidPrecursorProteins<br />
(APP) sind und als wesentliches pathologisches<br />
Merkmal der AD gelten. Aktuelle<br />
Bestrebungen bei der Suche nach neuen Medikamenten<br />
zielen darauf hin, die Bildung<br />
<strong>von</strong> βAmyloidPlaques zu verhindern, indem<br />
spiegel zurückgeführt werden oder auch auf<br />
eine verringerte IsoprenoidBiosynthese, die<br />
die Prozessierung des βAmyloidvorläuferproteins<br />
APP beeinflusst. Wir haben den<br />
direkten Effekt verschiedener Statinderivate<br />
auf die Amyloidaggregation gestestet, als<br />
einen weiteren Weg, wie Statine die<br />
Alzheimer’schen Krankheit positiv beeinflussen<br />
könnten. Vor allem haben wir untersucht,<br />
ob die chemische Modifizierung der<br />
freien LactonHydroxyGruppe der Statine<br />
zu Verbindungen führen könnte, die eine<br />
direkte Wirkung auf die Amyloidaggregation<br />
aufweisen und so die Plaquebildung unterdrücken.<br />
Erstaunlicherweise zeigten die<br />
Resultate, dass ein NitroAcetylStatinderivat<br />
(LECL11) die Amyloidaggregation potent<br />
reduziert (auf 35% der Kontrolle).<br />
Schlüsselwörter: Statine – organische<br />
Nitrate – StatinNitratHybridmolekül –<br />
Alzheimer’sche Krankheit<br />
die Enzyme (Sekretasen) moduliert werden,<br />
welche den ungünstigen Abbau des Amyloid<br />
PrekursorProteins (APP) zu den Polypeptiden<br />
Aβ4042 katalysieren, aus denen durch<br />
Aggregation die βAmyloidPlaques entstehen.<br />
Die Spaltung des integralen Membranproteins<br />
APP kann durch unterschiedliche<br />
Sekretasen erfolgen, wobei die Spaltung<br />
durch die aSekretase lediglich lösliche, nicht<br />
pathogene Abbauprodukte freisetzt. Durch<br />
Spaltung <strong>von</strong> APP durch die βSekretase entsteht<br />
pathogenes Aβ(140) und Aβ(142), welche<br />
dann zu unlöslichen Fibrillen und den senilen<br />
Plaques aggregieren.<br />
Statine als Therapeutika bei der<br />
Alzheimer’schen Demenz?<br />
Weitere Studien belegen, dass es eine direkte<br />
Verbindung zwischen Störungen im Lipidund<br />
Cholesterolstoffwechsel und der Entwicklung<br />
der Alzheimerischen Erkrankung<br />
gibt, was zur Diskussion über die Relevanz<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel
<strong>von</strong> Cholesterolsynthesehemmern (Statinen)<br />
für die AlzheimerTherapie führte [1]. Es<br />
wurde gezeigt, dass die Reduktion <strong>von</strong> zellulärem<br />
Cholesterol zu einer erhöhten Aktivität<br />
der aSekretase führt, wodurch der nicht<br />
amyloidogene aSektraseAbbau <strong>von</strong> APP<br />
bevorzugt wird. Zum anderen hemmen die<br />
Statine die DenovoIsoprenoidBiosynthese.<br />
Die daraus entstehenden Isoprenoide (z.<br />
B. Farnesylpyrophosphat) sind essenziell für<br />
die Dimerisierung <strong>von</strong> BACE, welches erst<br />
als Dimer die βSekretase aktiviert und somit<br />
den amyloidogenen Abbau <strong>von</strong> APP bedingt.<br />
Die Inhibition der IsoprenoidBiosynthese<br />
führt daher zu einer Akkumulation <strong>von</strong> APP<br />
in der Zelle, jedoch zu einer verringerten<br />
Freisetzung <strong>von</strong> Aβ, was die Bildung <strong>von</strong> senilen<br />
AβPlaques verhindern könnte [2, 3].<br />
Generell lässt sich sagen, dass die bisher<br />
eingesetzten Antidementiva vor allem symptomatischkompensatorisch<br />
wirken und<br />
nicht gezielt in die AlzheimerPathogenese<br />
eingreifen. Sowohl durch die Modulation<br />
der an der APPSpaltung beteiligten Sekretasen<br />
als auch durch die direkte Inhibition<br />
der AβAggregation ließe sich die Ablagerung<br />
<strong>von</strong> senilen Plaques vermindern.<br />
Lovastatin zeigte bei früheren Untersuchungen<br />
in einem ZellAssay [4] eine direkte<br />
Inhibition der Aβ40Aggregation (senile<br />
Plaques) <strong>von</strong> 35%. Dies ist bemerkenswert,<br />
wobei allerdings der hier angewandte MakrophagenZellAssay<br />
sicher gut geeignet<br />
ist, um im Screening Leitstrukturen zu identifizieren,<br />
aber nicht unbedingt einen Rückschluss<br />
zur humanen InvivoSituation erlaubt.<br />
Bei der Durchführung des Assays<br />
wurde lösliches Aβ mit Monozyten inkubiert<br />
und die sich dabei bildenden AβPlaques<br />
mithilfe <strong>von</strong> Kongorot in einem Polarisationsmikroskop<br />
detektiert.<br />
Zusammenfassend kann man spekulieren,<br />
dass Statine über unterschiedliche, bisher<br />
noch nicht umfassend geklärte Mechanismen<br />
Effekte in der AlzheimerTherapie zeigen<br />
könnten. Die direkte Hemmung der AβAggregation<br />
ist ein neuer Ansatz, mögliche AlzheimerTherapeutika<br />
zu entwickeln.<br />
Es wurde ein „reines Aβ40“Assay etabliert,<br />
um Statine und vor allem neue Statinderivate<br />
auf eine direkte Wirkung auf die<br />
Bildung <strong>von</strong> aggregiertem ßAmyloid zu testen.<br />
Unter Verwendung <strong>von</strong> Thioflavin T<br />
(spezifischer AβFibrillen Marker) lässt sich<br />
über die zunehmende Fluoreszenzintensität,<br />
die mit der Aggregation einhergeht, letztere<br />
zeitlich verfolgen.<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
Aggregation [%]<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Auf diese Weise konnte zunächst für Lovastatin<br />
eine nur sehr mäßige Aggregationsinhibition<br />
<strong>von</strong> 15% nachgewiesen werden,<br />
andere getestete Statine zeigten jedoch keine<br />
Wirkung auf die AβAggregation (Abb. 1).<br />
Mit dem Ziel, Statine chemischstrukturell<br />
so zu modifizieren, dass sie potentere<br />
AβAggregationshemmer sind, wurde die<br />
Struktur des Lovastatins abgewandelt. Unter<br />
Bewahrung des „Grundgerüstes“ wurde<br />
im ersten Versuchsansatz Lovastatin durch<br />
Hydrolyse zum Dihydroxyheptansäurederivat<br />
entacyliert, an der reaktiveren Hydroxylgruppe<br />
vorübergehend geschützt und danach<br />
reacyliert.<br />
Organische Nitrate<br />
Kontrolle Lovastatin Pravastatin Simvastatin Atorvastatin<br />
Abb. 1: Maximale Aβ-Aggregation nach 96 h unter dem Einfluss verschiedener<br />
Statine.<br />
Relaxation [%]<br />
0<br />
20<br />
40<br />
60<br />
80<br />
100<br />
Nitratopivalinsäure<br />
CL L 10<br />
–6 –5 –4 –3<br />
Konzentration [logM]<br />
Abb. 2: Vasorelaxierende Effekte der Nitratopivalinsäure und des Nitrato-Simvastatin-Derivats<br />
LE-CL10 (in vitro) an PGF2 vorkontrahierten Pulmonalarterien des<br />
Schweins.<br />
13
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
Vorrangig wurde das nitrooxylierte SimvastatinDerivat<br />
LE-CL10 synthetisiert, also<br />
ein SimvastationNODonorHybridmolekül.<br />
Das heißt, dem Statin wurde mit einem<br />
organischen Nitrat eine zweite bioaktive,<br />
die NO/sGC/cGMPSignaltransduktion regulierende<br />
Struktur im Molekül zur Seite<br />
gestellt.<br />
Erwartungsgemäß zeigte dieses Hybridmolekül<br />
einen vasodilatatorischen Effekt.<br />
An isolierten Pulmonalarterien des Schweins<br />
(Organbadexperimente) zeigten wir, dass<br />
die vasodilatatorische Wirkstärke des organischen<br />
Nitrates durch die Einführung des<br />
großen organischen Statingerüstes nicht gemindert<br />
wird. Die Nitratopivalinsäure allein<br />
und das SimvastatinNitratHybrid zeigen<br />
beide eine ähnliche, moderate vasodilatatorische<br />
Wirkung (Abb. 2). Eine ausgeprägte<br />
Inhibition der Amyloidaggregation konnten<br />
wir jedoch nicht feststellen.<br />
Fluoreszenzintensität [%]<br />
35000<br />
30000<br />
25000<br />
20000<br />
15000<br />
10000<br />
5000<br />
Obwohl für die Substanzklasse der Statine<br />
strukturell eher untypisch wurde dann<br />
eine Nitratoacylierung an der Hydroxygruppe<br />
des LovastatinLactonringes durchgeführt.<br />
Erfreulicher und überraschenderweise<br />
zeigte dieses StatinNitratHybrid<br />
LECL11 nun eine inhibitorische Wirkung<br />
<strong>von</strong> bemerkenswerten 65% auf die direkte<br />
AβAggregation über einen Zeitraum <strong>von</strong><br />
über 96 h (Abb. 3). Die Kurvenscharen in<br />
Abbildung 3 demonstrieren die Qualität<br />
dieses Befundes eindrucksvoll.<br />
Dieses Ergebnis gab Anlass zur Synthese<br />
weiterer Statin und NitratoStatinDerivate<br />
der allgemeinen Formel (I) (Abb. 4).<br />
Alle weiteren nitratoacylierten Substanzen<br />
zeigten eine inhibitorische Wirkung<br />
auf die direkte AβAggregation, jedoch<br />
konnte keine der getesteten Substanzen<br />
in ihrer Wirksamkeit an die Verbindung<br />
LECL11 heranreichen (Abb. 5).<br />
Kontrolle<br />
0<br />
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95<br />
Zeit [h]<br />
Abb. 3: Gehemmte Aβ-Aggregation (rot) unter dem Einfluss <strong>von</strong> LE-CL11.<br />
O<br />
HO<br />
O<br />
O<br />
O<br />
HO<br />
COOH<br />
OH<br />
R1<br />
O<br />
O O<br />
O<br />
O<br />
OH<br />
O<br />
Lovastatin (I)<br />
Abb. 4: Syntheseschema der acylierten und nitratoacylierten Statinderivate, wobei R1, bzw. R2 Acyl-<br />
und/oder Nitratoacyl-Reste sein können.<br />
14 Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
R2<br />
O 2 N
Aggregation [%]<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
A-β Lovastatin CL10 CL59 CL11<br />
Um den Einfluss des organischen Nitrates<br />
zu erkennen, wurde nun ein strukturell<br />
analoges Derivat ohne organisches<br />
Nitrat, nämlich LE-CL66, synthetisiert und<br />
getestet. Diese Substanz zeigte tatsächlich<br />
eine deutlich geringere antiaggregatorische<br />
Potenz als das NitratoStatinHybrid<br />
LE-CL11.<br />
Dies lässt einen positivkooperierenden<br />
Einfluss des organischen Nitrates vermuten,<br />
der sich leider durch die Einführung<br />
einer zweiten organischen Nitratgruppe<br />
nicht weiter verbessern ließ. So inhibiert<br />
das Dinitrat LE-CL59 nur auf 56,4% der<br />
Kontrolle und das zu LE-CL59 strukturell<br />
analoge Statinderivat LE-CL 67a ohne organisches<br />
Nitrat zeigt sogar eine stärkere<br />
Inhibition der Aggregation auf 49,8%.<br />
Dies legt nahe, dass die inhibitorische Wirkung<br />
nicht allein <strong>von</strong> der Anzahl der im<br />
Molekül vorhandenen Nitratgruppen, sondern<br />
stark <strong>von</strong> der Gesamtstruktur abhängt,<br />
die dann auch ein organisches Nitrat<br />
tragen kann.<br />
Allerdings konnte durch die Einführung<br />
der zweiten Nitratgruppe eine zu erwartende<br />
verstärkte vasodilatatorische Wirkung<br />
bei den InvitroMessungen an isolierten<br />
Pulmonalarterien des Schweins demonstriert<br />
werden (Abb. 6).<br />
Grundsätzlich scheinen alle Oacylierten<br />
Verbindungen auch ohne organisches Nitrat<br />
eine hemmende Wirkung auf die AβAggregation<br />
zu haben, jedoch konnte letztlich keine<br />
der Substanzen an die Wirkpotenz <strong>von</strong><br />
LE-CL11 heranreichen (Abb. 7).<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
Um zu erhärten, dass die Fluoreszenzveränderungen<br />
durch die Syntheseprodukte<br />
wirklich der verminderten Aggregation<br />
geschuldet sind, wurden Kontrollversuche<br />
durchgeführt, in denen nur der Fluoreszenzindikator<br />
und die zu untersuchenden<br />
Inhibitorsubstanzen zusammen vermessen<br />
wurden. Es zeigten sich hierbei<br />
keine Veränderungen der Fluoreszenzintensitäten,<br />
eine Interaktion lediglich zwischen<br />
Inhibitor und Indikator ist also ausgeschlossen.<br />
Organische Nitrate<br />
Verbindung Rest R1 Rest R2 Aggregation [%]<br />
LE-CL10<br />
LE-CL11<br />
LE-CL59<br />
Abb. 5: Minderung der Aβ-Aggregation unter dem Einfluss verschiedener Nitrato-Statin-Hybridmoleküle.<br />
Relaxation [%]<br />
0<br />
20<br />
40<br />
60<br />
80<br />
100<br />
Nitratopivalinsäure<br />
LE-CL11<br />
LE-CL59<br />
0<br />
0<br />
H<br />
O2NO<br />
O2NO<br />
0<br />
0<br />
0<br />
O2NO<br />
O2NO<br />
97,3<br />
34,6<br />
56,4<br />
–8 –7 –6<br />
Konzentration [logM]<br />
–5 –4 –3<br />
Abb. 6: Vasorelaxierende Effekte der Nitratopivalinsäure und der Nitrato-Simvastatin-Hybride<br />
LE-CL11 und LE-CL59 (in vitro) an PGF2a vorkontrahierten Pulmonalarterien<br />
des Schweins.<br />
15
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
Aggregation [%]<br />
120<br />
110<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
A-β CL63 CL66 CL67b CL64b CL67a<br />
Verbindung Rest R1 Rest R2 Aggregation [%]<br />
16 Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
LE-CL63<br />
LE-CL64b<br />
LE-CL66<br />
LE-CL67a<br />
LE-CL67b<br />
Abb. 7: Vergleich der maximalen Aβ-Aggregation unter dem Einfluss verschiedener Statinderivate.<br />
a b c<br />
d e f<br />
Abb. 8: Elektronenmikroskopische Aufnahmen ohne Inhibitor und mit Inhibitor LE-CL11.<br />
0<br />
0<br />
0<br />
0 0<br />
0 0<br />
0<br />
H<br />
H<br />
67,7<br />
52,8<br />
58,3<br />
49,8<br />
57,4
Der durch Fluoreszenzmessungen erkannte<br />
Einfluss der Substanzen auf die<br />
Amyloidaggregation wurde schließlich<br />
auch durch elektronenmikroskopische<br />
Aufnahmen mit Negativkontrastierung bestätigt,<br />
welche es ermöglichten, die Struktur<br />
und Form der gebildeten βAmyloid<br />
Fibrillen zu sehen. Hierbei wurde den Proben<br />
kein Fluoreszenzindikator zugesetzt.<br />
Auch hier wiesen Proben, die 90 Stunden<br />
mit dem Inhibitor LE-CL11 (Abb. 8 a, b, c)<br />
behandelt waren, eine im Vergleich zu unbehandelten<br />
Kontrollproben (Abb. 8 d, e,<br />
f) veränderte und stark reduzierte Aβ40<br />
Aggregation auf, was wiederum eine verminderte<br />
Plaquebildung in Aussicht stellt.<br />
Resümee<br />
Es ist gelungen, Statine chemisch so zu verändern,<br />
dass diese neuen Substanzen die<br />
Aggregation <strong>von</strong> amyloidogenem AßPolypeptid<br />
signifikant inhibieren. Vor allem<br />
resultierte aus der Nitratoacylierung zu<br />
einem SimvastatinNitratHybrid ein besonders<br />
potenter Inhibitor. Der Vergleich<br />
aller getesteten Substanzen lässt bisher keine<br />
deutliche StrukturWirkungsBeziehung<br />
erkennen. Auch bleibt bislang ungeklärt,<br />
ob und gegebenenfalls welchen Einfluss das<br />
organische Nitrat auf die Inhibition der<br />
direkten AßAggregation ausübt.<br />
Eine erste Antwort auf die Frage, ob die<br />
neuen Statinderivate auch klinisch erfolgreiche,<br />
neuartige AlzheimerTherapeutika<br />
sein können, soll nun durch InvivoUntersuchungen<br />
an transgenen Tieren gegeben<br />
werden. n<br />
Summary<br />
Statins are classically used in the treatment<br />
and prevention of hypercholesterolaemia<br />
due to their ability to reduce cholesterol<br />
synthesis. They act by blocking the HMG<br />
CoA reductase, which is the rate limiting<br />
enzyme in cholesterol synthesis. However,<br />
some studies have suggested the possible<br />
use of statins as potential therapeutics in<br />
the treatment of Alzheimer’s disease. Different<br />
pathways apart from their inhibitory<br />
activity on HMGCoA reductase have been<br />
explored. It has been shown that statins in<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
fluence the release of βamyloid, which aggregates<br />
to senile plaques, a pathological<br />
hallmark of AD. Although the exact mechanism<br />
still remains unknown, this has been<br />
attributed to decreased cholesterol levels,<br />
as well as decreased isoprenoid biosynthesis,<br />
which directly influences APP processing.<br />
We have tested statin derivatives direct<br />
effect on amyloidaggregation as another<br />
possible pathway of their mode of action.<br />
Moreover we explored the possibility that<br />
modifying chemically the statins at their<br />
free lactonichydroxygroup could lead to<br />
compounds with inhibitory potency on direct<br />
Aβaggregation and hence prevent<br />
plaque formation. Surprisingly, results<br />
showed that a nitratoacylatedstatin derivative<br />
(LECL11) potently reduces amyloid<br />
aggregation down to 35% of untreated control.<br />
Keywords: statins – organic nitrates – statin<br />
nitrate hybride molecule – Alzheimer’s<br />
disease<br />
Literatur<br />
1. Jick H, Zornberg GL, Seshadri S, Drachman DA. Statins<br />
and the risk of dementia. The Lancet 2000;356:<br />
1627–31<br />
2. Parson RB, Farrant JK, Price GC, Subramaniam D,<br />
Austen BM. Regulation of the lipodation of β-secretase<br />
by statins. Biochem Soc Trans 2007;35(3):577–582<br />
3. Ostrowski SM, Wilkinson BJ, Golde TE, Landreth G.<br />
Statins reduce Amyloid-β production through inhibition<br />
of protein isoprenylation. J Biol Chem 2007;<br />
282(37):26832–44<br />
4. Gellermann G, Ullrich K, Tannert A, Unger C, Habicht<br />
G, Sauter S, Hortschansky P, Horn U, Möllmann U, Decker<br />
M, Lehmann J, Fändrich M. Alzheimer-like plaque<br />
formation by human macrophages is reduced by<br />
fibrillation inhibitors and lovastatin. J Mol Biol<br />
2006;360:251–257<br />
Für die Verfasser:<br />
Jochen Lehmann<br />
Pharmazeutisches Institut der Friedrich-Schiller-<br />
Universität Jena<br />
Lehrstuhl für Pharmazeutische/Medizinische<br />
Chemie<br />
Philosophenweg 12<br />
07747 Jena, Germany<br />
Tel.: +49 (0) 3641 949825<br />
Fax: +49 (0) 3641 949802<br />
E-Mail: j.lehmann@uni-jena.de<br />
Organische Nitrate<br />
17
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
1 Lehrstuhl für Pharmazeutische/Medizinische<br />
Chemie,<br />
Friedrich-Schiller-Universität,<br />
Jena<br />
2 Universitätsmedizin,<br />
II. Medizinische Klinik, Labor<br />
für Molekulare Kardiologie,<br />
Johannes-Gutenberg-<br />
Universität Mainz<br />
18<br />
Aminoalkylnitrate –<br />
Eine neue Klasse <strong>von</strong> Nitraten?<br />
Carolin Roegler 1 , Andreas König 1 , Andreas Daiber 2 und Jochen Lehmann 1<br />
Zusammenfassung: Im Mittelpunkt dieser<br />
Studie lagen die Aminoalkylnitrate (kurz:<br />
Aminonitrate), die sich durch die zusätzliche<br />
Aminogruppe chemisch sehr <strong>von</strong> den gebräuchlichen<br />
Alkylnitraten (Pentaerithrityltetranitrat<br />
[PETN], Nitroglyzerin [GTN],<br />
Isosorbiddinitrat [ISDN] und Isosorbid-5mononitrat<br />
[ISMN]) unterscheiden. Die vasodilatatorische<br />
Potenz dieser Substanzen<br />
korreliert nicht länger mit der Anzahl der<br />
Nitratgruppen im Molekül, wie für die Alkylnitrate<br />
beschrieben. Ein einfach gebautes<br />
Mononitrat wie Aminethylnitrat (AEN)<br />
zeigte erstaunlicherweise eine sehr hohe vasodilatatorische<br />
Potenz, wohingegen ein<br />
Aminotrinitrat (TEAN) eine deutlich geringere<br />
Potenz zeigte als AEN oder GTN. Daneben<br />
hing die Art und Weise der Nitrat-Bioaktivierung<br />
und die Entwicklung der In-<br />
vitro-Toleranz nicht wie üblicherweise<br />
(bei Alkylnitraten) <strong>von</strong> der Potenz der<br />
Nitrate ab. Die Bioaktivierung des hoch<br />
potenten AEN verlief unabhängig <strong>von</strong> der<br />
mitochondrialen Aldehyddehydrogenase<br />
(ALDH-2), wohingegen das niedrig potente<br />
TEAN in Abhängigkeit <strong>von</strong> der ALDH-2<br />
Organische Nitrate werden vielfältig in<br />
der Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen<br />
eingesetzt. Leider können Nebenwirkungen<br />
wie Nitrattoleranz und oxidativer<br />
Stress die Anwendung dieser Medikamente<br />
limitieren. Sowohl die vasodilatatorische<br />
Potenz als auch die Entwicklung<br />
einer Nitrattoleranz korrelierten bei den<br />
bisher untersuchten Nitraten immer mit<br />
der Anzahl der Nitratgruppen im Molekül<br />
[1, 2]. So ist z.B. Glyceroltrinitrat (GTN)<br />
hochpotent, führt im Verlauf der Therapie<br />
aber zu endothelialer und vaskulärer Dysfunktion<br />
und damit zur Toleranz. Von<br />
PETN – in vitro ebenfalls hochpotent – ist<br />
anzunehmen, dass es klinisch nur deshalb<br />
nicht zu Toleranz führt, weil systemisch nur<br />
bioaktiviert wurde. Daneben zeigte das hoch<br />
potente Mononitrat AEN im Gegensatz zu<br />
den hoch potenten Alkylnitraten (PETN<br />
und GTN) keine Tendenz, eine Tachyphylaxie<br />
zu entwickeln. Obwohl dies typisch für<br />
ein Mononitrat ist, wurde dies bisher nicht<br />
für ein hoch potentes Nitrat beobachtet. Erstaunlicherweise<br />
zeigte das niedrig potente<br />
TEAN eine vergleichbare Entwicklung der<br />
Tachyphylaxie, wie es normalerweise nur für<br />
die hoch potenten Alkylnitrate beobachtet<br />
wurde. Zusammenfassend konnten wir zeigen,<br />
dass die Affinität und Reaktivität gegenüber<br />
endogenen nitratbioaktivierenden<br />
Enzymen sowie die daraus resultierende vasodilatatorische<br />
Potenz signifikant durch die<br />
Einführung einer Aminogruppe in Alkylnitrate<br />
moduliert wird. Demnach sollten Aminoalkylnitrate<br />
als eigenständige Klasse der<br />
Nitrovasodilatatoren angesehen werden.<br />
Schlüsselwörter: Aminoalkylnitrate – Bioaktivierung<br />
– mitochondriale Aldehyddehydrogenase<br />
– mitochondrialer oxidativer<br />
Stress – Struktur-Wirkungs-Beziehung –<br />
vaskuläre Funktion<br />
die niederpotenten, „toleranzfreien“ Metabolite<br />
PEdiN und PEmonoN zur Verfügung<br />
stehen bzw. endogene Schutzsysteme<br />
wie die Hämoxygenase-1 und viele weitere<br />
aktiviert werden. Kürzlich jedoch fanden<br />
wir mit 2-Aminoethylnitrat (AEN) einen<br />
Vasodilatator, der trotz nur einer Nitratgruppe<br />
hochpotent ist (pD2 = 7,52) und<br />
trotz seiner Mononitratstruktur sogar an<br />
die Potenz des Trinitrats GTN (pD2 = 7,44)<br />
heranreicht und zudem nicht zur Toleranz<br />
führt [3].<br />
Es stellt sich die Frage, ob für Aminoalkylnitrate<br />
die bisher bei allen Alkylnitraten<br />
gefundenen Gesetzmäßigkeiten keine<br />
Gültigkeit haben, ob sie also nicht nur chemisch,<br />
sondern auch pharmakologisch eine<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel
eigene Klasse <strong>von</strong> Nitrovasodilatatoren<br />
darstellen. Dazu sollten durch In-vitro-Untersuchungen<br />
die Struktur-Wirkungs-Beziehungen<br />
bei Aminoalkylnitraten an isolierten<br />
Pulmonalarterien vom Schwein<br />
(Organbadexperimente) ermittelt werden<br />
und z.B. geklärt werden, welchen Einfluss<br />
die Aminogruppe auf die Wirkstärke <strong>von</strong><br />
Nitraten generell hat und ob für Aminoalkylnitrate<br />
andere Gesetzmäßigkeiten als<br />
für die üblichen Alkylnitrate gelten. Neben<br />
verschiedenen Aminoalkylmononitraten<br />
wurden auch Aminoalkyldi- und -trinitrate<br />
getestet. Keine dieser Substanzen, auch<br />
nicht solche, die mehrere Nitratfunktionen<br />
besitzen, reichte jedoch an die hohe Potenz<br />
des Aminoethylnitrates (AEN) heran.<br />
Neben dem hochwirksamen Mononitrat<br />
AEN wurde ein überraschenderweise ungewöhnlich<br />
schwach wirksames organisches<br />
Trinitrat unter den Aminonitraten identifiziert,<br />
nämlich das Triethylaminotrinitrat<br />
(TEAN) (Tab. 1).<br />
Vergleich AEN und TEAN<br />
In Kooperation mit dem Arbeitskreis <strong>von</strong><br />
Andreas Daiber, Mainz, wurden mit dem<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
hochpotenten Mononitrat AEN und dem<br />
niedrigpotenten Trinitrat TEAN Untersuchungen<br />
zur In-vitro- und In-vivo-Toleranzentwicklung,<br />
zur Induktion <strong>von</strong> oxidativem<br />
Stress und zur Bioaktivierung durchgeführt<br />
[4]. Die wichtigsten Ergebnisse sind hier<br />
noch einmal zusammengefasst.<br />
Bioaktivierung<br />
Zur Analyse der Bioaktivierung wurden<br />
die Gefäße vor der Relaxationsmessung im<br />
Organbad mit verschiedenen Inhibitoren<br />
inkubiert (Abb. 1). NS2028 ist ein Blocker<br />
der löslichen Guanylatcyclase (sGC). Bei<br />
PTIO handelt es sich um einen NO Scavenger.<br />
Da beide Substanzen bei der Behandlung<br />
mit AEN einen signifikanten Effekt<br />
ausüben, ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass die<br />
Relaxation NO- und cGMP-(sGC-)vermittelt<br />
ist. Erstaunlicherweise scheinen weder<br />
