Wissenschaft für die Praxis - Sparkassen Wissenschaftsförderung
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sche Wandel und <strong>die</strong> fi nanzielle Ausstattung<br />
der Gemeinden <strong>die</strong> größten Herausforderungen<br />
der Zukunft. „<strong>Sparkassen</strong>“, so betonte<br />
Bomba, „sind <strong>für</strong> alle wichtiger Partner der<br />
Stadtentwicklung.“ Sie hielten zum einen den<br />
größten Marktanteil bei der Kommunalfi nanzierung.<br />
Beinahe noch wichtiger seien allerdings<br />
<strong>die</strong> Beratungsleistungen. So wären es<br />
<strong>die</strong> <strong>Sparkassen</strong>, <strong>die</strong> Kämmerer schulten und<br />
rund um Zins und Finanzierung kompetente<br />
Ansprechpartner wären.<br />
Doch bei allen ökonomischen Überlegungen<br />
dürfe man <strong>die</strong> Menschen hinter den Fassaden<br />
nicht aus dem Blick verlieren, meinte Bomba.<br />
„Wir müssen unser Wissen und <strong>die</strong> Kräfte<br />
bündeln, müssen auch <strong>die</strong> Menschen mit einbeziehen.“<br />
So wolle man sich weiter da<strong>für</strong> einsetzen,<br />
dass in der Bundesrepublik <strong>die</strong> Wohneigentumsquote<br />
gesteigert werde, <strong>die</strong> im<br />
Hinblick auf <strong>die</strong> Alterssicherung wichtig sei.<br />
Franz Müntefering, Bundesarbeitsminister<br />
a. D. und SPD-Bundespolitiker, ist bekannt <strong>für</strong><br />
seine klaren Worte. Und so war es kein Wunder,<br />
dass er beim Forum Privater Haushalt<br />
auch einige weniger bequeme Wahrheiten<br />
aussprach. Die Herausforderungen einer älter<br />
werdenden Gesellschaft sind <strong>für</strong> Müntefering<br />
mehr als nur Pfl ichtaufgabe. Eindringlich appellierte<br />
er an seine Zuhörer: „Wenn Sie das<br />
Thema auf Wiedervorlage gelegt haben, bitte<br />
ich Sie, es nach <strong>die</strong>sem Nachmittag nicht wieder<br />
wegzulegen, sondern es im Blick zu behalten.“<br />
Der demografi sche Wandel sei längst Realität.<br />
Während in vielen Regionen der Welt <strong>die</strong><br />
Geburtenzahlen steigen, zeichne sich in Europa<br />
ein gegenläufi ger Trend ab. Lebte um 1900<br />
etwa ein Viertel aller Menschen in Europa, würden<br />
es 2050 weniger als zehn Prozent sein.<br />
„Für Deutschland heißt das: Heute sind wir<br />
rund 81 Millionen Menschen im Land. 2050<br />
werden wir 65 Millionen sein.“ Letzteres aber<br />
nur, wenn im Durchschnitt 100.000 Menschen<br />
pro Jahr zuwanderten. „Ohne jeden positiven<br />
Wanderungssaldo würden uns 2040 weitere 4<br />
Millionen Einwohner fehlen. Also aus 81 Millionen<br />
heute würden dann rund 61 Millionen<br />
Menschen.“ Dieser Problematik müsse man<br />
sich stellen.<br />
Das Deutschland der Zukunft überschrieb<br />
Müntefering mit „weniger, älter, bunter“. Von<br />
1960 bis heute habe sich <strong>die</strong> Zahl der Neugeborenen<br />
in Deutschland etwa halbiert. Doch an<br />
den Geburtenzahlen zeige sich, dass heute<br />
„viele Paare weitgehend souverän entscheiden<br />
könnten, ob sie Kinder und wie viele und wann<br />
bekommen“. Die Verlässlichkeit der Geburtenkontrolle<br />
sei sicherlich ein Fortschritt. „Und<br />
deshalb dürfen wir nicht jammern über <strong>die</strong> Kinder,<br />
<strong>die</strong> wir nicht haben, sondern müssen uns<br />
