12.07.2015 Aufrufe

SFT 6/84 - Science Fiction Times

SFT 6/84 - Science Fiction Times

SFT 6/84 - Science Fiction Times

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

22<strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong> <strong>Times</strong> 6/<strong>84</strong>tion, die mittlerweile seit fast fünfzehnJahren totgesagt wird und dabei dochimmer wieder beharrlich auftaucht undihr Lesepublikum findet. Mittlerweileliegen zahlreiche Storysammlungen mitTexten der New Wave vor; auch einigeRomane wurden übersetzt, aber einefundierte theoretische Auseinandersetzungmit dem Phänomen New Wave gabes bisher kaum. Abhilfe schafft das vorliegendeBuch, eine Dissertation, diesich bemüht, alle Aspekte dieser weitgestreutenliterarischen Bewegung - diesich nie selbst als solche verstanden hat- zu beleuchten und zu interpretieren.Interessant ist das Buch aber nichtnur ftir Fans der New Wave. Es gliedertsich in zwei Teile; der erste schildertausfUhrlieh die Entwicklungsgeschichteder modernen SF bis in die sechzigerJahre hinein, eine Zeit, in der das Genresich - nicht nur nach der Meinung seinerheftigsten Kritiker - in phantasieloseAufgüsse alter und ältester Themenerging und nichts Neuesund Originellesgeschrieben wurde. Keim beleuchtet dieseEntwicklung objektiv und sachlichbis hin zu der Situation der Stagnation,in der die NewWave schließlich fruchtbarenBoden fand und - aus heutigerSicht - nicht nur möglich, sondern sogarnotwendig wurde. Im zweiten Teilwird gleichermaßen ausfUhrlieh auf dieBewegung selbst eingegangen, was dieunter dem BegriffNewWave zusammengefaßtenAutoren wollten, was sie erreichten,gefolgt von Werkanalysen derwichtigsten Vertreter - Ballard, Aldiss,Moorcock. Keim verdeutlicht, daß dieNew Wave im Grunde genommen einebritische Angelegenheit war, obwohl siein den USA rasch Nachahmer (aber ebennur Nachahmer) fand, auf die dannebenfalls eingegangen wird: Delany,Zelazny und Harlan Ellison, wobeiKeim allerdings - zurecht - nur NormanSpinrad als aussagestarken amerikanischenVertreter der New Wave anfUhrenkann.Nach der Lektüre beider Teile werdenZusammenhänge der literarischenEntwicklung der SF deutlich, und mancherwird die New Wave vielleicht ineinem neuen Licht sehen - denn erreichthat sie, wie man heute zugebenmuß, eine ganze Menge (wenngleichauch das immer wieder bestritten wird):Sie hat durch ihre kompromißlose Konfrontationauch die stilistischen Normenund Qualitätsstandards der "normalen"SF deutlich angehoben, auchdarauf weißt Heinrich Keim im Resümeehin.Wenn man sich flir die Entwicklungder SF interessiert, dann kommt man andiesem Buch auf gar keinen Fall vorbei,und wer Hintergrundinformationen undMaterial zur New Wave sucht, der wirdes hier überreich fmden - aber auch hinreichendInformation zur SF allgemein,so daß das Buch nicht nur ftir NewWave-Interessierte interessant ist. Dereinzige Nachteil ist der, daß eine Bibliographiedeutscher Übersetzungen vonNew Wave-Texten fehlt, die dem deutschenLeser eine Orientierung erleichtertund ihm eine Hilfestellung beimEinstieg in diesen nicht unproblematischenZweig der modernen Literaturgegeben hätte. Trotzdem: ein überausfundiertes und interessantes Buch.J. G. BallardHALLO AMERIKA!