P450- noch ALDH-Enzyme das AEN zu<br />
bioaktivieren, da weder eine Vorbehandlung<br />
mit Miconazol noch mit Benomyl einen<br />
Einfluss auf die Vasodilatation hatte.<br />
Auch eine AEN-induzierte Aktivierung<br />
der eNOS als möglicher Mechanismus für<br />
die Vasodilatation konnte ausgeschlossen<br />
Organische Nitrate<br />
Struktur pD2 EC 50 [M] Struktur pD2<br />
EC 50 [M]<br />
O2NO<br />
O2NO<br />
O2NO<br />
O2NO<br />
-<br />
+ NO3<br />
H3N<br />
ONO2<br />
O2NO<br />
O2NO<br />
+<br />
NH<br />
+<br />
NH3<br />
ONO2<br />
+ NH3<br />
ONO2<br />
N<br />
+<br />
N<br />
H2<br />
+<br />
NH3<br />
ONO2<br />
ONO2<br />
ONO2<br />
ONO2<br />
ONO2<br />
ONO2<br />
ONO2<br />
ONO2<br />
7,54<br />
(± 0,01)<br />
7,10<br />
(± 0,02)<br />
7,02<br />
(± 0,02)<br />
6,82<br />
(± 0,03)<br />
6,09<br />
(± 0,03)<br />
6,02<br />
(± 0,02)<br />
5,82<br />
(± 0,02)<br />
7,37<br />
(± 0,03)<br />
2,86 • 10 –8<br />
8,01 • 10 –8<br />
9,49 • 10 –8<br />
1,51 • 10 –7<br />
8,08 • 10 –7<br />
9,45 • 10 –7<br />
1,52 • 10 –6<br />
4,24 • 10 –8<br />
O2NO<br />
O2NO<br />
O2NO<br />
+<br />
N3H<br />
HO<br />
+<br />
NH3<br />
+<br />
NH3 O<br />
O2NO<br />
OH<br />
+<br />
NH3<br />
+<br />
NH2<br />
ONO2<br />
O<br />
ONO2<br />
+<br />
NH3<br />
Tab. 1: Strukturen und in vitro vasodilatatorische Effekte (pD2- und EC50-Werte) der Aminoalkylnitrate<br />
an PGF2α-vorkontrahierten Pulmonalarterien des Schweins. pD2 sind Mittelwerte ± SEM.<br />
+<br />
N<br />
H2<br />
O<br />
ONO2<br />
ONO2<br />
ONO2<br />
5,63<br />
(± 0,03)<br />
5,61<br />
(± 0,04)<br />
5,45<br />
(± 0,06)<br />
5,31<br />
(± 0,02)<br />
4,86<br />
(± 0,04)<br />
4,71<br />
(± 0,03)<br />
4,52<br />
(± 0,05)<br />
4,48<br />
(± 0,03)<br />
2,37 • 10 –6<br />
2,48 • 10 –6<br />
3,52 • 10 –6<br />
4,90 • 10 –6<br />
1,38 • 10 –5<br />
1,97 • 10 –5<br />
3,00 • 10 –5<br />
3,32 • 10 –5<br />
19
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
a b<br />
0<br />
Relaxation [%]<br />
10<br />
20<br />
30<br />
40<br />
50<br />
60<br />
70 Kontrolle<br />
80 NS2028<br />
90<br />
100<br />
PTIO<br />
Miconazol<br />
–10 –8 –6 –4<br />
Log (AEN) [M]<br />
Relaxation [%]<br />
70 Kontrolle<br />
80 Benomyl<br />
90<br />
100<br />
L-Name<br />
Allopurinol<br />
–10 –8 –6 –4<br />
Log (AEN) [M]<br />
Abb. 1: Effekte verschiedener Inhibitoren auf den vasodilatatorischen Effekt <strong>von</strong> AEN.<br />
L-012-Chemilumineszenz [Rate/min]<br />
4–10 4<br />
2–10 4<br />
0–10 4<br />
Kontrolle<br />
H3N +<br />
0<br />
10<br />
20<br />
30<br />
40<br />
50<br />
60<br />
O2NO<br />
ONO2<br />
ONO2<br />
werden, da der NOS-Inhibitor L-NAME<br />
keinen Effekt hatte. Wohl aber kam es nach<br />
der Inkubation mit Allopurinol zu einer<br />
signifikanten Rechtsverschiebung der Kurve,<br />
sodass möglicherweise die Xanthinoxidoreduktase<br />
an der Bioaktivierung beteiligt<br />
sein könnte.<br />
Oxidativer Stress<br />
Untersuchungen zum oxidativen Stress (gemessen<br />
mittels L-012 (Luminol-Analogon)<br />
Chemilumineszenz) in isolierten Mitochondrien<br />
zeigten, dass im Gegensatz zu<br />
anderen hochpotenten Nitraten wie GTN<br />
und PETN durch hochpotentes AEN keine<br />
Bildung reaktiver Sauerstoffspezies indu-<br />
N<br />
AEN TEAN<br />
1000 µM<br />
Abb. 2: Bildung reaktiver Sauerstoffspezies nach Behandlung mit AEN bzw. TEAN.<br />
*<br />
ziert wird. Das schwach wirksame Trinitrat<br />
TEAN hingegen zeigte nach der Inkubation<br />
der Mitochondrien mit 1000 μM Substanz<br />
eine deutliche Erhöhung der Lumineszenz<br />
im Vergleich zur Kontrolle, induziert<br />
also mitochondrialen oxidativen Stress<br />
(Abb. 2).<br />
In-vivo-Toleranz<br />
Erstaunlicherweise zeigt hochpotentes<br />
AEN weder eine Kreuztoleranz zu Acetylcholin<br />
noch zu GTN. Allerdings tritt nach<br />
Vorbehandlung der Versuchstiere mit AEN<br />
eine signifikante Verschiebung der Konzentrations-Wirkungs-Kurve<br />
auf, was einer<br />
In-vivo-Toleranz gegen sich selbst entspricht<br />
(nicht gezeigt). Die gleichen Versuche<br />
wurden auch mit TEAN durchgeführt.<br />
Bisher galt die Regel, dass niedrigpotente<br />
Nitrate, wie z.B. PEdiN und<br />
PEmonoN keine oder kaum Toleranz entwickeln.<br />
Trotz seiner für ein Trinitrat niedrigen<br />
Potenz kam es mit TEAN sowohl zur<br />
Entwicklung einer In-vitro- als auch Invivo-Toleranz,<br />
einer Kreuztoleranz gegenüber<br />
Acetylcholin und – s. o. – zur Induktion<br />
<strong>von</strong> oxidativem Stress. Dies war überraschend,<br />
da diese Eigenschaften bislang<br />
den hochpotenten Substanzen zugeschrieben<br />
wurden. Auch scheint die Bioaktivierung<br />
des TEAN wie bei den hochwirksamen<br />
Nitraten ALDH-2-vermittelt zu sein, wie<br />
Versuche mit ALDH-2-Knock-out-Mäusen<br />
bestätigten. AEN zeigt also für eine hochpotente<br />
Substanz ein völlig neues Wirkprofil,<br />
da weder In-vitro-Toleranz noch oxidativer<br />
Stress hervorgerufen werden. Um zu<br />
prüfen, ob sich dieses neue Wirkprofil auf<br />
weitere Aminoalkylnitrate übertragen lässt,<br />
wurde zunächst die In-vitro-Toleranz verschiedener<br />
Aminoalkylnitrate untersucht.<br />
In-vitro-Toleranz<br />
AEN (1) erzeugte auch in unseren Untersuchungen<br />
(wiederholte Relaxation an einem<br />
Gefäß) keine Tachyphylaxie (In-vitro-Toleranz)<br />
(Abb. 3). Zwei N-methylierte Analoga,<br />
die ebenfalls getestet wurden, zeigten<br />
unterschiedliche Eigenschaften (Abb. 3a).<br />
Während die höher potente Substanz (das<br />
N,N-Dimethylaminoethylnitrat, 2) keine Invitro-Toleranz<br />
zeigte, induzierte der moderatere<br />
Vasodilatator (das N-Methylaminoethylnitrat,<br />
3) eine signifikante Rechtsverschiebung<br />
der Konzentrations-Wirkungs-<br />
Kurve (Abb. 3a), also Toleranz. Die Methylierung<br />
der Alkylkette im Sinne einer Ket-<br />
20 Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
*<br />
ONO2
tenverzweigung führte zu abgeschwächter<br />
vasodilatatorischer Potenz, bei unterschiedlicher<br />
Entwicklung <strong>von</strong> Tachyphylaxie (Abb.<br />
3b). Die Methylierung neben der organischen<br />
Nitratfunktion ergab ein in vitro toleranzfreies<br />
Produkt (4), das Aminonitrat,<br />
mit einer der Aminogruppe benachbarten<br />
Methylgruppe (5) zeigte bei der Versuchswiederholung<br />
eine verringerte gefäßrelaxierende<br />
Potenz (Abb. 3b), also In-vitro-Toleranz.<br />
In der Gruppe der Aminoalkyldinitrate<br />
induzierten die beiden Glyzeryldinitrat-<br />
Analoga 6 und 7 keine signifikante In-vitro-<br />
Toleranz. Das Aminodiethyldinitrat 8, eine<br />
Art Dimer <strong>von</strong> AEN, zeigte wiederum Tachyphylaxie<br />
(Abb. 3c). Erneut stehen diese<br />
Resultate in Kontrast zu früheren Ergebnissen,<br />
da normalerweise die weniger potenten<br />
Nitrate keine Tachyphylaxie induzieren und<br />
nur bei den hochpotenten Nitraten bei mehrmaliger<br />
Gabe eine deutliche In-vitro-Toleranz<br />
beobachtet wurde.<br />
Nachhaltigkeit der Vasorelaxation<br />
Bislang wenig fokussiert wurde in bisherigen<br />
pharmakologischen Untersuchungen<br />
<strong>von</strong> Nitraten die „Nachhaltigkeit“ der Vasorelaxation,<br />
die Frage also, wie lange eine<br />
herbeigeführte Gefäßdilatation ohne weitere<br />
Nitratgabe anhält bzw. wie rasch die<br />
Wiederkontraktion, gewissermaßen die<br />
„Erholung“ des Gefäßes, erfolgt. Bei den<br />
diesbezüglichen Organbadexperimenten<br />
gaben wir jeweils einen einmaligen Nitratbolus<br />
zu der mit PGF2α-vorkontrahierten<br />
Schweinelungenarterie. Gemessen wurden<br />
dann sowohl die maximale Relaxation als<br />
auch die noch verbleibende Relaxation<br />
nach 20 min. Um eine Abhängigkeit der<br />
„Erholung“ der Gefäße <strong>von</strong> der zugegebenen<br />
Substanzkonzentration zu erkennen,<br />
wurden Bolusgaben in unterschiedlichen<br />
Konzentrationen eingesetzt.<br />
Bei AEN zeigte sich eine deutliche Abhängigkeit<br />
der Wiedererlangung der Kontraktion<br />
<strong>von</strong> der zugesetzten Substanzkonzentration.<br />
Nach einer kleinen Konzentrationszugabe<br />
befand sich das Gefäß nach<br />
20 Minuten wieder in der Ausgangssitua-<br />
Abb. 3a–3c: Vasorelaxierende Effekte verschiedener<br />
organischer Aminoalkylnitrate an<br />
PGF2α-vorkontrahierten Pulmonalarterien des<br />
Schweins. Die gestrichelte Kurve zeigt die<br />
Konzentrations-Relaxations-Beziehung für<br />
die zweite Behandlung zur Untersuchung der<br />
In-vitro-Toleranz.<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
a<br />
b<br />
c<br />
Relaxation [%]<br />
Relaxation [%]<br />
Relaxation [%]<br />
0<br />
25<br />
50<br />
75<br />
100<br />
H 3N +<br />
H 3C _ NH H 3C _ +<br />
N H2<br />
CH 1 2 3<br />
3<br />
+<br />
ONO2 ONO2 ONO2<br />
1 4 5<br />
H 3N<br />
CH 3<br />
ONO2<br />
O 2NO<br />
+<br />
NH3<br />
O 2NO<br />
*<br />
+<br />
0<br />
25<br />
50<br />
75<br />
100<br />
*<br />
*<br />
*<br />
*<br />
*<br />
Organische Nitrate<br />
–9 –8 –7 –6 –5 –4 –3<br />
Konzentration [logM]<br />
6 7 8<br />
+<br />
O2NO NH3<br />
ONO2<br />
O2NO<br />
ON O2<br />
+<br />
NH3<br />
O2NO<br />
0<br />
25<br />
50<br />
75<br />
100<br />
*<br />
*<br />
+ NH3<br />
–9 –8 –7 –6 –5 –4 –3<br />
Konzentration [logM]<br />
+<br />
N<br />
H 2<br />
*<br />
CH 3<br />
*<br />
*<br />
ONO2<br />
–9 –7 –6<br />
Konzentration [logM]<br />
–5 –4<br />
*<br />
*<br />
*<br />
*<br />
21
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
Konzentration<br />
[M]<br />
1·10 -8<br />
3·10 -8<br />
1·10 -7<br />
3·10 -7<br />
1·10 -6<br />
3·10 -6<br />
H 3N +<br />
Maximale<br />
Relaxation [%]<br />
30,7<br />
48,2<br />
75,9<br />
87,2<br />
93,9<br />
96,0<br />
ONO 2<br />
Relaxation,<br />
20 min [%]<br />
17,8<br />
26,2<br />
54,3<br />
79,2<br />
91,0<br />
97,9<br />
tion. Eine Nitratwirkung war nicht mehr zu<br />
erkennen. Gab man allerdings eine Konzentration<br />
hinzu, die dem EC100 entsprach,<br />
blieb das Gefäß auch noch 20 Minuten nach<br />
der Zugabe vollständig relaxiert. Mit steigender<br />
Konzentration <strong>von</strong> AEN sinkt also<br />
die Fähigkeit zur Rekontraktion (Tab. 2).<br />
Bei identischen Versuchen mit einem anderen<br />
Aminoalkylnitrat, dem N-Methylaminoethylnitrat<br />
(3), konnte diese Abhängigkeit<br />
der Rekontraktion <strong>von</strong> der applizierten<br />
Nitratmenge nicht festgestellt werden. Sowohl<br />
bei kleinen Konzentrationen als auch<br />
nach vollständiger Relaxation durch entsprechend<br />
hohe Dosierung kam es zu einer<br />
ähnlich raschen Rekontraktion (Tab. 2).<br />
Schlussfolgerungen<br />
Erholung der<br />
Gefäße [%]<br />
42,0<br />
45,8<br />
28,5<br />
9,2<br />
3,1<br />
0,0<br />
Konzentration<br />
[M]<br />
Gegenstand der Untersuchungen waren<br />
Aminoalkylnitrate (kurz: Aminonitrate).<br />
Bei diesen korreliert die vasodilatatorische<br />
Potenz nicht mehr mit der Anzahl der<br />
Nitratgruppen. Ein Mononitrat wie AEN<br />
kann hochpotent sein, und wir fanden ein<br />
Trinitrat, das vergleichsweise, z.B. zu<br />
GTN, schwach wirkte. Auch Bioaktivierung<br />
und In-vitro-Toleranz sind nicht automatisch<br />
abhängig <strong>von</strong> der Wirkstärke eines<br />
Nitrates, wie dies bei den Alkylnitraten ohne<br />
Aminogruppe der Fall ist. Die Bioaktivierung<br />
des hochwirksamen AEN ist unabhängig<br />
<strong>von</strong> der ALDH-2, während das<br />
schwach wirksame TEAN über ALDH-2<br />
bioaktiviert wird. Außerdem ruft das Mononitrat<br />
keine Tachyphylaxie hervor, was<br />
zwar charakteristisch für Mononitrate, allerdings<br />
ungewöhnlich für ein Nitrat dieser<br />
Maximale<br />
Relaxation [%]<br />
Relaxation,<br />
20 min [%]<br />
Erholung der<br />
Gefäße [%]<br />
Wirkstärke ist. Das Aminoalkyltrinitrat<br />
hingegen zeigt die typische Tachyphylaxie<br />
der organischen Polynitrate, die aber wiederum<br />
das TEAN in der Wirkstärke deutlich<br />
übertreffen.<br />
Die Untersuchungsergebnisse zur Invitro-Toleranz<br />
durch Aminoalkylnitrate<br />
sind unterschiedlich. Es wurde keine Abhängigkeit<br />
zwischen Tachyphylaxie und<br />
Wirkstärke festgestellt. Sowohl Mononitrate<br />
als auch Dinitrate induzieren eine<br />
Tachyphylaxie, wobei es überraschenderweise<br />
eher bei schwächer wirksamen Nitraten<br />
zu einer In-vitro-Toleranz kommt als<br />
bei den stärker wirksamen. Erste orientierende<br />
Versuche weisen darauf hin, dass die<br />
Nachhaltigkeit einer nitratinduzierten Relaxation<br />
nach Beendigung der Nitratzufuhr<br />
konzentrationsabhängig ist.<br />
Abschließend kann man sagen, dass es<br />
sich bei den Aminoalkylnitraten um eine<br />
neue Klasse <strong>von</strong> organischen Nitraten handelt,<br />
die individuelle Eigenschaften und<br />
Struktur-Wirkungs-Beziehungen aufweist.<br />
Die hier präsentierten Resultate über<br />
Aminoalkylnitrate ergänzen die Paradigmenwechsel,<br />
welchen die Bewertung der<br />
organischen Nitrate in den vergangenen<br />
Jahren unterlag. Diese lassen sich verkürzt<br />
wie folgt darstellen:<br />
Vor 1988: Organische Nitrate relaxieren<br />
Blutgefäße, der Wirkmechanismus ist nicht<br />
bekannt. Ein Nitratrezeptor ist anzunehmen.<br />
1988: Stickstoffmonoxid (NO) stimuliert<br />
die lösliche Guanylatzyklase und ist der natürliche<br />
endogene Vasodilatator. Orga-<br />
22 Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
1·10 -6<br />
3·10 -6<br />
1·10 -5<br />
3·10 -5<br />
1·10 -4<br />
3·10 -4<br />
H3C _ +<br />
NH2 13,7<br />
40,3<br />
67,3<br />
78,3<br />
85,7<br />
85,0<br />
O NO 2<br />
Tab. 2: Relaxationsdaten nach Bolusgabe an PGF2α-vorkontrahierten Pulmonalarterien des Schweins.<br />
Erholung der Gefäße ist das Verhältnis der Relaxation nach 20 min zur maximalen Relaxation.<br />
6,2<br />
13,4<br />
21,7<br />
21,7<br />
35,6<br />
26,6<br />
54,8<br />
66,8<br />
68,8<br />
72,3<br />
58,5<br />
68,8
nische Nitrate wirken, weil aus ihrer Nitrogruppe,<br />
sehr wahrscheinlich nicht enzymatisch<br />
durch Reaktion mit Thiolen, NO gebildet<br />
wird. Thiolmangel führt zu Toleranz.<br />
Die Struktur des nitrattragenden organisch<br />
chemischen Restes ist eher bedeutungslos,<br />
d.h. alle Nitrate sind grundsätzlich gleich,<br />
alle Nitrate führen zu Toleranz, weil NO zu<br />
Toleranz führt.<br />
Ab 1990: Nicht alle NO-Donoren und auch<br />
nicht alle Nitrate führen zu Toleranz, sind<br />
also unterschiedlich. Bei einer Behandlung<br />
mit PETN bleibt die Toleranzentwicklung<br />
aus.<br />
Ab 2005: Die Bioaktivierung <strong>von</strong> Nitraten<br />
ist grundsätzlich ein enzymatischer Prozess.<br />
Hochpotente Alkylnitrate werden durch<br />
die mitochondriale Aldehyddehydrogenase<br />
(ALDH-2) bioaktiviert, niedrig potente<br />
durch andere Enzyme. In der ALDH-2-vermittelten<br />
Bioaktivierung liegt der Schlüssel<br />
zur Nitrattoleranz.<br />
Ab 2007: Nitrate sind nicht gleich, erste<br />
Struktur-Wirkungs-Beziehungen werden<br />
gefunden: Die vasodilatatorische Potenz<br />
wie auch die Entwicklung <strong>von</strong> Toleranz<br />
steigen mit der Anzahl der Nitratgruppen<br />
im Molekül, z.B. PEmonoN < PEdiN < PEtriN<br />
< PETN. Das günstige toleranzarme<br />
klinische Wirkprofil <strong>von</strong> PETN resultiert<br />
nicht aus systemisch verfügbarem PETN,<br />
sondern aus dem langsamen, sukzessiven<br />
Anfluten der noch nitrathaltigen Metabolite.<br />
Ab 2009: Die Struktur des nitrattragenden<br />
Restmolekül ist doch <strong>von</strong> hoher Bedeutung.<br />
Die Einführung einer zusätzlichen Aminogruppe<br />
in Alkylnitrate ändert die Eigenschaften<br />
besonders dramatisch: Eines der<br />
Aminoalkylmononitrate (AEN) ist so aktiv<br />
wie GTN, aber sehr viel aktiver als ein Aminoalkyltrinitrat<br />
(TEAN). Die bisher für<br />
Alkylnitrate gefundenen Struktur-Wirkungs-Beziehungen<br />
hinsichtlich Potenz,<br />
Tachyphylaxie und Bioaktivierung gelten<br />
für Aminoalkylnitrate nicht. n<br />
Summary<br />
In the focus of this study were aminoalkylnitrates<br />
(short: aminonitrates), which differ<br />
chemically from the usual alkylnitrates (pentaerithrityl<br />
tetranitrate [PETN], nitroglycerin<br />
[GTN], isosorbide dinitrate [ISDN],<br />
isosorbide-5-mononitrate [ISMN]) by having<br />
an additional amino group. The vasorelaxant<br />
potency of those substances no longer<br />
correlates with the number of nitrate groups<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
in the molecules as it was found for the alkylnitrates.<br />
A simple mononitrate like aminoethylnitrate<br />
(AEN) showed surprisingly high<br />
vasodilator potency and on the other hand<br />
an aminotrinitrate (TEAN) had much lower<br />
potency than AEN or GTN. Furthermore,<br />
the mode of nitrate bioactivation and development<br />
of in vitro tolerance do not depend<br />
as usual (alkylnitrates) on the potency of the<br />
nitrate. Bioactivation of the highly potent<br />
AEN is independent from ALDH-2 while<br />
the low potent TEAN is bioactivated by<br />
ALDH-2. Besides, in contrast to high potency<br />
alkylnitrates, the very potent mononitrate<br />
AEN does not induce tachyphylaxis.<br />
Though this is typical for a mononitrate, it<br />
has not been found yet for a high potency<br />
organic nitrate. However, the low potency<br />
aminoalkyltrinitrate TEAN shows the same<br />
development of tachyphylaxis which is typical<br />
for the high potency alkyltrinitrate GTN.<br />
In conclusion we showed, that the affinities<br />
and reactivities towards endogenous nitratebioactivating<br />
enzymes and subsequently the<br />
vasodilator properties are modulated significantly<br />
by adding an amino group to the<br />
alkylnitrate template. Thus, aminoalkylnitrates<br />
have to be considered as an own individual<br />
class of nitrovasodilators.<br />
Keywords: aminoalkyl nitrates – bioactivation<br />
– mitochondrial aldehyde dehydrogenase<br />
– mitochondrial oxidative stress – vascular<br />
function – structure-property-relationship<br />
Literatur<br />
1. Lange K, Koenig A, Roegler C, Seeling A, Lehmann J.<br />
Bioorg Med Chem Lett 2009;19(11):3141–44<br />
2. Koenig A, Lange K, Konter J, Daiber A, Stalleicken D,<br />
Glusa E, Lehmann J. J Cardiovasc Pharmacol<br />
2007;50:68–74<br />
3. Koenig A, Roegler C, Lange K, Daiber A, Glusa E,<br />
Lehmann J. Bioorg Med Chem Lett 2007;17:5881–85<br />
4. Schuhmacher S, Schulz E, Oelze M, König A, Roegler<br />
C, Lange K, Sydow L, Kawamoto T, Wenzel P,<br />
Münzel T, Lehmann J, Daiber A. Br J Pharmacol<br />
2009;158(2):510–520<br />
Für die Verfasser:<br />
Jochen Lehmann<br />
Pharmazeutisches Institut der Friedrich-Schiller-<br />
Universität Jena<br />
Lehrstuhl für Pharmazeutische/Medizinische<br />
Chemie<br />
Philosophenweg 12<br />
07747 Jena, Germany<br />
Tel.: +49 (0)3641 949825<br />
Fax: +49 (0)3641 949802<br />
E-Mail: j.lehmann@uni-jena.de<br />
Organische Nitrate<br />
23
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
II. Medizinische Klinik, Labor<br />
für Molekulare Kardiologie<br />
und Institut für Pharmakologie<br />
Universitätsmedizin der<br />
Johannes�Gutenberg�Universi�<br />
tät, Mainz, Deutschland<br />
24<br />
Neues zu antioxidativen Eigenschaften<br />
<strong>von</strong> PETN und zum Nitratmetabolismus an der<br />
isolierten ALDH�2<br />
Andreas Daiber, Matthias Oelze, Jens Kamuf, Richard Schell, Andrea Pautz, Philip Wenzel,<br />
Hartmut Kleinert<br />
Zusammenfassung: Die hämodynamischen<br />
und antiischämischen Effekte <strong>von</strong> Nitroglyzerin<br />
(GTN) gehen inlolge einer rasch<br />
einsetzenden Nitrattoleranz verloren. Aktuelle<br />
Arbeiten konnten neue Toleranzmechanismen<br />
identifizieren wie die Hemmung<br />
des nitratbioaktivierenden Enzyms,<br />
die Aldehyddehydrogenase (ALDH2)<br />
sowie die Bildung reaktiver Sauerstoff<br />
und Stickstoffspezies (RONS) in Mitochondrien,<br />
die die Bioaktivierung <strong>von</strong> GTN<br />
hemmen. Damit vereint sich erstmals das<br />
Konzept des nitratinduzierten oxidativen<br />
Stresses mit dem Konzept der Desensitivierung<br />
(Inhibition) der Nitratbioaktivierung<br />
auf der Ebene der ALDH2. Aktuelle tierexperimentelle<br />
Studien legen nahe, dass<br />
reduzierte Liponsäure die oxidative Inhibition<br />
des nitratbioaktivierenden Enzyms,<br />
der mitochondrialen ALDH2, verhindert<br />
und dass Pentaerithrityltetranitrat (<strong>Pentalong</strong><br />
® , PETN) aufgrund seiner intrinsischen<br />
antioxidativen Eigenschaften (Induktion<br />
der Hämoxygenase1 [HO1] und des Ferritins)<br />
keine Nitrattoleranz induziert. Die<br />
Tatsache, dass PETN die ALDH2 Aktivi<br />
1. Klinische Nitrattoleranz<br />
Organische Nitrate gehören zur Substanzklasse<br />
der Nitrovasodilatatoren und sie finden<br />
auch in heutiger Zeit eine breite klinische<br />
Anwendung bei der Behandlung der<br />
stabilen und instabilen Angina pectoris.<br />
Daneben werden organische Nitrate zur<br />
Dauertherapie der chronischen Herzinsuffizienz<br />
eingesetzt (Isosorbiddinitrat<br />
(ISDN)/Hydralazin und Pentaerithrityltetranitrat<br />
(PETN)), wo sie durch die Senkung<br />
der Vorlast einen positiven Effekt auf<br />
die Morbidität sowie die Lebensqualität<br />
der Patienten zeigen. Ihr Wirkprinzip basiert<br />
auf einer durch Bioaktivierung induzierten<br />
NOFreisetzung, die durch Aktivie<br />
tät intakt lässt, ist umso bedeutsamer, als<br />
neben GTN auch PETN und sein Trinitratmetabolit<br />
PETriN durch die ALDH2 bioaktiviert<br />
werden. In einer gerade abgeschlossenen<br />
Studie zeigte sich, dass PETN<br />
auch an der isolierten humanen ALDH2<br />
qualitativ anders wirkt als GTN. Interessanterweise<br />
bewirkte GTN eine beachtliche<br />
konzentrationsabhängige Abnahme der<br />
ALDH2Aktivität und Zunahme der<br />
RONS (direkt durch die ALDH2 gebildet),<br />
wohingegen PETN hier nur einen<br />
leichten Effekt zeigte. Detaillierte Studien<br />
zeigten, dass die reaktive Spezies, die hauptsächlich<br />
durch die ALDH2 gebildet wird,<br />
vermutlich Peroxynitrit ist, das unter anderem<br />
für die Entkopplung der endothelialen<br />
NOSynthase und damit für die endotheliale<br />
Dysfunktion verantwortlich gemacht<br />
wird.<br />
Schlüsselwörter: Organische Nitrate – Bioaktivierung<br />
– Superoxid – Peroxynitrit –<br />
mitochondriale Aldehyddehydrogenase –<br />
mitochondrialer oxidativer Stress – vaskuläre<br />
Funktion<br />
rung der löslichen Guanylatzyklase (sGC)<br />
und Erhöhung der cGMPSpiegel zu einer<br />
Verringerung des peripheren Gefäßwiderstandes<br />
führt. Nitroglyzerin (Glyzerintrinitrat,<br />
GTN) wird seit über 100 Jahren aufgrund<br />
seiner potenten antiischämischen<br />
Eigenschaften erfolgreich zur Behandlung<br />
der Anginasymptome eingesetzt [1]. Im<br />
Jahr 1888 wurde <strong>von</strong> Stewart und Mitarbeitern<br />
erstmals das Phänomen der Nitrattoleranz<br />
beschrieben, das sich in einer<br />
Wirkungsabschwächung des organischen<br />
Nitrats bei Patienten nach einer Dauertherapie<br />
äußerte [2].<br />
Die Entwicklung der Nitrattoleranz<br />
stellt eine maßgebliche therapeutische Li<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel
mitierung der organischen Nitrate dar, die<br />
bei der chronischen Anwendung dieser<br />
Substanzen auftritt. Eine Übersicht bieten<br />
[3] und [4]. Die Mechanismen, die der<br />
Nitrattoleranz zugrunde liegen, sind nur<br />
unzulänglich aufgeklärt und involvieren<br />
eine Vielzahl verschiedener Faktoren.<br />
Für die nitroglyzerininduzierte Toleranz<br />
scheint ein Mechanismus auf der verringerten<br />
Bioaktivierung des organischen Nitrats<br />
zu beruhen [5]. Andere Mechanismen beinhalten<br />
