01.12.2012 Aufrufe

Wissenschaft für die Praxis - Sparkassen Wissenschaftsförderung

Wissenschaft für die Praxis - Sparkassen Wissenschaftsförderung

Wissenschaft für die Praxis - Sparkassen Wissenschaftsförderung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

DAS AKTUELLE INTERVIEW<br />

Vielfältige Aufgaben rechtswissenschaftlicher Forschung<br />

Europäische und internationale<br />

Entwicklungen mitgestalten<br />

Prof. Dr. Dr. h. c. Uwe H. Schneider, Direktor<br />

des Instituts <strong>für</strong> deutsches und<br />

internationales Recht des Spar-, Giro- und<br />

Kreditwesens an der Universität Mainz,<br />

konnte kürzlich seinen 70. Geburtstag<br />

feiern. Eine aus <strong>die</strong>sem Anlass verfasste<br />

umfangreiche Festschrift zeigt seine hohe<br />

Reputation in <strong>Wissenschaft</strong> und <strong>Praxis</strong>.<br />

Sein Rat und seine Expertise sind gefragt.<br />

Seine pointierten Beiträge zu Themen<br />

auch außerhalb der Finanzszene, z.B. zur<br />

„Heuschrecken-Debatte“, regen zur Diskussion<br />

an. Das nachfolgende Interview<br />

vermittelt einen Ausschnitt der vielfältigen<br />

Aktivitäten von Professor Schneider.<br />

Frage:<br />

Wo sehen Sie besonderen Bedarf <strong>für</strong> künftige<br />

rechtswissenschaftliche Forschung?<br />

Modelltheoretische Forschung mag nützlich<br />

sein. Ich sehe sie aber nicht als vorrangige Aufgabe<br />

rechtswissenschaftlicher Forschung. Sie<br />

sollte sich vielmehr neuen Entwicklungen in<br />

der <strong>Praxis</strong> und der rechtspolitischen Diskussion<br />

im nationalen und internationalen Bereich<br />

zuwenden. Und da besteht jede Menge<br />

Bedarf. Ich denke an neue Finanzprodukte,<br />

Entwicklungen in der Vertragsgestaltung, an<br />

<strong>die</strong> Neuordnung des Zahlungsverkehrs und<br />

des Insolvenzrechts. Ich denke an <strong>die</strong> vielfältigen<br />

aufsichtsrechtlichen Herausforderungen<br />

im Aufsichtsrecht und im Steuerrecht. Und ich<br />

denke an <strong>die</strong> Überprüfung rechtspolitischer<br />

Vorschläge und jüngster gerichtlicher Entscheidungen,<br />

etwa im Anlegerschutzrecht.<br />

Frage:<br />

In welche Richtung entwickelt sich nach Ihrer<br />

Ansicht das deutsche Bankensystem?<br />

Vor einiger Zeit konnte man im Bericht des Internationalen<br />

Währungsfonds lesen, <strong>die</strong> deutsche<br />

Kreditwirtschaft sei „in robuster Verfassung“.<br />

Und kein Zweifel: Zum Industriestandort<br />

und zum Dienstleistungsstandort Deutschland<br />

gehören leistungsfähige Kreditinstitute, eine<br />

funktionsfähige Börse und eine funktionsfä-<br />

hige Aufsicht. Hier bestehen vielfältige Gefahren<br />

<strong>für</strong> eine Fehlentwicklung. Da gilt es, an <strong>die</strong><br />