um <strong>die</strong> Kinder kümmern, <strong>die</strong> wir haben!“ Denn<br />
der demografi sche Wandel habe auch einen<br />
Fortschritt mit sich gebracht, dem heute noch<br />
viel zu wenig Beachtung geschenkt würde.<br />
Weltweit sei <strong>die</strong> Lebenserwartung zwischen<br />
1950 und 2000 im Schnitt von 47 auf 65 Jahre<br />
gestiegen. „Dass <strong>die</strong> Aussicht auf ein längeres<br />
Leben als Fortschritt wahrgenommen wird, ist<br />
offensichtlich. Kaum einer von uns, der nicht<br />
dabei sein will. Zehn Jahre länger leben als <strong>die</strong><br />
Generationen vor uns, heißt rund 88.000 Stunden<br />
mehr Lebenszeit – und da stellt sich <strong>die</strong><br />
Frage, was wir damit machen.“ Länger arbeiten<br />
ist <strong>für</strong> Müntefering durchaus eine Option. „Meine<br />
Partei sagt bis 65, ich sage bis 67.“<br />
Denn <strong>die</strong> Rente ließe sich auf Dauer nur<br />
fi nanzieren, wenn mehr und länger in <strong>die</strong> Kas-<br />
VERANSTALTUNGEN<br />
Beim dritten Forum Privater Haushalt diskutierten Experten aus der <strong>Sparkassen</strong>-Finanzgruppe, der Politik und der Wirtschaft über <strong>die</strong><br />
Veränderung der Lebensbedingungen in den Städten.<br />
sen eingezahlt werde. Dazu brauche man insgesamt<br />
bessere Löhne. „Die prekären Jobs<br />
müssen weg.“ Denn der Wohlstand des Landes<br />
habe mit Hochleistung zu tun, nicht mit Dumpinglöhnen.<br />
Dazu müsse man allerdings einen<br />
Trend umkehren, der in einigen Regionen<br />
Deutschlands erkennbar sei: Dass es Schulen<br />
gebe, in denen kein Elternteil einer vernünftigen<br />
Beschäftigung nachgehe. Gegensteuern<br />
könne man nur mit Bildung, Bildung, Bildung.<br />
Und <strong>die</strong> beginne laut Müntefering bereits in<br />
der Krippe. „Kinder brauchen den Umgang mit<br />
anderen Kindern. Nur Eltern und Großeltern<br />
glauben, dass ihre Kleinen lieber mit ihnen als<br />
mit anderen Kindern spielen.“<br />
Müntefering forderte, mehr <strong>für</strong> <strong>die</strong> Vereinbarkeit<br />
von Familie und Beruf zu tun. Dazu<br />
müsse man sich auch intensiv mit Fragen rund<br />
um das Thema Pfl ege beschäftigen. Bislang<br />
seien es meist <strong>die</strong> Frauen, <strong>die</strong> sich um ältere<br />
Angehörige kümmern. Zudem setzt der<br />
SPD-Politiker auf <strong>die</strong> Verantwortung der Gemeinschaft.<br />
Er sprach sich <strong>für</strong> einen zügigen<br />
Ausbau der ambulanten Palliativ- und Hospiz<strong>die</strong>nste<br />
aus. Die ärztliche Versorgung müsse<br />
generell in den dünn besiedelten Regionen<br />
sichergestellt werden.<br />
Mit einigen nachdenklichen Worten entließ<br />
Müntefering seine Zuhörer: „Was ist eigentlich<br />
<strong>die</strong> letzte Strecke, wie sieht Abschiedskultur<br />
aus?“ Menschen wünschten sich nichts mehr,<br />
als zu Hause unter Menschen zu sein und unter<br />
Menschen zu sterben. Auf <strong>die</strong>se Fragen<br />
müsse eine alternde Gesellschaft Antworten<br />
fi nden. Gerade deshalb tauge das Thema „Demografi<br />
e“ eben nicht, auf Wiedervorlage gelegt<br />
zu werden.<br />
Signe Zerrahn<br />
<strong>Wissenschaft</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Praxis</strong> – Mitteilungen 71 17