Wissenschaft für die Praxis - Sparkassen Wissenschaftsförderung
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DAS AKTUELLE INTERVIEW<br />
Vielfältige Aufgaben rechtswissenschaftlicher Forschung<br />
Europäische und internationale<br />
Entwicklungen mitgestalten<br />
Prof. Dr. Dr. h. c. Uwe H. Schneider, Direktor<br />
des Instituts <strong>für</strong> deutsches und<br />
internationales Recht des Spar-, Giro- und<br />
Kreditwesens an der Universität Mainz,<br />
konnte kürzlich seinen 70. Geburtstag<br />
feiern. Eine aus <strong>die</strong>sem Anlass verfasste<br />
umfangreiche Festschrift zeigt seine hohe<br />
Reputation in <strong>Wissenschaft</strong> und <strong>Praxis</strong>.<br />
Sein Rat und seine Expertise sind gefragt.<br />
Seine pointierten Beiträge zu Themen<br />
auch außerhalb der Finanzszene, z.B. zur<br />
„Heuschrecken-Debatte“, regen zur Diskussion<br />
an. Das nachfolgende Interview<br />
vermittelt einen Ausschnitt der vielfältigen<br />
Aktivitäten von Professor Schneider.<br />
Frage:<br />
Wo sehen Sie besonderen Bedarf <strong>für</strong> künftige<br />
rechtswissenschaftliche Forschung?<br />
Modelltheoretische Forschung mag nützlich<br />
sein. Ich sehe sie aber nicht als vorrangige Aufgabe<br />
rechtswissenschaftlicher Forschung. Sie<br />
sollte sich vielmehr neuen Entwicklungen in<br />
der <strong>Praxis</strong> und der rechtspolitischen Diskussion<br />
im nationalen und internationalen Bereich<br />
zuwenden. Und da besteht jede Menge<br />
Bedarf. Ich denke an neue Finanzprodukte,<br />
Entwicklungen in der Vertragsgestaltung, an<br />
<strong>die</strong> Neuordnung des Zahlungsverkehrs und<br />
des Insolvenzrechts. Ich denke an <strong>die</strong> vielfältigen<br />
aufsichtsrechtlichen Herausforderungen<br />
im Aufsichtsrecht und im Steuerrecht. Und ich<br />
denke an <strong>die</strong> Überprüfung rechtspolitischer<br />
Vorschläge und jüngster gerichtlicher Entscheidungen,<br />
etwa im Anlegerschutzrecht.<br />
Frage:<br />
In welche Richtung entwickelt sich nach Ihrer<br />
Ansicht das deutsche Bankensystem?<br />
Vor einiger Zeit konnte man im Bericht des Internationalen<br />
Währungsfonds lesen, <strong>die</strong> deutsche<br />
Kreditwirtschaft sei „in robuster Verfassung“.<br />
Und kein Zweifel: Zum Industriestandort<br />
und zum Dienstleistungsstandort Deutschland<br />
gehören leistungsfähige Kreditinstitute, eine<br />
funktionsfähige Börse und eine funktionsfä-<br />
hige Aufsicht. Hier bestehen vielfältige Gefahren<br />
<strong>für</strong> eine Fehlentwicklung. Da gilt es, an <strong>die</strong><br />
Erfolge der <strong>Sparkassen</strong> anzuknüpfen, ihren Bestand<br />
zu sichern und sie nicht durch abenteuerliche<br />
Reformpläne zu verunsichern. Die<br />
Zukunft der deutschen <strong>Sparkassen</strong> liegt nicht<br />
in der Konzernbildung, sondern in ihrer Dezentralität.<br />
„Nie hat ein Dichter <strong>die</strong> Natur so<br />
verändert wie Juristen <strong>die</strong> Wirklichkeit“ (Giraudoux).<br />
Juristen haben aber auch <strong>die</strong> Aufgabe,<br />
Bewährtes zu bewahren.<br />
Frage:<br />