vermutlich neurohumorale Adaptionen<br />
wie z. B. Erhöhung des Plasmavolumens<br />
[6], Aktivierung des Renin<br />
AngiotensinAldosteronSystems [7] und<br />
gesteigerte Plasmaspiegel <strong>von</strong> Vasopressin<br />
und Katecholaminen [8]. Die extravaskulären<br />
Effekte dienen der Kompensation<br />
der vasodilatierenden Wirkung <strong>von</strong> Nitroglyzerin<br />
und der kardialen Vorlastsenkung<br />
durch diese Substanzen. Ein Phänomen,<br />
das mit der nitroglyzerininduzierten Toleranz<br />
assoziiert ist, stellt die Kreuztoleranz<br />
gegenüber anderen Nitrovasodilatatoren,<br />
aber auch endothelabhängigen Vasodilatatoren<br />
(= endotheliale Dysfunktion) dar.<br />
Dies wurde vor allem dann beobachtet,<br />
wenn Nitroglyzerin chronisch in vivo verabreicht<br />
wurde [9, 10], und wird in der Regel<br />
nicht beobachtet, wenn eine Toleranz<br />
(Tachyphylaxie) durch kurzzeitige Bolusinkubation<br />
mit Nitroglyzerin in vitro induziert<br />
wird [11]. Diese letzteren experimentellen<br />
Bedingungen können kritisiert werden,<br />
da sie meist auf suprapharmakologischen<br />
Konzentrationen des Wirkstoffs<br />
beruhen und nicht die chronische Behandlung<br />
in der Klinik widerspiegeln. Die<br />
Kreuztoleranz zu anderen Vasodilatatoren<br />
könnte zum Teil auf Änderungen in der<br />
Aktivität der löslichen Guanylatzyklase<br />
beruhen, die das Zielmolekül für die vasodilatierende<br />
Wirkung <strong>von</strong> NO darstellt.<br />
Daneben könnten Aktivitätsunterschiede<br />
der cGMP abbauenden Phosphodiesterasen<br />
zur Kreuztoleranz beitragen [9, 10]. Die<br />
Prozesse, die zur Nitrattoleranz und endothelialen<br />
Dysfunktion führen, sind in einem<br />
Übersichtsartikel dargestellt [12].<br />
2. Antioxidative Effekte <strong>von</strong><br />
Pentaerithrityltetranitrat (PETN) –<br />
chronische Behandlung<br />
Über die chronische PETNBehandlung ist<br />
bekannt, dass sie keine Entkopplung der<br />
mitochondrialen Atmungskette bewirkt<br />
[13, 14], keine oder kaum vaskuläre<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
NADPHOxidasen aktiviert [15–17] und<br />
langfristig Schutzmechanismen in Form der<br />
Hämoxygenase1 und Ferritin stimuliert<br />
[14, 18, 19]. Dies hat zur Folge, dass es nicht<br />
zu einer messbaren Freisetzung reaktiver<br />
Sauerstoffspezies [13, 14] oder zu einer Inaktivierung<br />
der mitochondrialen Aldehyddehydrogenase<br />
(ALDH2) kommt [13, 14],<br />
was zur Vermeidung einer Nitrattoleranz<br />
beiträgt [13, 14]. Daneben induziert die<br />
chronische PETNTherapie keine endotheliale<br />
Dysfunktion [13, 14], wie sie bei Patienten<br />
mit Bluthochdruck, Atherosklerose<br />
oder schwerem Diabetes beobachtet wird<br />
[12, 20].<br />
Zur PETNvermittelten toleranzfreien<br />
Therapie, die keinen oxidativen Stress induziert,<br />
gibt es bereits eine Vielzahl klinischer<br />
Studien. Eine Studie aus Kanada zeigte,<br />
dass die PETNTherapie durch keinen Wirkungsverlust<br />
und fehlende Ausbildung <strong>von</strong><br />
oxidativen Stressmarkern (Isoprostane) gekennzeichnet<br />
ist [21]. Vielleicht klinisch und<br />
prognostisch <strong>von</strong> weit größerem Interesse<br />
zeigte die PETNTherapie in Probanden<br />
keine Induktion einer endothelialen Dysfunktion<br />
(Abb. 1) [22]. In einer weiteren aus<br />
Kanada stammenden Studie konnte gezeigt<br />
werden, dass die mittels Plethysmografie<br />
gemessene acetylcholininduzierte (sprich<br />
endothelabhängige) Steigerung des Unter<br />
Blutfluss im Unterarm<br />
(Verhältnis zwischen infundiertem und<br />
nicht infundiertem Arm)<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
NaCI<br />
p < 0,05<br />
7,5<br />
15<br />
Acetylcholin<br />
Organische Nitrate<br />
PETN<br />
(240 mg/d über sechs Tage)<br />
30 µg/min<br />
GTN<br />
(0,6 mg/h<br />
über<br />
sechs Tage)<br />
Abb. 1: Basaler Unterarm�Blutfluss und Acetylcholin�(ACh�)Antworten nach stei�<br />
gender ACh�Infusionsdosis gemessen mit der Unterarm�Plethysmografie. Diese<br />
Messmethode kann als Indikator für die Endothelfunktion angesehen werden, und<br />
eine abgeschwächte ACh�Antwort bzw. paradoxe Vasokonstriktion zeigen eine<br />
endotheliale Dysfunktion an. Die ACh�Antworten waren in der PETN�behandelten<br />
Gruppe deutlich ausgeprägter. Der Blutfluss ist als Verhältnis zwischen infundiertem<br />
und nicht infundiertem Arm dargestellt (GTN [hellblau] und PETN [blau]).<br />
25<br />
Nach Gori et al [22]
Nach Wenzel et al [30]<br />
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
B<br />
Abnahme der<br />
Nitratbioaktivierung [%]<br />
0<br />
–10<br />
–20<br />
–30<br />
A<br />
*<br />
ALDH-Aktivität<br />
[µM 2H3N-BA/mg Protein]<br />
800<br />
#<br />
GTN GTN/LA PETN<br />
0<br />
armblutflusses durch eine chronische GTN<br />
Behandlung abgeschwächt wurde, wohingegen<br />
die langfristige PETNTherapie keinen<br />
signifikanten Effekt auf diesen Parameter<br />
zeigte. Dies ist <strong>von</strong> besonders<br />
großem Stellenwert, da neben GTN auch<br />
andere Nitrate (ISDN und ISMN) unter<br />
chronischer Therapie im Patienten/Probanden<br />
eine endotheliale Dysfunktion induzierten<br />
[23, 24]. Eine präklinische Studie<br />
aus der Gruppe um E. Bassenge zeigte sehr<br />
eindrucksvoll, dass GTN in chronisch instrumentierten<br />
Hunden eine Toleranz induzierte,<br />
die durch hoch dosierte VitaminC<br />
CoAdministration komplett und durch<br />
ASS teilweise aufgehoben wurde [16]. Dagegen<br />
zeigte PETN über den gesamten<br />
Verlauf der fünftägigen Behandlung keinerlei<br />
Anzeichen für eine Toleranz.<br />
In einer weiteren tierexperimentellen<br />
Studie zeigte PETN und sein Trinitrat<br />
PETriN, nicht aber ISDN, einen protektiven<br />
Effekt auf die endothelialen Progenitorzellen<br />
(EPC) in einem Infarktmodell [25]. Dabei<br />
steigerte PETN nicht nur die Zahl der<br />
EPCs, sondern verbesserte auch deren<br />
Funktion (Migrationsfähigkeit). Für GTN<br />
wurde ein negativer Effekt auf die EPCs beschrieben<br />
[26]. In einer derzeit im Druck<br />
befindlichen Studie aus unserem Arbeitskreis<br />
konnte gezeigt werden, dass PETN die<br />
durch AngiotensinIIBehandlung indu<br />
0000 000000 0 00000 0 00 00<br />
*<br />
Kontrolle GTN GTN/LA PETN<br />
C D<br />
#<br />
80<br />
10<br />
60<br />
Abnahme der antioxidativen<br />
Kapazität des Serums [%]<br />
0000 0 0 00000 0<br />
zierte endotheliale (ACh) und glattmuskuläre<br />
(GTN) Dysfunktion im Rattenmodell<br />
partiell aufheben konnte [26a]. Ähnliche<br />
Beobachtungen wurden bezüglich der Wirkung<br />
<strong>von</strong> PETN, nicht aber <strong>von</strong> ISMN, in<br />
einem experimentellen Diabetesmodell gemacht.<br />
Dies wäre der erste Befund, dass ein<br />
organisches Nitrat die Endothelfunktion<br />
positiv beeinflusst und damit zu einer Verbesserung<br />
der Prognose beitragen könnte.<br />
Am Patienten wurde diese Hypothese am<br />
Klinikum der Universität Mainz im Rahmen<br />
der PENTAStudie verifiziert [26b]. Dagegen<br />
zeigte die CoTherapie mit ISMN keine<br />
Verbesserung, sondern eher eine Verschlechterung<br />
der AngiotensinIIinduzierten<br />
vaskulären Dysfunktion (nicht gezeigt)<br />
[26a]. Aufgrund der Tragweite dieser<br />
Befunde müssen diese Daten im Diabetes<br />
Modell erst durch eine Erhöhung der untersuchten<br />
Tierzahlen bestätigt werden. Eine<br />
vor Kurzem veröffentlichte Studie <strong>von</strong><br />
Kleinert und Mitarbeitern zeigte eindrucksvoll,<br />
dass die PETNInvivoTherapie bei<br />
Ratten kardioprotektive Gene aktivierte,<br />
wohingegen die Behandlung mit Nitroglyzerin<br />
eher kardiotoxische Gene induzierte<br />
[27]. Aktuell konnten Kojda und Mitarbeiter<br />
zeigen, dass PETN ein essenzielles<br />
Schutzenzym, die Superoxiddismutase<br />
(SOD), auf Proteinebene hochreguliert<br />
und so nachhaltig zum Abbau toxischer re<br />
Abb. 2: Effekt einer einmaligen oralen Gabe <strong>von</strong> Nitroglyzerin (GTN), Nitroglyzerin und Liponsäure (LA)<br />
sowie Pentaerithrityltetranitrat (PETN) auf die ALDH�2�Aktivität in weißen Blutzellen (A), die Nitrat�<br />
bioaktivierungskapazität (B), die antioxidative Kapazität des Serums (C) und die Thromboxanspiegel<br />
im Serum (D).<br />
–10<br />
–30<br />
26 Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
0 00000 0<br />
#<br />
#<br />
GTN GTN/LA PETN<br />
0 0 00000 0000 0 0 0<br />
Zunahme des<br />
Serumthromboxans [%]<br />
40<br />
20<br />
0<br />
#<br />
*<br />
#<br />
GTN GTN/LA PETN
A 5,5<br />
p = 0,427<br />
B<br />
C<br />
Durchmesser der<br />
A. brachialis [mm]<br />
Veränderung des<br />
Blutdrucks [mmHg]<br />
oder Veränderung der<br />
Herzfrequenz [bpm]<br />
5<br />
4,5<br />
4<br />
3,5<br />
10<br />
5<br />
0<br />
–5<br />
–10<br />
–15<br />
aktiver Sauerstoffspezies beiträgt [28]. Ähnliche<br />
Befunde bzgl. der PETNTherapie und<br />
SODExpression wurden in einer aktuellen<br />
Studie in spontan hypertensiven Ratten gemacht<br />
[29]. Die Befunde unterstreichen mit<br />
Nachdruck die Sonderstellung <strong>von</strong> PETN<br />
unter den organischen Nitraten.<br />
3. Antioxidative Effekte <strong>von</strong> PETN –<br />
akute Gabe<br />
Basal 2h 6h 12h 24h 5min 30min<br />
p = 0,209<br />
Vor Kurzem konnten wir eine Studie abschließen,<br />
deren Hauptergebnis war, dass<br />
die einmalige orale Gabe <strong>von</strong> GTN im Gegensatz<br />
zu PETN ein Absinken der<br />
ALDH2Aktivität in weißen Blutzellen<br />
bewirkt sowie die Thromboxanbildung erhöht,<br />
die Nitratbioaktivierungskapazität<br />
einschränkt und die antioxidative Kapazität<br />
des Serums verringert (Abb. 2) [30].<br />
Wichtig war vor allem, identische hämodynamische<br />
Effekte für beide Nitrate zu gewährleisten.<br />
So führten GTN und PETN 30<br />
bzw. 120 min nach oraler Gabe zu vergleichbaren<br />
Absenkungen des Blutdrucks bzw.<br />
Zunahmen der Herzfrequenz (Abb. 3).<br />
Interessanterweise konnten die negativen<br />
Effekte der GTNVerabreichung<br />
durch gleichzeitige Behandlung mit Liponsäure,<br />
dem essenziellen Kofaktor der<br />
ALDH2, aufgehoben werden und PETN<br />
zeigte per se keinerlei negative Wirkungen.<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
*<br />
Nach PETN<br />
Sys Dia HR<br />
PETN<br />
*<br />
*<br />
p = 0,113<br />
p = 0,412<br />
*<br />
*<br />
Nach GTN<br />
Sys Dia HR<br />
Abb. 3: Hämodynamische Effekte einer GTN� bzw. PETN�Gabe, 30 bzw. 120 min nach oraler Verabrei�<br />
chung des Nitrats gemessen anhand der Weitung der Arteria brachialis (Ultraschall�Methode) (A und<br />
B) sowie der Blutdrucksenkung bzw. Herzfrequenzerhöhung (C).<br />
GTN<br />
Diese humanen Daten, die in einer Studie<br />
mit freiwilligen Probanden gewonnen wurden,<br />
konnten in einer experimentellen Studie<br />
in Ratten bestätigt und mechanistisch<br />
vertieft werden. Diese Befunde sind im<br />
Schema in Abbildung 4 zusammengefasst.<br />
Vermutlich basiert das positive Wirkungsprofil<br />
<strong>von</strong> PETN zumindest teilweise auf<br />
dem langsamen Anfluten bei oraler Verabreichung<br />
[31], da in früheren Studien gezeigt<br />
werden konnte, dass eine Bolusverabreichung<br />
<strong>von</strong> PETN sowohl intravenös als<br />
auch an isolierten Mitochondrien bzw.<br />
Aorten annähernd ähnlich negative Wirkungen<br />
hervorbrachte wie Nitroglyzerin<br />
[16, 32]. Dies legt nahe, das auch PETN bei<br />
zu hoher Konzentration am Wirkort (was<br />
bei oraler Verabreichung im Rahmen der<br />
klinischen Dosierung nicht vorkommen<br />
kann) eine ähnliche „Überlastung“ des zellulären<br />
antioxidativen Schutzsystems bewirken<br />
kann wie Nitroglyzerin und dadurch<br />
die Induktion <strong>von</strong> oxidativem Stress und<br />
Inaktivierung des Nitratbioaktivierungswegs<br />
nach sich zieht. Dennoch bleibt auch<br />
unter diesen Bedingungen einer „erzwungenen“<br />
Überdosierung eine partielle Überlegenheit<br />
<strong>von</strong> PETN erhalten, die nur anhand<br />
der Wechselwirkungen auf molekularer<br />
Ebene erklärt werden können (siehe<br />
dazu die nachfolgenden Kapitel).<br />
Organische Nitrate<br />
Vor GTN Nach GTN<br />
Vor PETN Nach PETN<br />
27<br />
Nach Wenzel et al [30]
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
Abb. 4: Charakterisierung der<br />
nitratinduzierten Tachyphyla�<br />
xie anhand verschiedener<br />
Blutparameter (vorgeschla�<br />
gener Mechanismus): Die<br />
einmalige orale Gabe <strong>von</strong><br />
Nitroglyzerin (GTN, 0,8 mg)<br />
induziert eine akute Abnahme<br />
der ALDH�2�Aktivität in weißen<br />
Blutzellen, aber auch in Gefäß�<br />
gewebe <strong>von</strong> Aorten und kardia�<br />
len Mitochondrien. Zusätzlich<br />
wurden im Serum die Throm�<br />
boxanspiegel erhöht und die<br />
antioxidative Kapazität verrin�<br />
gert. Diese Parameter charak�<br />
terisieren die nitroglyzerinin�<br />
duzierte Tachyphylaxie (rote<br />
Stoffwechselwege) und die<br />
negativen Effekte der Nitro�<br />
glyzeringabe konnten nahezu<br />
komplett durch eine Co�The�<br />
rapie mit Liponsäure (600 mg)<br />
aufgehoben werden (blaue<br />
Stoffwechselwege). Im Gegen�<br />
satz zu Nitroglyzerin bewirkte<br />
die einmalige orale Behand�<br />
lung mit PETN (80 mg) weder<br />
eine Abnahme der ALDH�2�<br />
Aktivität noch eine signifikante [30]<br />
al<br />
Zunahme der Thromboxan� et<br />
spiegel oder eine Abnahme der<br />
antioxidativen Kapazität im<br />
Wenzel<br />
Serum (grüne Stoffwechsel�<br />
wege). Nach<br />
4. Wechselwirkung organischer Nitrate<br />
mit isolierter humaner mitochondrialer<br />
Aldehyddehydrogenase (ALDH�2)<br />
Aktuelle Studien belegen, dass die Langzeitanwendung<br />
<strong>von</strong> Mono und Dinitraten<br />
bei Patienten mit koronaren Herzkrankheiten<br />
nicht unproblematisch ist und sogar<br />
schädliche Nebenwirkungen haben könnte<br />
[23, 33]. Obwohl die Mechanismen, die der<br />
Nitrattoleranz zugrunde liegen, multifaktoriell<br />
sind, zeigen aktuelle Studien, dass vor<br />
allem zwei Mechanismen, die Stimulie<br />
rung vaskulärer reaktiver Sauerstoffspezies<br />
(ROS) und die Inhibition des GTNbioaktivierenden<br />
Enzyms (ALDH2), als Hauptursache<br />
für die Nitrattoleranz angesehen werden<br />
können [34, 35]. Die Rolle der ALDH2<br />
als Marker bzw. Verursacher der Nitrattoleranz<br />
wurde in zwei aktuellen Übersichtsartikeln<br />
ausführlich diskutiert [36–38]. Die bisher<br />
postulierte Umsetzung <strong>von</strong> Nitroglyzerin<br />
durch die ALDH2 zu Nitrit und 1,2Glyzeryldinitrat<br />
als essenziellem Mechanismus für<br />
die nitroglyzerinvermittelte Vasodilatation<br />
ALDH<br />
S S<br />
TxA2<br />
Prot-SH<br />
Antioxidanzien<br />
Nitroglyzerin<br />
Liponsäure<br />
wurde durch Mayer und Mitarbeiter hinterfragt.<br />
In ihrer aktuellen Studie zeigen die<br />
Autoren, dass die nitroglyzerinabhängige<br />
Aktivierung der löslichen Guanylatzyklase<br />
(sGC) in einem InvitroSystem aus isolierten<br />
Mitochondrien und aufgereinigter sGC<br />
nicht nitritabhängig abläuft [39]. Nitrit induzierte<br />
zwar auch eine Aktivierung der sGC,<br />
konnte aber direkt durch Inhibitoren der<br />
mitochondrialen Atmungskette blockiert<br />
werden, wohingegen die nitroglyzerinabhängige<br />
sGCAktivierung durch diese Inhibitoren<br />
nicht unterdrückt wurde. In einer<br />
aktuellen Studie wurde die Bioaktivierung<br />
eines neuartigen organischen Mononitrats<br />
(Aminoethylnitrat) untersucht, das eine<br />
ähnliche Potenz wie Nitroglyzerin zeigt, aber<br />
nicht über die ALDH2 bioaktiviert wird<br />
[40]. Auch wurde die Bioaktivierung <strong>von</strong><br />
Nitroglyzerin durch die GlutathionSTransferase<br />
und ALDH2 verglichen [41].<br />
Im letzten Teil dieses Übersichtsartikels<br />
wird auf die Wechselwirkung zwischen organischen<br />
Nitraten und der isolierten ALDH2<br />
28 Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
PETN<br />
ALDH<br />
HS SH<br />
TxA2<br />
Prot-SH<br />
Antioxidanzien
fokussiert. Wir konnten in älteren Arbeiten<br />
zeigen, dass die ALDH2 in isolierten Mitochondrien<br />
durch Nitroglyzerin oder mitochondriale<br />
reaktive Sauerstoff und Stickstoffspezies<br />
(e.g. Peroxynitrit und Superoxid)<br />
oxidativ inaktiviert wird [42]. Ellman’s Reagenz,<br />
eine Thiol oxidierende Substanz zur<br />
Quantifizierung <strong>von</strong> Thiolgruppen, bewirkte<br />
eine Inaktivierung des Enzyms – ein Hinweis<br />
auf die Beteiligung <strong>von</strong> Thiolgruppen am<br />
Katalysezyklus [42]. 2008 wurde erstmals an<br />
gereinigter, isolierter, rekombinanter, humaner<br />
ALDH2 gezeigt, dass dieses Enzym<br />
eindeutig eine Bioaktivierung <strong>von</strong> GTN katalysiert<br />
[43]. Die Autoren verwendeten als<br />
Nachweissystem für die direkte Bioaktivierung<br />
<strong>von</strong> GTN durch die ALDH2 die gereinigte<br />
lösliche Guanylatzyklase (sGC): Der<br />
durch die ALDH2 und GTN gebildete Vasodilatator<br />
(NO oder eine NOähnliche Spezies)<br />
aktiviert die sGC und damit die Bildung<br />
<strong>von</strong> cGMP – ein elegantes Testsystem. Hier<br />
wurde auch erstmals gezeigt, dass die gereinigte<br />
zytosolische ALDH1Isoform ebenfalls<br />
eine Bioaktivierung <strong>von</strong> GTN bewirkt,<br />
allerdings ist sie um den Faktor 33 weniger<br />
potent als ALDH2 (Abb. 5) [43].<br />
B<br />
ALDH2-Aktivität<br />
[µM 2-Hydroxy-3-Nitrobenzolsäure]<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
+ 0,1 mM LA<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
*<br />
A<br />
A340 [a.u.]<br />
0,5<br />
0,4<br />
0,3<br />
0,2<br />
0,1<br />
Ethanol in vivo GTN in vivo<br />
Aus der gleichen Gruppe wurde vor<br />
Kurzem eine Arbeit publiziert, die zeigte,<br />
dass GTN eine teils irreversible Inaktivierung<br />
des isolierten ALDH2Enzyms be<br />
µmol cGMP × min –1 × mg –1<br />
ALDH<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
GTN<br />
ALDH-1<br />
ALDH-2<br />
BSA<br />
DTT<br />
0<br />
0 400 800 1200 1600<br />
Zeit [s]<br />
C 120<br />
100<br />
80<br />
* #<br />
60<br />
*<br />
40<br />
20<br />
0<br />
+ 0,1 mM LA<br />
ALDH2-Aktivität<br />
[%]<br />
Kontrolle + 0<br />
Organische Nitrate<br />
10 –8 10 –7 10 –6 10 –5 10 –4 10 –3<br />
GTN [M]<br />
Abb. 5: Die Nitroglyzerin�(GTN�)Bioaktivierung durch gereinigte, isolierte, rekombi�<br />
nante, humane ALDH�1 (50 µg) und ALDH�2 (25 µg) wurde anhand der Aktivierung<br />
einer im System befindlichen löslichen Guanylatzyklase und der daraus resultie�<br />
renden cGMP�Bildung gemessen. Als negative Kontrolle wurde mit dem Effekt <strong>von</strong><br />
bovinem Serumalbumin verglichen.<br />
*<br />
*<br />
+ 100<br />
+ 10 µg/ml AA + LA [µM]<br />
Abb. 6a: Messung der ALDH�2�Dehydrogenase�Aktivität (Umwandlung Acetaldehyd) im isolierten Enzym mittels NADH�Bildung bei 340<br />
nm. Nach Beretta et al [44].<br />
Abb. 6b: Messung der ALDH�2�Aktivität in isolierten Mitochondrien mittels HPLC�basierter Methode nach Placebo (Ethanol) bzw. Nitro�<br />
glycerin�(GTN�)In�vivo�Behandlung und Wiederherstellung der ALDH�2�Aktivität durch 100 µM reduzierte Liponsäure (LA). Nach Wenzel et<br />
al [42].<br />
Abb. 6c: Inaktivierung der ALDH�2 in isolierten Mitochondrien durch Ex�vivo�Behandlung mit Antimycin A (AA) und partielle Wiederher�<br />
stellung durch reduzierte Liponsäure (LA). Nach Wenzel et al [42].<br />
29<br />
Nach Beretta et al. [45]
NachWenzel et al [42].<br />
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
Reduktase<br />
NADPH<br />
Oxidierte Liponsäure<br />
S<br />
R<br />
R<br />
Reduzierte Liponsäure<br />
S<br />
ROS<br />
wirkt [44]: Wenn die Umwandlung <strong>von</strong><br />
Acetaldehyd anhand der NADHBildung<br />
gemessen und GTN zugesetzt wird, so<br />
kommt die Dehydrogenaseaktivität zum Erliegen<br />
(Abb. 6a). Nach Zugabe des<br />
DithiolReagenz (DTT) kommt es zu einer<br />
Reaktivierung (rescue), die allerdings weit<br />
hinter der Aktivität vor der GTNGabe zurückbleibt.<br />
Das heißt, dass es eine irreversible<br />
Inaktivierung geben muss. Wir konnten<br />
bereits 2007 zeigen, dass die GTN<br />
In vivoBehandlung zu einer teils irreversiblen<br />
Inaktivierung der ALDH2 in<br />
Mitochondrien führt, die nur bedingt durch<br />
die Zugabe <strong>von</strong> reduzierter Liponsäure wiederhergestellt<br />
werden konnte (Abb. 6b).<br />
Auch AntimycinAinduzierter oxidativer<br />
Stress bewirkte eine teils irreversible Inaktivierung<br />
der ALDH2 in isolierten Mito<br />
R<br />
Gemischtes<br />
Disulfid<br />
S<br />
H<br />
S S<br />
ALDH-2<br />
ALDH-2<br />
chondrien, die durch reduzierte Liponsäure<br />
nicht zurückgeführt werden konnte (Abb.<br />
6c). Das Konzept des durch Liponsäure vermittelten<br />
Schutzes konnten wir auch in einer<br />
Humanstudie verifizieren [30]. Basierend auf<br />
diesen Befunden postulierten wir die Redoxregulation<br />
der ALDH2 durch GTN und<br />
reaktive Sauerstoff und Stickstoffspezies<br />
(RONS) sowie eine irreversible Inhibition<br />
durch Bildung einer Sulfonsäuregruppe<br />
durch oxidierende Spezies (Abb. 7).<br />
Aktuellen Befunden zufolge bildet das<br />
isolierte Enzym selbst freie Radikale, die<br />
besonders gehäuft entstehen, wenn GTN<br />
anwesend ist [45]. Für diese Radikalproduktion<br />
spielt eine Konformationsänderung<br />
durch die Bindung <strong>von</strong> NAD + eine wesentliche<br />
Rolle, da durch eine Änderung der<br />
Bindungsaffinität <strong>von</strong> NAD + mittels Muta<br />
Intermediäres<br />
Thionitrat<br />
Weitere<br />
Bioaktivierung<br />
Relaxation<br />
30 Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
ROS<br />
S S<br />
ALDH-2<br />
SO3H<br />
ALDH-2<br />
GTN<br />
O–NO2<br />
O–NO2<br />
NAD +<br />
ALDH-2<br />
NO2<br />
NOx<br />
cGMP<br />
cGK-I<br />
O–NO2<br />
O–NO2<br />
O–H<br />
1,2 GDN<br />
Abb. 7: Nach unseren und anderen Daten postulieren wir die folgende Sequenz <strong>von</strong> Ereignissen für den Metabolismus organischer<br />
Nitrate durch die ALDH�2: Zwei benachbarte Cystein�Thiol�Gruppen sind essenziell für die Nitratbioaktivierung. In einem ersten Schritt<br />
wird eine dieser Thiolgruppen den Stickstoff des sterisch am besten zugänglichen (und am stärksten aktivierten) Salpetersäureesters<br />
nukleophil angreifen und dabei ein Thionitrat�Intermediat bilden sowie den denitrierten Metaboliten (1,2�GDN). Durch Angriff des<br />
zweiten Thiols an diesem Thionitrat wird eine Disulfidbrücke und Nitrit als die Abgangsgruppe gebildet. Das Disulfid kann auch durch<br />
direkte Oxidation der Thiole durch reaktive Sauerstoff� oder Stickstoffspezies entstehen. Dabei könnten sogar höhere Oxidationen zur<br />
Sulfonsäure (–SO3H) auftreten und eine irreversible Hemmung der ALDH�2 bewirken. Die Wiederherstellung der enzymatischen Aktivi�<br />
tät involviert die Dithiol�Verbindung Dihydroliponsäure, die in Mitochondrien vorkommt und initial ein gemischtes Disulfid bildet.<br />
Nach intramolekularem nukleophilem Angriff dissoziiert dieses gemischte Disulfid zu oxidierter Liponsäure und reaktivierter (redu�<br />
zierter) ALDH�2. Die oxidierte Liponsäure wird durch spezielle Lipoamidreduktasen in Mitochondrien bzw. Glutathionreduktasen im<br />
Zytosol reduziert. Auch dieser letzte Schritt kann Angriffspunkt für eine oxidative Schädigung in der Nitrattoleranz sein. Das anorga�<br />
nische Nitrit, das während des katalytischen Zyklus gebildet wurde, benötigt eine weitere Bioaktivierung, um eine vasodilatierende<br />
Spezies hervorzubringen. Eventuell findet am isolierten Enzym auch direkt eine NO�Freisetzung statt.