(Hello America!)Joachim KörberFrankfurt a. M. 19<strong>84</strong>, Suhrkamp TB895,200 S., DM 8,-Deutsch von Rudolf HerrnsteinAmerika hat die Krise zu Ende des 20.Jahrhunderts nicht überstanden. Binnenweniger Jahre brach die Wirtschaft zusammen,verwaiste der ganze Kontinent.Die Aussiedler und ihre Nachkommenhaben in der übrigen Welt eine neue Heimatgefunden. Amerika ist nur nocheine Legende, mit der sich die unerfiilltenSehnsüchte zahlloser Tagträumerverbinden. Hundert Jahre später allerdingsmacht sich ein Forschungsteam zudem verlassenen Kontinent auf, demeinige Nachkommen arnerikanischerAuswanderer angehören. Sie standenmit ihrem Schiff im Hafen von NewYork, um anschließend eine Expeditionins Landesinnere zu entsenden. Doch esverläuft nicht alles nach Plan. Schonbald werden füt die Expeditionsteilnehmerihre von der verwüsteten Landschaftangeregten Träumereien wichtigerals ihre eigentliche Mission."Eine Abrechnung mit dem Landseiner Träume" nennt der KlappentextBallards jüngsten Roman, der nun endlich- nach geraumer Verzögerungdurch den Suhrkamp-Verlag - in eineransprechenden Übersetzung vorliegt. Inder Tat hat sich Ballard seit seinencondensed novels in THE ATROCITYEXHIBITION nicht mehr auf derartoriginelle Weise mit einem seiner Haupt-themen auseinandergesetzt HELLOAMERICA! ist zu einem seiner komplexestenRomane geworden. Die Expeditiondurch das verwüstete Amerika unddie damit verbundenen Begegnungenmit den verschrobenen Ureinwohnerndes Landes ist Aufhänger ftir eine Handlung,die sich weit intensiver auf psychologischerund symbolischer Ebene als imRahmen des vordergründigen Geschehensabspielt. Zum einen findet sichauch hier Ballards typische Bilderweltwieder: die Wüstenlandschaften, die verlassenenStädte und all die Artefakteeiner brachliegenden, von der Natur allmählichzurückeroberten Technologie.Zum andern werden wieder keine "realistischen",sondern eher allegorischeCharaktere geschildert, von denen jedereine Facette des emotionalen und assoziativenSpektrums abdeckt, welches diegeschilderten Landschaften und symbolträchtigenBilder anregen. Der Romanwird dadurch allerdings zu einer nichteinfachen Lektüre, eine Identifikationmit den Charakteren im üblichen Sinneist kaum denkbar.Formal zerfallt der Roman in eineReihe von Episoden, womit Ballard gewissermaßenerneut eines seiner literarischenHauptprobleme in Angriffnimmt, nämlich für eine prospektiveLiteraturgattung - wie er die SF versteht- eine adäquate äußere Form zufmden, die dem herkömmlichen linearenErzählen eine zeitgemäßere Alternativegegenüberstellt. DemlOch istHELLO AMERICA! kein romangemäßerAufguß seiner condensed novels.Wie in seinen jüngeren Werken erweistsich übrigens auch in diesem Buch,daß Ballard leichtfüßiger, ungezwungenerund humorvoller geworden ist. Erhat sich von einem bizarren Surrealistenzu einem modernen Märchenerzähler gewandelt,der in seinen Werken die Mythendes 20. Jahrhunderts thematisiert.Er hat damit allerdings auch ein wenigan Vielseitigkeit eingebüßt. Für denoberflächlichen Leser dürften seine jüngerenTexte einander doch sehr ähneln.Nur wer bereit ist, in die Lektüre einigesan Aufmerksamkeit und Mitdenken zuinvestieren, wer die Fähigkeit besitzt,die subtile Einarbeitung neuer Motiveund das Weiterspinnen schon oft aufgetretenerSymbolmuster zu verfolgen,wird an Ballard - und auch an diesemRoman - auch weiterhin sein Vergnügenhaben.Michael K. lwoleit

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!