Sie sind Autor und Herausgeber namhafter wissenschaftlicher<br />
Werke, u.a. des Handbuchs Managerhaftung.<br />
Wie bewerten Sie <strong>die</strong> aktuelle<br />
Diskussion über <strong>die</strong> Haftung von Bankmanagern<br />
im Rahmen der Finanzkrise?<br />
Wir bewegen uns zwischen Skylla und Charybdis.<br />
Die Geschäftsleiter der Kreditinstitute, <strong>die</strong><br />
Aufsichts- und Verwaltungsräte haften nur bei<br />
Pfl ichtverletzung. Und es macht guten Sinn,<br />
<strong>die</strong> Beteiligten an ihre persönliche Verantwortung<br />
zu erinnern. Das ist vielleicht <strong>die</strong> wichtigste<br />
Form der Verhinderung künftiger Bankenkrisen.<br />
Aber <strong>die</strong> Managerhaftung soll nicht<br />
dazu <strong>die</strong>nen, bürgerliche Existenzen zu vernichten.<br />
Deshalb plä<strong>die</strong>re ich <strong>für</strong> eine Obergrenze<br />
der persönlichen Haftung.<br />
Frage:<br />
Ihre jüngsten Ausführungen zur Ethik im Kapitalmarkt<br />
wurden viel beachtet. Welche Beweggründe<br />
haben Sie dazu veranlasst, sich <strong>die</strong>sem<br />
Thema zu widmen?<br />
Wir haben gelernt, dass es Verhaltensweisen<br />
gibt, <strong>die</strong> sich nicht rechtlich regeln lassen. Wir<br />
sind aufgefordert, uns an unsere überkommenen<br />
und bewährten Prinzipien wie Wahrheit<br />
und Fairness zu erinnern. Und dabei gilt es,<br />
nicht Wolken zu schieben, sondern konkrete<br />
Handlungsanweisungen zu geben.<br />
Frage:<br />
Sie sind in einer Vielzahl nationaler und internationaler<br />
Gremien, Kommissionen und Ar-<br />
Prof. Dr. Dr. h. c. Uwe H. Schneider<br />
beitsgruppen vertreten, z.B. als Mitglied der<br />
Working Group Corporate Governance bei der<br />
Organisation <strong>für</strong> wirtschaftliche Zusammenarbeit<br />
und Entwicklung (OECD) in Paris. Sehen Sie<br />
zusätzlichen Handlungsbedarf bei der Vertretung<br />
deutscher Interessen auf internationalem<br />
Parkett?<br />
Wir vernachlässigen in sträfl icher Weise <strong>die</strong><br />
Wahrnehmung unserer regionalen Interessen<br />
auf europäischer und internationaler Ebene.<br />
Das gilt in gleicher Weise <strong>für</strong> <strong>die</strong> Stabilisierung<br />
unseres Währungssystems wie <strong>für</strong> <strong>die</strong> Ausgestaltung<br />
der Corporate Governance bei Unternehmen,<br />
bei den Zumutungen einer Transferunion<br />
und bei der Disziplinierung praxisfernen<br />
Anlegerschutzes in Gremien, <strong>die</strong> weit weg sind<br />
von der täglichen Verantwortung. Handlungsbedarf<br />
besteht <strong>für</strong> alle, <strong>die</strong> Rechtspolitik ebenso<br />
wie <strong>die</strong> <strong>Wissenschaft</strong>, <strong>für</strong> <strong>die</strong> Unternehmen<br />
und <strong>für</strong> <strong>die</strong> Verbände. Wir vernachlässigen unsere<br />
Interessen!<br />
Frage:<br />
Ihnen wurde 2010 in Anerkennung Ihrer wissenschaftlichen<br />
Leistungen und Ihres Ein satzes <strong>für</strong><br />
den internationalen Hochschulaustausch von<br />
4 <strong>Wissenschaft</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Praxis</strong> – Mitteilungen 71