Nach Daiber et al. In Vorbereitung<br />
Relative ALDH-2-Aktivität<br />
17,5<br />
15,0<br />
12,5<br />
10,0<br />
7,5<br />
5,0<br />
2,5<br />
0<br />
0 0,033 0,1 0,33 1 10 100<br />
Organische Nitrate [µM]<br />
tion einer Glutaminsäure in der NAD +<br />
Bindungstasche (E268Q) deutlich weniger<br />
Radikale gebildet werden, ohne dass die<br />
NitratreduktaseAktivität merklich verändert<br />
wird [45]. So konnte im Wildtypenzym<br />
erst eine NOProduktion in Anwesenheit<br />
<strong>von</strong> GTN gemessen werden, wenn Superoxiddismutase<br />
(SOD) zugegeben wurde<br />
(ein Anzeichen für Abbau des NO durch<br />
Superoxid). Dagegen zeigte die E268Q<br />
Mutante bereits ohne SOD eine messbare<br />
NOProduktion, die durch SODZugabe<br />
weiter gesteigert wurde. Die Dehydrogenase<br />
und Esteraseaktivität der ALDH2 sind<br />
in der E268QMutante nahezu abwesend,<br />
wohingegen die basale Nitratreduktase<br />
Aktivität kaum verändert wird. Lediglich<br />
die etwa siebenfache Steigerung durch<br />
NAD + im Wildtypenzym entfällt in der<br />
E268QMutante aufgrund der geänderten<br />
NAD + Affinität [45]. Die Ersetzung einer<br />
Cysteingruppe im aktiven Zentrum durch<br />
eine Seringruppe (C302S) führte dagegen<br />
zum Verlust <strong>von</strong> allen drei enzymatischen<br />
Aktivitäten und einem Verlust der<br />
1,2GDN und NOBildung aus GTN [45].<br />
Die weitverbreitete ostasiatische Variante<br />
der ALDH2 (ALDH2*2) mit der Punktmutation<br />
E487K zeigt eine ähnliche Änderung<br />
der NAD + Bindungsaffinität wie die<br />
E268QMutante [46]. Daneben zeigt die<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
GTN<br />
PETN<br />
Abb. 8: Bestimmung der ALDH�2�Dehydrogenase�Aktivität mittels<br />
HPLC�basierter Messung der Umwandlung <strong>von</strong> 2�Hydroxy�3�Nitro�<br />
benzaldehyd zum Benzoesäureprodukt. Die Inaktivierung durch stei�<br />
gende GTN�Konzentrationen ist deutlich effektiver als die durch PETN.<br />
RONS-Bildung mittels L-012 ECL [RLU]<br />
2,5 × 10 5<br />
2,0 × 10 5<br />
1,5 × 10 5<br />
1,0 × 10 5<br />
0,5 × 10 5<br />
0 × 10 5<br />
GTN<br />
PETN<br />
ALDH2*2Variante eine deutlich verringerte<br />
Dehydrogenase und Esteraseaktivität<br />
[46] sowie eine abgeschwächte<br />
GTNBioaktivierung [47]. Damit geht eine<br />
geringere vasodilatatorische Potenz des<br />
GTN in asiatischen Probanden mit dieser<br />
ALDH2Modifikation bzw. gesunden<br />
Freiwilligen nach Behandlung mit dem<br />
ALDHInhibitor Disulfiram einher [48]. In<br />
einer gerade publizierten Arbeit konnte<br />
gezeigt werden, dass die isolierte, gereinigte<br />
ALDH2*2Variante eine deutlich geringere<br />
Dehydrogenase, Esterase sowie<br />
Nitratreduktaseaktivität im Vergleich zum<br />
Wildtypenzym (ALDH2*1) aufweist [49].<br />
Dementsprechend führte die ALDH2*2<br />
Variante auch mit GTN zu einer deutlich<br />
abgeschwächten 1,2GDN Bildung, NO<br />
Freisetzung und sGCAktivierung. Interessanterweise<br />
bewirkte der kürzlich beschriebene<br />
ALDHAktivator Alda1 [50] nur<br />
eine marginale Steigerung der DehydrogenaseAktivität<br />
im Wildtypenzym, wohingegen<br />
die DehydrogenaseAktivität in der<br />
ALDH2*2Variante um einen Faktor 4<br />
gesteigert wurde [49]. Der Effekt <strong>von</strong> Alda1<br />
auf die Esteraseaktivität war im<br />
ALDH2*1Enzym moderat, aber die EsteraseAktivität<br />
der ALDH2*2Variante<br />
wurde achtfach erhöht. Alda1 hatte lei<br />
Organische Nitrate<br />
0 0,01 0,1 1 10<br />
Organische Nitrate [µM]<br />
Abb. 9: Die RONS�Produktion aus isolierter ALDH�2 und GTN<br />
bzw. PETN wurde anhand der L�012�Chemilumineszenz gemessen.<br />
Die RONS�Bildung mit PETN ist deutlich geringer als mit GTN.<br />
31<br />
Nach Daiber et al. In Vorbereitung
Nach Wenzel et al [52]<br />
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
Relative RONS-Bildung mittels L-012 ECL [%]<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
WT = Wildtyp<br />
WT EtOH -/- EtOH WT GTN<br />
(10 µg/h)<br />
*<br />
-/- GTN<br />
(10 µg/h)<br />
WT GTN<br />
(50 µg/h)<br />
-/- GTN<br />
(50 µg/h)<br />
der keinen steigernden Effekt auf die<br />
GTNBioaktivierung und daraus resultierende<br />
sGCAktivierung und kann daher<br />
offensichtlich nicht in Kombination mit<br />
GTN verwendet werden, um dessen vasodilatatorische<br />
Potenz zu steigern.<br />
In einer gerade abgeschlossenen Studie<br />
aus unserem Labor konnten wir an der isolierten<br />
ALDH2 zeigen, dass diese sehr effizient<br />
durch GTN, aber deutlich geringer<br />
durch PETN inhibiert wird (Abb. 8). Dieser<br />
Befund könnte neben der Induktion der<br />
Hämoxygenase1 durch PETN unter chronischer<br />
Therapie [14, 18, 19] und dem kontrollierten<br />
Anfluten mit schonender Aufnahme<br />
bei oraler Gabe [30, 31] eine weitere<br />
Erklärung für die protektiven Effekte <strong>von</strong><br />
PETN darstellen. Wenn PETN wirklich<br />
sein Bioaktivierungssystem, die ALDH2,<br />
intakt lässt, könnte dies die fehlende Toleranzentwicklung<br />
durch PETN erklären.<br />
Wie erwartet war auch die RONSBildung<br />
durch die ALDH2 im Beisein <strong>von</strong> PETN<br />
deutlich geringer als mit GTN (Abb. 9).<br />
Basierend auf diesen Befunden stellt<br />
sich die Frage, ob die ALDH2 selbst in der<br />
GTNinduzierten Nitrattoleranz eine signifikante<br />
RONSQuelle darstellen könnte,<br />
wie <strong>von</strong> Mayer und Mitarbeitern spekuliert<br />
wird [45]. Dieser Schlussfolgerung widersprechen<br />
zahlreiche ältere Befunde aus<br />
unserem Arbeitskreis. So konnte in Koo<br />
WT GTN<br />
(100 µg/h)<br />
-/- GTN<br />
(100 µg/h)<br />
WT GTN<br />
(100 µg/h)<br />
Rotenone<br />
-/- GTN<br />
(100 µg/h)<br />
Rotenone<br />
Abb. 10: Messung der mitochondrialen RONS�Bildung in isolierten Mitochondrien <strong>von</strong> Wildtyp�(WT�) und ALDH�2�Knock�out�Mäusen (�/�)<br />
nach GTN�In�vivo�Behandlung mittels L�012�Chemilumineszenz.<br />
peration mit Szöcs et al. gezeigt werden,<br />
dass die ALDH eher als Radikalfänger<br />
fungiert, den oxidativen Abbau <strong>von</strong> NO<br />
verhindert und im zellulären System die<br />
Hemmung der ALDH durch Benomyl<br />
einen Anstieg der RONS bewirkt [51]. In<br />
einer nachfolgenden Studie konnten wir<br />
zeigen, dass die InvivoBehandlung mit<br />
GTN in ALDH2KnockoutMäusen zu<br />
höheren RONSBildungsraten führt, d.h.<br />
die Wegnahme der ALDH2 führte zu<br />
einer verringerten antioxidativen Kapazität<br />
und zur vermehrten GTNinduzierten<br />
RONSBildung (Abb. 10) [52]. Auch die<br />
akute Verabreichung <strong>von</strong> GTN zeigte eher<br />
keine signifikanten Unterschiede in Wildtyp<br />
versus ALDH2KnockoutTieren<br />
(Abb. 11) [40]. Zusammen mit dem Befund,<br />
dass die ALDH2 ein wichtiges antioxidatives<br />
Schutzenzym beim Alterungsprozess<br />
darstellt [53] und dass seine pharmakologische<br />
Inhibition die RONSProduktion<br />
nach Inkubation isolierter Mitochondrien<br />
mit GTN eher erhöhte als verringerte<br />
[54], spricht gegen eine essenzielle<br />
Rolle der ALDH2 als Quelle für oxidativen<br />
Stress in der Nitrattoleranz und anderen<br />
Komplikationen. Demnach handelt es<br />
sich vermutlich bei der RONSBildung<br />
durch die isolierte ALDH2 eher um ein<br />
Artefakt aufgrund eines fehlenden<br />
CoFaktors, Schutzsystems etc. Die unter<br />
32 Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
*<br />
*<br />
*
L-012-Chemilumineszenz [min]<br />
1,2 × 10 5<br />
0,8 × 10 5<br />
0,4 × 10 5<br />
0 × 10 5<br />
WT = Wildtyp<br />
B6 WT<br />
schiedliche Wirkung <strong>von</strong> GTN und PETN<br />
ist jedoch hochinteressant und wird vermutlich<br />
demnächst durch Mayer und Mitarbeiter<br />
aufgeklärt, die eine Konformationsänderung<br />
im Enzym für das unterschiedliche<br />
Verhalten <strong>von</strong> GTN und PETN<br />
hinsichtlich der Inaktivierung und RONS<br />
Bildung verantwortlich machen. n<br />
Summary<br />
The hemodynamic and antiischemic effects<br />
of nitroglycerin (GTN) are blunted due to<br />
the rapid development of a nitrate tolerance.<br />
Recent studies could identify new tolerance<br />
mechanisms such as the inhibition of the<br />
nitratebioactivating enzyme, the mitochondrial<br />
aldehyde dehydrogenase (AL<br />
DH2) as well as the formation of mitochondrial<br />
reactive oxygen and nitrogen species<br />
(RONS) leading to inhibition of GTN<br />
bioactivation. Based on these findings there<br />
is a direct link between nitrateinduced oxidative<br />
stress and the concept of desensitization<br />
(inhibition) of the nitrate bioactivation<br />
at the level of ALDH2. Recent animal studies<br />
suggest that reduced lipoic acid prevents<br />
oxidative inactivation of ALDH2 and that<br />
pentaerithrityl tetranitrate (<strong>Pentalong</strong> ® ,<br />
PETN) is devoid of nitrate tolerance induction<br />
due to intrinsic antioxidant properties<br />
(e.g. induction of heme oxygenase1 and ferritin).<br />
The fact that PETN prevents ALDH2<br />
inhibition is even more important since besides<br />
GTN also PETN and its trinitrate metabolite<br />
PETriN is bioactivated by ALDH2.<br />
A just completed study from our laboratory<br />
showed that PETN, in comparison with<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
*<br />
GTN – ALDH -/- GTN<br />
Abb. 11: Messung der mitochondrialen RONS�Bildung in isolierten Mitochondrien <strong>von</strong> Wildtyp� und<br />
ALDH�2�knockout�Mäusen nach GTN�Inkubation mittels L�012�Chemilumineszenz.<br />
GTN, also acts qualitatively different with<br />
the purified human ALDH2. Interestingly,<br />
GTN caused a severe concentrationdependent<br />
inactivation of the ALDH2 activity<br />
and an increase in RONS formation (directly<br />
formed by ALDH2), whereas PETN only<br />
showed a moderate effect on these parameters.<br />
Detailed studies revealed that the reactive<br />
species formed by ALDH2 in the presence<br />
of GTN is most probably identical to<br />
peroxynitrite, which is responsible for uncoupling<br />
of endothelial NO synthase and<br />
subsequent endothelial dysfunction.<br />
Keywords: organic nitrates – bioactivation;<br />
superoxide – peroxynitrite – mitochondrial<br />
aldehyde dehydrogenase – mitochondrial<br />
oxidative stress – vascular function<br />
Danksagung<br />
Wir danken der Johannes Gutenberg<br />
Universität für die finanzielle Unterstützung<br />
durch MAIFOR und Förderfonds<br />
Beihilfen (A.D.) und der <strong>Actavis</strong> Deutschland<br />
GmbH für ihre fortwährende Unterstützung<br />
(A.D.).<br />
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34 Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel
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Kawamoto T, Scharffetter�Kochanek K, Mun�<br />
zel T, Burkle A, Bachschmid MM, Daiber A.<br />
Manganese superoxide dismutase and alde�<br />
hyde dehydrogenase deficiency increase mi�<br />
tochondrial oxidative stress and aggravate<br />
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oxygen species production: in vitro mechani�<br />
stic insights. Can J Cardiol 2007;23(12):<br />
990–992<br />
Für die Verfasser:<br />
Prof. Dr. Andreas Daiber<br />
Universitätsmedizin der Johannes<br />
Gutenberg�Universität Mainz<br />
II. Medizinische Klinik – Labor für Moleku�<br />
lare Kardiologie<br />
Obere Zahlbacher Str. 63<br />
55101 Mainz, Germany<br />
Tel.: +49 (0)6131 17 9722<br />
Fax: +49 (0)6131 17 9723<br />
E�Mail: daiber@uni�mainz.de<br />
35
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
1 Universitätsmedizin der<br />
Johannes Gutenberg-<br />
Universität, II. Med. Klinik<br />
und Poliklinik, Molekulare<br />
Kardiologie, Mainz<br />
2 <strong>Actavis</strong> Deutschland GmbH,<br />
Langenfeld<br />
36<br />
Vergleich der Wirkungen <strong>von</strong> PETN, ISMN<br />
und ISDN im experimentellen Diabetes<br />
mellitus Typ 1 und in der arteriellen Hypertonie<br />
Matthias Oelze 1 , Swenja Schuhmacher 1 , Maike Knorr 1 , Christian Otto 1 , Tjebo Heeren 1 ,<br />
Jens Kamuf 1 , Philip Wenzel 1 , Dirk Stalleicken 2 , Thomas Münzel 1 und Andreas Daiber 1<br />
Zusammenfassung: Vorangegangene Studien<br />
haben gezeigt, dass eine chronische<br />
Behandlung mit Pentaerythrityltetranitrat<br />
(PETN) im Gegensatz zu anderen organischen<br />
Nitraten keine Nitrattoleranz als<br />
auch Cross-Toleranz induziert. Dies ist in<br />
erster Linie auf die Aktivierung <strong>von</strong> antioxidativen<br />
Mechanismen wie Hämoxygenase-1<br />
(HO-1) und Ferritin zurückzuführen.<br />
In der aktuellen Studie wurden die Effekte<br />
einer Co-Therapie mit PETN im Vergleich<br />
zu Isosorbid-5-mononitrat (ISMN) im<br />
Krankheitsbild der Angiotensin-II-(AT-<br />
II-)induzierten Hypertonie und in spontan<br />
hypertensiven Ratten (SHR) untersucht.<br />
Des Weiteren wurden die Eigenschaften<br />
<strong>von</strong> PETN in einer Co-Behandlung auf die<br />
Auswirkungen eines durch Streptozotocin<br />
(STZ) induzierten Diabetes mellitus Typ 1<br />
untersucht und mit einer Isosorbiddinitrat-<br />
(ISDN-) und Isosorbid-5-mononitrat-<br />
(ISMN-)Co-Behandlung verglichen. Eine<br />
Hypertonie wurde im Rattenmodell zum<br />
einen pharmakologisch über die Behandlung<br />
mit AT-II und zum anderen genetisch<br />
durch Verwendung <strong>von</strong> SHR erhalten.<br />
PETN oder ISMN wurde in diesen Tiermodellen<br />
für sieben Tage subkutan verabreicht.<br />
Diabetes wurde in männlichen Wistar-Ratten<br />
über eine einmalige i.v. Injektion<br />
STZ (60 mg/kg) induziert. PETN,<br />
ISDN bzw. ISMN wurden ab dem siebten<br />
Tag nach der STZ-Injektion verabreicht.<br />
Nach acht Wochen wurden die Tiere untersucht<br />
und Diabetes anhand eines drei- bis<br />
vierfachen Anstiegs des Blutzuckerspiegels<br />
und einer dramatisch reduzierten Gewichtszunahme<br />
diagnostiziert. Zusätzlich wurde<br />
ein kleines Kollektiv <strong>von</strong> STZ-Ratten mit<br />
Insulin co-behandelt. Die Gefäßfunktion<br />
wurde über isometrische Spannungsmessungen<br />
und reaktive Sauerstoffspezies über<br />
Chemilumineszenz, HPLC und/oder Dihydroethidin-Fluoreszenzmikroskopiede-<br />
tektiert. Western Blotting und RT-PCR-<br />
Analysen wurden zur Messung <strong>von</strong> Protein-<br />
und mRNA-Expression verwendet.<br />
Wie erwartet zeigte sich bei hypertensiven<br />
Ratten in isometrischen Spannungsmessungen<br />
eine ausgeprägte endotheliale und<br />
glattmuskuläre Dysfunktion, die mit der<br />
Ausbildung <strong>von</strong> oxidativem Stress in Aorta,<br />
Herz-Membranfraktion und Mitochondrien<br />
verknüpft war. Im Gegensatz zu ISMN<br />
zeigte eine Co-Behandlung mit PETN für<br />
alle Messparameter eine Verbesserung, was<br />
vermutlich durch eine Induktion der antioxidativ<br />
wirksamen HO-1- und Tetrahydrobiopterin<br />
synthetisierenden Enzymen<br />
wie GTP-Cyclohydrolase und Dihydrofolat-Reduktase,<br />
welche einer Entkopplung<br />
der NO-Synthase entgegenwirken, ausgelöst<br />
wird.<br />
Im Tiermodell des STZ-induzierten Diabetes<br />
mellitus verbesserte PETN alle gemessenen<br />
Parameter effizienter als ISDN mit<br />
Ausnahme der Endothel- und Gefäßmuskelfunktion,<br />
bei der beide Nitrate gleich<br />
positive Eigenschaften aufzeigten. Im Gegensatz<br />
dazu hatte ISMN keine protektiven<br />
Effekte.<br />
Eine Insulinbehandlung normalisierte alle<br />
gemessenen Parameter vollständig und<br />
schließt damit unspezifisch toxische Nebenwirkungen<br />
<strong>von</strong> STZ aus. Es zeigte sich in<br />
dieser Studie zum ersten Mal, dass ein organisches<br />
Nitrat bei chronischer Verabreichung<br />
in verschiedenen Tiermodellen mit<br />
kardiovaskulären Beeinträchtigungen einer<br />
endothelialen Dysfunktion und oxidativem<br />
Stress entgegenwirkt.<br />
Diese durchweg positiven tierexperimentellen<br />
Befunde weisen darauf hin, dass auch<br />
Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />
(vor allem koronarer Herzkrankheit) <strong>von</strong><br />
einer Medikation mit PETN (für die antiischämische<br />
Therapie) profitieren könnten,<br />
indem die endotheliale Dysfunktion verbessert<br />
wird und so die Progression einer Arte-<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel
iosklerose verlangsamt werden könnte. Die<br />
kommenden großen klinischen PETN-Studien<br />
werden zeigen, ob die durchweg positiven<br />
Befunde vom Tiermodell in die Klinik<br />
übertragen werden können.<br />
Hintergrund<br />
Eine arterielle Hypertonie ist assoziiert mit<br />
einer Aktivierung des zirkulierenden und<br />
lokalen Renin-Angiotensin-Systems und<br />
gesteigertem oxidativem Stress in den Gefäßwänden<br />
[1, 2]. Eine Behandlung mit Angiotensin-II<br />
(AT-II) induziert eine endotheliale<br />
Dysfunktion, die vornehmlich<br />
durch einen Anstieg reaktiver Sauerstoffspezies<br />
(ROS) ausgelöst wird [3, 4]. Hierfür<br />
bekannte ROS-Quellen sind die NADPH-<br />
Oxidasen [3], eine entkoppelte endotheliale<br />
NO-Synthase (eNOS) [4] als auch eine<br />
mitochondriale Superoxidproduktion [5].<br />
Die Rolle der NADPH-Oxidasen als ausschlaggebende<br />
Superoxid-Quellen konnte<br />
in Experimenten gezeigt werden, in denen<br />
bei einer AT-II-induzierten Hypertonie<br />
zum einen eine Nox1-Überexpression die<br />
negativen Effekte steigerte [6] und zum anderen<br />
durch eine Nox1-Defizienz der Blutdruck<br />
gesenkt wurde [7]. Interessanterweise<br />
sind eine gesteigerte vaskuläre ROS-<br />
Produktion und eine endotheliale Dysfunktion<br />
mit einem Anstieg der eNOS-Expression<br />
verbunden, wobei allerdings die NO-<br />
Produktion reduziert ist [8]. Dieses Phänomen<br />
scheint zumindest teilweise auf einer<br />
verstärkten Aktivierung der Proteinkinase<br />
C (PKC) zu beruhen, da die Inhibition einer<br />
gesteigerten vaskulären PKC-Aktivität<br />
partiell die Superoxidproduktion reduziert<br />
und die NO/cGMP-Signaltransduktion verbessert<br />
[4]. Vorangegangene Studien konnten<br />
zeigen, dass kardiovaskuläre Komplikationen<br />
bei Diabetes mellitus ebenfalls mit<br />
der Ausbildung <strong>von</strong> oxidativem Stress verknüpft<br />
sind. Unsere Arbeitsgruppe konnte<br />
kürzlich in einem tierexperimentellen Modell<br />
für Diabetes mellitus demonstrieren,<br />
dass eine pharmakologische Intervention<br />
mit einem Statin oder einem AT1-Rezeptorblocker<br />
eine vaskuläre Dysfunktion und<br />
die Ausbildung <strong>von</strong> oxidativem Stress unterdrückt<br />
[9, 10]. Ferner konnte eine verringerte<br />
Expression <strong>von</strong> Tetrahydrobiopterin<br />
(BH4) synthetisierenden Enzymen, GTP-<br />
Cyclohydrolase (GCH-I) und Dihydro-<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
Schlüsselwörter: Angiotensin-II – Diabetes<br />
mellitus – oxidativer Stress, endotheliale<br />
Dysfunktion – Isosorbid-5-mononitrat –<br />
Isosorbiddinitrat – Pentaerythrityltetranitrat<br />
– Insulin<br />
folat-Reduktase (DHFR) als ein Schlüsselereignis<br />
für die Entstehung einer endothelialen<br />
Dysfunktion mit entkoppelter eNOS<br />
identifiziert werden [8].<br />
Organische Nitrate wirken als endothelunabhängige<br />
Vasodilatatoren auf das Gefäßsystem.<br />
Nitroglyzerin (Glyceroltrinitrat,<br />
GTN) ist eines der am meisten benutzten<br />
antiischämischen Medikamente seit mehr<br />
als hundert Jahren. Organische Nitrate eignen<br />
sich hervorragend zur akuten Behandlung<br />
verschiedenster kardiovaskulärer Erkrankungen<br />
wie des akuten Koronarsyndroms,<br />
der stabilen koronaren Herzerkrankung<br />
sowie der akuten und chronischen<br />
Herzinsuffizienz. Trotz nachweislich guter<br />
antiischämischer Wirkung bei akuter Gabe<br />
ist die chronische Therapie mit organischen<br />
Nitraten durch zwei Nebenwirkungen limitiert:<br />
die Entwicklung einer Nitrattoleranz<br />
und die endotheliale Dysfunktion. Neuere<br />
Daten zeigen, dass dem eine GTN-induzierte,<br />
gesteigerte ROS-Produktion zugrunde<br />
liegt, da sich diese Phänomene<br />
durch den Einsatz <strong>von</strong> Antioxidanzien unterdrücken<br />
ließen [11, 12]. Eine chronische<br />
Behandlung mit Mono- und Dinitraten<br />
führt ebenfalls zur Ausbildung einer Toleranz<br />
und endothelialen Dysfunktion [13],<br />
obwohl diese Nitratgruppen nachweislich<br />
nicht über die mitochondriale Aldehyddehydrogenase<br />
(ALDH-2) bioaktiviert<br />
werden [14]. Diese Ergebnisse könnten die<br />
gesteigerte Mortalitätsrate einer Meta-Studie<br />
erklären, in der Myokardinfarktpatienten<br />
mit Mono- und Dinitraten behandelt<br />
wurden [15]. Zu den medizinisch<br />
am meisten verwendeten organischen Nitraten<br />
gehören GTN, Pentaerythrityltetranitrat<br />
(PETN, in Deutschland), Isosorbiddinitrat<br />
(ISDN) und Isosorbid-5-mononitrat<br />
(ISMN, in den USA).<br />
Sowohl unsere als auch andere Arbeitsgruppen<br />
konnten zeigen, dass verschiedene<br />
organische Nitrate unterschiedliche pharmakologische<br />
Effekte haben bezüglich ihrer<br />
Bioaktivierung und ihrer Kapazität, die<br />
vaskuläre Superoxidproduktion zu stimu-<br />
Organische Nitrate<br />
37
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
A B<br />
Relaxation [%]<br />
Anteil Kontrolle/DMSO [%]<br />
0<br />
20<br />
40<br />
60<br />
80<br />
ACh-Relaxation GTN-Relaxation<br />
0<br />
Relaxation [%]<br />
100<br />
100<br />
–9,0 –8,5 –8,0 –7,5 –7,0 –6,5 –6,0 –5,5 –9,0 8,5 –8,0 –7,5 –7,0 –6,5 –6,0 –5,5 –5,0 –4,5<br />
Log M (ACh) Log M (GTN)<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Kontrolle/DSMO<br />
lieren. Beispielsweise induziert PETN, obwohl<br />
über die ALDH-2 bioaktiviert, keine<br />
Toleranz und keine vaskuläre Superoxidproduktion<br />
[12]. Während GTN eine über<br />
oxidativen Stress mediierte Inhibition der<br />
ALDH-2 auslöst, induziert PETN eine Expressionserhöhung<br />
des antioxidativ wirksamen<br />
Enzyms Hämoxygenase-1 (HO-1)<br />
und erhält damit die ALDH-2-Aktivität.<br />
Diese experimentellen Daten aus Tierstudien<br />
werden unterstützt <strong>von</strong> klinischen Befunden<br />
an Patienten, die zeigen, dass PETN<br />
keine Toleranz [16] und keine endotheliale<br />
Dysfunktion [17] verursacht.<br />
Anhand dieser Betrachtungen sollten in<br />
der aktuellen Studie die Effekte <strong>von</strong> verschiedenen<br />
organischen Nitraten wie PETN<br />
und ISMN im Krankheitsbild der Angiotensin-II-induzierten<br />
Hypertonie, in spontan<br />
hypertensiven Ratten (SHR) sowie in<br />
STZ-induziertem Diabetes mellitus Typ 1<br />
im Hinblick auf die Entstehung <strong>von</strong> oxidativem<br />
Stress, endothelialer und vaskulärer<br />
Dysfunktion untersucht werden. Im letzte-<br />
38 Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
20<br />
40<br />
60<br />
80<br />
Kontrolle/DMSO<br />
Ang-II/DMSO<br />
Ang-II+PETN<br />
Ang-II+ISMN<br />
Abb. 1a, 1b: Effekte einer In-vivo-PETN- und ISMN-Therapie auf die Gefäßfunktion in Aortenringen <strong>von</strong><br />
AT-II-behandelten Ratten: Relaxation gegenüber steigenden Konzentrationen des endothelabhängigen<br />
Vasodilatators Acetylcholin (A) (ACh: endotheliale Dysfunktion) und des endothelunabhängigen<br />
Vasodilatators Glyceroltrinitrat (B) (GTN: glattmuskuläre Dysfunktion).<br />
ROS-Produktion in der Aorta<br />
* #<br />
*<br />
NADPH-Oxidase-Aktivität Mitochondriale ROS (Herz)<br />
* #<br />
* #<br />
* #<br />
AT-II / DMSO AT-II + ISMN AT-II + PETN<br />
Abb. 2: Effekte einer In-vivo-PETN- und -ISMN-Therapie auf die ROS-Produktion bei AT-II behandelten<br />
Ratten in Herz, Aorta und Mitochondrien: basale Superoxidproduktion in Aorten (Luzigenin-[5 µM]-<br />
Chemilumineszenz, weiß), NADPH-Oxidase-Aktivität in Herz-Membranfraktionen (Luzigenin-[5 µM]-<br />
Chemilumineszenz, schwarz) und mitochondriale Produktion reaktiver Sauerstoffspezies (L-012-[100<br />
µM]-Chemilumineszenz, grau); p < 0,05: * vs. Kontrolle/DMSO; # vs. AT-II+PETN.<br />
* #<br />
*<br />
*<br />
Nach Schuhmacher et al. Hypertension 2010<br />
(DOI: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.109.149542)<br />
Nach Schuhmacher et al. Hypertension 2010<br />
(DOI: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.109.149542)
L-NAME Puffer<br />
Nicht bestimmte Einheiten [IOD]<br />
Kontrolle/DSMO AT-II / DMSO AT-II + PETN<br />
AT-II + ISMN<br />
30.000<br />
25.000<br />
20.000<br />
15.000<br />
10.000<br />
5.000<br />
ren Tiermodell sollten zusätzlich ISDN, als<br />
Vergleich zu seinem Mononitrat-Derivat<br />
ISMN, und Insulin, um eventuelle toxische<br />
Nebeneffekte des STZ zu analysieren, als<br />
Co-Therapie in die Untersuchungen mit<br />
einbezogen werden.<br />
Ergebnisse und Diskussion<br />
0<br />
Für die Versuchsdurchführung wurden<br />
Wistar-Ratten (230-250 g) mit je zwei osmotischen<br />
Minipumpen behandelt, die zum<br />
einen mit AT-II (1 mg/kg/d) und zum anderen<br />
entweder mit PETN (15 mg/kg/d) oder<br />
ISMN (75 mg/kg/d) befüllt waren. Kontrolltiere<br />
erhielten in gleicher Form die entsprechenden<br />
Lösungsmittel (DMSO für die<br />
Nitrate bzw. 0,9% NaCl für AT-II). SHR<br />
wurden in gleicher Form mit entsprechender<br />
Dosis PETN oder ISMN behandelt.<br />
Nach einer Behandlungsdauer <strong>von</strong> sieben<br />
Tagen zeigten sich bereits äußerlich<br />
durch einen deutlich geringeren Gewichtsverlust<br />
positive Effekte in der AT-<br />
II+PETN-Gruppe (keine Gewichtsveränderung<br />