Erfolge der <strong>Sparkassen</strong> anzuknüpfen, ihren Bestand<br />

zu sichern und sie nicht durch abenteuerliche<br />

Reformpläne zu verunsichern. Die<br />

Zukunft der deutschen <strong>Sparkassen</strong> liegt nicht<br />

in der Konzernbildung, sondern in ihrer Dezentralität.<br />

„Nie hat ein Dichter <strong>die</strong> Natur so<br />

verändert wie Juristen <strong>die</strong> Wirklichkeit“ (Giraudoux).<br />

Juristen haben aber auch <strong>die</strong> Aufgabe,<br />

Bewährtes zu bewahren.<br />

Frage:<br />

Sie sind Autor und Herausgeber namhafter wissenschaftlicher<br />

Werke, u.a. des Handbuchs Managerhaftung.<br />

Wie bewerten Sie <strong>die</strong> aktuelle<br />

Diskussion über <strong>die</strong> Haftung von Bankmanagern<br />

im Rahmen der Finanzkrise?<br />

Wir bewegen uns zwischen Skylla und Charybdis.<br />

Die Geschäftsleiter der Kreditinstitute, <strong>die</strong><br />

Aufsichts- und Verwaltungsräte haften nur bei<br />

Pfl ichtverletzung. Und es macht guten Sinn,<br />

<strong>die</strong> Beteiligten an ihre persönliche Verantwortung<br />

zu erinnern. Das ist vielleicht <strong>die</strong> wichtigste<br />

Form der Verhinderung künftiger Bankenkrisen.<br />

Aber <strong>die</strong> Managerhaftung soll nicht<br />

dazu <strong>die</strong>nen, bürgerliche Existenzen zu vernichten.<br />

Deshalb plä<strong>die</strong>re ich <strong>für</strong> eine Obergrenze<br />

der persönlichen Haftung.<br />

Frage:<br />

Ihre jüngsten Ausführungen zur Ethik im Kapitalmarkt<br />

wurden viel beachtet. Welche Beweggründe<br />

haben Sie dazu veranlasst, sich <strong>die</strong>sem<br />

Thema zu widmen?<br />

Wir haben gelernt, dass es Verhaltensweisen<br />

gibt, <strong>die</strong> sich nicht rechtlich regeln lassen. Wir<br />

sind aufgefordert, uns an unsere überkommenen<br />

und bewährten Prinzipien wie Wahrheit<br />

und Fairness zu erinnern. Und dabei gilt es,<br />

nicht Wolken zu schieben, sondern konkrete<br />

Handlungsanweisungen zu geben.<br />

Frage:<br />

Sie sind in einer Vielzahl nationaler und internationaler<br />

Gremien, Kommissionen und Ar-<br />

Prof. Dr. Dr. h. c. Uwe H. Schneider<br />

beitsgruppen vertreten, z.B. als Mitglied der<br />

Working Group Corporate Governance bei der<br />

Organisation <strong>für</strong> wirtschaftliche Zusammenarbeit<br />

und Entwicklung (OECD) in Paris. Sehen Sie<br />

zusätzlichen Handlungsbedarf bei der Vertretung<br />

deutscher Interessen auf internationalem<br />

Parkett?<br />

Wir vernachlässigen in sträfl icher Weise <strong>die</strong><br />

Wahrnehmung unserer regionalen Interessen<br />

auf europäischer und internationaler Ebene.<br />

Das gilt in gleicher Weise <strong>für</strong> <strong>die</strong> Stabilisierung<br />

unseres Währungssystems wie <strong>für</strong> <strong>die</strong> Ausgestaltung<br />

der Corporate Governance bei Unternehmen,<br />

bei den Zumutungen einer Transferunion<br />

und bei der Disziplinierung praxisfernen<br />

Anlegerschutzes in Gremien, <strong>die</strong> weit weg sind<br />

von der täglichen Verantwortung. Handlungsbedarf<br />

besteht <strong>für</strong> alle, <strong>die</strong> Rechtspolitik ebenso<br />

wie <strong>die</strong> <strong>Wissenschaft</strong>, <strong>für</strong> <strong>die</strong> Unternehmen<br />

und <strong>für</strong> <strong>die</strong> Verbände. Wir vernachlässigen unsere<br />

Interessen!<br />

Frage:<br />

Ihnen wurde 2010 in Anerkennung Ihrer wissenschaftlichen<br />

Leistungen und Ihres Ein satzes <strong>für</strong><br />

den internationalen Hochschulaustausch von<br />

4 <strong>Wissenschaft</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Praxis</strong> – Mitteilungen 71

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!