nach sieben Tagen (1±6% Gewichtszunahme))<br />
gegenüber den AT-II/<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
*<br />
* #<br />
* *<br />
Kontrolle/DSMO AT-II / DMSO AT-II + PETN AT-II + ISMN<br />
Abb. 3: Effekte einer In-vivo-PETN- und ISMN-Therapie auf die eNOS-abhängige ROS-Produktion bei<br />
AT-II-behandelten Ratten in der Aorta. Oben: Dihydroethidin-gefärbte Kryoschnitte zeigen die ROS-<br />
Produktion in den Aorten als rote Fluoreszenz (grün = Autofluoreszenz der Lamina, E = Endothelium).<br />
Um den Einfluss <strong>von</strong> PETN und ISMN auf eine Entkoppelung der NO-Synthase zu analysieren, wurden<br />
die Aortenringe mit dem NO-Synthase-Inhibitor L-NAME [500 µM] inkubiert. Unten: Densitometrische<br />
Quantifizierung der endothelabhängigen ROS-Produktion (schwarz: ohne L-NAME; weiß: mit L-NAME);<br />
p < 0,05: * vs. ohne L-NAME + vs. Kontrolle/DMSO; # vs. AT-II+PETN.<br />
DMSO-Tieren (24±7% Gewichtsverlust<br />
gegenüber Ctr/DMSO mit ca. 20±2% Gewichtszunahme).<br />
In diesem Fall zeigte allerdings<br />
auch eine Co-Behandlung mit<br />
ISMN bei den mit AT-II behandelten Tieren<br />
eine leichte Verbesserung, die allerdings<br />
nicht stark ausgeprägt war (5±8%<br />
Gewichtsverlust). Nachfolgende Untersuchungen<br />
an Herz und Aorta bestätigten<br />
dann einen eher negativen Einfluss einer<br />
Langzeittherapie mit ISMN gegenüber<br />
dem mit PETN: In den Aorten der mit AT-<br />
II/DMSO behandelten Tiere zeigte sich in<br />
isometrischen Spannungsmessungen erwartungsgemäß<br />
eine ausgeprägte endotheliale<br />
Dysfunktion (= Verschlechterung der<br />
konzentrationsabhängigen Relaxation gegenüber<br />
Acetylcholin) sowie eine deutlich<br />
reduzierte, endothelunabhängige Relaxation<br />
gegenüber GTN, die mit der Ausbildung<br />
<strong>von</strong> vaskulärem oxidativem Stress, einer<br />
stark gesteigerten NADPH-Oxidase-<br />
Aktivität und einer erhöhten ROS-Produktion<br />
in kardialen Mitochondrien verknüpft<br />
war (Chemilumineszenz: Luzigenin<br />
[5 µM], L-012 [100 µM]; Fluoreszenzmikroskopie:<br />
Dihydroethidin-Färbung (DHE,<br />
* #<br />
Organische Nitrate<br />
w/o L-NAME<br />
L-NAME [500 µM]<br />
39<br />
Nach Schuhmacher et al. Hypertension 2010<br />
(DOI: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.109.149542)
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
A<br />
B<br />
mRNA-Expression<br />
(Fold Change)<br />
Anteil<br />
Kontrolle/DMSO [%]<br />
3,0<br />
1,5<br />
2,0<br />
1,5<br />
1,0<br />
0,5<br />
0<br />
3,0<br />
1,5<br />
2,0<br />
1,5<br />
1,0<br />
0,5<br />
0<br />
α-Actinin -<br />
HO-1 -<br />
Kontrolle/<br />
DMSO<br />
Kontrolle/<br />
DMSO<br />
*<br />
AT-II/<br />
DMSO<br />
*<br />
AT-II/<br />
DMSO<br />
HO-1<br />
*<br />
AT-II<br />
+ PETN<br />
HO-1-Protein<br />
*<br />
AT-II<br />
+ PETN<br />
1 µM) an Kryoschnitten, HPLC: 2-Hydroxyethidium)<br />
[18]. Eine Co-Behandlung mit<br />
PETN zeigte eine Verbesserung der Endothelfunktion<br />
(Abb. 1a), eine nahezu vollständig<br />
wiederhergestellte Relaxation gegenüber<br />
GTN (Abb. 1b) und eine signifikante<br />
Reduktion der Superoxidproduktion in der<br />
Aorta, der NADPH-Oxidase-Aktivität und<br />
den mitochondrialen ROS (Abb. 2).<br />
Um den Einfluss <strong>von</strong> PETN und ISMN<br />
auf eine entkoppelte NO-Synthase zu analysieren,<br />
wurden Aortenringe mit dem NO-<br />
Synthase-Inhibitor N G -Nitro-L-Arginin<br />
Methylester (L-NAME, 500 µM) inkubiert<br />
und mittels Fluoreszenzmikroskopie<br />
(DHE) untersucht (Abb. 3). L-NAME erhöht<br />
in Aorten <strong>von</strong> Kontrolltieren die<br />
DHE-Fluoreszenz ausschließlich innerhalb<br />
des Endothels (E in Abb. 3), was auf eine<br />
basale Superoxidproduktion zurückgeführt<br />
werden kann, der durch die Inhibition der<br />
eNOS nicht mehr durch NO entgegengewirkt<br />
werden kann. Demgegenüber nimmt<br />
die Fluoreszenz in Aorten <strong>von</strong> AT-II-behandelten<br />
Tieren durch eine NOS-Inhibi-<br />
#<br />
AT-II<br />
+ ISMN<br />
* #<br />
AT-II<br />
+ ISMN<br />
tion ab, was die eNOS als ROS-Quelle<br />
identifiziert. In der AT-II+PETN-Gruppe<br />
erhöht L-NAME die DHE-Fluoreszenz im<br />
Endothel vergleichbar mit den Ergebnissen<br />
der Kontrollgruppe und zeigt damit,<br />
dass durch PETN eine eNOS-Entkopplung<br />
unterdrückt werden kann. In Aorten <strong>von</strong><br />
AT-II+ISMN-behandelten Tieren zeigte<br />
sich kein Unterschied zur AT-II-Gruppe,<br />
woraus deutlich wird, dass ISMN im Gegensatz<br />
zu PETN einer Entkopplung der<br />
eNOS nicht entgegenwirken kann.<br />
In Expressionsuntersuchungen konnte<br />
auf Protein- und mRNA-Ebene ein Anstieg<br />
der HO-1 in der AT-II/DMSO-Gruppe<br />
gemessen werden [19], der durch PETN<br />
tendenziell gesteigert und durch ISMN verringert<br />
wurde (Abb. 4a u. 4b). Weiterhin<br />
konnte, wie in vorangegangenen Untersuchungen,<br />
ein Anstieg der eNOS in AT-IIbehandelten<br />
Tieren gemessen werden [4].<br />
Dieser wurde weder durch PETN noch<br />
durch ISMN beeinflusst (Abb. 4c), wobei<br />
aber zu berücksichtigen wäre, dass in der<br />
AT-II+PETN-Gruppe eine funktionelle<br />
40 Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
C<br />
Anteil<br />
Kontrolle/DMSO [%]<br />
D<br />
Anteil<br />
Kontrolle/DMSO [%]<br />
E<br />
Anteil<br />
Kontrolle/DMSO [%]<br />
250<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
250<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
250<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
eNOS-Protein<br />
*<br />
*<br />
Kontrolle AT-II + PETN + ISMN<br />
GCH-1-Protein<br />
#<br />
Kontrolle AT-II + PETN + ISMN<br />
#<br />
*<br />
DHFR-Protein<br />
*<br />
Kontrolle AT-II + PETN + ISMN<br />
Abb. 4: Effekte einer In-vivo-PETN- und ISMN-Therapie auf die Expression der HO-1, eNOS, GCH-I und<br />
DHFR bei AT-II-behandelten Ratten in der Aorta; p < 0,05: * vs. Kontrolle/DMSO; # vs. AT-II+PETN.<br />
*<br />
#<br />
#<br />
Nach Schuhmacher et al. Hypertension 2010<br />
(DOI: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.109.149542)
Nach Schuhmacher et al. Hypertension 2010<br />
(DOI: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.109.149542<br />
A<br />
Relaxation [%]<br />
C<br />
0<br />
20<br />
40<br />
60<br />
80<br />
NO-Synthase in ihrer Expression erhöht<br />
ist. Durch die AT-II-Behandlung wurde<br />
die Expression <strong>von</strong> BH4 synthetisierenden<br />
Enzymen GCH-I und DHFR tendenziell<br />
erniedrigt bzw. signifikant reduziert (Abb.<br />
4d u. 4e). Eine PETN-Co-Therapie erhöht<br />
die Expression beider Enzyme über den<br />
Wert in Kontrolltieren hinaus, woraus sich<br />
eine weitere Eigenschaft <strong>von</strong> PETN zeigt,<br />
die zu einer Aufrechterhaltung der NO-<br />
Produktion durch eine nicht entkoppelte<br />
eNOS beiträgt. Diese Effekte <strong>von</strong> PETN<br />
auf die BH4-Synthase (GCH-I) und die<br />
BH2-Reduktase (DHFR) konnten bei<br />
ISMN nicht beobachtet werden.<br />
Die Ergebnisse, die <strong>von</strong> SHR stammen,<br />
gehen im Wesentlichen einher mit denen<br />
der AT-II-behandelten Tiere. Bei SHR<br />
zeigte sich in isometrischen Spannungsmessungen<br />
gegenüber ihren entsprechenden<br />
Kontrollen (Wistar-Kyoto-Ratten) eine<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
ACh-Relaxation<br />
0<br />
GTN-Relaxation<br />
SHR-Kontrolle , n = 12<br />
B<br />
Relaxation [%]<br />
20<br />
40<br />
60<br />
80<br />
stark ausgeprägte endotheliale Dysfunktion<br />
sowie eine reduzierte, endothelunabhängige<br />
Relaxation gegenüber GTN. Durch eine<br />
Behandlung der Tiere mit PETN konnten<br />
zwar tendenziell nur leichte Verbesserungen<br />
der Endothel- und Gefäßfunktion erreicht<br />
werden, welche im Gegensatz dazu aber<br />
durch ISMN deutlich weiter verschlechtert<br />
wurden (Abb. 5a u. 5b). Über Luzigenin-<br />
[5µM]-Chemilumineszenz-Messungen als<br />
auch über die DHE-Fluoreszenz konnte in<br />
Aorten <strong>von</strong> SHR ein signifikanter Anstieg<br />
der ROS-Produktion gemessen werden,<br />
der durch eine PETN-Behandlung, nicht<br />
aber durch ISMN reduziert wurde (Abb.<br />
5c).<br />
Diabetes wurde in männlichen Wistar-<br />
Ratten (250–300 g) über eine einmalige<br />
i.v. Injektion STZ (60 mg/kg) induziert.<br />
Ab dem siebten Tag nach STZ-Injektion<br />
wurden PETN bzw. ISDN als Futterbeimi-<br />
Organische Nitrate<br />
SHR-Kontrolle, n = 12<br />
SHR + PETN, n = 12<br />
SHR + ISMS, n = 12<br />
WKY-Kontrolle, n = 8<br />
100<br />
100<br />
– 9,0 – 8,5 – 8,0 – 7,5 – 7,0 – 6,5 – 6,0 – 5,5 – 9,0 – 8,5 – 8,0 – 7,5 – 7,0 – 6,5 – 6,0 – 5,5 – 5,0 – 4,5<br />
Log M (ACh) Log M (GTN)<br />
Anteil<br />
Kontrollle WKY [%]<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
SHR + PETN, n = 12<br />
SHR + ISMS, n = 12<br />
WKY-Kontrolle, n = 7<br />
WKY- Kontrolle SHR-Kontrolle<br />
DHE-Fluoreszenz<br />
Luzigenin [5 µM]<br />
Abb. 5: Gefäßfunktion und ROS-Produktion in Aorten <strong>von</strong> spontan hypertensiven Ratten (SHR).<br />
A + B: Relaxation <strong>von</strong> Aortenringen gegenüber steigenden Konzentrationen des endothelabhängigen<br />
Vasodilatators Acetylcholin (A) (ACh: endotheliale Dysfunktion) und des endothelunabhängigen<br />
Vasodilatators Glyceroltrinitrat (B) (GTN: glattmuskuläre Dysfunktion). C: ROS-Produktion<br />
gemessen mittels Luzigenin-[5 µM]-Chemilumineszenz und Dihydroethidin-Färbung (DHE, 1 µM) an<br />
Kryoschnitten; p < 0,05: * vs. WKY/Kontrolle; # vs. SHR + PETN.<br />
* #<br />
* #<br />
* #<br />
* #<br />
SHR + PETN SHR + ISMN<br />
41
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
Anteil Kontrollle [%]<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Herz: NADPH-Oxidase-Aktivität<br />
(Luzigenin [5 µM] ECL)<br />
Kontrolle<br />
*<br />
*<br />
* #<br />
* #<br />
*<br />
Aorta: Superoxid-Produktion<br />
(DHE-Kryoschnitte)<br />
* #<br />
STZ + PETN + ISDN + ISMN + Ins<br />
schung (15 bzw. 10 mg/kg/d) und ISMN<br />
über Trinkwasser (75 mg/kg/d) verabreicht.<br />
Nach acht Wochen wurden die<br />
Tiere untersucht und Diabetes anhand<br />
eines drei- bis vierfachen Anstiegs des<br />
Blutzuckerspiegels und einer dramatisch<br />
reduzierten Gewichtszunahme diagnostiziert.<br />
Zusätzlich wurde ein kleines Kollektiv<br />
<strong>von</strong> STZ-Ratten mit Insulin (2,5 U/d<br />
für zwei Wochen über osmotische Minipumpen)<br />
behandelt. Reaktive Sauerstoffspezies<br />
(ROS) wurden über Chemilumineszenz,<br />
HPLC und Fluoreszenzmikroskopie<br />
<strong>von</strong> Dihydroethidin-(DHE-)gefärbten<br />
Kryoschnitten detektiert. Die Proteinexpression<br />
wurde über Westernblot ermittelt<br />
und für Endothel- und Gefäßmuskelfunktion<br />
wurden isometrische Spannungsmessungen<br />
durchgeführt. Zusätzlich wurde<br />
die antioxidative Kapazität im Blutserum<br />
über die Reduktion des DPP-Radikals<br />
photometrisch bei 517 nm bestimmt. Nach<br />
acht Wochen zeigte sich bei den STZ-behandelten<br />
Ratten eine dramatische Steigerung<br />
des Blutzuckerspiegels, eine reduzierte<br />
Gewichtszunahme, ein Erhöhung<br />
der vaskulären und kardialen ROS-Produktion<br />
(Mitochondrien und NADPH-<br />
Oxidase), ein annähernd kompletter Verlust<br />
der antioxidativen Kapazität des Serums<br />
und eine gestörte Endothel- und<br />
*+<br />
* +<br />
Gefäßmuskelfunktion. PETN verbesserte<br />
alle gemessenen Parameter effizienter als<br />
ISDN mit Ausnahme der Endothel- und<br />
Gefäßmuskelfunktion, bei der beide Nitrate<br />
die gleichen positiven Eigenschaften<br />
aufzeigten. Im Gegensatz dazu und in<br />
Übereinstimmung mit den vorangegangenen<br />
Untersuchungen im Hypertoniemodell<br />
hatte ISMN, was als Vergleich zu seinem<br />
Dinitrat-Derivat ISDN in die Untersuchungen<br />
einbezogen wurde, keine protektiven<br />
Effekte. Eine Insulinbehandlung<br />
über die letzten zwei Wochen vor Versuchsbeginn<br />
normalisierte alle gemessenen<br />
Parameter vollständig (Abb. 6).<br />
Somit konnte in der aktuellen Studie<br />
zum ersten Mal gezeigt werden, dass ein<br />
organisches Nitrat wie PETN in einer<br />
Langzeittherapie bei gut etablierten Modellen<br />
für oxidativen Stress die Endothelfunktion<br />
verbessern und den oxidativen<br />
Stress reduzieren kann, anstatt über die<br />
Ausbildung einer Toleranz den Zustand zu<br />
verschlechtern. Obwohl ISMN als Mononitrat<br />
nachweislich nicht über die mitochondriale<br />
Aldehyddehydrogenase biotransformiert<br />
wird [14], was eines der entscheidenden<br />
Kriterien der GTN-induzierten<br />
Toleranz ist [20], kommt es unter<br />
ISMN-Langzeittherapie zur Ausbildung<br />
einer Nitrattoleranz. Ebenso wie bei GTN<br />
ist diese Toleranz verknüpft mit der Ausbildung<br />
<strong>von</strong> oxidativem Stress [13], der<br />
hierbei vermutlich als maßgebende Ursache<br />
der Toleranz- und Kreuztoleranz anzusehen<br />
ist und den negativen Befund bei<br />
AT-II-induzierter Hypertonie erklären<br />
könnte. Wie wir schon in einer früheren<br />
Arbeit zeigen konnten, spielt die antioxidative<br />
Kapazität der HO-1 eine Schlüsselrolle<br />
bei der Unterdrückung einer durch<br />
organische Nitrate ausgelösten Toleranz<br />
[21]. Somit lassen sich die vorwiegend positiven<br />
Ergebnisse einer PETN-Co-Therapie<br />
zum einen mit der Aktivierung <strong>von</strong><br />
antioxidativen Mechanismen wie HO-1 sowie<br />
der damit verknüpften Aufrechterhaltung<br />
der vasodilatatorischen Nitratwirkung<br />
erklären und zum anderen mit der Induktion<br />
<strong>von</strong> BH4-synthetisierenden Enzymen<br />
GCH-I und DHFR, die einer eNOS-Entkopplung<br />
entgegenwirken.<br />
Da die Entstehung einer Arteriosklerose<br />
im Wesentlichen mit kardiovaskulärem oxidativem<br />
Stress sowie einer eNOS-Entkopplung<br />
verknüpft ist [22, 23], deutet sich an,<br />
dass sich PETN aufgrund seines anti-<br />
42 Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
# #<br />
Abb. 6: Effekte einer In-vivo-PETN-, ISDN-, ISMN- und Insulin-Therapie auf die ROS-<br />
Produktion bei mit Streptozotocin (STZ) behandelten Ratten in Herz und Aorta:<br />
NADPH-Oxidase-Aktivität in Herz-Membranfraktionen (Luzigenin-[5 µM]-Chemilumineszenz,<br />
weiß) und basale Superoxidproduktion in Aorten (dihydroethidingefärbte<br />
Kryoschnitte, schwarz); p < 0,05: * vs. Kontrolle; # vs. STZ; + vs. STZ+PETN;<br />
^ vs. STZ+ISDN.<br />
Vorläufige Daten, unveröffentlicht
oxidativen Spektrums nicht nur ausschließlich<br />
zur Behandlung <strong>von</strong> symptomatischen<br />
Erkrankungen der Koronararterien einsetzen<br />
lässt, sondern auch in Form einer zusätzlichen<br />
Medikation als Prävention gegen<br />
Arteriosklerose verwendet werden könnte.<br />
Des Weiteren zeigt die Normalisierung aller<br />
gemessenen Parameter im Tiermodell des<br />
STZ-induzierten Diabetes mellitus Typ 1<br />
mittels Insulin, dass eine STZ-bedingte vaskuläre<br />
Dysfunktion abhängig <strong>von</strong> der Insulinproduktion<br />
ist und nicht über unspezifisch<br />
toxische Nebenwirkungen des Präparates<br />
ausgelöst wird, womit letztendlich<br />
auch die klinische Relevanz dieses Tiermodells<br />
hervorgehoben werden konnte. n<br />
Summary<br />
In contrast to other organic nitrates pentaerithrityl<br />
tetranitrate (PETN)-treatment in<br />
Wistar rats induces neither nitrate tolerance<br />
nor cross-tolerance, what can be explained<br />
by induction of antioxidant mechanisms<br />
like heme oxygenase-1 (HO-1) and<br />
ferritin. With the present studies we tested<br />
in an animal model of angiotensin-II (AT-<br />
II) induced hypertension, whether chronic<br />
treatment with PETN will preserve it’s beneficial<br />
effects compared to effects of chronic<br />
treatment with isosorbide-5-mononitrate<br />
(ISMN). Additionally we tested in a<br />
rat model of streptozotocin (STZ) induced<br />
diabetes mellitus, whether chronic treatment<br />
with PETN, isosorbide dinitrate<br />
(ISDN) or ISMN improves diabetesassociated<br />
vascular oxidative stress and<br />
dysfunction. Therefore male Wistar rats<br />
(230–250 g) were treated with AT-II (1 mg/<br />
kg/d) alone or together with PETN (15 mg/<br />
kg/d) or ISMN (75 mg/kg/d) via subcutaneous<br />
osmotic minipumps for 7 days. Control<br />
pumps were applied with the solving<br />
reagent, respectively. Diabetes was induced<br />
by a single i.v. injection of STZ (60 mg/kg)<br />
in male wistar rats (220–250 g). PETN,<br />
ISMN and ISDN therapy started 7 d after<br />
STZ-Injection (dose: 15 mg/kg/d, 75 mg/kg/<br />
d and 10 mg/kg/d, respectively). The rats<br />
were sacrificed after 8 weeks. A small collective<br />
of STZ-rats was treated with insulin<br />
(2.5 U/d) for the 2 weeks before sacrifice.<br />
Reactive oxygen species (ROS) were<br />
detected by chemiluminescence, HPLC or<br />
fluorescent microtopography, protein expression<br />
was measured by Western blotting<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
and vascular function was assessed by isometric<br />
tension studies. Additionally the antioxidative<br />
capacity of blood serum was<br />
measured photometrically by reduction of<br />
the DPP-radical. Ang-II infusion caused<br />
endothelial dysfunction and reduced endothelial<br />
independent relaxation, indicated by<br />
a decreased vasodilator potency of acetylcholine<br />
and nitroglycerin in isolated aortic<br />
rings, an increase of reactive superoxide<br />
species (ROS) in aortic vessels and in<br />
NADPH oxidase activity in heart membrane<br />
fractions, as detected by lucigenin (5µM)<br />
derived chemiluminescence (LDCL). Staining<br />
of aortic sections and HPLC-derived<br />
measurements with the fluorescent dye dihydroethidine<br />
showed O2-formation<br />
throughout the vessel wall. In addition, expression<br />
of HO-1 was increased in aorta. In<br />
contrast to ISMN, co-treatment with PETN<br />
normalized in part vascular function and<br />
ROS-formation. Furthermore, HO-1 expression<br />
was further enhanced by PETN,<br />
not by ISMN. STZ-treated rats showed a<br />
dramatically increase in blood glucose levels,<br />
decrease in weight gain, increased vascular<br />
and cardiac ROS production (mitochondria,<br />
NADPH oxidase activity), decreased<br />
antioxidative capacity of serum and<br />
impaired endothelial and smooth muscle<br />
function. PETN therapy improved almost<br />
all parameters more efficiently than ISDN,<br />
except endothelial and smooth muscle function,<br />
where both nitrates showed identical<br />
beneficial effects. ISMN, which was used to<br />
examine differences to its dinitrate derivative<br />
ISDN, had no protective effects. Insulin<br />
normalized all parameters completely.<br />
Thus, the beneficial effects of PETN on<br />
AT-II induced hypertension may be also<br />
explained by induction of antioxidant mechanisms<br />
and thereby it’s preserved nitrovasodilatory<br />
action. The study shows for the<br />
first time that chronic treatment with an organic<br />
nitrate can improve endothelial dysfunction<br />
and oxidative stress in different<br />
diseased animal models. Insulin completely<br />
normalized all tested parameters in STZinduced<br />
diabetes and thereby identified the<br />
underlying mechanism of cardiovascular<br />
dysfunction to strictly depend on insulin levels<br />
highlighting the clinical importance of<br />
this experimental animal model. In summary,<br />
these so far completely positive animal<br />
experimental data point towards potential<br />
beneficial effects for patients as well. Patients<br />
with coronary artery disease could take<br />
Organische Nitrate<br />
43
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
44<br />
profite from anti-ischemic PETN therapy<br />
by normalizing endothelial dysfunction in<br />
these patients and thereby slowing down<br />
the progression of atherosclerosis. The upcoming<br />
big clinical PETN trials will demonstrate<br />
whether these completely positive<br />
animal experimental data may be translated<br />
to the clinics.<br />
Keywords: angiotensin-II – diabetes mellitus<br />
– oxidative stress – endothelial dysfunction<br />
– isosorbide-5-mononitrate – isosorbide<br />
dinitrate – pentaerythrityl tetranitrate – insulin<br />
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12. Wenzel P, Hink U, Oelze M et al. Role of reduced lipoic<br />
acid in the redox regulation of mitochondrial aldehyde<br />
dehydrogenase (ALDH-2) activity. Implications<br />
for mitochondrial oxidative stress and nitrate tolerance.<br />
J Biol Chem 2007;282:792–9<br />
13. Thomas GR, DiFabio JM, Gori T, Parker JD. Once daily<br />
therapy with isosorbide-5-mononitrate causes endothelial<br />
dysfunction in humans: evidence of a free-radical-mediated<br />
mechanism. J Am Coll Cardiol<br />
2007;49:1289–95<br />
14. Daiber A, Oelze M, Coldewey M et al. Oxidative stress<br />
and mitochondrial aldehyde dehydrogenase activity:<br />
a comparison of pentaerythritol tetranitrate with<br />
other organic nitrates. Mol Pharmacol 2004;66:<br />
1372–82<br />
15. Nakamura Y, Moss AJ, Brown MW, Kinoshita M, Kawai<br />
C. Long-term nitrate use may be deleterious in ischemic<br />
heart disease: A study using the databases from<br />
two large-scale postinfarction studies. Multicenter<br />
Myocardial Ischemia Research Group. Am Heart J<br />
1999;138:577–85<br />
16. Jurt U, Gori T, Ravandi A, Babaei S, Zeman P, Parker JD.<br />
Differential effects of pentaerythritol tetranitrate and<br />
nitroglycerin on the development of tolerance and<br />
evidence of lipid peroxidation: a human in vivo study.<br />
J Am Coll Cardiol 2001;38:854–9<br />
17. Gori T, Al-Hesayen A, Jolliffe C, Parker JD. Comparison<br />
of the effects of pentaerythritol tetranitrate and nitroglycerin<br />
on endothelium-dependent vasorelaxation<br />
in male volunteers. Am J Cardiol 2003;91:1392–4<br />
18. Oelze M, Daiber A, Brandes RP et al. Nebivolol inhibits<br />
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dysfunction in angiotensin II-treated rats. Hypertension<br />
2006;48:677–84<br />
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by angiotensin II in rat vascular smooth muscle<br />
cells. Hypertension 1997;29:790–5<br />
20. Sydow K, Daiber A, Oelze M et al. Central role of mitochondrial<br />
aldehyde dehydrogenase and reactive oxygen<br />
species in nitroglycerin tolerance and cross-tolerance.<br />
J Clin Invest. Feb 2004;113(3):482–489<br />
21. Wenzel P, Oelze M, Coldewey M et al. Heme oxygenase-1:<br />
a novel key player in the development of tolerance<br />
in response to organic nitrates. Arterioscler<br />
Thromb Vasc Biol 2007;27:1729–35<br />
22. Oelze M, Mollnau H, Hoffmann N et al. Vasodilatorstimulated<br />
phosphoprotein serine 239 phosphorylation<br />
as a sensitive monitor of defective nitric Oxide/<br />
cGMP signaling and endothelial dysfunction. Circ Res<br />
2000;87:999–1005<br />
23. Warnholtz A, Nickenig G, Schulz E et al. Increased<br />
NADH-oxidase-mediated superoxide production in<br />
the early stages of atherosclerosis: evidence for involvement<br />
of the renin-angiotensin system. Circulation.<br />
1999 Apr 20;99(15):2027–33<br />
Für die Verfasser:<br />
Dr. M. Oelze<br />
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-<br />
Universität<br />
II. Med. Klinik und Poliklinik, Molekulare<br />
Kardiologie<br />
Obere Zahlbacher Str. 63<br />
55101 Mainz, Germany<br />
Tel.: +49 (0)6131 17 9722<br />
Fax: +49 (0)6131 17 9723<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel
Pulmonale Hypertonie – ein weiteres<br />
Anwendungsgebiet für PETN?<br />
Matthias Oelze, Swenja Schuhmacher, Alexander Scholz, Sebastian Steven,<br />
Andreas Daiber<br />
Zusammenfassung: In früheren zellkulturbasierten,<br />
tierexperimentellen und klinischen<br />
Studien konnte gezeigt werden,<br />
dass sich Pentaerithrityltetranitrat (PETN)<br />
<strong>von</strong> anderen organischen Nitraten unterscheidet:<br />
Es ist frei <strong>von</strong> jeglichen Toleranzerscheinungen<br />
unter chronischer Therapie<br />
und ist gekennzeichnet durch seine pleiotropen<br />
antioxidativen Eigenschaften. Hier<br />
wurde diskutiert, ob die pulmonale arterielle<br />
Hypertonie (PAH) ein weiteres Indikationsgebiet<br />
für PETN darstellen könnte.<br />
Vor allem die gute Beeinflussbarkeit der<br />
PAH durch die Induktion des körpereigenen<br />
Schutzenzyms, der Hämoxygenase1<br />
(HO1), spricht für einen erfolgreichen<br />
Einsatz <strong>von</strong> PETN bei der PAH. Es wird<br />
da<strong>von</strong> ausgegangen, dass ein Großteil der<br />
protektiven Wirkungen <strong>von</strong> PETN auf der<br />
1. Sonderstellung <strong>von</strong> PETN<br />
unter den organischen Nitraten<br />
Das Tetranitrat PETN (<strong>Pentalong</strong> ® ) wurde<br />
als toleranzfreies organisches Nitrat beschrieben,<br />
das im Gegensatz zu Nitroglyzerin<br />
(GTN) keinen oxidativen Stress<br />
induziert [1–7]. Die protektive Wirkung<br />
wird dabei hauptsächlich der Induktion der<br />
beiden protektiven Proteine Hämoxygenase1<br />
und Ferritin zugeschrieben [8, 9]. Die<br />
protektiven Eigenschaften <strong>von</strong> PETN gehen<br />
sogar so weit, dass eine bereits manifeste<br />
Atherosklerose positiv beeinflusst und<br />
die Endothelfunktion aufrechterhalten<br />
wird [10]. In einer gerade abgeschlossenen<br />
Kooperation konnte gezeigt werden, dass<br />
PETN und PETriN, nicht aber ISDN die<br />
Funktion und Anzahl der endothelialen<br />
Progenitorzellen steigert [11]. In zurückliegenden<br />
Studien konnte unsere Gruppe zeigen,<br />
dass die Nitrattoleranz maßgeblich<br />
durch vaskulären [12], speziell mitochondrialen<br />
oxidativen Stress induziert wird (Beweis<br />
auf molekularer Ebene gelang in Mn<br />
SOD +/ Mäusen – einem genetischen Tier<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
Induktion der HO1 beruhen. Weiterhin<br />
normalisierte PETN in verschiedenen Tiermodellen<br />
für kardiovaskuläre Erkrankungen<br />
(z. B. Diabetes, arterielle Hypertonie)<br />
die endotheliale Dysfunktion und den<br />
vaskulären oxidativen Stress, was ebenfalls<br />
für einen erfolgreichen Einsatz bei der<br />
PAH spricht, da auch diese durch dysfunktionelle<br />
Lungengefäße und erhöhten pulmonalen<br />
oxidativen Stress charakterisiert<br />
ist. Aufgrund dieser Betrachtungen erscheint<br />
die Therapie der PAH durch PETN<br />
sehr vielversprechend.<br />
Schlüsselwörter: Organische Nitrate – Pentaerithyltetranitrat<br />
– Monocrotalin – pulmonale<br />
arterielle Hypertonie – oxidativer Stress<br />
– vaskuläre Funktion<br />
modell für mitochondrialen oxidativen<br />
Stress) [13–15, 19]. Wir konnten weiterhin<br />
zeigen, dass PETN wie andere hochpotente<br />
Nitrate durch die mitochondriale Aldehyddehydrogenase<br />
(ALDH2) bioaktiviert<br />
wird, in vitro weniger oxidativen Stress als<br />
GTN macht und die ALDH2 weniger inaktiviert<br />
als GTN [7, 13, 16]. In einer gerade<br />
publizierten Arbeit wurde überzeugend gezeigt,<br />
dass eine akute BolusBehandlung<br />
<strong>von</strong> isolierten AortenRingsegmenten mit<br />
PETN oder PETriN wie bei GTN in einer<br />
InvitroToleranz bzw. Tachyphylaxie resultierte<br />
[17]. Es war dabei unerheblich, ob<br />
die Gefäße mit 300 µM Bolus, der EC90 oder<br />
EC100 behandelt wurden. Diese Befunde<br />
bestätigen unsere früheren Beobachtungen,<br />
dass PETN als Bolus Radikale und Invitro<br />
Toleranz induziert (wenn auch weniger als<br />
GTN), aber zu einer signifikanten Erhöhung<br />
des oxidativen Stresses an isolierten<br />
Mitochondrien führte [13]. Basierend auf<br />
diesen Ergebnissen haben wir uns in einer<br />
zurückliegenden Studie mit der Fragestellung<br />
beschäftigt, ob PETN auch bei einma<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
II. Medizinische Klinik, Labor für<br />
Molekulare Kardiologie, Universitätsmedizin<br />
der Johannes-<br />
Gutenberg-Universität, Mainz,<br />
Deutschland<br />
45
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
Proteinexpression [%]<br />
200<br />
175<br />
150<br />
125<br />
*<br />
100<br />
75<br />
50<br />
25<br />
0<br />
*<br />
Kontrolle GTN Kontrolle PETN Kontrolle GTN Kontrolle PETN<br />
kDa<br />
52 -<br />
ALDH-2<br />
HO-1<br />
kDa<br />
- 32<br />
liger akuter Gabe in humanen Probanden<br />
protektive Eigenschaften besitzt oder eine<br />
Tachyphylaxie induziert, und vergleichen<br />
die Wirkung <strong>von</strong> PETN mit der <strong>von</strong> GTN.<br />
Dies ist eine interessante Fragestellung, da<br />
bei einer akuten, kurzzeitigen Behandlung<br />
die Hämoxygenase1 und Ferritinvermittelten,<br />
schützenden Effekte <strong>von</strong> PETN<br />
nicht aktiv sind. Die Induktion dieser<br />
Schutzenzyme beginnt erst nach mindestens<br />
sechsstündiger Behandlung.<br />
Im Gegensatz zu Nitroglyzerin induzierte<br />
eine InvivoBehandlung mit PETN<br />
(verabreicht durch osmotische Minipumpe<br />
oder Schlundfütterung) in WistarRatten<br />
keine Nitrattoleranz oder Kreuztoleranz.<br />
Daneben wurde keine signifikante Erhöhung<br />
des mitochondrialen und vaskulären<br />
oxidativen Stress und auch keine vermehrte<br />
Inaktivierung des GTN/PETNbioaktivie<br />
renden Enzyms ALDH2 beobachtet. Eine<br />
mögliche Erklärung der antioxidativen/protektiven<br />
Effekte <strong>von</strong> PETN könnte in der<br />
verstärkten Expression der HO1 sowie <strong>von</strong><br />
Ferritin bestehen. Unsere Befunde zu diesem<br />
Thema sind in den folgenden Diagrammen<br />
dargestellt (Abb. 1) und wurden 2007<br />
publiziert [18]. Auch in Endothelzellen war<br />
die HO1mRNAExpression unter PETN<br />
Therapie erhöht (Abb. 2). Daneben konnten<br />
wir zeigen, dass PETN sogar in Mäusen<br />
mit partieller ManganSuperoxiddismutaseDefizienz<br />
(MnSOD +/ Mäuse) keine Toleranz<br />
induziert, obwohl diese Mäuse aufgrund<br />
ihrer erhöhten mitochondria<br />
len Superoxidspiegel anfälliger für die<br />
Entwicklung einer Nitrattoleranz sind<br />
[19]. Auch die endotheliale Dysfunktion<br />
wurde unter PETNTherapie in diesen<br />
MnSOD +/ Mäusen nicht beobachtet.<br />
46 Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
mRNA-Expression [%]<br />
200<br />
175<br />
150<br />
125<br />
100<br />
75<br />
50<br />
25<br />
0<br />
*<br />
Kontrolle GTN Kontrolle PETN Kontrolle GTN Kontrolle PETN<br />
HO-1 Ferritin<br />
Abb. 1: Effekt einer In-vivo-Behandlung mit PETN (in DMSO) bzw. mit GTN (in Ethanol) auf die vaskuläre<br />
Proteinexpression der ALDH-2 und HO-1 (links) und HO-1 sowie Ferritin mRNA-Expression rechts).<br />
HO-1 mRNA-Expression [%]<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Kontrolle 10 µM PETN 50 µM PETN<br />
Abb. 2: Induktion der HO-1-mRNA-Expression in Endothelzellen (EA.hy 926) durch PETN.<br />
*<br />
*<br />
Nach Wenzel et al [18]<br />
Nach Mollnau et al [19]
2. Pulmonale Hypertonie –<br />
klinische Aspekte<br />
Die pulmonale Hypertonie wird in fünf<br />
Hauptgruppen eingeteilt: pulmonale Hypertonie<br />
bei Linksherzerkrankung, pulmonale<br />
Hypertonie assoziiert mit Hypoxie (COPD),<br />
pulmonale Hypertonie aufgrund chronischer<br />
thrombotischer und/oder embolischer Erkrankungen,<br />
sonstige Ursachen (Sarkoidose)<br />
und die pulmonal arterielle Hypertonie<br />
(IPAH, PVOD). Unter dem Begriff einer<br />
pulmonal arteriellen Hypertonie (PAH) fasst<br />
man verschiedene Formen eines Lungengefäßhochdruckes<br />
zusammen, die entweder<br />
ohne bekannte Ursache (wie die idiopathische<br />
pulmonal arterielle Hypertonie –<br />
IPAH) auftreten oder aber sich im Rahmen<br />
einer anderen Erkrankung wie z. B. einer Leberzirrhose,<br />
einer Bindegewebserkrankung,<br />
einer HIVInfektion oder bestimmter angeborener<br />
Herzerkrankungen manifestieren. In<br />
den letztgenannten Situationen spricht man<br />
<strong>von</strong> einer assoziierten pulmonal arteriellen<br />
Hypertonie (APAH). Die PAH ist letztlich<br />
eine Erkrankung unbekannter Ätio logie.<br />
Durch eine zunehmende Obliteration (Verengung)<br />
der Lungenstrombahn kommt es zu<br />
einer progredienten Belastung des rechten<br />
Herzens, die schlussendlich zu einem Rechtsherzversagen<br />
führen kann. Während es für<br />
die PAH noch vor wenigen Jahren außer der<br />
Lungentransplantation keine Behandlungsmöglichkeit<br />
gab, können die meisten Patienten<br />
heute mit Endothelinantagonisten<br />
(Bosentan, Tracleer ® , Ambrisentan, Volibris<br />
® oder Sitaxentan, Thelin ® ), PhosphodiesteraseInhibitoren<br />
(Sildenafil, Revatio ®<br />
sowie in Zukunft auch Tadalafil, Adcirca ® )<br />
und/oder Prostanoiden (z.B. Iloprost) wirksam<br />
behandelt werden. Die hohe Sterblichkeit<br />
bei PAH ist vor allem durch das Herzversagen<br />
bedingt. Bis zu 90% der Patienten mit<br />
chronischen obstruktiven Lungenerkrankungen<br />
(laut Hochrechnungen weltweit die<br />
dritthäufigste Todesursache bis zum Jahr<br />
2020) haben eine moderate bis bedenkliche<br />
PH. Im Hinblick auf die öffentliche Gesundheit<br />
ist die PAH eine wichtige Herausforderung<br />
aufgrund der späten Diagnose und der<br />
lediglich symptomatischen Therapie, die keine<br />
dauerhafte Heilung verspricht [20].<br />
3. Pulmonale Hypertonie –<br />
experimentelle Modelle<br />
Experimentell kann die pulmonal arterielle<br />
Hypertonie neben chronischer Haltung der<br />
Tiere unter hypoxischen Bedingungen [21,<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
22] auch durch Injektion <strong>von</strong> Monocrotalin<br />
(MCT) induziert werden, einem hoch toxischen<br />
Alkaloid aus Crotalaria spectabilis.<br />
Die Symptome entsprechen denen der klinischen<br />
PH: Die MCTBehandlung bewirkt<br />
eine Verdickung der pulmonalen Arterienwand<br />
mit stark erhöhtem rechtsventrikulärem<br />
Druck in Kombination mit pulmonaler<br />
Entzündung (detektiert durch erhöhte<br />
Expression des TumorNekroseFaktors<br />
und vermehrte Infiltration <strong>von</strong> Neutrophilen<br />
im Lungengewebe) [23]. Diese negativen<br />
Effekte konnten durch eine HO1<br />
Induktion normalisiert werden [23]. Dies<br />
stellt einen interessanten Ansatzpunkt für<br />
die CoTherapie mit dem HO1 induzierenden<br />
Nitrat PETN dar. Aufgrund der<br />
inflammatorischen Natur der MCTinduzierten<br />
PAH spielt oxidativer Stress (iNOS,<br />
NADPHOxidasen) eine wichtige Rolle in<br />
der Pathogenese der Krankheit. Die PAH<br />
ist eine häufige Begleiterscheinung beim<br />
Diabetes mellitus [24]. Auch die Pathogenese<br />
der chronisch hypoxischen PAH wird<br />
maßgeblich durch oxidativen Stress bestimmt<br />
und konnte durch endogene Hochregulation<br />
der HO1 deutlich verbessert<br />
werden [21, 22]. Für die experimentelle<br />
PAH in Lämmern konnte eine Schlüsselrolle<br />
der NADPHOxidase gezeigt werden<br />
[25]. Es wurde weiterhin gezeigt, dass die<br />
BH4Defizienz mit der Entwicklung einer<br />
PAH assoziiert ist und durch das Fehlen<br />
dieses wichtigen CoFaktors der eNOS eine<br />
endotheliale Dysfunktion induziert wird<br />
[26]. Daher ist zu erwarten, dass eine antioxidative<br />
CoTherapie jeglicher Art (z. B.<br />
durch PETNinduzierte HO1Expression)<br />
den Verlauf der Krankheit positiv beeinflusst<br />
und sich die Wiederherstellung der<br />
vaskulären BH4Spiegel (z. B. durch PETNinduzierte<br />
GTPCH1 Expression) besonders<br />
positiv auswirkt. Es bleibt zu bemerken,<br />
dass es sich bei der MCTinduzierten<br />
PAH um ein sehr gut etabliertes Tiermodell<br />
handelt, das den chronischen Verlauf und<br />
die Langzeitauswirkungen der PAH sehr<br />
zuverlässig im Zeitraffer abbildet. Binnen<br />
vier bis sechs Wochen können die schweren<br />
Begleiterscheinungen einer PAH beobachtet<br />
werden (Abb. 3). Ein ähnliches Bild<br />
bzgl. der ProteinTyrosinNitrierung wie in<br />
den Pulmonalarterien ergab sich auch in<br />
Lungengewebe (nicht gezeigt), wohingegen<br />
kein systemischer oxidativer Stress in der<br />
thorakalen Aorta bzw. im Herzmuskel beobachtet<br />
werden konnte (nicht gezeigt). Zu<br />
Organische Nitrate<br />
47
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
Relaxation [%]<br />
0<br />
10<br />
20<br />
30<br />
40<br />
50<br />
60<br />
70<br />
80<br />
90<br />
100<br />
MCT-Kontrolle<br />
MCT, 2 Wochen<br />
MCT, 4 Wochen<br />
MCT, 6 Wochen<br />
– 9 – 8 – 7<br />
log (ACh) [M]<br />
– 6<br />
den Suchworten „monocrotaline“ und „pulmonary<br />
hypertension“ findet man über 660<br />
Treffer in PubMed.<br />
4. Pulmonale Hypertonie und PETN<br />
Die Rationale für die Therapie der PAH<br />
mit PETN liegt klar auf der Hand. Aufgrund<br />
des guten Ansprechens der PAHBegleiterscheinungen<br />
auf eine vermehrte HO<br />
1Induktion [21–23] erscheint eine Therapie<br />
mit PETN sehr vielversprechend. Für<br />
PETN wurde wiederholt gezeigt, dass dieses<br />
Nitrat die HO1 und das Ferritin sowohl in<br />
Zellkultur als auch in Ratten unter chronischer<br />
Behandlung hochreguliert [8, 9, 18,<br />
19, 27]. Daneben besitzt PETN die bereits<br />
oben beschriebenen potenten antioxidativen<br />
Eigenschaften, die höchstwahrscheinlich<br />
der endothelialen Dysfunktion und<br />
dem oxidativen Stress in der PAH entgegenwirken<br />
würden. Basierend auf diesen<br />
Überlegungen erscheint der Therapieansatz<br />
der PAH mit PETN naheliegend. n<br />
Summary<br />
Previous cell culturebased, animal experimental<br />
or clinical studies have demonstrated<br />
that pentaerithrityl tetranitrate (PETN)<br />
is different from other organic nitrates in<br />
many aspects: PETN is devoid of tolerance<br />
development under chronic therapy and is<br />
characterized by its pleiotropic antioxidant<br />
properties. We here discussed whether the<br />
pulmonary arterial hypertension (PAH)<br />
could be another indication for PETN<br />
therapy. Especially the highly reliable responsiveness<br />
of the PAH to the induction of<br />
the intrinsic antioxidant enzymatic system,<br />
the heme oxygenase1 (HO1), argues for a<br />
successful therapy of the PAH by PETN.<br />
It was assumed that an appreciable part<br />
of the protective effects of PETN is based<br />
on the induction of HO1 and ferritin. Moreover,<br />
PETN normalized endothelial dysfunction<br />
and vascular oxidative stress in<br />
several animal models of cardiovascular disease<br />
(e.g. Diabetes, arterial hypertension),<br />
also pointing to an effective treatment of<br />
PAH by PETN. PAH is also characterized<br />
by dysfunctional pulmonary vessels and increased<br />
pulmonary oxidative stress. Based<br />
on these considerations, the therapy of PAH<br />
with PETN looks very promising and represents<br />
a straightforward concept.<br />
Keywords: organic nitrates – pentaerithrityl<br />
tetranitrate – monocrotaline – pulmonary<br />
arterial hypertension – oxidative stress –<br />
vascular function<br />
Danksagung<br />
Wir danken der Johannes GutenbergUniversität<br />
für die finanzielle Unterstützung<br />
durch MAIFOR und Förderfonds Beihilfen<br />
(A.D.) und der <strong>Actavis</strong> Deutschland GmbH<br />
für die fortwährende Unterstützung.<br />
48 Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
3-Nitrotyrosin-Gehalt [%]<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Kontrolle MCT<br />
Abb. 3: Die Manifestation der pulmonalen arteriellen Hypertonie (PAH) wurde anhand der endothelabhängigen<br />
(ACh-induzierten) Relaxation isolierter Pulmonalarterien nach einer zwei-, vier- und<br />
sechswöchigen Behandlung mit Monocrotalin (MCT) gemessen (links). Die Manifestation des MCTinduzierten<br />
oxidativen Stresses wurde anhand der Protein-Tyrosinnitrierung in Pulmonalarterien<br />
nach vierwöchiger Behandlung erfasst (rechts).<br />
Nach Oelze und Daiber, nicht publizierte Daten
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Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
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18 Wenzel P, Oelze M, Coldewey M, Hortmann M, Seeling<br />
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Thromb Vasc Biol 2007;27:1955–1959<br />
Für die Verfasser:<br />
Prof. Dr. Andreas Daiber<br />
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-<br />
Universität Mainz<br />
II. Medizinische Klinik – Labor für Molekulare<br />
Kardiologie<br />
Obere Zahlbacher Str. 63<br />
55101 Mainz, Germany<br />
Tel.: +49 (0)6131 17 9722<br />
Fax: +49 (0)6131 17 97 23<br />
E-Mail: daiber@uni-mainz.de<br />
Organische Nitrate<br />
49
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
Institut für Pharmakologie,<br />
Uniklinik Köln, Köln,<br />
Deutschland<br />
50<br />
Vergleichende Untersuchung der Bildung<br />
reaktiver Sauerstoffspezies durch organische<br />
Nitrate mit dem Indikator Dihydrorhodamin 123<br />
Tim Bauer und Renate Rösen<br />
Zusammenfassung: Die potente und rasche<br />
antianginöse Wirkung der organischen<br />
Nitrate macht diese zur wichtigsten Substanzklasse<br />
zur Kupierung des akuten AnginapectorisAnfalls.<br />
Die Langzeittherapie<br />
wird allerdings durch eine schnell eintretende<br />
Toleranzentwicklung gegenüber dieser<br />
Gruppe <strong>von</strong> Vasodilatatoren limitiert.<br />
Der Zusammenhang zwischen der Toleranzentwicklung<br />
und der Bildung reaktiver Sauerstoffspezies,<br />
die u. a. in der Lage sind, das<br />
metabolisierende Enzym, die mitochondriale<br />
Aldehyddehydrogenase (ALDH2),<br />
zu inhibieren, gilt heute als gesichert.<br />
Um Ursachen für die unterschiedlich ausgeprägte<br />
Toleranzentwicklung gegenüber<br />
verschiedenen organischen Nitraten zu untersuchen,<br />
haben wir deren Einfluss<br />
auf die Bildung reaktiver Sauerstoffspe<br />
zies (ROS) in humanen Endothelzellen<br />
(EA.hy.926) und isolierten Mitochondrien<br />
mit dem Indikator Dihydrorhodamin 123<br />
(DHR123) untersucht. Dieser wird zum<br />
fluoreszierenden Rhodamin 123 (R123)<br />
oxidiert, welches intrazellulär akkumuliert.<br />
Im Fall der Inkubation humaner Endothelzellen<br />
mit Glyceroltrinitrat (GTN) wurde<br />
mittels Fluoreszenzfotografie mit steigender<br />
Inkubationszeit allerdings eine Abnahme<br />
der intrazellulären Rhodaminfluoreszenz<br />
beobacht, sodass R123 in folgenden<br />
Experimenten intra und extrazellulär<br />
quantifiziert werden musste, um die ge<br />
Die organischen Nitrate sind bereits seit<br />
über 150 Jahren Bestandteil der symptomatischen<br />
Therapie <strong>von</strong> Koronarerkrankungen.<br />
Es handelt sich bei diesen Substanzen,<br />
deren wohl bekanntester Vertreter Glyceroltrinitrat<br />
(GTN) ist, um Ester der Salpetersäure,<br />
aus denen reduktiv NO abgespalten<br />
wird. Die durch NO induzierte<br />
samte Stoffmenge des gebildeten Rhodamins<br />
zu erfassen. Das bedeutet, dass bei<br />
der Verwendung <strong>von</strong> DHR123 als Indikator<br />
für ROS ein verändertes Fluoreszenzsignal<br />
nicht ausschließlich auf eine Verschiebung<br />
des intrazellulären Redoxgleichgewichts<br />
zurückgeführt werden kann, sondern<br />
auch Prozesse wie aktiver Transport<br />
oder die Öffnung der Transitionsporen der<br />
Mitochondrien eine Rolle spielen können.<br />
Mit DHR123 als Indikator konnte gezeigt<br />
werden, dass Isosorbitdinitrat, Glyceroltrinitrat<br />
und Pentaerithrityltetranitrat die<br />
Bildung reaktiver Sauerstoffspezies in<br />
EA.hy.926 und isolierten Mitochondrien in<br />
unterschiedlichem Ausmaß beeinflussen.<br />
Da die Inhibition der ALDH2 mit Benomyl<br />
bzw. Chloralhydrat sowie die Inkubation<br />
isolierter Mitochondrien mit einem Aldehyd<br />
ebenfalls zu einer gesteigerten Bildung<br />
reaktiver Sauerstoffspezies führte,<br />
kann die nach GTNInkubation beobachtete<br />
starke ROSBildung durch dessen inhibitorischen<br />
Effekt auf die ALDH2Aktivität<br />
erklärt werden, sodass die Entstehung reaktiver<br />
Sauerstoffspezies in direktem Zusammenhang<br />
mit der ALDH2Aktivität zu<br />
stehen scheint.<br />
Schlüsselwörter: Organische Nitrate – reaktive<br />
Sauerstoffspezies – Dihydrorhodamin<br />
123 – mitochondriale Aldehyddehydroge<br />
nase<br />
Signalkaskade resultiert in einer Dilatation<br />
der glatten Muskulatur und somit der Gefäße.<br />
Besonders über die so erreichte Vorlastsenkung<br />
wird der Sauerstoffbedarf am<br />
Herzen vermindert.<br />
Der den Wirkungsmechanismus betreffenden<br />
Homologie stehen allerdings verschiedene<br />
heterologe Eigenschaften dieser<br />
Substanzklasse gegenüber:<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel
Klinisch <strong>von</strong> Bedeutung sind vor allem eine<br />
sich rasch entwickelnde Tachyphylaxie, die<br />
die Anwendung der organischen Nitrate in<br />
der Dauertherapie limitiert und in Verbindung<br />
damit die Verschiebung des Redoxgleichgewichts,<br />
d.h. die Bildung reaktiver<br />
Sauerstoffspezies. Erste Hinweise auf einen<br />
Zusammenhang zwischen der Bildung reaktiver<br />
Sauerstoffspezies und der Toleranzentstehung<br />
wurden 1995 <strong>von</strong> Münzel<br />
und Kollegen veröffentlicht [1]. Heute gibt<br />
es zahlreiche Publikationen, die das Modell<br />
des oxidativen Stresses in Bezug auf die Toleranzentstehung<br />
stützen [2, 3].<br />
In den vergangenen Jahrzehnten wurden<br />
verschiedene – nicht enzymatische und<br />
enzymatische – Wege zur Bioaktivierung<br />
der organischen Nitrate diskutiert, aber<br />
nachdem 2002 Chen et al. die mitochondriale<br />
Aldehyddehydrogenase (ALDH2)<br />
als Glyceroltrinitrat (GTN) metabolisierendes<br />
Enzym identifizierten, gibt es mehrere<br />
Publikationen, die einen klaren Zusammenhang<br />
zwischen dem Metabolismus<br />
der organischen Nitrate und diesem Enzym<br />
aufzeigen [4]. Die ALDH2 weist im katalytischen<br />
Zentrum Cysteinreste auf, die in<br />
vitro nach Exposition isolierter Mitochondrien<br />
mit verschiedenen reaktiven Sauerstoffspezies<br />
(ROS) oxidiert werden konnten,<br />
was in einer Inaktivierung der ALDH2<br />
resultierte [5]. Basierend auf diesen Erkenntnissen<br />
findet sich ein Erklärungsansatz<br />
für die Entstehung der mechanismusbasierten<br />
Toleranz, sodass wir GTN als<br />
Leitsubstanz der organischen Nitrate im<br />
Vergleich zu Pentaerithrityltetranitrat<br />
(PETN) sowie Isosorbitdinitrat (ISDN) bezüglich<br />
ihrer Wirkung auf die Bildung reaktiver<br />
Sauerstoffspezies nach Inkubation<br />
<strong>von</strong> u.a. humanen Endothelzellen sowie<br />
isolierten Mitochondrien getestet haben.<br />
Als Indikator für den Nachweis reaktiver<br />
Sauerstoffspezies wurde dazu Dihydrorhodamin<br />
123 (DHR123) verwendet,<br />
das im ungeladenen Zustand über die Zellmembran<br />
diffundiert und in der Zelle mit<br />
reaktiven Sauerstoffspezies zum fluoreszierenden<br />
Rhodamin 123 (Rh123) abreagiert<br />
[6]. Die positive Ladung sowie die<br />
Akkumulation <strong>von</strong> Rhodamin in Mitochondrien<br />
[7] lassen erwarten, dass Rh123<br />
intrazellulär verbleibt. Der Literatur zufolge<br />
bleibt das Signal eine Stunde stabil. Eine<br />
Abnahme der Fluoreszenz, die auf diffusionskontrollierte<br />
Prozesse zurückzuführen<br />
ist, sollte in einem zeitlichen Rahmen<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
ablaufen, der größer ist als die <strong>von</strong> uns gewählten<br />
Inkubationszeiten [6].<br />
Ergebnisse und Diskussion<br />
Die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies<br />
nach GTNInkubation wurde bereits in verschiedenen<br />
Geweben nachgewiesen [8–11].<br />
Daher haben wir zunächst untersucht, ob<br />
dieser Effekt auch auf die humane Endothelzelllinie<br />
EA.hy.926 übertragbar ist. Diese<br />
Zellen wurden gewählt, da das Endothel<br />
eine bedeutende Rolle bei der pathophysiologischen<br />
Bildung reaktiver Sauerstoffspezies<br />
spielt [1, 12].<br />
Die Quantifizierung der intrazellulären<br />
Fluoreszenz erfolgte dabei zunächst an<br />
Hand <strong>von</strong> Fluoreszenzfärbungen und Mikroskopiebildern<br />
[13, 14]. Abbildung 1A<br />
zeigt, dass nach GTNInkubation der<br />
EA.hy.926Zellen die erwartete Zunahme<br />
der detektierten Fluoreszenz im Vergleich<br />
zu unbehandelten Zellen beobachtet wer<br />
180<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
–20<br />
–40<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
50 µM<br />
5 10<br />
Zeit [Minuten]<br />
Organische Nitrate<br />
Abb. 1: Determination reaktiver Sauerstoffspezies mittels Fluoreszenzmikroskopie.<br />
Dargestellt ist die relative Änderung der 123-Rhodaminfluoreszenz in EA.<br />
hy.926 Zellen in Abhängigkeit <strong>von</strong> der Inkubationsdauer nach Stimulation mit 50<br />
und 500 μmol/l GTN (A) sowie nach 60 min Inkubation mit 2 μmol/l Cyclosporin A<br />
bzw. 500 μmol/l GTN allein oder zusammen (B). Dargestellt sind die Δ%-Werte<br />
bezogen auf unstimulierte Zellen (*: signifikant gegenüber unstimulierten Zellen).<br />
a<br />
B<br />
132-Rhodaminfluoreszenz<br />
∆% zu unstimulierten Zellen<br />
132-Rhodaminfluoreszenz<br />
∆% zu unstimulierten Zellen<br />
*<br />
*<br />
Cyclo A<br />
*<br />
500 µM<br />
20 5 10 20<br />
*<br />
GTN<br />
*<br />
*<br />
* #<br />
*<br />
Cyclo A + GTN<br />
51
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
Abb. 2: Funktioneller Nachweis<br />
eines spezifischen<br />
Rh123-Transportes mittels<br />
Durchflusszytometrie. Die<br />
Auswertung der Daten erfolgte<br />
über den geometrischen<br />
Mittelwert der Histogramme.<br />
Dargestellt sind die<br />
prozentualen Unterschiede<br />
bezogen auf die Kontrolle<br />
(*: signifikant gegenüber<br />
unstimulierten Zellen;<br />
#: signifikant gegenüber<br />
Efflux).<br />
Abb. 3: Die Determination<br />
reaktiver Sauerstoffspezies<br />
mittels HPLC. EA.hy.926-<br />
Zellen wurde 60 min mit 500<br />
μmol/l GTN ± 2 μmol/l Cyclosporin<br />
inkubiert. Rh123<br />
wurde aus dem Zelllysat (A)<br />
und dem Inkubationsüberstand<br />
(B) extrahiert und die<br />
Fluoreszenz nach chromatografischer<br />
Trennung quantifiziert<br />
(*: signifikant gegenüber<br />
unstimulierten Zellen;<br />
#: signifikant im Vergleich zu<br />
mit GTN-stimulierten Zellen).<br />
Abb. 4: EA.hy.926-Zellen wurden<br />
30 min mit 10 μmol/l des<br />
jeweiligen Nitrats inkubiert.<br />
Nach der Extraktion aus<br />
Zelllysat (A) und Inkubationsüberstand<br />
(B) wurde Rh123<br />
mittels HPLC quantifiziert<br />
(*: signifikant gegenüber<br />
unstimulierten Zellen).<br />
∆% zur Kontrolle<br />
0<br />
–10<br />
–20<br />
–30<br />
–40<br />
–50<br />
–60<br />
* *#<br />
Efflux CycloA<br />
den konnte. Der Unterschied war nach fünf<br />
Minuten am stärksten ausgeprägt. Nach<br />
zehn und 20 Minuten war zwar ebenfalls<br />
ein Anstieg der Fluoreszenz nachweisbar,<br />
jedoch nahm das detektierte Signal überraschenderweise<br />
mit steigender Inkubationszeit<br />
ab.<br />
Da Rh123 als Substrat für pGlycoprotein<br />
und andere Transporter der ABCFamilie<br />
beschrieben worden ist [15, 16], ka<br />
a<br />
123-Rhodaminfluoreszenz<br />
∆% zu unstimulierten Zellen<br />
a<br />
123 Rhodaminfluoreszenz<br />
∆% zu unstimulierten Zellen<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
men Zweifel bezüglich der diffusionskontrollierten<br />
Stabilität des Fluoreszenzsignals<br />
auf, sodass EA.hy.926Zellen mittels<br />
Durchflusszytometrie auf einen RhodaminEfflux<br />
untersucht wurden. Die in<br />
Abbildung 2 dargestellten Ergebnisse zeigen,<br />
dass ein solcher nachgewiesen und<br />
dieser wie in der Literatur beschrieben<br />
durch Cyclosporin A gehemmt werden<br />
konnte [17]. Eine weitere Ursache für die<br />
Abnahme der intrazellulären Fluoreszenz<br />
könnte der in der Literatur beschriebene<br />
Einfluss <strong>von</strong> GTN auf die Öffnung der mitochondrialen<br />
Transitionsporen sein, die<br />
ebenfalls zu einer Abnahme der intrazellulären<br />
Rhodaminkonzentration beitragen<br />
könnte [18, 19]. Die Öffnung der Poren<br />
kann ebenfalls durch Cyclosporin A inhibiert<br />
werden [20].<br />
Dementsprechend führte die Stimulation<br />
der Bildung reaktiver Sauerstoffspezies<br />
mit GTN bei gleichzeitiger Inkubation<br />
mit Cyclosporin A dazu, dass das intrazelluläre<br />
Fluoreszenzsignal auch nach<br />
60minütiger Inkubation mit GTN iden<br />
–40<br />
Cyclo A GTN Cyclo A + GTN<br />
Cyclo A GTN Cyclo A + GTN<br />
52 Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
* #<br />
B<br />
123-Rhodaminfluoreszenz<br />
∆% zu unstimulierten Zellen<br />
B<br />
123 Rhodaminfluoreszenz<br />
∆% zu unstimulierten Zellen<br />
0<br />
ISDN GTN PETN<br />
ISDN GTN PETN<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
–20<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
*<br />
*
a<br />
123-Rhodaminfluoreszenz<br />
∆% zu unstimulierten Zellen<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
0<br />
ISDN GTN PETN<br />
Beno Ch<br />
PA<br />
tisch mit dem für nach fünfminütiger Inkubation<br />
war (Abb. 1b). Aus diesen Ergebnissen<br />
kann gefolgert werden, dass erstens<br />
ein Rh123Efflux aus EA.hy.926Zellen<br />
stattfindet und zweitens, dass dieser Prozess<br />
durch Cyclosporin A gehemmt werden<br />
kann. Aus Letzterem ergibt sich, dass wenn<br />
Dihydrorhodamin 123 als Indikator für reaktive<br />
Sauerstoffspezies verwendet wird,<br />
bedacht werden muss, dass eine Veränderung<br />
der intrazellulären Fluoreszenz nicht<br />
nur auf die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies<br />
zurückzuführen sein muss, sondern<br />
auch durch weitere Prozesse wie einen<br />
Auswärtstransport oder einen veränderten<br />
funktionellen Zustand <strong>von</strong> Mitochondrien<br />
begründet werden kann.<br />
Um die gezeigten Ergebnisse zu verifizieren<br />
und zu gewährleisten, dass die gesamte<br />
durch Oxidation entstandene Rhodaminkonzentration<br />
erfasst wird, d. h. auch<br />
die aus den Zellen heraustransportierte,<br />
war es notwendig, eine Methode zu etablieren,<br />
die es ermöglicht, Rhodamin zusätzlich<br />
im Inkubationsüberstand zu quantifizieren,<br />
was im Fall der Fluoreszenzaufnahmen<br />
nicht möglich war. Rh123 wurde dazu<br />
mittels einer organischen Phase sowohl aus<br />
Zelllysat als auch aus dem Inkubationsmedium<br />
extrahiert und die Fluoreszenz nach<br />
chromatografischer Trennung ermittelt.<br />
Die Abbildungen 3a und 3b zeigen, dass<br />
Cyclosporin A die Rh123Fluoreszenz verändert.<br />
Nach 60minütiger Inkubation der<br />
Zellen mit 500 µmol/l GTN wurde die intrazelluläre<br />
Rh123Fluoreszenz gesteigert<br />
(Abb. 3a), wobei, wie Abbildung 3b zeigt,<br />
die extrazelluläre Konzentration anstieg<br />
und zwar stärker als intrazellulär. In Gegenwart<br />
<strong>von</strong> Cyclosporin A war der intrazelluläre<br />
Anstieg der Rh123Bildung signi<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
*<br />
B<br />
123-Rhodaminfluoreszenz<br />
∆% zu unstimulierten Zellen<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
*<br />
fikant gegenüber dem ungehemmten Efflux<br />
gesteigert. Dementsprechend wurde<br />
extrazellulär weniger Rh123 gegenüber ungehemmtem<br />
Efflux detektiert. Die Tatsache,<br />
dass nach der Inkubation der Zellen<br />
mit GTN und Cyclosporin extrazellulär eine<br />
höhere Konzentration als unter Kontrollbedingungen<br />
gefunden wurde, muss<br />
nicht bedeuten, dass der Efflux nicht vollständig<br />
inhibiert war, sondern lässt sich<br />
dadurch erklären, dass verschiedene Prozesse<br />
an der Bildung reaktiver Sauerstoffspezies<br />
durch GTN beteiligt sind und diese<br />
<strong>von</strong> membranständigen Proteinen auch<br />
nach extrazellulär abgegeben werden können<br />
[21–23]. Durch solche Prozesse veränderte<br />
extrazelluläre Rh123Konzentrationen<br />
können im Fall der Fluoreszenzaufnahmen<br />
nicht detektiert werden [13, 14].<br />
Zum Vergleich der Wirkung verschiedener<br />
organischer Nitrate wurden EA.<br />
hy.926 30 min mit 10 µmol/l ISDN, GTN<br />
bzw. PETN inkubiert. ISDN und GTN<br />
führten sowohl extra als auch intrazellulär<br />
zu einer verstärkten Bildung <strong>von</strong> Rh123<br />
(Abb. 4), wobei signifikante Ergebnisse<br />
nur für die Extraktionen aus dem Überstand<br />
erhalten wurden. Im Gegensatz dazu<br />
war durch PETN keine signifikante Induktion<br />
der Rh123Bildung nachweisbar.<br />
Die für GTN gezeigte initiale Zunahme<br />
der Bildung reaktiver Sauerstoffspezies<br />
legt den Schluss nahe, dass ein direkter Zusammenhang<br />
mit der Metabolisierung besteht<br />
(Abb. 1). Daher wurde die oxidative<br />
Wirkung der organischen Nitrate im Folgenden<br />
ebenfalls mit isolierten Mitochondrien<br />
untersucht, deren Beteiligung an der<br />
gesteigerten Bildung reaktiver Sauerstoffspezies<br />
in mehreren Arbeiten gezeigt werden<br />
konnte [8, 11, 24].<br />
*<br />
*<br />
Organische Nitrate<br />
Abb. 5: Nachweis der Bildung<br />
reaktiver Sauerstoffspezies<br />
in Mitochondrien. Dargestellt<br />
sind der Anstieg der<br />
Oxidation <strong>von</strong> DHR zu Rh123<br />
in Rattenlebermitochondrien<br />
nach 30 min Inkubation mit<br />
10 μmol/l des jeweiligen<br />
organischen Nitrates (A)<br />
sowie die Rhodaminbildung<br />
nach Inkubation mit 10<br />
μmol/l Benomyl, 1 mmol/l<br />
Chloralhydrat bzw. 5 mmol/l<br />
Propionaldehyd (B) (*: signifikant<br />
gegenüber unstimulierten<br />
Zellen).<br />
53
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
Ein signifikanter Anstieg der Rhodaminfluoreszenz<br />
konnte dabei nur nach<br />
GTNInkubation beobachtet werden (Abb.<br />
5), während in der Literatur eine gesteigerte<br />
Bildung reaktiver Sauerstoffspezies auch<br />
nach Mitochondrieninkubation mit ISMN,<br />
ISDN und PETN beschrieben ist [11]. Die<br />
dabei <strong>von</strong> den Autoren verwendeten Konzentrationen<br />
der organischen Nitrate lagen<br />
allerdings um den Faktor 5–500 höher als<br />
die für unsere Arbeiten verwendeten Konzentrationen,<br />
<strong>von</strong> denen unter unseren<br />
Versuchsbedingungen nur GTN eine<br />
inhibitorische Wirkung auf die ALDH2<br />
Aktivität aufweist. Dementsprechend resultierte<br />
auch die Inkubation isolierter Mitochondrien<br />
mit den ALDHInhibitoren<br />
Benomyl und Chloralhydrat sowie die<br />
Zugabe eines Aldehyds in einer signifikanten<br />
Steigerung der Rhodaminbildung<br />
(Abb. 5).<br />
Diese Ergebnisse zeigen, dass eine<br />
Hemmung der Aldehyddetoxifizierung<br />
durch Hemmung oder Überlastung der<br />
ALDH2 zu einer vermehrten Rhodaminbildung<br />
führt. Im Einklang damit bewirkte<br />
GTN nach Überexpression der ALDH2<br />
eine verminderte Rhodaminbildung (Daten<br />
nicht gezeigt). Dies erlaubt den Schluss,<br />
dass die vorhandene ALDH2Aktivität<br />
entscheidend die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies<br />
beeinflusst.<br />
Damit konnte gezeigt werden, dass GTN<br />
<strong>von</strong> den getesteten organischen Nitraten<br />
die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies am<br />
stärksten steigert, wohingegen PETN unter<br />
unseren Versuchsbedingungen weder nach<br />
Inkubation <strong>von</strong> Zellen noch nach Inkubation<br />
isolierter Mitochondrien zu einer signifikanten<br />
Zunahme der Rhodaminbildung<br />
im Vergleich zu unbehandelten Kontrollen<br />
führte. Diese Beobachtung liefert eine Erklärung<br />
für die unter GTNTherapie beobachtete<br />
starke Toleranzentwicklung, die im<br />
Fall <strong>von</strong> PETN so gut wie gar nicht beobachtet<br />
wird [4]. Hierbei scheint im Besonderen<br />
die mitochondriale Bildung reaktiver<br />
Sauerstoffspezies <strong>von</strong> Bedeutung zu sein,<br />
die durch die starke Inhibition der ALDH<br />
2Dehydrogenaseaktivität durch GTN begünstigt<br />
zu werden scheint. Reaktive Sauerstoffspezies<br />
könnten durch die Peroxidation<br />
<strong>von</strong> Lipiden (LPO) intrazellulär zur<br />
Akkumulation toxischer Aldehyde führen,<br />
die zum einen kompetitiv die Aktivierung<br />
der organischen Nitrate inhibieren und<br />
zum anderen selbst zu einer weiteren Stei<br />
gerung der Bildung reaktiver Sauerstoffspezies<br />
beitragen [25, 26], sodass diese Veränderung<br />
des Redoxgleichgewichts zur<br />
Oxidation des enzymatischen Zentrums<br />
der ALDH2 führt und diese so inhibiert<br />
wird [5]. Gestützt wird diese Theorie durch<br />
die Arbeit <strong>von</strong> Jurt et al, in der gezeigt wurde,<br />
dass es im Plasma <strong>von</strong> gesunden Patienten<br />
zu einem Konzentrationsanstieg <strong>von</strong><br />
toxischen Aldehyden kommt, wenn diesen<br />
über einen Zeitraum <strong>von</strong> sieben Tagen<br />
eine Dosis <strong>von</strong> 0,6 mg/h GTN appliziert<br />
wurde [27]. n<br />
Summary<br />
Organic nitrates are very potent antianginal<br />
pharmaceuticals in the treatment of acute<br />
angina pectoris, but longterm therapy is<br />
limited due to the development of nitrate<br />
tolerance. Tachyphylaxis is associated with<br />
an increased formation of reactive oxygen<br />
species (ROS). The observation that the<br />
metabolizing enzyme of organic nitrates,<br />
the mitochondrial aldehyde dehydrogenase<br />
(ALDH2), is inhibited by oxidation links<br />
mechanismbased tolerance to the oxidative<br />
stress concept.<br />
In order to explain the difference in the<br />
tolerance to distinct nitrates, we measured<br />
their ability to induce ROS formation in<br />
endothelial cells (EA.hy.926) and mitochondrial<br />
preparations, using dihydrorhodamine<br />
123 (DHR123) as indicator.<br />
DHR123 is oxidized by ROS to the fluorescent<br />
dye rhodamine 123 (R123), which was<br />
reported to accumulate intracellularly.<br />
We found that increasing incubation<br />
time led to a decrease in the fluorescence<br />
intensity of cells exposed to glycerol trinitrate<br />
and we decided therefore to measure<br />
the extracellular concentration of R123 to<br />
exclude diffusion of the dye. The detection<br />
of R123 outside of the cells suggests that<br />
results must be interpreted carefully when<br />
using R123 intracellular concentrations as<br />
an indicator of ROS formation, because<br />
processes like active transport or opening<br />
of mitochondrial permeability transition<br />
pores can influence the localization of the<br />
dye. With this method we could show that<br />
isosorbide dinitrate, glycerol trinitrate and<br />
pentaerythrityl tetranitrate affect ROS formation<br />
to a different extent in EA.hy.926<br />
and mitochondria. Since ALDH2 inhibition<br />
with benomyl and chloral hydrate or<br />
incubation with an aldehyde leads to increased<br />
ROS formation in mitochondria,<br />
54 Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel
we speculate that GTN affects ROS formation<br />
more than other nitrates due to its<br />
strong inhibitory effect on ALDH2dehydrogenase<br />
activity.<br />
Keywords: organic nitrates – reactive oxygen<br />
species – dihydrorhodamine 123 –<br />
mitochondrial aldehyde dehydrogenase<br />
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Für die Verfasser:<br />
Dr. Tim Bauer<br />
Uniklinik Köln, Institut für Pharmakologie<br />
Gleueler Straße 24<br />
50931 Köln, Germany<br />
Tel.: +49 (0) 221 4786038<br />
Fax: +49 (0) 221 4785022<br />
E-Mail: tim.bauer@uk-koeln.de<br />
Organische Nitrate<br />
55
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
1 Institut für Pharmakologie,<br />
Universitätsmedizin der<br />
Johannes Gutenberg-<br />
Univer-sität, Mainz,<br />
Deutschland<br />
2 II. Medizinische Klinik, Universitätsmedizin<br />
der Johannes<br />
Gutenberg-Universität, Mainz,<br />
Deutschland<br />
56<br />
Regulation der Genexpression<br />
durch organische Nitrate<br />
Andrea Pautz 1 , Peter Rauschkolb 1 , Julia Art 1 , Cornelia Voss 1 , Susanne Karbach 1 ,<br />
Philip Wenzel 2 , Matthias Oelze 2 , Ulrich Förstermann 1 , Andreas Daiber 2 , Hartmut Kleinert 1<br />
Zusammenfassung: Stickstoffmonoxid<br />
(NO) hat weitreichende Effekte auf die<br />
Genexpression. Dabei werden Wirkungen<br />
auf die Aktivität <strong>von</strong> Genpromotoren<br />
(Transkription) sowie die Stabilität und<br />
Translatierbarkeit <strong>von</strong> mRNAs und die<br />
Stabilität <strong>von</strong> Proteinen (posttranskriptionelle<br />
Effekte) beschrieben. Auch die Induktion/Änderung<br />
posttranslationaler Modifikationen<br />
<strong>von</strong> Proteinen durch NO ist<br />
bekannt.<br />
Seit mehr als 100 Jahren werden organische<br />
Nitrate (wie Nitroglycerin, NTG und Pentaerithrityltetranitrat,<br />
PETN) als Therapeutika<br />
zur Behandlung der Angina pectoris, des<br />
Herzinfarkts und der Herzinsuffizienz eingesetzt.<br />
Organische Nitrate werden als (indirekte)<br />
Donoren für NO angesehen und<br />
ihre kardiovaskulären Effekte werden der<br />
NO-Freisetzung zugeschrieben.<br />
Es gibt nur wenig Berichte der expressionellen<br />
Effekte <strong>von</strong> organischen Nitraten,<br />
wobei zumeist die Wirkungen <strong>von</strong> NTG<br />
analysiert wurden. Neuere Daten zeigen,<br />
dass unterschiedliche Nitrate (wie z.B.<br />
NTG oder PETN) unterschiedliche Wirkungen<br />
auf die Genexpression haben können.<br />
So erhöht PETN z.B. die Expression<br />
Ebene der Regulation der Genexpression<br />
Alle Informationen, die zur Ausbildung<br />
und Aufrechterhaltung eines Organismus<br />
notwendig sind, finden sich in der DNA (in<br />
den Genen), die bei tierischen Zellen im<br />
Zellkern zu finden ist (Ausnahme mitochondriale<br />
DNA). Die Regulation der Expression<br />
der Gene bestimmt daher das Aussehen<br />
und die Fähigkeiten jeder einzelnen<br />
Zelle und mithin des Gesamtorganismus.<br />
Dabei kann die Genexpression auf verschiedenen<br />
Ebenen reguliert werden (Abb.<br />
1). Ein wichtiger Schritt ist die Regulation<br />
der Aktivität der DNA-Abschnitte, die als<br />
Promotoren über die Transkription der<br />
nachfolgenden Gensequenzen entscheiden.<br />
der antioxidativ wirkenden Hämoxygenase<br />
I (HO-1) oder der schweren Kette des Ferritins<br />
(FeHc) in Endothelzellen, während<br />
NTG dies nicht vermag.<br />
Unsere Analysen der durch NTG bzw.<br />
PETN bewirkten Veränderungen der totalgenomischen<br />
Expressionsprofile im Rattenherz<br />
zeigen deutliche Unterschiede der<br />
Effekte, die durch diese beiden Nitrate induziert<br />
werden. Eine genaue Auswertung<br />
dieser Genexpressionsprofile legt nahe,<br />
dass eine NTG-Behandlung die Induktion<br />
kardiotoxischer Expressionsnetzwerke bedingt,<br />
die zur Aktivierung pathophysiologischer<br />
Prozesse führen. Dagegen scheint<br />
eine PETN-Behandlung Expressionsnetzwerke<br />
zu induzieren, die eine kardioprotektive<br />
Funktion haben.<br />
Diese Daten erklären vielleicht teilweise<br />
den Befund, dass Langzeit-Behandlung mit<br />
NTG anscheinend mit einem erhöhten kardiovaskulären<br />
Todesfallrisiko verbunden<br />
ist.<br />
Schlüsselwörter: Nitroglyzerin (NTG) –<br />
Pentaerithrityltetranitrat (PETN) – Genexpression<br />
– totalgenomische Expressionsprofile<br />
– Microarray-Technik – Kardiotoxizität<br />
Dabei hat neben dem Verpackungsgrad der<br />
DNA (Histonmodifikationen etc.) auch die<br />
An- bzw. Abwesenheit <strong>von</strong> Transkriptionsfaktoren<br />
(TF), die an diese Promotorsequenzen<br />
binden, eine zentrale Bedeutung<br />
[1]. Die Transkription ergibt dann eine<br />
Vorläufer-RNA (hnRNA), die durch komplexe<br />
und z.T. stark regulierte Reifungsschritte<br />
(Capping, Splicing, Polyadenylierung)<br />
eine reife Boten-RNA (mRNA) ergibt.<br />
Dabei wird die hnRNA in Protein/<br />
RNA-Komplexe verpackt, die für die Prozessierungsschritte<br />
eine wichtige Rolle<br />
spielen. Schon im Zellkern kann auch die<br />
Stabilität der mRNA reguliert werden. Die<br />
reife mRNA muss nun in das Zytoplasma<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel
der Zellen exportiert werden. Auch die Lokalisation<br />
<strong>von</strong> mRNAs (Kern/Zytoplasma)<br />
kann die Expression der kodierten Proteine<br />
beeinflussen. Im Zytoplasma kann nun die<br />
Stabilität sowie die Translatierbarkeit der<br />
mRNA eine Regulation unterliegen, wobei<br />
an spezifische RNA-Sequenzen binden<br />
RNA-bindende Proteine (RNA-BP) eine<br />
zentrale Rolle spielen [2]. Diese posttranskriptionellen<br />
Prozesse spielen z.B. bei<br />
der Regulation der Expression vieler immunmodulatorischer<br />
Proteine eine sehr<br />
wichtige Rolle. Die entstehenden Proteine<br />
unterliegen hinsichtlich ihrer Stabilität und<br />
Lokalisation in der Zelle auch vielfachen<br />
Kontrollmechanismen.<br />
Regulation der Genexpression<br />
durch Stickstoffmonoxid (NO)<br />
In der Literatur finden sich viele Beispiele<br />
für eine Modulation der Genexpression<br />
durch NO [3, 4] (Abb. 2). Dabei sind sowohl<br />
transkriptionelle wie posttranskriptionelle<br />
NO-abhängige Mechanismen beschrieben<br />
worden. Einmal kann NO über dieAktivierung<br />
der löslichen Guanylatcyclase<br />
(sGC) die Menge an zyklischem Guanosinmonophosphat<br />
(cGMP) erhöhen und damit<br />
über die Aktivierung der cGMP-abhängigen<br />
Proteinkinasen (PKGs) in die Regulation<br />
der Genexpression eingreifen. Die<br />
PKGs können dann posttranslationale<br />
Modifizierungen <strong>von</strong> für die Regulation der<br />
Expression wichtigen Proteinen wie TF<br />
oder an die RNA-BP induzieren. Es wurden<br />
aber auch cGMP-unabhängige Effekte<br />
<strong>von</strong> NO auf die Genexpression beschrieben.<br />
Hier führt NO direkt zu einer posttranslationalen<br />
Modifizierung der TF und RNA-<br />
BP, wobei Nitrierungen und S-Nitrosylierungen<br />
dieser Proteine beschrieben wurden.<br />
Die transkriptionelle Regulation NOregulierter<br />
Gene beruht einmal auf der<br />
cGMP-mediierten Modulation der Aktivität<br />
<strong>von</strong> TF wie z.B. CREB (cAMP-response<br />
element binding protein) oder NFAT (nuclear<br />
factor of activated T cells) [5]. Zum<br />
anderen kann NO auch cGMP-unabhängig<br />
die Aktivität verschiedener TF wie NF-πB<br />
(nuclear factor-πB), AP-1 (activating protein<br />
1), NRF2 (NF-E2-related factor 2)<br />
oder Egr-1 (early growth response 1) [6]<br />
beeinflussen. Neben der Regulation der<br />
Promotoraktivität sind aber auch posttranskriptionelle<br />
Mechanismen für die<br />
NO-modulierte Genexpression <strong>von</strong> ent-<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
Transkriptionsfaktoren<br />
Promotor<br />
Nukleus<br />
Zytoplasma<br />
hnRNA<br />
Cap<br />
Genomische DNA<br />
I 1 I 2 I 3 I 4<br />
Translation<br />
(Initiation, Elongation)<br />
Capping, poly A<br />
Protein<br />
RNA Splicing<br />
scheidender Bedeutung [3]. So reguliert<br />
NO die Gen-Expression (zumindest teilweise)<br />
auf der Ebene der mRNA-Stabilität<br />
wie z.B. die Expression der Matrixmetalloproteinase<br />
9 (MMP9 [7]) oder der Hämoxygenase-1<br />
(HO-1 [8]). Daneben wurde<br />
auch eine NO-abhängige Regulation der<br />
Translation beschrieben wie z.B. bei der<br />
Translation der mRNA für die schwere<br />
Kette des Ferritins (FeHc [9]). Diese Regu-<br />
E 1<br />
E 2 E 3 E 4 E 5<br />
RNA Export<br />
mRNA AAAAA<br />
Translation RNA<br />
Initiation, Elongation bindende<br />
Proteine<br />
Ubiquitinligasen<br />
Proteasom<br />
Organische Nitrate<br />
poly A<br />
AAAAA<br />
Degradation<br />
Degradation<br />
Degradation<br />
Abb. 1: Ebene der Regulation der Genexpression bei Eukaryoten. Dargestellt sind<br />
die verschiedenen Ebenen, auf denen die Genexpression in eukaryoten Zellen<br />
reguliert werden kann.<br />
Enzyme<br />
sGC<br />
Mitochondriale<br />
Funktion<br />
mRNA-Stabilität<br />
HO1<br />
MMP9<br />
TfR<br />
NF-κB<br />
AP1<br />
Zinkfinger-TF<br />
NO Transkription<br />
Translation<br />
FeHc<br />
NRF2<br />
Membranproteine<br />
Transporter, Kanäle<br />
Hemmung<br />
Aktivierung<br />
Abb. 2: Regulation der Genexpression durch NO. NO kann über die Aktivierung der<br />
sGC und damit folgend durch Erhöhung der cGMP-Konzentration oder direkt<br />
durch Wechselwirkungen mit vielfältigen Proteinen (Enzyme, Kanäle, Transporter,<br />
Transkriptionsfaktoren, RNA bindende Proteine) verschiedene zelluläre Prozesse<br />
wie auch die Genexpression beeinflussen.<br />
57
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
A<br />
% mRNA in der Aorta <strong>von</strong><br />
mit EtOH behandelten Tieren<br />
200<br />
180<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
FeHc<br />
ns<br />
HO-1<br />
ns<br />
EtOH NTG EtOH NTG<br />
% mRNA in der Aorta <strong>von</strong><br />
mit DMSO behandelten Tieren<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
FeHc<br />
DMSO PETN DMSO PETN<br />
Abb. 3: Die Wirkung <strong>von</strong> NTG bzw. PETN auf die Expression der Hämoxygenase I<br />
(HO-1) und der schweren Kette des Ferritins (FeHc) in Aorten <strong>von</strong> Ratten. Männliche<br />
Wistar-Ratten wurden für vier Tage mithilfe <strong>von</strong> mikroosmotischen Pumpen<br />
(Alznet) mit NTG (6,6 μg/kg/min) oder PETN (10,5 μg/kg/min; bzw. den zugehörigen<br />
Lösungsmitteln EtOH oder DMSO) behandelt. Dann wurden die Tiere getötet<br />
und Organe (Aorta, Herz etc.) entnommen. Die RNA wurde aus den Organen<br />
isoliert und für DNA-Microarray-Analysen oder qRT-PCR-Untersuchungen eingesetzt.<br />
Gezeigt sind Ergebnisse der qRT-PCR-Analysen mit RNA aus den Aorten.<br />
Dabei wurde die mRNA-Expression der Hämoxygenase I (HO-1) bzw. der schweren<br />
Kette des Ferritin (FeHc) auf die Expression des Haushaltsgens GAPDH bezogen<br />
(*: p < 0,05, ns: nicht signifikant verschieden vs. mit Lösungsmittel behandelte<br />
Tiere).<br />
B<br />
lation der mRNA-Stabilität bzw. -Translation<br />
erfolgt dabei über Modulation der<br />
Aktivität/Expression <strong>von</strong> RNA-BP wie<br />
HuR (human antigen R) oder dem IRP-1<br />
(iron responsive element binding protein-<br />
1). Schließlich kann NO auch die Stabilität<br />
<strong>von</strong> Proteinen regulieren, wie am Beispiel<br />
des Hypoxie-induzierten Faktors-1 (HIF-<br />
1) beschrieben wird [10].<br />
Wirkungen <strong>von</strong> organischen Nitraten<br />
auf die Genexpression<br />
Organische Nitrate werden als indirekte<br />
NO-Donatoren angesehen. Daher ist es<br />
sehr wahrscheinlich, dass auch organische<br />
Nitrate (zumindest bei längerer Anwendung)<br />
Effekte auf die Expression multipler<br />
Gene haben (Tab. 1). So wurde gezeigt, dass<br />
NTG z. B. die c-fos-, COX-2-, Bcl2- und<br />
nNOS-Expression im Gehirn und der eNOS<br />
in Aorten <strong>von</strong> Ratten erhöht. Mithilfe <strong>von</strong><br />
DNA-Microarray-Analysen zeigten Wang<br />
et al eine NTG-abhängige Regulation der<br />
Expression <strong>von</strong> 290 Genen in Aorten <strong>von</strong><br />
NTG-behandelten Ratten [11].<br />
Es gibt auch einige Analysen zu den expressionellen<br />
Wirkungen des organischen<br />
Nitrats PETN (Tab. 1). PETN, aber nicht<br />
NTG, erhöht in humanen Endothelzellen<br />
und Aorten <strong>von</strong> Schweinen die Expression<br />
*<br />
<strong>von</strong> antioxidativ wirkenden Proteinen wie<br />
HO-1 und FeHc [12]. Auch in den Aorten<br />
<strong>von</strong> Ratten konnte dieser Unterschied der<br />
beiden organischen Nitrate auf die FeHc-<br />
bzw. HO-1-Expression <strong>von</strong> den Autoren<br />
beobachtet werden (Abb. 3). Diese Unterschiede<br />
in der Wirkung <strong>von</strong> PETN bzw.<br />
NTG auf die Expression antioxidativer<br />
Proteine könnte die Unterschiede in der<br />
Produktion reaktiver Sauerstoffspezies<br />
(ROS) durch diese organischen Nitrate zumindest<br />
zum Teil erklären.<br />
Die molekularen Mechanismen, die<br />
hinter diesen unterschiedlichen Effekten<br />
stehen, sind noch nicht vollständig klar.<br />
Vergleicht man die DNA-Sequenzen der<br />
5’-flankierenden genomischen Bereiche<br />
(die Promotoren; 10 kb) des HO-1-Gens in<br />
verschiedenen Spezies (Ratte, Maus, Rhesus-Affe,<br />
Schimpanse und Mensch), so<br />
erkennt man Sequenzbereiche, die zwischen<br />
diesen Spezies hoch konserviert sind<br />
(Abb. 4). Solche Sequenzbereiche sind mit<br />
hoher Wahrscheinlichkeit an der Regulation<br />
der HO-1-Promotoraktivität beteiligt.<br />
So findet sich in einem solchen Homologiebereich<br />
auch die Konsensussequenz für die<br />
Bindung des TF NRF2. So konnte z. B.<br />
gezeigt werden, dass die Erhöhung der<br />
HO-1-Expression in humanen SH-Sy5y-<br />
Neuroblastom-Zellen durch Behandlung<br />
mit dem NO-Donor DETA-NO <strong>von</strong> der<br />
Anwesenheit des Transkriptionsfaktors<br />
NRF2 abhängt [13].<br />
Neben diesen transkriptionellen Wirkungen<br />
<strong>von</strong> NO auf die HO-1-Expression, sind<br />
auch posttranskriptionelle Prozesse<br />
(mRNA-Stabilität und -Translatierbarkeit)<br />
an der NO-abhängigen Regulation der HO-<br />
1-Expression beteiligt. Die posttranskriptionale<br />
Regulation der Genexpression ist häufig<br />
<strong>von</strong> DNA- bzw. RNA-Sequenzen abhängig,<br />
die sich in der 3’-untranslatierten Region<br />
(3’-UTR) der mRNAs befinden [14,<br />
15]. Vergleicht man nun die 3’-UTR-Sequenzen<br />
der HO-1-mRNA verschiedener<br />
Spezies (Abb. 5a), so findet man auch hier<br />
Sequenzbereiche mit hoher Homologie. Bildet<br />
man nun aus diesen Sequenzen eine<br />
Konsensus-Sequenz, so erkennt man die<br />
hohe Konservierung <strong>von</strong> AU-reichen Elementen<br />
(ARE) in der 3’-UTR-Sequenz der<br />
HO-1-mRNA (Abb. 5b). An solche ARE<br />
können verschiedene RNA-BP (dann ARE-<br />
BP genannt) wie HuR binden, die die Stabilität<br />
und Translatierbarkeit <strong>von</strong> mRNAs<br />
regulieren. So fanden Kuwano et al. eine<br />
58 Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
HO-1<br />
*
A<br />
B NRF2<br />
HuR-abhängige Stabilisierung der HO-1<br />
mRNA in humanen und murinen Fibroblasten<br />
nach Inkubation der Zellen mit dem<br />
NO-Donor SperNO. [8].<br />
In Transfektionsexperimenten mit humanen<br />
Endothelzellen konnten die Autoren<br />
zeigen (Abb. 6), dass die 3’-UTR der<br />
humanen HO-1-mRNA einen destabilisierenden<br />
Effekt auf ein Reportergen ausübt.<br />
Somit scheint die HO-1-mRNA-Stabilität<br />
in humanen Zellen <strong>von</strong> der 3’-UTR-Sequenz<br />
negativ reguliert zu werden. Wurden<br />
die Endothelzellen nach der Transfektion<br />
mit PETN behandelt, ergab sich eine Stabilisierung<br />
der Reporter-mRNA. Diesen<br />
Effekt zeigte die Behandlung mit NTG<br />
nicht. Somit scheint die PETN-induzierte<br />
Erhöhung der HO-1-Expression in Endothelzellen<br />
mindestens zum Teil durch post<br />
transkriptionelle Erhöhung der mRNA-<br />
Stabilität bedingt zu sein.<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
DNA-Microarray-Analysen zur Analyse<br />
der Wirkungen <strong>von</strong> NTG bzw. PETN<br />
auf die Genexpression in Rattenherzen<br />
Um die expressionellen Wirkungen <strong>von</strong><br />
NTG und PETN näher zu analysieren, wurden<br />
DNA-Microarray-Analysen durchgeführt<br />
[16]. Mithilfe dieser Technik kann die<br />
Expression aller mRNAs, die <strong>von</strong> einer<br />
Zelle bzw. einem Gewebe/Organ gebildet<br />
werden können (Expressionsprofile), analysiert<br />
werden (Abb. 7).<br />
Zur Bestimmung der Effekte <strong>von</strong> NTG<br />
bzw. PETN auf das Expressionsprofil in<br />
Rattenherzen wurden Ratten für vier Tage<br />
mit NTG oder PETN behandelt, die Herzen<br />
entnommen, die RNA präpariert und<br />
diese RNA für die Experimente eingesetzt.<br />
Wie diese DNA-Microarray-Analysen zeigen,<br />
führte die NTG-Behandlung zur<br />
Veränderung der Expression <strong>von</strong> mehr als<br />
530 Genen. Bei der PETN-Behandlung<br />
Organische Nitrate<br />
Abb. 4: Vergleich der Promotorsequenzen des HO-1-Gens in verschiedenen Spezies. A: Mit Hilfe des Programms ECR-Browser (http://<br />
ecrbrowser.dcode.org/) wurde die 5’-flankierenden Sequenzen (10 kb) des HO-1-Gens des Menschen mit denen der Maus, der Ratte,<br />
des Rhesus-Affen und des Schimpansen (Schimp) verglichen. Als Spannbreite des Suchrasters wurden 10 bp vorgegeben und als minimale<br />
Homologie 90%. Die Höhe der Kurven (50% < x < 100%) zeigt die Homologie an. Die Farbmarkierung ist folgende: rot = intergenische<br />
Bereiche; grün = einfache Sequenzwiederholungen („repeats“); gelb = UTR (untranslatierte Bereiche der mRNA); blau = kodierende<br />
Exons; lachsfarben = Intronsequenzen; rosa = evolutionär konservierte Regionen (ECR; jeweils oberhalb der Sequenzen). Es sind<br />
deutlich Sequenzbereiche mit hohen Homologien zu erkennen. B: Darstellung der Bindungsstellen für Transkriptionsfaktoren im<br />
humanen HO-1-Promotor (10 kb). Die rot markierten Namen stehen für Transkriptionsfaktoren, deren Bedeutung für die HO-1-Expression<br />
schon experimentell bestätigt wurde.<br />
Ratte<br />
Maus<br />
Rhesus<br />
Schimp<br />
59
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
wurde die Modulation der Expression <strong>von</strong><br />
über 1200 Genen beobachtet. Interessanterweise<br />
wurden nur etwa 70 Gene in<br />
ihre Expression sowohl <strong>von</strong> NTG als auch<br />
<strong>von</strong> PETN moduliert [16]. Diese geringe<br />
Zahl der <strong>von</strong> beiden organischen Nitraten<br />
regulierten Gene zeigt schon an, dass<br />
PETN und NTG sehr unterschiedliche Effekte<br />
auf die Genexpression vermitteln.<br />
Effekte <strong>von</strong> NTG bzw. PETN<br />
auf die Expression <strong>von</strong> Markergenen<br />
für kardiotoxische Prozesse<br />
Eine genauere Auswertung der erhaltenen<br />
Genexpressionsprofile zeigt (Abb. 8), dass<br />
die NTG- (aber nicht die PETN-)Behandlung<br />
die Expression <strong>von</strong> (Marker-)Genen<br />
verstärkt, deren Expression bei kardiovaskulären<br />
Erkrankungen erhöht ist (z.B.<br />
HuR<br />
Abb. 5: Vergleich der Sequenzen des 3’-UTR der HO-1 mRNA in verschiedenen Spezies. A: Mithilfe des Programms ECR-Browser wurde<br />
die 3’-untranslatierte Region (3’-UTR) der humanen HO-1-mRNA mit der der Maus, der Ratte, des Rhesus-Affen und des Schimpansen<br />
(Schimp) verglichen. Als Spannbreite des Suchrasters wurden 10 bp vorgegeben und als minimale Homologie 90%. Die Höhe der Kurven<br />
(50% < X < 100%) zeigt die Homologie an. B: Mithilfe des Programms RNAlogo (http://rnalogo.mbc.nctu.edu.tw/createlogo.html)<br />
wurde eine Konsensus-Sequenz für die 3’-UTR der HO-1-mRNA des Menschen, der Maus, der Ratte, des Rhesus-Affen und des Schimpansen<br />
erstellt. Dabei gibt die Größe der Buchstaben die Häufigkeit des Auftretens der spezifischen Base an. AU-reiche Bereiche sind<br />
rot umrandet. Eine putative Bindungsstelle für das RNA-BP HuR ist markiert.<br />
ANP; Literatur siehe [16]). Ebenso reduziert<br />
die NTG-, aber nicht die PETN-Behandlung<br />
die Expression <strong>von</strong> Genen, die als<br />
kardioprotektive Gene publiziert wurden.<br />
PETN induziert dagegen die Erhöhung der<br />
Expression <strong>von</strong> Genen, die als Schutzfaktoren<br />
gegen pathologische Veränderungen<br />
im Herzen beschrieben wurden, und senkt<br />
die Expression <strong>von</strong> Genen, die als negative<br />
Faktoren der Pathogenese verschiedener<br />
Herzerkrankungen beschrieben wurden.<br />
Analysiert man nun z. B. die Promotorsequenz<br />
des ANP-Gens in verschiedenen<br />
Spezies (Abb. 9), so finden sich wieder Sequenzbereiche,<br />
die zwischen den Spezies<br />
hoch konserviert sind und so wahrscheinlich<br />
an der Regulation der Aktivität des ANP-<br />
Promotors beteiligt sind. In diesen Sequenzbereichen<br />
finden sich so auch die Konsen-<br />
60 Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
Ratte<br />
Maus<br />
Rhesus<br />
Schimp<br />
A<br />
B
a<br />
Relative Luciferaseaktivität<br />
[% <strong>von</strong> Kontrolle]<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Kontrolle/EtOH<br />
Kontrolle/DMSO<br />
* **<br />
3UTR/EtOH<br />
3UTR/DMSO<br />
Oligonukleotide (ODN),<br />
die zu allen möglichen<br />
Transkripten homolog sind<br />
Annotation<br />
der Gene<br />
(Panther)<br />
SAM-Analyse<br />
(Tiger-MEV)<br />
Aufbringen der<br />
ODN auf<br />
Glasträger<br />
„Heat-Map“<br />
Behandelt<br />
Intensitätsverteilung<br />
Unbehandelt<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
b<br />
Relative Luciferaseaktivität<br />
[% <strong>von</strong> EtOH bzw. DMSO]<br />
1200<br />
800<br />
100<br />
0<br />
EtOH<br />
RNA <strong>von</strong><br />
unbehandelten<br />
Kontrollen<br />
Alexa<br />
546<br />
ns<br />
0 300 600 800 1200 1600 1800 2400 2600 2800 3000<br />
3200 3600 3800 4000 4200 4800 5000 5400<br />
SV40 late poly(A) signal<br />
NTG<br />
Alexa 546 Alexa 647<br />
Normalisierung<br />
(TIGR-MIDAS)<br />
RNA <strong>von</strong><br />
behandelten<br />
Proben<br />
Fuoreszenz-<br />
Markierung in der<br />
RT-Reaktion<br />
Pseudocoloured<br />
Alexa<br />
647<br />
DMSO<br />
Mischen und<br />
Hybridisierung<br />
*<br />
PETN<br />
Auslesen der<br />
Fluoreszenz-Signale<br />
(Scanarray-Express)<br />
Organische Nitrate<br />
Abb. 6: Posttranskriptionelle<br />
Regulation der humanen HO-<br />
1-Expression. A: Humane EA.<br />
hy926-Endothel-Zellen wurden<br />
mit einem Konstrukt<br />
transfiziert, das den 3’-UTR<br />
der humanen HO-1-mRNA<br />
kloniert hinter ein Luciferase-<br />
Reportergen enthält (3’-UTR;<br />
siehe Darstellung des Konstruktes<br />
in B). Als Kontrolle<br />
erfolgte die Transfektion der<br />
Zellen mit einem Reportergen-Konstrukt<br />
ohne HO-1-3’-<br />
UTR (Control). Die Zellen<br />
wurden dann 24 h nach der<br />
Transfektion mit den Lösungsmitteln<br />
der organischen<br />
Nitrate (EtOH bzw.<br />
DMSO; wieder 24 h) behandelt<br />
(** = p < 0,01; * = p < 0,05<br />
vs. mit Control transfizierten<br />
Zellen). Wie die Analyse der<br />
durch die Konstrukte in den<br />
Zellen induzierte Luciferase-<br />
Aktivität zeigt, hat der 3’-UTR<br />
der humanen HO-1-mRNA<br />
einen negativen Einfluss auf<br />
die Luciferase-Expression<br />
(wahrscheinlich durch Destabilisierung<br />
der mRNA).<br />
B: EA.hy926-Zellen wurden<br />
mit dem 3’-UTR-Konstrukt<br />
transfiziert und nach 24 h<br />
mit EtOH, DMSO, NTG oder<br />
PETN (wieder 24 h) behandelt.<br />
Wie die Analyse der<br />
Luciferase-Aktivität der<br />
Zellen zeigt, ändert NTG die<br />
Expression des Reportergens<br />
nicht. PETN erhöht dagegen<br />
die Luciferase-Expression um<br />
etwa das Zehnfache. Somit<br />
scheint PETN abhängig <strong>von</strong><br />
der 3’-UTR der humanen<br />
HO-1-mRNA die Stabilisierung<br />
der Reporter-mRNA zu<br />
induzieren.<br />
Abb. 7: DNA-Microarray-Technik zur Analyse <strong>von</strong> Expressionsprofilen. Zur Bestimmung der Expression aller in einer Zelle (oder Organ/<br />
Gewebe) exprimierten mRNAs wird die DNA-Microarray-Technik eingesetzt [17]. Bei dieser Methodik werden aus Zellen (bzw. Organen<br />
oder Geweben) Total-RNA-Proben gewonnen. Diese RNAs werden dann unter Verwendung des Enzyms Reverse Transkriptase (RT-<br />
Reaktion) in sogenannte komplementäre DNA (cDNA) umgeschrieben. Dabei werden für die RT-Reaktion mit den RNA-Proben unterschiedliche<br />
Fluoreszenz-markierte Desoxyribonukleotide (dNTPs) eingesetzt. Somit erhält man zwei unterschiedlich markierte cDNAs,<br />
die zu allen in den Zellen (Organen/Geweben) vorhandenen mRNAs komplementär sind. Diese markierten cDNAs werden dann mit<br />
einem Glasträger (der Chip) inkubiert (Hybridisierung), auf den DNA-Oligonukleotide (etwa 30 000) aufgebracht wurden, die jeweils<br />
zu einem Protein-kodierenden Gen des Organismus homolog sind. Somit erfasst dieser DNA-Chip die Expression aller Protein-kodierenden<br />
mRNAs eines Organismus. Nach der Hybridisierung werden überflüssige cDNAs abgewaschen und dann der Glasträger<br />
mithilfe eines „Microarray-Readers“ ausgelesen. Dieser „Microarray-Reader“ ist in der Lage, die Fluoreszenz der beiden eingesetzten<br />
Farbstoffe anzuregen und die Intensität der Signale für jedes aufgebrachte Oligonukleotid (der „Spot“) zu bestimmen. Da die Intensität<br />
der Fluoreszenz der eingebrachten cDNA-Menge und mithin der in der Zelle (Organ/Gewebe) exprimierten mRNA direkt proportional<br />
ist, kann somit auf einem „Chip“ das Transkriptom der unbehandelten Zellen (Organ/Gewebe) mit dem der behandelten Zellen<br />
(Organ/Gewebe) direkt verglichen werden. Durch statistische und bioinformatische Methoden können die Signale verschiedener<br />
Experimente normiert und verglichen werden. Schlussendlich erhält man Listen <strong>von</strong> Genen, deren mRNA-Expression sich durch die<br />
Behandlung ändert. Diese Listen können dann durch weitere Bioinformatik-Softwarepakete analysiert werden (Annotation der Gene,<br />
Bezug der Daten zur vorhandenen Literatur).<br />
61
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
Abb. 8: Effekte der organischen<br />
Nitrate auf die Expression<br />
<strong>von</strong> Markergenen<br />
für kardioprotektive bzw.<br />
kardiotoxische Prozesse.<br />
Gezeigt sind die Wirkungen<br />
<strong>von</strong> NTG bzw. PETN auf die<br />
Expression <strong>von</strong> Genen, die<br />
als Markergene für die kardiovaskulärenPathogeneseprozesse<br />
beschrieben wurden<br />
( = kardioprotektiv, =<br />
kardiotoxisch, = erhöhte<br />
Expression, = erniedrigte<br />
Expression, = keine Änderung).<br />
Abb. 9: Vergleich der Promotorsequenzen<br />
des ANP-Gens<br />
in verschiedenen Spezies.<br />
Mithilfe des im Internet frei<br />
zugänglichen Programms<br />
ECR-Browser (http://ecrbrowser.dcode.org/)<br />
wurden<br />
die 5’-flankierenden Sequenzen<br />
(10 kb) des ANP-Gens des<br />
Menschen mit denen der<br />
Maus, der Ratte, des Rhesus-<br />
Affen und des Schimpansen<br />
(Schimp) verglichen. Als<br />
Spannbreite des Suchrasters<br />
wurden 10 bp vorgegeben<br />
und als minimale Homologie<br />
90%. Die Höhe der Kurven<br />
(50% < x < 100%) zeigt die<br />
Homologie an. Es sind deutlich<br />
Sequenzbereiche mit<br />
hohen Homologien zu erkennen.<br />
sussequenzen für die Bindungsstellen der<br />
TF CREB, NF-κB, Evi-1, Nkx2-5, NRF-2,<br />
RORα1 und STAT. Insbesondere CREB,<br />
NF-κB und STAT sind an inflammatorischen<br />
Prozessen beteiligte Transkriptionsfaktoren<br />
und NF-πB und STAT scheinen<br />
die ANP-Expression zu beeinflussen [18,<br />
19]. Inwieweit diese Faktoren an der NTGinduzierten<br />
Erhöhung der ANP-Expression<br />
beteiligt sind muss noch erforscht werden.<br />
Analysiert man nun die 3`-UTR-Sequenzen<br />
der ANP-mRNA in verschiedenen<br />
Spezies (Abb. 10), so fallen auch ihre Bereiche<br />
hoher Homologie auf. Hier finden<br />
sich AREs, die als putative Bindungsstel-<br />
len für RNA-BP dienen könnten, die die<br />
Stabilität bzw. Translatierbarkeit der ANPmRNA<br />
steuern. Inwieweit die NTG-induzierte<br />
Erhöhung der ANP-Expression auf<br />
posttranskriptionellen Prozessen beruht,<br />
bei denen diese RNA-BP eine Rolle spielen,<br />
muss noch untersucht werden.<br />
Effekte <strong>von</strong> NTG bzw. PETN<br />
auf die Expression <strong>von</strong><br />
Transkriptionsfaktoren im Rattenherz<br />
Auch die Analyse der Expression <strong>von</strong> TF<br />
(Abb. 11) zeigt, dass die Behandlung mit<br />
NTG, nicht aber die Therapie mit PETN zu<br />
der Induktion der Expression <strong>von</strong> TF führt,<br />
Kardioprotektiv Kardiotoxisch<br />
62 Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
Ratte<br />
Maus<br />
Rhesus<br />
Schimp
die nach Literaturangaben (siehe [16]) in<br />
kardiotoxische Prozesse beim Herzversagen<br />
involviert sind. Zusätzlich vermindert<br />
NTG, aber nicht PETN, die Expression <strong>von</strong><br />
„kardioprotektiven“ TF. Im Gegensatz dazu<br />
führte die PETN-Behandlung zu der Erhöhung<br />
der Expression verschiedener TF,<br />
die in kardioprotektiven Expressionsnetzwerken<br />
eine wichtige Rolle spielen.<br />
Bioinformatische Analyse der Promotoren<br />
der in ihrer Expression durch NTG oder<br />
PETN regulierten Gene<br />
Ein Ansatz, die unterschiedlichen Effekte<br />
<strong>von</strong> NTG und PETN auf die Genexpression<br />
zu erklären, liegt in der Vermutung, dass diese<br />
organischen Nitrate die Aktivität <strong>von</strong><br />
Transkriptionsfaktoren unterschiedlich beeinflussen<br />
könnten. Daher wurde eine bioinformatische<br />
Analyse der Promotoren der<br />
Gene, die durch NTG- bzw. PETN in ihrer<br />
Expression im Rattenherz verändert wurden,<br />
durchgeführt. Dabei wurden die Gene<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
HuR, KSRP ?<br />
analysiert, die laut Literatur eine kardioprotektive<br />
oder kardiotoxische Funktion bei der<br />
Pathogenese <strong>von</strong> kardiovaskulären Erkrankungen<br />
zeigen (21 Gene bei PETN und 18<br />
Gene bei NTG). Wie Abbildung 12 darstellt,<br />
führt diese bioinformatische Analyse zur<br />
Identifizierung <strong>von</strong> 26 TF, die putative Bindungsstellen<br />
in den Promotoren aller entweder<br />
durch NTG oder PETN regulierten<br />
Gene zeigen. Zusätzlich finden sich vier TF<br />
(Elk-1, IRF-2, MEF-2A und XFD-3), die<br />
putative Bindungsstellen in den Promotoren<br />
<strong>von</strong> allen Genen zeigen, die <strong>von</strong> NTG reguliert<br />
wurden. Die Faktoren zeigen dagegen<br />
keine Bindungsstellen in den Promotoren<br />
der durch PETN regulierten Gene. In der<br />
Literatur gibt es Hinweise, dass diese<br />
Transkriptionsfaktoren an pathologischen<br />
Prozessen bei Erkrankungen des Herzens<br />
beteiligt sind [20, 21]. Ob dieser Unterschied<br />
die deutlichen Diskrepanzen zwischen den<br />
Expressionseffekten <strong>von</strong> NTG bzw. PETN<br />
erklärt, müssen weitere Analysen zeigen.<br />
Organische Nitrate<br />
Abb. 10: Vergleich der 3’-UTR-Sequenzen der ANP-mRNA in verschiedenen Spezies. A: ECR-Browser-Analyse der 3’-untranslatierten Region<br />
(3’-UTR) der ANP-mRNA des Menschen, der Maus, der Ratte, des Rhesus-Affen und des Schimpansen (Schimp). Als Spannbreite des Suchrasters<br />
wurden 10 bp vorgegeben und als minimale Homologie 90%. Die Höhe der Kurven (50% < x < 100%) zeigt die Homolgie an. B: Erstellung<br />
einer Konsensussequenz 3’-UTR der ANP-mRNA des Menschen, der Maus, der Ratte, des Rhesus-Affen und des Chimpansen mithilfe des<br />
Programms RNAlogo. AU-reiche Bereiche sind rot umrandet. Die putative Bindungsstelle für die RNA-BP HuR und KSRP ist markiert.<br />
Ratte<br />
Maus<br />
Rhesus<br />
Schimp<br />
A<br />
B<br />
63
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
Abb. 11: Effekte der organischen<br />
Nitrate auf die Expression<br />
<strong>von</strong> Transkriptionsfaktoren.<br />
Gezeigt sind die<br />
Wirkungen <strong>von</strong> NTG bzw.<br />
PETN auf die Expression <strong>von</strong><br />
für kardiovaskuläre Pathogeneseprozesse<br />
relevanten<br />
Transkriptionsfaktoren ( =<br />
kardioprotektiv, = kardiotoxisch,<br />
= erhöhte Expression,<br />
= erniedrigte Expression,<br />
= keine Änderung<br />
der Expression; Erläuterungen<br />
der Abkürzungen und<br />
relevante Literatur in [16]).<br />
Kardioprotektiv Kardiotoxisch<br />
Abb. 12: Bioinformatische Analyse der Promotoren der durch NTG bzw. PETN regulierten „kardioprotektiven“ bzw. „kardiotoxischen“ Gene.<br />
Aus der ENSEMBL-Datenbank (http://www.ensembl.org/index.html) wurden mithilfe der Toucan-Software (http://homes.esat.kuleuven.<br />
be/~saerts/software/toucan.php; [22]) die 5’-flankierenden genomischen Sequenzen der Gene (Promotoren, jeweils etwa 10 000 Basenpaare<br />
Sequenz; jeweils Mensch, Ratte, Maus, Rhesus-Affe und Schimpanse) extrahiert, die durch NTG bzw. PETN reguliert wurden und für die eine<br />
Relevanz bei pathologischen Prozessen des Herzens publiziert war. Dann wurde das Vorhandensein <strong>von</strong> TF-Bindungsstellen in diesen Promotoren<br />
mithilfe der P-Match-Software (http://www.gene-regulation.com; core similarity 0,9; matrix similarity 0,9; [23]) analysiert. Nur Bindungsstellen,<br />
die in den Promotorsequenzen eines spezifischen Gens bei allen untersuchten Spezies zu finden waren, wurden herausgefiltert.<br />
Gezeigt sind die TF, für die in den Promotoren der durch NTG regulierten Gene putative Bindungsstellen zu finden sind.<br />
64 Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel
Unterschiede in den freigesetzten NO-<br />
Spezies erklären vielleicht die unterschiedlichen<br />
expressionellen Wirkungen<br />
<strong>von</strong> NTG und PETN<br />
Eine mögliche Erklärung für die starken<br />
Unterschiede der Effekte <strong>von</strong> NTG und<br />
PETN auf die Genexpression könnte sein,<br />
dass aus beiden Nitraten unterschiedliche<br />
Vasodilatatoren freigesetzt werden. Es gibt<br />
Publikationen, die zeigen, dass NTG in klinisch<br />
relevanten Dosen (< 1 µM) gar kein<br />
authentisches NO freisetzt. Weiterhin zeigen<br />
diese Daten, dass die bei hohen suprapharmakologischen<br />
Dosen <strong>von</strong> NTG messbare<br />
NO-Freisetzung nicht mit der Relaxation<br />
<strong>von</strong> Gefäßen korreliert [24, 25]. In allen<br />
Publikationen, die eine NTG-abhängige<br />
NO-Freisetzung beschreiben, werden hohe,<br />
suprapharmakologische NTG-Konzentrationen<br />
(>10 µM) verwendet (siehe [26]).<br />
Dagegen ist aber klar gezeigt worden, dass<br />
die NTG-vermittelte Vasodilatation <strong>von</strong><br />
der sGC abhängt [27]. Es gibt gute Belege,<br />
dass NTG eine S-Nitros(yl)ierung <strong>von</strong> Proteinen<br />
im Blut und Geweben induziert [28].<br />
Somit könnte NTG entweder eine direkte<br />
Bildung <strong>von</strong> S-Nitrothiolen oder die Entstehung<br />
<strong>von</strong> einer bis jetzt nicht genauer<br />
definierten Häm-NO-Spezies induzieren.<br />
PETN scheint dagegen direkt authentische<br />
NO freizusetzen [29]. Da NO (wie oben<br />
dargestellt) die Aktivität/Expression verschiedener<br />
TF und RNA-BP modifiziert,<br />
könnte dies die Unterschiede in den gefundenen<br />
Expressionsprofilen erklären.<br />
Schlussfolgerungen<br />
Die Daten der Expressionsstudie mithilfe der<br />
DNA-Microarray-Technik legen den Schluss<br />
nahe, dass eine NTG-Behandlung im Herzen<br />
ein Netzwerk <strong>von</strong> TF aktiviert/induziert, das<br />
kardiotoxische Prozesse begünstigt. Diese<br />
Daten erklären vielleicht teilweise den Befund,<br />
dass Langzeit-Behandlung mit NTG<br />
mit einem erhöhten kardiovaskulären Todesfallrisiko<br />
verbunden ist [30].<br />
Eine PETN-Behandlung scheint dagegen<br />
kein kardiotoxisches, sondern eher ein<br />
kardioprotektives TF-Netzwerk zu aktivieren/induzieren.<br />
Somit müsste die Prognose<br />
<strong>von</strong> Patienten, die für längere Zeit mit<br />
PETN behandelt werden, besser als im Fall<br />
einer NTG-Behandlung sein. n<br />
Summary<br />
Nitric oxide (NO) has been described to<br />
have multiple effects on gene expression.<br />
Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel<br />
NO regulates gene expression by modulating<br />
the activity of transcription factors and<br />
thereby the activity of the promoters of<br />
NO-regulated genes. In addition, also posttranscriptional<br />
effects of NO (mRNA-stability,<br />
-translatability, -localization) and<br />
also post-translational effects (Protein-stability,<br />
-localization) have been described.<br />
Organic nitrates like nitroglycerin (NTG)<br />
and pentaerithrityl tetranitrate (PETN) are<br />
used in the treatment of angina pectoris,<br />
myocardial infarction, and congestive heart<br />
failure. Organic nitrates are believed to be<br />
donors for nitric oxide (NO) and their cardiovascular<br />
effects are attributed to this<br />
NO.<br />
There are also reports showing effects of<br />
organic nitrates (mostly NTG) on gene expression.<br />
However, recent data show<br />
marked differences in the effects of NTG<br />
and PETN on expression of genes. For example,<br />
in endothelial cells PETN but not<br />
NTG enhances the expression of the antioxidative<br />
protein heme oxygenase-I (HO-<br />
1) or the heavy chain of ferritin (FeHc).<br />
Analyses of the effects of NTG or PETN<br />
on the total genomic expression profiles in<br />
rat hearts indicate marked differences in<br />
the expressional effects of these organic<br />
nitrates. A close analysis of the expression<br />
profiles induced by NTG or PETN indicate<br />
that NTG-treatment results in the induction<br />
of cardiotoxic gene expression networks<br />
leading to an activation of mechanisms,<br />
which result in pathologic changes in<br />
cardiomyocytes. In contrast, PETN-treatment<br />
seems to activate gene expression<br />
networks, which result in cardioprotective<br />
effects. These data may explain the described<br />
adverse cardiovascular effect associated<br />
with long-term NTG-treatment.<br />
Keywords: Nitroglycerin (NTG) – pentaerithrityl<br />
tetranitrate (PETN) – gene expression<br />
– genomic expression profiles –<br />
DNA microarrays – cardiotoxicity<br />
Literatur<br />
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Organische Nitrate<br />
65
Herz Supplement<br />
Cardiovascular Diseases<br />
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Für die Verfasser:<br />
Prof. Dr. Hartmut Kleinert<br />
Institut für Pharmakologie, Universitätsmedizin<br />
der Johannes Gutenberg-<br />
Universität, Obere Zahlbacher Str. 63<br />
55101 Mainz, Germany<br />
Tel.: +49 (0) 6131 17 9276<br />
Fax: +49 (0) 6131 17 9042<br />
66 Herz 35 · 2010 · Supplement II © Urban & Vogel